[Berlin] Prozess wegen versuchter Körperverletzung im Gentrifizierungs-Kontext vertagt, Fortsetzung 23.10.

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9.10.2017: Prozess wegen versuchter Körperverletzung vor dem Berliner Amtsgericht vertagt, Fortsetzungstermin am 23.10.

 

Hintergrund des Verfahrens ist eine Auseinandersetzung zwischen Anwohner_innen und dem Karl-Marx-Hostel und Café in Berlin Neukölln. Der Vorwurf ist, eine Person habe aus einem Fenster eine Sonnenölflasche auf eine Angestellte von Café und Hostel geworfen. Was auf den ersten Blick unpolitisch wirken mag, ist bei näherem Hinsehen eine handfeste Auseinandersetzung um Gentrifizierung. Die Ermittlungen lagen bei der Polizei von Anfang an beim Staatsschutz, die Staatsanwaltschaft kategorisiert den Vorwurf als „politische Strafsache“ und das Gericht versucht verbissen zu einer Verurteilung zu kommen. Das alles obwohl die vermeintlich Geschädigte explizit betont, keine Schmerzen gehabt zu haben, nicht verletzt worden zu sein und kein Interesse an einer Verurteilung zu haben. Die Polizei nutzte die Vorwürfe des Hostelbetreibers Geuting schon mehrfach als Vorwand, in linke WGs einzudringen.

 

 

 

 

Fortsetzungstermin ist am 23.10. um 10.00 Uhr am AG Tiergarten, Saal 455, Publikum ist willkommen.

 

Zur Vorgeschichte: Bereits vor Eröffnung von Hostel und Café gab es auf linksunten.indymedia einen Artikel, der sich mit der Auswirkung der Eröffnung von Läden wie dem Hostel auf den Stadtteil beschäftigte. Während es auf der Internetseite des Hostels verklärende Worte zu lesen gibt, wie gut sich Altes mit Neuem ergänze, benannten kritische Stimmen von Anfang an den Zusammenhang solcher Läden mit der Verdrängung von ärmeren Menschen, dem Anstieg der Mieten und der Kommerzialisierung des Stadtteils.

 

Der Prozess verläuft wie so viele Prozesse: Bei näherem Hinsehen reiht sich ein Fehler an die nächste Lüge. Der Schlussbericht der Polizei nennt bezüglich des Festnahmeortes einen unzutreffenden Ort. In der Anklageschrift, auf die sich der später erlassene Strafbefehl bezieht, steht was den vermeintlichen Tatort angeht eine falsche Angabe. Eigentlich ein Verfahrenshindernis, aber das Gericht ignoriert diese Fehler einfach. Der einzige Zeuge, der den Wurf beobachtet haben will, erzählt in jeder Vernehmung neue Geschichten. Der Angeklagte habe an einem anderen Tag einer Person Wein übergeschüttet und verstoße gegen das Meldegesetz, die WG gegenüber sei permanent im Mietrückstand. Nichts davon stimmt, aber all seine anderen Aussagen hält das Gericht dennoch für glaubhaft. Und das obwohl der Zeuge dem kompletten Prozessverlauf (es gab schonmal einen Verhandlungstag, das Verfahren wurde dann jedoch ausgesetzt und begann von Neuem) als Zuschauer beiwohnte und so ganz genau wusste, was er aussagen musste, damit eine Verurteilung überhaupt denkbar wurde. Trotzdem widersprach so gut wie alles, was Herr Geuting zum Tatgeschehen beschrieb, den Aussagen der anderen Zeugin. Sowohl in der Frage, wer die Bullen gerufen habe, als auch hinsichtlich des Zeitpunktes wann seine Angestellte ihn angerufen habe, zur Frage wer wann wo war und was die Angestellte zu dem Zeitpunkt gemacht habe und wer der Polizei die Personenbeschreibung abgegeben habe, stimmten seine Aussagen nicht mit denen seiner Angestellten nicht überein. Immer wenn dies in der Vernehmung zu offensichtlich wurde, fragte die Richterin geduldig nach, ob er sich daran wirklich genau erinnere und er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und beeilte sich zu betonen, dass er es doch nicht mehr ganz genau wisse, ihm da sein Gedächtnis möglicherweise einen Streich spielen wolle etc.

 

Dass besagter Herr Geuting an der Fassade seines Hauses auf der Scheibe des Cafés auch noch „Karl says relax“ neben einem Marx-Konterfei stehen hat, setzt dem ganzen im Grunde nur die Krone auf. Mit „den Linken“, Leuten „dieser Gattung“ oder eben einfach Menschen, die Sachen sagen, „die Arbeitslose eben zu Leuten sagen die arbeiten“, will er nichts zu tun haben, die machen nämlich auch „Sachen, die psychisch Gesunde nicht machen“ würden, so Geuting in seiner Vernehmung Vielen Dank für diese sachdienliche Erklärung.

 

 

 

Das besagte Hostel befindet sich in der Karl-Marx-Straße 176.

 

 

 

Fortsetzungstermin ist am 23.10. um 10.00 Uhr am AG Tiergarten, Saal 455, Publikum ist willkommen.

 

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