Anstehende Parteigründungen untergraben politischen Protest

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Nach den großen Auseinandersetzungen um Klimaschutz, um Hambi und Danni, stehen die Zeichen auf Re-Integration. Die Gründung neuer Parteien und Wahllisten gehört zu dieser Strategie, kritische Stimmen einzufangen, und ist vielerorts beschlossene Sache. Junge, unerfahrene Aktivist*innen verbinden sich in ihnen mit alten Hasen, die zum Teil schon für andere Parteien in Parlamenten gesessen haben und – trotz des Scheiterns in den vorherigen Versuchen – schon wieder an die Wandelbarkeit des parlamentarischen Systems glauben.
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Es wiederholt sich: Politische Bewegungen entstehen. Wenn es gut läuft, wachsen sie, setzen gesellschaftliche Impulse und bedrohen bestehende Normen, Diskurse oder Strukturen. Diejenigen, die vom Status Quo profitieren, in ihm über Privilegien verfügen bzw. Steuerungsmacht innehaben, wehren sich. Allerdings tun sie das oft nicht nur durch eine plumpe Abwehr mittels Diskreditierung in der öffentlichen Meinung oder repressiver Mittel, sondern durch die Übernahme von Teilideen und einzelnen Personen, soweit ihre Pfründe dadurch nicht bedroht werden oder die Integration der neuen Impulse ihnen sogar nützen. Schon solche Vereinnahmungsversuche setzen die impulsgebenden Bewegungen einem erheblichen Druck aus. Oft kommt es sehr früh zu spaltendem Streit darüber, wie stark sich die Akteuris dieser Assimilationskraft hingeben sollten.
Eine neue Dimension erreicht der Assimilierungsprozess neuer Impulse, wenn aus den Reihen der ursprünglichen Akteuris oder der im Zuge erster Teilerfolge hinzustoßender Unterstützis selbst Strukturen geschaffen werden sollen, die den bisherigen gesellschaftlichen Mustern entsprechen. Dazu gehört die momentan starke Welle von Partei- und Wahllistengründungen mit dem Aufhänger Klimaschutz. In vielen Städten, auf Landes- und Bundesebene kommen hier Menschen aus verschiedenen Teilbewegungen zusammen, stellen Listen auf und unterwerfen sich dem hierarchisierenden Prozedere, welches vom System für alle vorgeschrieben wird, die sich an die Tische der Mächtigen setzen wollen.

In einem umfangreichen Kritikpapier aus der Projektwerkstatt in Saasen sind acht Kritikpunkte an solchen Strategien zusammengetragen worden. Die Überschriften der Punkte lauten:

  1. Parteien zu gründen bzw. zu Wahlen anzutreten, beschränkt Inhalte, zerfleddert Ideen und zerstört Ideale.
  2. Verlust der Über- und Unparteilichkeit
  3. Wieder ein paar Aktive weniger …
  4. Das Wahlergebnis wird als Gradmesser des Rückhalts gewertet.
  5. Die Erwartung, durch die Gründung einer Partei oder Wahlliste den öffentlichen und politischen Meinungsraum gezielter beeinflussen zu können, ist überhöht.
  6. Wahllisten und Parteien neigen zur Vereinnahmung der ihnen nahe stehenden Bewegungen.
  7. In den Tempeln der Macht wird jede*r zum Arschloch oder kämpft zeitlebens mit den Windmühlen oder, dritte Variante, fliegt wieder raus.
  8. Speziell zur Frage des Klimaschutzes: Die Auffassung, die außerparlamentarisch Bewegung sei erfolglos, ist oberflächlich, falsch und eher ein Trick zur Legitimation der Parteigründung.

Der gesamte Text ist unter http://www.projektwerkstatt.de/index.php?domain_id=9&p=21188 zu finden.

Beispiele für die aktuellen Partei-/Wahllistengründungen auf www.klimaliste.de. Viele weitere entstehen unabhängig in lokalen und regionalen Zusammenhängen.

 

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