Aufruf an alle Hausprojekte ihre Infrastruktur wieder der Bewegung zu übergeben!

Jede*r kennt diese Projekte in der eigenen Stadt. Ein paar 30-50 Jährige die mittlerweile einen sicheren Job haben (am besten noch in irgendwelchen linken Projekten). Die politische Arbeit zwar noch für richtig halten aber sich komplett von den Menschen die diese betreiben entfernt haben und junge Aktivistis nervig finden. Ihre wilde Anfang-20er Phase ist vorbei und jetzt gilt es das schöne Leben zu leben. Wie praktisch, dass mensch ja eh schon in einem Hausprojekt wohnt und mittlerweile auch die eigenen Freund*innen da hat einziehen lassen. Der ursprünglich politische Grund für die Gründung des Projekt ist vergessen. Hier finden schon lange keine Soli-Abende und Plena von externen Gruppen mehr statt. Es bleibt die billige Miete für Wenige. Die Nutzung für linksradikale Politik oder andere emanzipatorische Vorteile des Hausprojektes ist verloren gegangen.

Wir die Verfasser*innen kennen diese Zustände mehr als genug. Unsere Veranstaltungen in den Gewerbeflächen der Projekte wurden abgelehnt, weil die Bewohner*innen in spießbürgerlicher Manier nicht in Ihrer Ruhe gestört werden wollten. Um bessere Schallabschirmung einzubauen fehlte dann immer das Geld, die Zeit oder schlicht das Interesse. Linke Menschen sind halt nicht befreit davon in die Besitzer*innenrolle zu schlüpfen, wenn mensch dann doch mal über Eigentum verfügt. Die Ladenflächen stehen dann tage- und wochenlang leer, obwohl es durchaus Interesse an deren Bespielung gibt. Spontan darf mensch solche Räume eh nie nutzen, weil jede Veranstaltungsanfrage erst durch wöchentliche oder sogar monatliche Haus- und AG-Plenum genehmigt werden muss.

 

Die Krönung ist, wenn Projekte nicht bereit sind ihre billige Miete um 10€ im Monat zu erhöhen um Gruppen die Möglichkeit zu geben kostenlos plenieren zu können. Wir kennen Beispiele von Gruppen, die vor die Wahl gestellt wurden entweder jeden Monat mehrere hunderte Euros für einen Plenumsraum aufzubringen oder zum Jahresende gekündigt zu werden. Als die Gruppen sich dies nicht leisten konnten (die Barfläche im Raum neben an durfte natürlich nicht genutzt werden), mussten die Gruppen raus. Jetzt sind dort Schreibtische die mensch mieten kann. Klasse, Coworking Space von links.

 

Viele von Uns konnten nicht in Hausprojekte einziehe, da die dort lebenden über 35-Jährigen, die freien Plätze für ihre Hedo-Freund*innen reservieren. Wenige Leute ziehen aus Hausprojekten aus wenn sie sich eine normale Mietwohnung leisten können, dabei wird ihr Gehalt teilweise von der Bewegung  gezahlt (Festanstellungen in linken Veranstaltungsorten, Vereinen, Stiftungen, Zeitungen). Dies ist ungerecht! Viele von Uns haben Probleme unsere Miete zu zahlen, sind gezwungen beschissener Lohnarbeit nachzugehen und kommen daher kaum dazu Politik machen. Den Luxus von billigem Wohnraum und dadurch weniger Arbeitszeit, in (angeblich) politischen Hausprojekten, genießen aber verdrogte Kunststudent*innen.

 

Das Mietshäusersyndikat ist leider keine große Hilfe im Kampf gegen die Entpolitisierung der Hausprojekte. Das Mietshäusersyndikat ist sich zwar der oftmaligen Entwicklung der Entpolitisierung bewusst, hat aber keinerlei Mechanismen dagegen entwickelt. Das Mindeste was wir deshalb fordern ist, dass politische Hausprojekte als politische Hausprojekte bestehen bleiben. Genauso wie eine Klausel  gegen die Rückführung der Hausprojekte an den Markt existiert, sollte auch eine Klausel gegen die Entpolitisierung aufgenommen werden. Hausprojekte sind keine bürgerlichen Rückzugsorte, sondern es wurde viel Zeit, Geld und Schweiß von Menschen investiert um solche solidarischen Orte zu schaffen. Das Mietshaussyndikat soll festschreiben, dass kostenlose Plenumsorte und Veranstaltungsräume für externe politische Gruppen in jedem Hausprojekt existieren müssen.

 

Und ja auch die Barräume sollen sich nicht selbst finanzieren müssen. Das Gruppen welche mühsam darin Veranstaltungen organisieren, alle Schichten stemmen und den Raum sauber halten noch nicht einmal die Einnahmen der Theke bekommen, ist eine Schweinerei. Solidarische Veranstaltungsräume müssen wirklich solidarische Räume sein. Getränkeeinnahmen sind nicht dafür da, dass eure Hippiefreunde ihre DJ-Karriere ausleben können. Das Geld fehlt uns an vielen Stellen für Repression, Aktionen und Organisierung.

 

Um es nochmal mit aller Schärfe zu sagen: Es gibt im Kapitalismus aktuell wenige linke und anarchistische  Räume, welche kollektiv genutzt werden können. Es sollte daher nicht als Spaß, sondern als Aufgabe und Bürde gelten in einem Hausprojekt zu wohnen. Anstatt sich  über den sicheren Nestplatz und die billige Miete zu freuen, sollten die Bewohner*innen mehr Geld ausgeben um Veranstaltungsorte, Plenumsräume, Ladenprojekte usw. zu ermöglichen. Hausprojekte sollten Orte sein, welche unsere Ideologie propagieren,  gegenseitige Hilfe ausleben und neue Strukturen schaffen. Inaktive Projekte ohne politischen Output und in denen neue Lebensmodelle nicht mal ausprobiert werden, sind nichts als Verschwendung. Hausprojekte sollten Unterschlüpfe, antagonistische Unruheherde, Krankenhäuser, Waffenlager,  Schulen, Schießplätze,  und Obdachlosenunterkünfte sein, anstatt nur ein billiger Wohnraum für Ex-Aktive Linke. Und natürlich sollten in allen Häusern auch Räume auch für Menschen in prekären Situationen existieren.

 

Jeder Mensch der in solchen Häusern lebt, sollte sich also fragen ob er*sie das Haus als ihr Eigentum ansieht und ob er*sie in den letzten Jahr mal wieder keine Aktion gemacht hat. Wenn dies so ist sollte der Mensch ausziehen. Der Wohnraum sollte für 19-Jährige Zecken da sein, die gerade jede Woche eine Aktion machen und deren Traum es ist in einem Hausprojekt zu wohnen anstatt für „chillige“ Kommiliton*innen die überhaupt keinen Sinn in autonomer Politik sehen.

 

Wir, die nicht in solchen Projekten leben, sollten versuchen eingeschlafene Häuser wiederzubeleben oder zu übernehmen. Vielleicht braucht es keine weiteren besetzten Häuser um die vielen in den letzten 2 Jahren verlorenen Freiräume zu ersetzen, sondern nur neuen Wind in den alten.

Die wenigen Hausprojekte die ihre Aufgabe als Freiraum ernsthaft erfüllen brauchen sich nicht angegriffen fühlen und die Beispielaltersangaben sind polemisch gewählt und sollen nicht verschleiern wie viele coole, aktive, sympathisierende ü-30er es gibt :)

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Ergänzungen

Mal ganz ehrlich: Ihr habt das Ettiket "Autonome" übernommen, weil ihr lediglich autonome Strukturen und entsprechenden identitären Habitus übernommen habt, aber inhaltlich ist alles andere auf der Strecke geblieben...

Mit welcher Berechtigung fordert ihr Ressourcen ein, die Genoss*innen in jahrelangen mühsamen Kämpfen erstitten und erarbeitet haben?

Merkt ihr eigentlich noch irgendwas in eurer totalen Isolation einer marginaliserten Szeneblase?

Schön viele Abwehrreaktionen der ex-linken Hausbes(e)itzerklasse hier, das zeigt, der Text hat begründet einen Nerv getroffen. Genauso wie beschrieben sind viele "Hausprojekte" zu günstigen Refugien der Langzeiteinwohner geworden. Infoläden, Kneipen, Treffpunkte wurde nach und nach abgeschafft. So wurden aus Aktivisten normale Bürger, die einfach schöner wohnen.

"Hausprojekt" ist eben nicht gleich "emanzipatorisches Projekt", oft wird daraus schnell der Privielegienstadel, der von der Stadtverwaltung gepampert ist.

Das muss nicht sein und es gibt Gegenbeispiele. Bei denen die Einwohner auch ihren z.B. finanziellen Beitrag dazu leisten, dass auch andere libertäre und linke Leute einen Nutzen vom Hausprojekt haben. Nehmt euch ein Beispiel.

Das heißt allerdings auch nicht, dass einfach alle Wünsche der Externen wahr werden können. Oft geht es um verlässliche Mitarbeit und Kompromisse, die dann auch von allen Beteiligten gewollt werden müssen.

Dieser LowerClassMag-Artikel von Mitte 2021 könnte auch ganz nützlich für die Diskussion sein:

https://lowerclassmag.com/2021/06/25/die-neue-deutsche-spiessigkeit-wohn...

 

Natürlich ist dieser Text (vermutlich bewusst) sehr polemisch. Dennoch macht er doch einige wichtige Punkte deutlich und bringt ja auch einen Vorschlag auf den bisher niemand eingegangen ist: „eine Klausel gegen die Entpolitisierung“. Wie dies nun aussehen soll bleibt dabei offen, aber darüber ließe sich doch diskutieren.

 

Eine ähnlich Idee gibt es mit der Stiftung Freiräume ( https://stiftung-freiraeume.de/ ) übrigens schon. Diese wird von großen Teilen der Linken allerdings eher ignoriert. Zumindest aber wären hier (rechtlich) eine „Privatisierung“ unmöglich. Das Räume wieder für private Zweck entfremdet wird hierdurch allein zwar nicht verhindert werden. Dafür bedarf es eher einer kollektiven Intervention. Menschen müssen diese Räume dann auch nutzen und dafür sorgen das diese nicht wieder „privatisiert“ werden. Mit dem Konzept der Stiftung Freiräume wäre es zumindest weiterhin möglich sich besagte Räume zurück zu holen. (Wie z.B. der Raum in der Kunterbunte 19 in Leipzig).