Aktivist_innen unter Generalverdacht

friedlich 02.09.2012 15:03 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Polizei und insbesondere Militär diskreditieren Menschenrechtsverteidiger_innen in den Philippinen, diese seien eine „Front“-Organisation der Kommunistischen Partei. Red-Baiting ist eine perfide Form um zivilgesellschaftliche Gruppen mundtot zu machen und besonders unliebsame Personen aus den Verkehr zu ziehen: Die Rede ist von Entführungen und politischen Morden des Staates.
Eine Vielzahl an politischen Aktivist_innen wird in den Philippinen damit konfrontiert, dass staatliche Autoritäten diese als „Front“-Organisation oder „satellite groups” der Kommunistischen Partei CPP bzw. der kommunistischen Guerilla NPA bezichtigen. Eine „Front“-Organisation ist gefährlich, denn diese ist quasi vogelfrei für Militär und Polizei: Diese Gruppen sind Staatsfeinde, mit denen der Staat machen kann, was dieser will. Die Menschenrechtsorganisation IPON (Freiwillige von IPON schützen als Menschenrechtsbeobachter_innen in den Philippinen Menschenrechtler_innen) definiert Red-Baiting als ein „Strategie staatlicher Akteure, regierungskritische Personen und Organisationen öffentlich als Rebellen, Staatsfeinde oder Kommunisten zu ‚brandmarken‘. Die Angst vor Systemgegnern und dem ihnen unterstellten Ziel, den demokratisch legitimierten Staat umzustürzen wird bewusst durch Beamte von Polizei, Militär und Regierung geschürt. Das Vorgehen gegen die ‚linke Gefahr‘ erhält durch diese Methodik breite Unterstützung in der philippinischen Gesellschaft. Im Kampf der Regierung für Recht und Ordnung gelten bürgerliche Freiheits- und Menschenrechte nicht als schützenswert. Der Staat nutzt diesen Spielraum, um Rechtsnormen einzuführen, die einen ‚Ausnahmezustand‘ etablieren und die ein aktives Vorgehen gegen Systemkritiker auch legalisieren. Viele Fälle enden in willkürlicher Inhaftierung, Folter, Verschwindenlassen und Politischen Morden“ ( http://iponnegros.wordpress.com/2011/06/27/red-baiting-in-den-philippinen/).

Dies ist eine vergleichbare Situation der in den USA unter McCarthy der 1950er Jahre oder in der BRD. Vor 40 Jahren führte Willy Brandt die Berufsverbote mit dem sogenannten Radikalenerlass ein (aktueller Fall ist nach Aufhebung des Berufsverbots nun die Bespitzelung des Lehrers Michael Csaszkóczy  http://www.jungewelt.de/2012/07-27/047.php; aktuelle Erklärung: 40 Jahre Berufsverbot  http://www.berufsverbote.de/erklaerung2012.html): Insbesondere Lehrer_innen und andere wurde die Ausübung des Berufs aus Gründen der politischen Weltanschauung verhindert.

In den Philippinen sind die Konsequenzen von Red-Baiting umfassend und vielfältig spürbar: Personen oder Gruppen werden als „satellite groups” vom Militär in einer Präsentation vom Militär genannt ( http://www.humanrights.asia/news/ahrc-news/AHRC-STM-128-2009/asPlainPDF?converter=pdf-pisa&resource=ahrc&template=ahrc_pdf_template), wer auf dieser Liste ist, hat schlimmstes zu Befürchten. Raymond Manalo, ist wohl eines der bekannteren Opfer von Red-Baiting, über den IPON schreibt. „Der 29-Jährige wird 2006 zusammen mit seinem Bruder von Sicherheitskräften der philippinischen Armee in ein Militärlager entführt. Ihnen wird vorgeworfen Mitglied der NPA zu sein. Zusammen mit 12 anderen werden die beiden Brüder in eine Zelle gesperrt. Sie erhalten nur wenig Nahrung und werden regelmäßig gefoltert. Raymond berichtet, dass er getreten und geschlagen wurde. Er wird Opfer von Waterboarding und noch heute hat Raymond Narben an den Stellen, wo ihm die Haut mit heißen Metallkannen versenkt wurde. Einem glücklichen Zufall verdankend, können die beiden fliehen und über die Ereignisse berichten: “Ich wollte Anzeige erstatten. Ich wollte kämpfen und zeigen, dass ich Opfer wurde und bezeugen kann, dass die Armee Entführungen und Tötungen vollstreckt. Ich fühle das Bedürfnis die Menschenrechtsverletzungen aufzudecken, die in den Philippinen begangen werden und anderen zu helfen, die Opfer von Verschwindenlassen wurden…Ich habe einen Alptraum erlebt, der mich immer verfolgen wird. Das Leben meiner Familie wurde zerstört und bis heute hat die Regierung nichts unternommen um mir zu helfen. Ich bin frei und doch nicht. Ich lebe in Angst. Ich verlange Gerechtigkeit für die Misshandlungen, die mir und jenen die verschwunden sind, angetan wurden.““ Der UN-Sonderberichterstatter Alston für außergerichtliche Tötungen (politische Morde) stellte in seinem Bericht 2007 eine sehr große Anzahl an Tötungen fest, die im Zusammenhang mit einer “Counterinsurgency Strategy” gegen Kommunisten stehen. Unliebsame Personen in den Dörfern werden auf - in den Philippinen üblichen - „wanted“-Postern mit den sogenannten Anführern der Kommunistischen Partei/ Guerilla abgelichtet, ob mit realen Bild oder ohne, mit dem Ziel, diese in die Nähe dieser Gruppierungen zu rücken und in der Community als Kommunist zu stigmatisieren (zum Verständnis: Diese Anführer kennen alle Filipin@s). Das Aufstandsbekämpfungsprogramm „Oplan Bayanihan“ ist zwar überarbeitet worden, doch trägt es immer noch den alten Geist der Kommunistenhatz. Hiermit können und werden sehr viele kritischen Geister der Zivilgesellschaft als „enemy oft he state“ diffamiert und verfolgt.


In den Philippinen ist Red-Baiting aber nicht Geschichte, sondern für viele Aktivist_innen und Gruppen Alltag. Alltag über den wenig oder gar nicht gesprochen wird. Die Partei Bayan Muna ( http://www.bayanmuna.net) hat einen Gesetzesvorschlag in den Kongress eingebracht, um die Praxis des Red-Baitings zu verhindern ( http://verteidiger-verteidigen.de/red-baiting-verbot/). Ob dies viel nützt in Anbetracht der Tatsache, dass natürlich diese Art seine politische Gegner_innen auszuschalten gesetzeswidrig ist. Doch es bringt das Thema auf die politische Agenda. Die Menschenrechtsorganisation IPON aus der BRD führt ein Projekt gegen diese Form der Kommunistenhatz in den Philippinen durch: Erstmals sprechen Gruppen quasi öffentlich über dieses Thema auf einer Konferenz. Staatliche Akteure werden mit dem Thema konfrontiert und müssen sich damit auseinandersetzen. Die Menschenrechtskommission spricht die Problematik offen aus, insbesondere das Militär steht in der Schuld, Red-Baiting in seinen eigenen Reihen zu unterbinden und Aufklärung über die Problematik zu leisten. Auf dem Blog von IPON ( http://ipon-philippines.org/ ) stehen mehr Infos über dieses Projekt:  http://verteidiger-verteidigen.de/red-baiting-is-long-term-emotional-torture/http://verteidiger-verteidigen.de/red-baiting-konferenz-2011-die-redebeitrage-als-audiofiles/ und  http://verteidiger-verteidigen.de/brandmarkung-als-kommunisten/ .
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