AKW Unterweser - Rückbaudebatte

Dietmar Buttler 07.05.2012 13:50 Themen: Atom Indymedia Medien Print Ökologie

Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Fukushima im März 2011 wurde am 18. März 2011 das Kernkraftwerk Unterweser (KKU)in Esenshamm vom Netz genommen. Seit August 2011 ist für das KKU die Berechtigung zur Spaltung von Kernbrennstoffen für die Erzeugung von Elektrizität endgültig erloschen. Zur Zeit befindet sich die Anlage in der sog. Nachbetriebsphase. Der Autor sprach mit dem Mitglied des Betriebsrates Wilfried Müchler. Die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit des KKU beantwortete die Fragen des Autors schriftlich.
Das KKU ist seit Januar 2011 Sitz der Regonaleinheit Nord-West des E.On-Konzerns in Deutschland. Der Druckwasserreaktor lieferte seit Sept. 1978 Strom u. a.aus plutioniumhaltigen MOX-Brennelementen. Seit dem Jahr 2000 wurden auch Brennelemente mit Uran aus abgerüsteten russischen Atombomben eingesetzt.

Laut Leitung der sog. Standortkommunikation hat sich seit März 2011 die Anzahl der Beschäftigten von ca. 700 bis 750 auf aktuell 500 Mitarbeiter am Standort reduziert. Vor dem Hintergrund des deutlich geringeren Auftragsvolumens sei die Anzahl der externen Dienstleister und Zulieferer dabei um 80 % reduziert worden. Die Leitung:"Beim Eigenpersonal des KKU hat es bisher keinen wesentlichen Abbau gegeben. Aber auch in diesem Bereich wird die Zahl der Mitarbeiter jetzt und in den nächsten Jahren an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, z. B. durch Vorruhestandsregelungen oder neue Perspektiven an anderen Standorten des Konzerns." Für den kaufmännischen Bereich steht eine Entscheidung des Unternehmens noch aus.

Laut Betriebsratsmitglied Wilfried Müchler soll das eigene technische Personal von derzeit 290 auf unter 220 reduziert werden. Für innerhalb des Konzerns wechselnde Mitarbeiter wurde die Betriebsvereinbarung "Nachteilsausgleich" mit der Geschäftsleitung abgeschlossen, in der u. a. Vergünstigungen bei eventueller doppelter Haushaltsführung oder Umzügen gewährt werden. Wilfried Müchler:" Alle entstehenden Nachteile werden wir damit aber sicherlich nicht ausgleichen können."

Der Konzern hat als Folge des Atomausstiegs das Programm Eon 2.0 entwickelt, um hiermit die sog. beeinflussbaren Kosten zu sparen.In erster Linie strafft der Konzern mit Eon 2.0 seine Verwaltung. 6000 Stellen will der Konzern so allein in Deutschland einsparen. Auch die etwa 70 Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich des KKU könnten hiervon betroffen sein. Betriebsrat Müchler: "Eon 2.0 wird sicherlich auch an unserem Standort greifen."

Gegenwärtig bietet das KKU 34 Ausbildungsplätze in den Bereichen Industriekaufmann/frau, Elektroniker für Betriebstechnik, Fachkräfte für Lagerlogistik und Chemielaboranten an. Die nächsten Ausbildungsgänge starten am 01.08.2012 und am 01.09.2012. Nach Aussage des Betriebsrates ist für die Abschlussjahrgänge 2012 und 2013 eine auf 12 Monate befristete Übernahme tariflich abgesichert. Zudem sollen im gesamten E.ON-Konzern 2012 und 2013 jeweils 200 Auszubildende übernommen werden. Der letzte Ausbildungsgang wird 2016 beendet.

Noch nicht entschieden wurde im Konzern, ob das KKU zurückgebaut oder z. B. ein sicherer Einschluß vorgenommen wird. Hierbei wird der radioaktive Bereich im Kernkraftwerk für einen späteren Rückbau versiegelt. Betriebsrat Müchler:" Die Beschäftigten hoffen auf einen Rückbau, der würde noch über ein Jahrzehnt Arbeitsplätze sichern."

Der radioaktive Anteil am Gesamtabfallvolumen beträgt etwa zwei Prozent. Zur Zeit befinden sich 600 Brennelemente im Abklingbecken unter der Kuppel des KKU. Nach und nach werden die Brennelemente in Castoren verpackt. Der letzte Behälter wird vorraussichtlich 2016 ins KKU-Zwischenlager Kleinsiel transportiert. In diesem Zusammenhang: Im Streit um das Atommüllzwischenlager Unterweser (Kleinsiel) haben zwei Landwirte aus der unmittelbaren Umgebung des Zwischenlagers einen Etappensieg errungen. Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg waren sie mit ihrer Klage noch gescheitert.. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hob die Entscheidung im März 2012 auf. Nun muss das OVG erneut prüfen ob das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Zwischenlagerstätte genehmigen durfte! Für die beiden Landwirte ist das Zwischenlager u. a. nicht gegen Terrorangriffe mit Flugzeugen oder etwa Panzerfäusten gesichert.Im Übrigen werden alle deutschen Zwischenlager z. Z. einem Stresstest unterzogen. Ergebnisse des Stresstetsts sollen in der zweiten Jahreshälfte 2012 vorliegen.

Ab 2016 könnte mit dem Rückbau begonnen werden - hofft der Betriebsrat und will hierbei u. a. auf die Erfahrungen beim Rückbau des AKW Stade zurückgreifen. Hier soll der Rückbau laut Planung in 2014 abgeschlossen werden.

Ein möglicher Rückbau könnte auch abhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Schachtes Konrad sein, in Deutschland zur Zeit das einzige genehmigte Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll.

Die Leitung der Standortkommunikation:"Voraussetzung für einen Rückbau ist zunächst erst mal eine entsprechende Unternehmensentscheidung. Da diese derzeit noch nicht getroffen wurde, wäre die Nennung eines Zeitpunktes im Moment rein spekulativ. Auch eine zukünftige Nutzung der Anlage, von Gebäudeteilen oder einzelnen Komponenten sind von vielen Rahmenbedingungen abhängig, die zur Zeit noch völlig unklar sind. Daher gibt es von E.ON dazu aktuell keine Überlegungen."

Im konventionellen Teil des KKU haben laut Leitung der Standortkommunikation die Arbeiten zum Ausbau des kürzlich gerade eingefahrenen Generators begonnenen. Diese Großkomponente soll im AKW Brockdorf eine älteres Modell ersetzen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen