Von "Gangstermethoden" und lauen Nächten

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Brennende Barrikaden an den Straßenecken zur Rigaer 94, Rauch, Bengalos, HipHop auf der Straße, Steine in Einkaufswägen, die Feuerwehr, die weiter fährt, wenige Behelmte stürmen vom Dorfplatz durch die Barrikaden und verjagen die Menge in alle Himmelsrichtungen. Was zurück bleibt sind schwarze Rauchschwaden, Feuer, das nach einiger Zeit auf mehrere Autos in der Straße übergreift und eine mit Pflastersteinen übersäte Straße, als hätte ein Straßenkampf getobt.

 

Ein Straßenabschnitt voller vermummter Menschen, die entweder mit ihren Köpfen zum Beat wippten oder sich daran machten die Straße auf zu buddeln, Einkaufswägen und Reifen auf Kreuzungen schoben und gespannt auf eintreffende Bullen warteten.

 

 

Von „Gangstermethoden“ und lauen Nächten

 

 

 

Eine Symbiose aus Hip Hop und Krawall auf der Rigaer Straße

 

 

 

Wir geben diese Stadt noch nicht verloren. Und ein Grund hierfür liegt in der Rigaer Straße. Wir sehen diese Stadt deshalb nicht als Ritterburg, die es um jeden Preis zu verteidigen gilt und deren Burggraben für uns, allein auf dieser Straße verläuft. Wir haben viele Feinde in dieser Form der Gesellschaft, die sich immer wieder hinter neuen Masken verstecken und die jede neue Form der Abhängigkeit kreieren oder bejubeln – von Strukturen, die uns daran hindern sollen selbstbestimmt zu leben und daran, diese Mechanismen noch bekämpfen zu können.

 

Was wir suchen ist in der Konsequenz nicht ein Freiraum, frei und abgetrennt von stumpfen Menschenmassen, die nicht einmal mehr davon träumen in Freiheit zu leben. Was wir suchen sind vielmehr Momente, in denen wir uns frei davon fühlen. Momente, in denen wir uns den Handlungslogiken, der Vorhersehbarkeit, der Aufsicht und Kontrolle entziehen. Momente, in denen wir keine Kompromisse eingehen, keine Rechenschaft abgeben und keine Ängste haben. Es geht nicht um zeitlich begrenzte Momente, wie in Hamburg Freitagnacht oder örtlich begrenzte Freiräume wie in sogenannten Hausprojekten.

 

Mit diesem Anspruch geht es uns um eine andere Form in dieser Gesellschaft zu existieren. Das ist es was uns antreibt, aus der Banalität des kapitalistischen Lebens einen Alltag zu entwerfen, der als einziges Ziel die Zerstörung aller festen Konstanten unserer Umgebung bedeuten kann.

 

 

 

Für dieses Ziel gilt es für uns die Menschen und Straßen, Ereignisse und Möglichkeiten ausfindig zu machen um unsere Freiheit im Angriff zu verwirklichen statt auf eine Freiheit zu setzen, die nur Folge von Sollbruchstellen des Systems und eines sich wandelnden grünen und sozial engagierten Staates sein kann.

 

Wir bedienen uns daher stetig den Mitteln, die uns ermöglichen, uns Angriffe auf Bullen und andere Staatshörige auszudenken, aus dem Hinterhalt, an Szeneorten und aus Demonstrationen heraus. Das sind unsere Formen, an niemanden zu appellieren, sondern zum Zerstören zusammen zu kommen.

 

 

 

Katdterschmieden-Party am 16. Juni

 

Brennende Barrikaden an den Straßenecken zur Rigaer 94, Rauch, Bengalos, HipHop auf der Straße, Steine in Einkaufswägen, die Feuerwehr, die weiter fährt, wenige Behelmte stürmen vom Dorfplatz durch die Barrikaden und verjagen die Menge in alle Himmelsrichtungen. Was zurück bleibt sind schwarze Rauchschwaden, Feuer, das nach einiger Zeit auf mehrere Autos in der Straße übergreift und eine mit Pflastersteinen übersäte Straße, als hätte ein Straßenkampf getobt.

 

Ein Straßenabschnitt voller vermummter Menschen, die entweder mit ihren Köpfen zum Beat wippten oder sich daran machten die Straße auf zu buddeln, Einkaufswägen und Reifen auf Kreuzungen schoben und gespannt auf eintreffende Bullen warteten.

 

Dass diese in kleiner Anzahl das Fest zerstreuen konnten und nur zu hoffen bleibt, dass einige Steine ihr Ziel fanden, hinterließ vor allem das Gefühl den Krawall mit vielen Unbekannten, in dieser für ihre Angriffslust bekannten Straße, einmal mehr geübt zu haben.

 

 

 

Es war absehbar und ebenso ernüchternd einige Zeitungsartikel und Kommentare der Tage danach zu überfliegen, deren Autor*innen auf kein Bekenner*innenschreiben zurück greifen konnten um sich zu erklären, was in der Rigaerstraße an diesem Abend passiert war.

 

 

 

Ob es die taz war, die sich wunderte, warum nach den „Eskapaden“ eines Henkel, die rot-rot-grüne Regierung nicht als „bestes real-politisches“ Geschenk gefeiert wird oder Geisel, der nach dem Zählen der Pflastersteine davon ausging, es mit „brutalen Gangstern“ zu tun zu haben oder FDP-Chef Czaja, der fleißig an dem sehr anspruchsvollen Merksatz tüftelte: „Besetzte Häuser sind keine urbanen Paradiese für linksideologische Träumer, sondern vor allem Brutstätten autoritärer Gewalt“.

 

Mit der furchtbar gewagten Interpretation „Sie wollen Polizisten sterben sehen“ kommt die GdP wohl am ehesten an einen unserer Gedankengänge heran.

 

Und auch wenn es die Presse nicht wahr haben will, die hier verankerte Solidarität mit autonomer Praxis wurde durch diesen kurzen Krawall weder aufs Spiel gesetzt noch verloren. Was im Rigaer Nordkiez an Wut und Hass auf Schweine und Stadtentwicklung über die Jahre gewachsen ist, wird ein abgebrannter Kleinwagen wohl so schnell nicht zerstören können.

 

 

 

Trotzdem, können wir nur vermuten, war das Ziel dieser Veranstaltung wohl kaum ein Bild zu kreieren, wie jenes der Flottwellstraße letzten Winter, die laut Medienberichten von einem randalierenden Mob heim gesucht wurde.

 

Die Menschen, die es mit den Kleinwägen in der Rigaer Straße getroffen hat, als das Feuer von den Barrikaden übergesprungen ist, waren, nehmen wir an, in keinem Moment direkte Ziele dieser Aktion.

 

Die persönliche Verantwortung von Menschen an den Barrikaden kann für uns im politischen Sinne auch nicht bedeuten, sich zu distanzieren oder gar öffentlich entschuldigen zu müssen. Das heißt einfach gesagt, es ist in dieser Hinsicht scheiße gelaufen. Es lag vielleicht an Hektik oder Ignoranz in dem Moment, als die Barrikaden aufgetürmt wurden. Bei dem Einsatz von Feuer wird Kollateralschaden eingeplant, aber er hätte sich in diesem Fall auf das reduzieren können, was die Beamt_innen nicht löschen wollten.

 

 

 

Was wir hier wollten

 

Die Ziele der Flammen und Steine sehen wir klar in den Bullen und da wir Lust auf diese Ziele hatten, dachten wir, schauen wir am Dorfplatz vorbei.

 

 

 

Warum wir Ereignisse wie in dieser Nacht schön finden und warum wir darauf scheißen, dass es womöglich nicht die Perfektion eines Krawalles war?

 

 

 

Die Idee eine Party mit einem Krawall zu verbinden macht für uns echt Sinn

 

Erstens haben wir auch keinen Bock auf subkulturelle Feierlaune, d.h. darauf, auf halb kommerzialisierten Zeckenpartys das scheiß Leben zu verdrängen, das nach dem Wochenende weiter geht, weil eine Abkehr von Lohnarbeit als utopisch verklärt wird. Nix gegen Bier und Abschalten, aber Party ist eben nicht gleich Party und nur weil Soli auf dem Flyer steht haben viele Szeneorte, ihre Betreibenden und ihre Gäste schon lange nur noch den Anspruch, sich einen linken Anstrich einbilden zu können.

 

Zweitens finden wir die Idee gut mit einem Vorprogramm die Stimmung zu erzeugen, die unserer Meinung nach auch auf die Straße getragen wurde, mit der Musikanlage und den Acts. Eine andere Stimmung als nachts im Park auf das Signal einer Sponti zu warten.

 

Drittens verbinden wir Krawall mit guter Laune. Da nur noch wenige Menschen und vielleicht nur einmal im Jahr die Erfahrung in diesem Land machen, Barrikaden zum Schutz hoch zu ziehen und Flaschen und Steine los zu werden, finden wir die Idee gut, diese Laune hervorrufen und dafür den Raum abzusichern.

 

Und Viertens ist wohl der wichtigste Grund für die Symbiose aus Party und Krawall, im allgemeinen den Kampf um die Rigaerstraße und im besonderen die Menschen, die in die Straße oder in die Rigaer 94 kommen, mit dem direkten Angriff zu verbinden. Es war in unseren Augen ein Versuch, die Menschen und Gruppen, wie uns, einzubinden, die hierher kommen, weil sie die Ideen teilen, die mit der Rigaerstraße in Verbindung gebracht werden. Es kann nicht darum gehen diesen Kampf nur von der Straße aus zu führen und auf die Menschen zu setzen, die in engem Kontakt mit dieser Straße stehen. Wenn die Solidarität aus letztem Sommer ehrlich gemeint war, müssen wir diese kontinuierlich untermauern. Es gilt den Raum um den Dorfplatz als Experimentierfeld zu verstehen, um nichts anderes, denken wir, ging es bei diesem Versuch der Randale.

 

 

 

Wir wollen ins Gespräch darüber kommen, wie Angriffe in diesem Kiez aussehen können und nicht über die Verteidigung des Status Quo.

 

 

 

Wir glauben, dass der Rigaer Nordkiez zur Zeit wohl der einzige Kiez in Berlin ist, in dem Angriffe auf eine Weise passieren können, die nicht nur darauf abzielen symbolischen Schaden zu erzeugen oder Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, sondern, die eine Verankerung und Resonanz im Kiez und eine Bezugnahme zu anarchistischen Kämpfen weltweit hervor rufen. Es ist kein Angriffskrieg, der vielleicht möglich wäre, aber ein Kampf mit lokaler Verankerung, anhand dessen wir unsere Ziele als Anarchist_innen und unsere Konsequenz vermitteln können. Die Kontinuität der Kämpfe im Nordkiez und die internationale Bezugnahme eröffnen hier einen Raum, der nicht schlicht als Verteidigungskampf eines einzelnen Hauses interpretiert werden kann und auf ein Vermittlungsmedium wie (linksunten)Indymedia angewiesen ist.

 

Die Glaubhaftigkeit der Kämpfe und Kämpfenden wird durch die stetige Auseinandersetzung hergestellt und durch das stetige Hinterfragen und Kommunizieren darüber, ob dieser Ort für das Verfolgen der Ziele im Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung noch geeignet erscheint und nicht andersherum (die Ziele an der Situation in der Rigaer Straße ausgerichtet werden).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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