Cyber Valley: Urteil & Solidarität

 

Im Cyber Valley wurde ein Urteil gesprochen: 50 Tagessätze wegen Hausfriedensbruch, weil ein Aktivist sich nicht an die Redeordnung im Tübinger Gemeinderat – durchgesetzt von OB Palmer – gehalten hatte. Es ging um den umstrittenen Bau eines Amazon-Entwicklungszentrums für Maschinelles Lernen bzw. um den Verkauf öffentlichen Baugrundes an einen entsprechenden Projektträger, die Reisch GmbH.

 

 

 

Der Prozess wurde für eine Woche unterbrochen, weil zwischendurch verwaltungsrechtliche Fragen geklärt werden mussten: Durfte Palmer, der die Anzeige in seiner Funktion als Stadtverwaltung (Exekutive) unterzeichnet hatte, diese überhaupt stellen, obwohl er nur in seiner Funktion als Oberhaupt des Gemeinderates (Legislative) vom Hausfriedensbruch betroffen und also klageberechtigt war? Dem Gericht wars letztlich egal und uns soll das juristische Kleinklein hier auch erst Mal egal sein.

Spektakulärer ist schon, dass der Inhalt der Erklärung weder vor Gericht, noch in der Berichterstattung irgend eine Rolle gespielt hat. So sprechen manche Medien von einer „Stelungnahme“, andere berichten immerhin zutreffend, dass aus dem Thesenpapier „Künstliche Intelligenz in den Landstreitkräften“ des Amtes für Heeresentwicklung der Bundeswehr vorgelesen wurde, um auf die militärische Relevanz und die militärischen Verquickungen bei der KI-Forschung im Cyber Valley hinzuweisen. Die Adressat*innen im Gemeinderat haben das ohnehin nicht mitbekommen, denn der Vorlesende wurde von einigen von ihnen dermaßen laut angekeift, dass vom Inhalt gar nichts ankommen konnte.

Das „Bündnis gegen das Cyber Valley“ hat nun eine Erklärung (nocybervalley.de) veröffentlicht. Darin heist es unter anderem: „Die Protestaktion nun als Angriff auf die Demokratie zu werten, der >den Rechtsfrieden schwer erschüttert< habe, wie es die Staatsanwaltschaft formulierte, ist infam. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei der Gemeinderatssitzung saß der Leiter des Amazon-Entwicklungszentrums neben Bürgermeister und Baubürgermeister mit am Tisch und durfte seine unehrlichen Beschwichtigungen zur Konzernpolitik ausgiebig darlegen. Amazon-Kritiker*innen waren nicht eingeladen und werden nun nach dem Verlesen einer Stellungnahme [sic!] wegen Hausfriedensbruchs angezeigt.“

Etwa 80 Leute waren trotz kurzfristiger Mobilisierung zum ersten Prozesstag vor das Amtsgericht gekommen – mit Live-Musik und verschiedenen Reden (einige davon sind hier veröffentlicht). Ein erfreuliches Lebenszeichen der Bewegung! In der Stellungnahme heist es dazu:

„Solange im Cyber Valley weiter an Überwachungstechnologie geforscht wird und keine glaubhafte Abgrenzung von der Rüstungsindustrie stattfindet, wird es hiergegen Proteste geben. Das ist auch im großen Vorbild des Cyber Valley, dem Silicon Valley, so. In den USA findet längst eine breite Diskussion darüber statt, dass große Tech-Konzerne wie Amazon die Demokratie und Technologien wie Gesichtserkennung die Freiheitsrechte gefährden. Damit wollen sich die Befürworter*innen des Cyber Valley und von Amazon allerdings ebenso wenig auseinandersetzen, wie mit den Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Die aktuellen Bemühungen der Tübinger Stadtverwaltung und vermeintlich auch einer Mehrheit des Gemeinderates, diese Proteste mit Repression zu ersticken und zu delegitimieren, stellen einen Versuch dar, von diesen inhaltlichen Auseinandersetzungen abzulenken. Wir werden diese mehr als notwendigen Auseinandersetzungen jedoch weiterführen und uns durch Kriminalisierungsversuche nicht einschüchtern lassen.“

 

Außerdem wird zur Solidarität aufgerufen:

 

„Neben dem gestrigen Prozess wurden noch zwei weitere Strafbefehle in derselben Sache erlassen, die wahrscheinlich auch zur Verhandlung kommen werden. Wer die Betroffenen unterstützen möchte, kann unter dem Stichwort/Verwendungszweck „Amazno“ an folgendes Konto überweisen:

 

Konto: DFG-VK Stuttgart (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen)

IBAN: DE32 4306 0967 4006 1617 40

Zweck: >Amazno<“

 

 

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