Protest gegen Patriot-Mandatsverlängerung

Heinz Eckel 29.01.2014 23:21 Themen: G8 Globalisierung Militarismus Weltweit
Zu einer Protestkundgebung gegen die Verlängerung des Mandats für die Stationierung von Patriot-Raketen und NATO-AWACS-Gefechtsführungsplattformen in der Türkei durch den deutschen Bundestag kamen heute in Berlin rund 30 Antikriegs-Aktivist_inn_en zusammen.

Vor dem Reichstagsgebäude forderten sie ein Ende dieser Stationierung sowie die Beendigung sämtlicher Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Die Bundesregierung hatte die Stationierung der vom türkischen Premier Erdogan angeforderten, aus Deutschland stammenden Patriot-Abwehrraketen vor einem Jahr damit begründet, dass damit die syrische Armee von Giftgasangriffen abgehalten werden solle. Dabei hatte die syrische Regierung schon vorher erklärt, dass sie Chemiewaffen allenfalls zur Landesverteidigung bei einem militärischen Angriff von außen, nicht aber im derzeit in Syrien stattfindenden „Bürgerkrieg“ - also den größtenteils vom Ausland geschürten und unterstützten Angriffen zumeist islamistischer Kämpfer gegen die syrischen Regierungstruppen und die Bevölkerung – einsetzen werde.

Der von der Bundesregierung angegebene „Grund“ für die Raketenstationierung ist inzwischen auch schon deshalb weitestgehend gegenstandslos geworden, weil die syrischen Chemiewaffen – mit Zustimmung der syrischen Regierung - derzeit unter Aufsicht der internationalen Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) eingesammelt, außer Landes gebracht und zerstört werden; die syrischen Produktionsanlagen für Chemiewaffen wurden von der OPCW bereits unbrauchbar gemacht. Tatsächlich können somit also praktisch nur noch Chemiewaffen, die von den sogenannten Rebellen erbeutet oder selbst hergestellt wurden, zum Einsatz gebracht werden, was mit Patriot-Raketen und AWACS-Befehlsständen wohl kaum zu verhindern ist. Deren fortgesetzte Stationierung ist daher am ehesten mit andauernden machtpolitischen Interessen der NATO und des Westens in der nahöstlichen Region – auch gegenüber dem Iran – zu erklären.

Auf diese Zusammenhänge wies in einer ausführlicheren Stellungnahme bei der Kundgebung auch Lühr Henken - als Sprecher des Bundesausschusses des Friedensratschlags – hin; seine Rede findet sich untenstehend.

Christine Buchholz von der Linkspartei brachte ihre Solidarität mit den Anliegen der Demonstrant_inn_en ebenfalls zum Ausdruck. Sie informierte darüber, dass es der Fraktion der Linken im deutschen Bundestag während der heutigen Regierungserklärung der großen Koalition gelungen sei, eine separate Behandlung und Abstimmung der Mandatsverlängerung für die Patriot-Raketen und auch für die „Operation Active Endeavor“ durchzusetzen.
(Bei der Operation Active Endeavor - s.  http://de.wikipedia.org/wiki/Operation_ACTIVE_ENDEAVOUR - handelt es sich ebenfalls um eine NATO-Militärmission, die - unter Beteiligung der deutschen Marine - angeblich dem Anti-Terrorkampf im Mittelmeerraum dienen soll, in Wirklichkeit aber sowohl auf die Bekämpfung von Flüchtlingsströmen als auch auf die militärische Kontrolle und Intervention im Nahen Osten ausgerichtet sein dürfte. Vgl. dazu u.a.  http://www.youtube.com/watch?v=PVxFsNwutfQ . - Das Wörterbuch kennt für „endeavor“ (Bemühung) übrigens auch noch eine weitere Wortkombination: „vain endeavor“ = vergebliche Mühe. Es liegt auch an den Aktivitäten der Antikriegsaktivist(inn)en nicht nur im Bundestag, welche Variante sich letzten Endes durchsetzen dürfte...).

Hier nun noch die Rede von Lühr Henken:

Kein Mandat für Patriot und AWACS gegen Syrien!

Liebe Freundinnen und Freunde,

heute Nachmittag stimmt der Bundestag darüber ab, die Stationierung von PATRIOT-Flugabwehrraketen der Bundeswehr und von AWACS-Gefechtsführungsplattformen der NATO in der Türkei für ein weiteres Jahr zu verlängern. Bis zu 400 Soldaten sollen dafür abgestellt werden können. Diese Regierungspolitik ist als Teil des angekündigten Vorhabens zu verstehen, die Auslandseinsätze der Bundeswehr noch mehr auszuweiten. Wir lehnen Auslandseinsätze der Bundeswehr ab!

Das Mandat für den Türkeieinsatz soll auf Regierungswunsch gegenüber dem, das vor einem Jahr beschlossen wurde, unverändert bleiben. Dabei hat sich die Lage in Syrien seitdem sehr verändert. Vor allem ist der damals von der Regierung vorgetragene Grund für die Stationierung entfallen. Denn Syrien ist inzwischen dem Chemiewaffenabkommen beigetreten und diese Chemiewaffen sind nicht mehr einsatzfähig. Das ist der Regierung auch bekannt. Trotzdem spricht sie von einem „Restrisiko“. Das Argument ist genauso an den Haaren herbeigezogen wie damals. Ein Angriff mit Chemiewaffen von syrischer Seite auf türkisches Gebiet wäre für die syrische Regierung damals wie heute selbstmörderisch, denn er würde der Türkei und damit der NATO die Begründung für einen Angriff auf Syrien schlicht als Akt der Selbstverteidigung bieten. Dazu ist es nicht gekommen und dazu wird es nicht kommen.

Deshalb fordern wir den Bundestag auf, der Patriot- und AWACS-Stationierung nicht zuzustimmen!

Folgende weitere Gründe sprechen gegen die Stationierung:

Die Türkei lässt den Fluss von Kriegswaffen und Kämpfern der Opposition nach Syrien ungehindert zu. Das befeuert den Bürgerkrieg in Syrien. Gleichzeitig schnürt die Türkei das autonome Kurdengebiet in Syriens Norden ab, indem sich ein demokratisches Zusammenleben verschiedener Ethnien beispielhaft entwickelt. Die Stationierung der Truppen unterstützt diese kontraproduktive türkische Politik und wertet sie auf.

Die entscheidenden Gründe für die Stationierung von Patriots und AWACS bleiben der Öffentlichkeit jedoch weitgehend verborgen. Beide Systeme, sowohl die Patriot als auch die AWACS, verfügen über weit reichende sehr präzise Radaranlagen, die letztlich Luftlagebilder von ganz Syrien herstellen. Es wäre naiv zu glauben, dass die dabei gewonnen Daten nicht auch den Verbänden der Anti-Assad-Kämpfer zur Verfügung gestellt werden. Dies trägt nicht zur Entspannung bei, sondern fördert die Destabilisierung der Region.

AWACS und Patriot müssen abgezogen werden! Die so frei werdenden Gelder in Höhe von fast 20 Millionen Euro müssen zur Linderung des Flüchtlingselends eingesetzt werden. Danke.
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Ergänzungen