Gedanken, Fragen und Kritik zu unserem kollektivem Umgang mit sexualisierter Gewalt

Gedanken, Fragen und Kritik zu unserem kollektivem Umgang mit sexualisierter Gewalt

 

Das Thema sexualisierte Gewalt ist spätestens seit der städteübergreifenden Vernetzungen zu den Monis Rache „Vorfällen“ in der linken Szene oben auf. Für viele FrauenLesbenInterNonbinaryTrans* Personen hingegen – als potenziell oder tatsächlich Betroffene – ist das Thema gesamtgesellschaftlich wie auch innerhalb der Szene, überhaupt nichts Neues. 

Im Juni 2020 machte das K-Fetisch Kollektiv (Berlin) öffentlich, dass es mehrere Fälle von sexualisierter Gewalt von zwei Kollektivmitgliedern gab, und reihte sich hiermit in die traurige Aufzählung linker Orte ein, an denen FLINT Personen nicht vor Übergriffen sicher sind/waren.  Das K-Fetisch ist ein Cafe mit Barbetrieb und Raum für politische Veranstaltungen. Sie selbst schreiben über sich auf ihrer Website: „Wir alle teilen einen feministischen und anti-rassistischen Grundkonsens.“ 
Das K-Fetisch Kollektiv versprach in dem veröffentlichtem Statement, in einen kollektiven Prozess zu gehen und die Vorfälle aufzuarbeiten. 

Obwohl sexualisierte Gewalt auf so triste Weise zur Normalität auch in unseren linken und vermeintlich feministischen Räumen gehört, gibt es kaum etablierte Handlungsstrategien, positive Praxisbeispiele oder erprobte emanzipatorische Umgänge hiermit. Haben sich bei Gewaltformen wie Repression, oder psychischer Belastung durch Polizeigewalt etc. schon vor Jahren Care&Soli-Strukturen wie die Rote Hilfe oder Out Of Action etabliert, stehen wir beim Thema sexualisierter Gewalt noch immer oft alleine da. 

Es gibt wohl nicht „den einen richtigen“ Umgang, jedenfalls wüssten auch wir nicht, wie dieser aussehen sollte. Wir wissen aber, was uns wichtig ist, was wir brauchen, fordern, und auch was unserer Auffassung nach im aktuellen Prozess rund um das K-Fetisch Kollektiv fehlt oder schief läuft. 

 

Nach der Veröffentlichung des Statements, gab es zahlreiche weitere Betroffene, die sich an das Kollektiv wandten und über ähnliche Erfahrungen mit dem einen Täter berichteten. Es erinnerte an den Effekt der #metoo Kampagne 2017: die Benennung und Veröffentlichung einer Erfahrung ermutigte zahlreiche weitere Personen, auch ihre Geschichte zu erzählen, die sie bisher (aus unterschiedlichsten Gründen) verschwiegen hatten. Das Ausmaß der Übergriffe - sowohl in Anzahl, Ekelhaftigkeit und zeitlicher Kontinuität – ist schockierend. 

Auch die Resonanz aus Szenekreisen, die den Täter kennen, ist erschreckend. Kommentare wie „bei ihm wundert es mich gar nicht“, oder: „ich habe ihn mal zur Seite genommen und ihm gesagt, sein Verhalten gehe gar nicht, aber mich dann distanziert“ weisen auf das Wissen über sein übergriffiges Verhalten, und die Duldung/Gewöhnung dessen hin.  Nach einer Mensch Meier Party erfuhr eine Freundin, wie ihre Freund*innen am Partyabend über den Risikofaktor des Täters folgendermaßen verhandelten: „als wir vor hatten zu gehen, haben wir uns gefragt, ob wir dich dort mit ihm sitzen lassen können. Wir haben entschieden dass das bei dir schon klar geht, weil du ja gut Nein sagen kannst und so taff bist“.

Nicht nur das K-Fetisch Kollektiv, sondern auch ein Großteil der linken Szene hat also zugeschaut, wie ein CIS Typ über Jahre sexualisierte Gewalt an FLINT Personen verübt, und die Augen davor verschlossen, nicht Verantwortung übernommen, nicht interveniert! 

 

Wir sind wütend über diese Zustände in unseren vermeintlich queer-feministischen safe spaces, unserer Szene und Freundeskreisen. Ein Angriff auf eine von uns, ist ein Angriff auf uns alle! 

 

Dieser Text richtet sich nicht nur an Kollektivmitglieder, sondern an uns alle. Wir alle sind in der Verantwortung unsere Räume, Kneipen, Festivals und Freundeskreise sicherer zu machen, aus Fehlern zu lernen und uns gegenseitig zu supporten. Dafür müssen wir zuallererst aufhören wegzuschauen! Wir müssen lernen,  sexistisches Verhalten zu bemerken, zu benennen und zu beenden!  Kein Szenetyp der Welt ist so unentbehrlich, als dass wir derart übergriffiges Verhalten irgendwie aushalten oder mittragen müssten. Und wenn er sich strukturell (zB durch Wissenshierarchien, Innehaben von Verträgen usw.) scheinbar unentbehrlich gemacht hat, dann ist das schon Teil des Problems! 

 

Wir fordern eine Auseinandersetzung mit den sexistischen Strukturen in unserer Szene und in unseren Kollektiven.

 

Wir fordern Transparenz vom K-Fetisch Kollektiv, und wir haben konkrete Fragen:

- Warum wird die Identität der Täter nicht öffentlich gemacht? 

- Wie verhalten sich Kollektivmitglieder, die jahrelang das Verhalten des Täters* beobachtet haben (als Freund*innen/Dj-Kollegen/ Feierkumpels, Mitbewohner*innen etc.)  Wie reflektieren diese Menschen  ihre Rolle als Bystander, Täterumfeld, als Mittäter*? 

- Warum verlassen die Betroffenen von sexualisierter Gewalt das Kollektiv, während CIS Typen und Freund*innen des Täters* im Kollektiv verbleiben dürfen? In wie weit beschäftigen sich diese Personen mit ihrer Verantwortung? Wem wird hier (welcher) Raum gegeben? 

-In welchem Verhältnis stehen Cafe-Betrieb und Aufarbeitung der Fälle? Wer entscheidet über die Prioritäten?

-Wie werden neue Kollektivmitglieder ausgewählt und in diesen Prozess eingebunden?

 

Wir stellen diese Fragen an das K-Fetisch Kollektiv in aller Öffentlichkeit, und wünschen uns auch eine öffentliche Antwort. Bezieht Stellung, schafft Transparenz – nur so kann das K-Fetisch wieder ein Ort werden, an dem wir uns sicher(er) fühlen können, nur so kann Vertrauen darin gestärkt werden, dass die Betroffenen, die Aufarbeitung und die Konsequenzziehung wichtig ist. 

 

Fragen, die uns alle betreffen:

-Welchen Support gibt es für die Betroffenen?

-Wie können wir ein Umfeld schaffen, in dem Betroffene sich trauen, Vorfälle öffentlich zu machen und sexualisiertes Verhalten zu benennen? 

-Wie kann es sein, dass sich nach diesem Statement so viele Betroffene melden und der Täter jahrelang geschützt und gedeckt wurde?

-Wie verhält sich das Umfeld / der Freundeskreis des Täters*?

-Welche konkrete Täter*arbeit gibt es in diesen konkreten Fällen?

-Was können Strategien sein, wenn unsere Freunde zu Täter*n werden?

Wir stellen diese Fragen an uns alle, als Anstoß für Gespräche in unseren Polit-Gruppen, unseren Wohnzimmern, Beziehungskonstellationen und überall. Das Private bleibt Politisch! 

 

Solidarische Grüße,

Einige Feminist*innen

 

 

 

 

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Wer sind Täter*?

Wir verwenden den generischen Maskulin, weil die Täter* meistens männlich sozialisiert sind. Wir verwenden das Sternchen, um darauf hinzuweisen, dass Täter* nicht nur männlich sozialisiert sind. Wir verwenden das Sternchen auch, um darauf hinzuweisen, dass Täter* nicht von einer staatlichen Rechtssprechung definiert werden.

 

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