Leipzig: Was wenn die Demo nach dem Urteil im Antifa Ost-Verfahren verboten wird?

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Stand heute, wird das Urteil im Antifa Ost-Verfahren in Dresden in der letzten Mai Woche fallen, somit ist der Samstag danach, also "Tag X" für die Demonstration in Leipzig der 3. Juni 2023 (https://twitter.com/soliantifaost_/status/1659544352488673281)

 

Bereits vor ein paar Wochen begann die Polizei in Kooperation mit unterschiedlichen Medien, ein mögliches Verbot der Demonstration in Stellung zu bringen (https://kontrapolis.info/10353/) und erklärte wie "gefährlich" diese Demo werden würde. Zur Erinnerung, mehrere linke Demonstration für den 23. Oktober 2021 in Leipzig wurden verboten, die Begründung wird sicherlich auch für die "Tag X" - Demo verwendet werden (https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=8026&dok_art=Drs&leg_...).

Im Oktober 2021 waren fast 2500 Cops in der ganzen Stadt im Einsatz um die Verbote umzusetzen, 11 Wasserwerfer standen bereit, es wurden 70 Fahrzeuge mit 130 Menschen auf dem Weg nach Leipzig kontrolliert (https://www.lvz.de/lokales/leipzig/polizei-sichert-leipzig-mit-grossaufg...)

Die BILD-Zeitung behauptete die Pläne der Polizei für das Wochenende zur "Tag X" Demo in Leipzig zu kennen, nach der ungefähr 2500 Cops im Einsatz sein sollen und die Anreise überwacht werden soll. Also ein ähnliches Szenario wie im Oktober 2021 von der Polizei vorbereitet wird, was wiederum für die Planung eines Demonstrationsverbot in Leipzig spricht. Die Cops bestätigten auch anderen Medien die Zahlen mit mehr als 2000: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173316.antifaschismus-prozess-gegen-l...

Auch am 1. Mai 2021 gab es Verbote von Demonstrationen in Leipzig, hauptsächlich aus dem rechten Spektrum, um diese Verbote umzusetzen kontrollierte die Polizei 675 Fahrzeuge auf dem Weg nach Leipzig.

Wie auf ein Demo-Verbot in Leipzig reagieren?

Unklar ist ob die aufrufenden zur "Tag X" - Demo (https://tagxantifaost.noblogs.org/) die Möglichkeit für Klagen gegen ein Verbot bekommen, oft erhalten Veranstalter*innen in Sachsen die Verbotsverfügungen so kurzfristig vorher ausgehändigt, dass mögliche Klagen vor den unterschiedlichen Gerichten nicht immer vor der Demonstration zu bestreiten sind. Menschen die zur Demo wollen und die Veranstalter*innen also oft nicht mal am Tag der geplanten Demo wissen ob diese "erlaubt" oder "verboten" ist. Diese Verunsicherung ist von Seiten der Cops und den Versammlungsbehörden beabsichtigt und geplant. Menschen sollen abgeschreckt werden zur Demo zu gehen oder dafür anzureisen. Veranstalter*innen soll die Möglichkeit genommen werden sich vor der Versammlung noch rechtzeitig juristisch wehren zu können.

Sollte also vorher von einem "Verbot" gesprochen werden, kommt trotzdem nach Leipzig. Wir können und dürfen ein weiteres Verbot unserer Demos nicht hinnehmen. Wenn wir uns von potentiellen Verboten abschrecken lassen, werden die Behörden dieses Mittel immer wieder nutzen, um zu verhindern, dass wir zusammenkommen und gemeinsam die Straßen nehmen. Ihr müsst dazu nur ein paar Dinge beachten.

Die Polizei wird versuchen zu verhindern, dass Menschen von ausserhalb nach Leipzig kommen. Um dies zu umgehen bietet es sich an weit vor dem Samstag anzureisen. Für Freitag und Samstag muss mit Kontrollstellen für Autos und Busse um die Stadt, wie 2021 in Leipzig, gerechnet werden.

Auch der Hauptbahnhof wird überwacht werden und Menschen, die mit dem Zug anreisen, werden kontrolliert. Zu Silvester 2018 erteilte die Bundespolizei 900 Platzverweise am Leipziger Hauptbahnhof an angebliche "potenzielle Störer" (https://www.lvz.de/lokales/leipzig/darum-riegelte-die-polizei-den-hauptb...).

Kommt also früher nach Leipzig, falls das nicht geht, überlegt euch wie ihr Kontrollstellen umgehen könnt und versucht nicht optisch in das Raster der Cops zu passen.

Die Beispiele sollen zeigen, dass die Polizei Leipzig in der Vergangenheit mehrmals die Stadt besetzt hat und eine flächendeckende Repression gegen die Bevölkerung umgesetzt hat. Sollte die Demo nicht inhaltlich Verboten werden, kann die Polizei auch einen "polizeilichen Notstand" ausrufen. Dies Geschah in der Vergangenheit bereits öfter im Zusammenhang von Aufmärschen der extremen Rechten in Leipzig.

Antifaschist*innen der Stadt kritisierten diese Praxis schon früh unter dem Motto "Antifa statt Verbote!". Gemeint war damit, dass Aufmärsche von Neonazis durch eine antifaschistische Bewegung zu verunmöglichen sind und nicht durch eine Verbotspraxis des Staates, denn letztendlich wird dies früher oder später ebenso linke Demonstrationen treffen, wie es dann auch gekommen ist.
So wurden in Leipzig bereits zwei Mal linke Demonstrationen verboten, letztmalig wie bereits erwähnt im Oktober 2021 (https://kontrapolis.info/5660/).

Im Rahmen des "polizeilichen Notstandes" wird von Seiten der Cops behauptet nicht genug Hundertschaften zur Verfügung zu haben um die entsprechende Versammlungen zu erlauben. Es dürfen dann Konzerte, Fußballspiele, kleinere Versammlungen oder Stadtfeste (https://www.lvz.de/lokales/leipzig/3-juni-in-leipzig-groenemeyer-sachsen...) statt finden, aber unliebsame Versammlungen eben nicht, zum Schutz der Sicherheit und Ordnung in der Stadt, wie dann erklärt wird.

Wichtig für alle Organisator*innen von Versammlungen im Zeitraum vom 2.- 4. Juni in Leipzig und Sachsen, meldet eure Veranstaltungen nicht ab, weil ihr denkt, dass die Menschen sowieso nur zur Tag X - Demo nach Leipzig fahren werden.

Für die Argumentation des "polizeilichen Notstandes" werden eure Anmeldung schon jetzt aufgezählt werden, eine Abmeldung wird dies nicht mehr ändern, haltet an euren Anmeldungen und Versammlungen in Leipzig und Sachsen fest, überlegt euch lieber wie ihr euch solidarisch mit den Verurteilten Antifaschist*innen im Antifa Ost-Verfahren zeigen könnt und mit der vermutlich verbotenen Demo in Leipzig - united we stand.

Vielleicht finden sich auch andere Städte die im Falle eines Verbotes der "Tag X" - Demo in Leipzig einspringen können, wie bspw. Berlin, was nicht so einfach abzuriegeln wäre wie Leipzig.

Weitere Veranstaltungen mit Bezug auf das Prozessende

Es gibt für den Tag der Urteilsverkündung im Antifa Ost-Verfahren in Dresden bereits jetzt mehrere Ankündigungen für Demonstrationen, organisiert gerne weitere.

Es folgt eine Sammlung an Veranstaltungen in Sachsen im Zeitraum der Urteilsverkündung oder mit Bezügen zum Antifa Ost-Verfahren:
    
Kundgebung Dresden vor dem Gericht:

Am Tag der Urteilsverkündung im Antifa Ost-Verfahren wird es in Dresden vor dem Gericht eine Kundgebung geben.

Demonstrationen am Tag der Urteilsverkündung:
    
    Bremen - https://de.indymedia.org/node/201965
    Dresden - https://www.soli-antifa-ost.org/x/
    Hamburg - https://de.indymedia.org/node/273107
    Hannover - https://de.indymedia.org/node/268801
    Leipzig - https://www.soli-antifa-ost.org/x/
    Stuttgart - https://www.soli-antifa-ost.org/x/
    
1. Juni um 18 Uhr wird es ein öffentliches Plädoyer der Verteidigung im Antifa Ost-Verfahren geben - https://ea-dresden.site36.net/ein-oeffentliches-plaedoyer-einblicke-der-...

1. Juni um 17 Uhr wird es wie jedes Jahr die "Tag der Jugend" - Demo in Leipzig vom Johannisplatz geben.

2. Juni Kundgebung vor der ungarischen Botschaft in Berlin - https://de.indymedia.org/node/279073

3. Juni feministische Proteste gegen den christlichen und fundamentalistischen "Schweigemarsch" in Annaberg-Buchholz in Sachsen.

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Ergänzungen

Die Überschrift hätte vermuten lassen, dass im Artikel konkrete Antworten auf ein mögliches Verbot in Leipzig vermittelt werden. Aber da scheint es keine Ideen außer überregionale Protestorte und früher anzureisen zu geben. Stellt sich die Frage für was eigentlich früher anreisen?

Generell finden wir wichtig, sich nicht auf dezentrale Proteste einzustellen, sondern einen Ort des solidarischen Zusammenkommens herzustellen. Viele zu sein und Kraft daraus für die weitere Arbeit mitzunehmen. Dabei ist es durchaus möglich auch auf drohende Verbote zu reagieren, das müsste dann aber auch vor Ort organisiert, nach außen dargestellt und inhaltlich vermittelt werden.

Es können Bündnispartner*innen gesucht werden, welche ein Demoverbote kritisch finden und hierzu im Vorfeld Gegenöffentlichkeit hergestellt werden. Damit sind nicht Parteien und Verbände, sondern vor allem andere gesellschaftliche Akteur*innen gemeint. Auch gemeinsame Pressekonferenzen mit Rechtshilfeorganisationen wie z.B. dem RAV gegen mögliche Verboten und Beschränkungen der Demonstration wären im Vorfeld hilfreich. Es geht dabei nicht in erster Linie um "Recht" oder "Unrecht", sondern um Diskursverschiebung.

Die Behörden wollen Öffentlich ein Gefahrenbild von Protesten erzeugen, daher auch die Berischterstattung im Vorfeld. Dem muss die Gefahr der Aushebelung des Versammlungsrechtes entgegengesetzt werden. Es geht hier nicht um Kleinigkeiten, sondern die Infragestellung von Grundrechten aufgrund von reinen Annahmen und Spekulationen der Behörden. Und auch bei einem vermeintlichen Notstand ist sicher nicht zulässig alles zu verbieten. Auch hier gilt noch das Versammlungsrecht und die Regel der geringstmöglichen Einschränkung nach konkreter Gefahrenlage und erwarteter Größe einer Veranstaltung.

Die Anmeldung von stationären Kundgebungen im Stadtgebiet, welche nach Versanmmlungsrecht in der Begründung schwerer zu verbieten sind, kann zudem sinnvoll sein. Die rechtliche Begleitung bei der Durchführung von Versammlungen oder auch Mahnwachen schützen gleichzeitig Akteuer*innen die an ihnen teilnehmen wollen, da Zugang und Abgang der Teilnehmer*innen zu gewähren ist. Hier können auch andere thematische Felder aufgegriffen werden. Dies bildet dann auch eine größere inhaltliche Breite von Protesten ab.

Es ist ja schön und gut auf die eigene Kraft zu vertrauen. Wenn diese aber nicht gegeben ist, ist es keine Schwäche und ohnehin auch generell sinnvoll sich Unterstützung von Anderen zu suchen. Dies klappt am Besten, wenn in der Mobilisierung selbst auch inhaltliche Anknüfungspunkte hergestellt werden. Beim Thema Antifaschismus und Versammlungsrecht sollten dies ja durchaus möglich sein.

 

Zuguterletzt eine Frage: Wenn aus der Einschätzung mangelnder Stärke und Breite in Leipzig, wirklich überlegt wird auf andere Städte wie Berlin auszuweichen (von diesem Vorschlag waren wir ehrlich gesagt überrascht). Weshalb wird die Demo dann nicht gleich verlegt? Der Ort wäre für Solidarität gegen den Prozess ja egal und die Hinnahme eines Demoverbotes ohne klare Konzepte bzw als Reaktion am Tag selbst, würde dann mehr Schaden anrichten, als bereits im Vorfeld selbstbewusst einen anderen Ort zu wählen.

Nicht falsch verstehen. Wir finden Leipzig eigentlich den genau richtigen symbolischen Ort mit Anziehungskraft! Auch wegen anderer Kriminalisierungen und Gefahrendebatten dort. Aber wenn er gewählt wird, dann müssen die Strukturen vor Ort auch in der Lage sein Rahmenbedingen herzustellen, die ihn als Ort des Widerstandes und Ausdruck der Solidarität möglich machen. Bisherige Stellungnahmen haben da leider eher Verunsicherung als Vertrauen und Zuversicht geschaffen. Das kann besser werden. Forza!

Viel Kraft, Power und auch die Energie über den repressiven Tellerand hinüberzuschauen allen Strukturen vor Ort.

Es geht bei dem Versuch sich gegen Demoverbote aufzustellen nicht um "Vertrauen" in den "Rechtsstaat". Es geht darum in welchen Kräfteverhältnissen wir uns bewegen und wie wir möglichst gute und sichere Bedingungen z.B. für alle Anreisenden herstellen. Autonom in Kleingruppen agieren können alle selbst, aber ein gemeinsamer Rahmen ist aus Oberhausen oder Paderborn in Leipzig eben nur schwer zu organisiseren. Das hat nichts mit Dinstleistung zu tun, sondern mit verantwortungsvollem Handeln für uns selbst und andere. Und es ist schon notwendig, dies dann auch überregional zu vermitteln und nicht nur in den nächsten Kleingruppen. Nicht um Behörden zu informieren, sondern um transparentes und klares kollektives Handeln möglich zu machen. Außerdem sollten wir darauf achten den Cops möglichst wenig Möglichkeiten für Gewahrsamnahmen und Personalienfeststellungen zu machen. Sicherlich wird dies eines der Ziele der Cops sein. Kann mensch ihnen leichter oder eben schwerer machen.

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solidarische Grüße