Evo Morales und die Behindertenrechte

Lucho Espinoza Gonzales 07.03.2012 21:44 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Letzte Woche Freitag unterzeichnete der Bolivianische President das erste mal in der Geschichte des Landes ein Gesetzt zum Schutz behinderter Personen. Doch enthält es bei weiten nicht alle Vorderungen die die Behinderten in langen Protesten mit drastischen Mitteln, wie den Mund zu nähen oder Plakate mit den eigenden Blut schreiben, erhoben...
Am Freitag den 2.3.2012 unterzeichnete der Bolivianische President Evo Morales zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ein Gesetz zum Schutz von Behinderten Personen. Es garantiert jenen Personen den freien und kostenlosen Zugang zum Staatlichen Gesundheitssysthem, kostenlose Medikamente des permanenten Konsums, kostenlosen Zugang zu Technischen Hilfsmittel und Prothesen und Ermäßigung im Transport. Des Weiteren ist ein formales Recht auf Arbeit und ein Kündigungsschutz für behinderte Personen im Gesetz verankert. Quoten werden jedoch nicht festgelegt. Außerdem sind entscheidende Fortschritte hin zu einer adäquaten, integrativen Bildung erzielt worden. Im „Generalgesetz für Personen mit Behinderungen“ ist ebenfalls ein Anspruch auf ein Sozialgeld ab 2013 verankert.
Der Schaffung des Gesetzes gingen vier Jahre Proteste der Behinderten voraus. Im Jahre 2010 wurde ein Protest von behinderten Personen, die mehrere Wochen durch das Ganze Land auf die Hauptstadt La Paz liefen, von der Polizei der Regierung Evo Morales aufgelöst, indem sie alle Demonstranten gewaltsam auf Lastwagen verluden und sie am Zentralfriedhof von La Paz absetzten.
Mitte November 2011 entschieden sich die Gemeinschaft Behinderter Personen erneut eine „Karawane für die Integration“ anzustoßen. Nach 97 Tagen, in deren die Karawane mehr als 1500km zu Fuß zurücklegten, erreichten am 22.02 rund 200 Personen die bolivianische Hauptstadt La Paz. Dort wurden die protestierenden Behinderten, die, um ihre Wehrlosigkeit auszudrücken sich bis auf die Unterhose auszogen, von der Polizei unter Einsatz von Tränengas, Pfefferspray und physischer Gewalt daran gehindert auf, den Platz vor den Präsidentenpalast zu gelangen. Mehrere Personen wurden auf Grund von schweren Asthma und Epileptischen Anfällen, provoziert durch die Gase, ins Krankenhaus eingeliefert.
Die Regierung Morales versuchte in den Tagen darauf die demonstrierenden Behinderten als Scharlatane zu verurteilen, die zum Teil unter keiner Behinderung leiden und nur die Konfrontation mit der Polizei suchten. Des Weiteren warf sie der Bewegung vor, von der rechten Opposition initiiert und Gekauft zu sein um die Regierung zu schwächen. Fakt ist, das die Rechte versuchte die Bewegung durch Abgeordnete zu dominieren und Vertreter zu Bestechen, doch unterstützte die Opposition die Bewegung nicht mit einen Cent. Der gesamte Protest finanzierte sich fast ausschließlich aus der Solidarität der Bevölkerung, welche die protestierenden Behinderten mit Essen, Trinken, Decken und Schlafplätzen versorgten. KrankenpflegerInnen verhalfen sogar zwei am 22.02. verhaftete Behinderte mit Hilfe von PflegerInnen Dienstkleidung und einer Ambulanz zur Flucht.
Eine staatliche Hilfe für die Bestreitung der höheren Lebenskosten der Behinderten existierte vor der Verabschiedung des Gesetzes in Bolivien nicht. Es ist fast unmöglich in einem Rollstuhl am öffentlichen Leben teilzunehmen und viele Behinderte leben auf der Straße, da es unmöglich für sie ist Arbeit zu finden.
„Die Regierung will uns ein Boni (Sozialgeld) von 1000 Bolivianos (109€) in Jahr zahlen. Wie sollen wir davon leben? Von 2,70 (0,30€) am Tag?“ beschwert sich ein Demonstrant. Die Mehrzahl der behinderten Personen haben keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Bis zur Verabschiedung des Gesetztes existierte ein Dekret der Regierung, welches 4% der Stellen im Öffentlichen Dienst Behinderten Personen garantiert werden müssen. „Aber uns werden lediglich befristete Verträge ausgestellt und wir verdienen für die gleiche Arbeit lediglich die Hälfte des Lohnes der Angestellten ohne Behinderung!“ meint ein ehemaliger Beschäftigter des Bürgeramtes.
330 bis 550 € jährlich forderten die Demonstranten der „Karawane für die Integration“ um den Lebensunterhalt der behinderten Personen zu sichern. Doch die Regierung Morales ist lediglich bereit 109€ im Jahr zu zahlen.
Die Hoffnungslosigkeit der kämpfenden Behinderten eine Lebensgrundsicherung zu erkämpfen drückt sich wohl am besten in ihren Protestformen aus. Einige Personen traten für den Bonus von 550€ in den Hungerstreik, doch die Mittel radikalisierten sich im Laufe der Woche nach der Ankunft der Karawane in La Paz schnell. Eine Mutter kettete sich mit ihren 13 Jährigen behinderten Sohn an einen Zaun und ließ die Kälte und die starken Regenfälle, die in dieser Jahreszeit das Wetter in Bolivien prägen, ohne Wasser und Essen über sich ergehen. Eine anderen Person Nähte sich aus Protest der Lügen, die die Presse über die Proteste der Behinderten verbreitete, den Mund zu. Andere schrieben mit ihrem eigenen Blut Schilder mit den Aufschriften „Bonus oder Tod“ oder „so halten sie uns“. Eine andere Frau drohte an, sich vor der Presse zu vergifte. „Wenn die Regierung uns ein Leben in würde verweigert, was bleibt uns anderes übrig als der Tod?“ Deklarierte sie der Presse gegenüber.
Die Forderungen nach einen höheren Sozialgeld, die Anpassung der bisher existierenden Gesetzte an das neue Gesetz und die Konkretisierung des sehr allgemein formulierten Gesetztes soll in Reglementierungen zusammen mit Vertretern der Behindertenbewegung in Verhandlungen erarbeitet werden. Doch wird die Regierung ohne den Druck der Straße die Forderungen der Behinderten erfüllen? Oder ist der Dialogtisch nicht eine der Beliebten Taktiken die Proteste zu brechen und in langen Verhandlungen, mit Bestechungen und Beeinflussung, am Ende ein Ergebnis zu erzielen, welches die Interessen der Regierung wiederspiegelt? Die Forderung nach einen höheren Bonus haben die Behinderten jedenfalls schon für diesen Moment verloren.
„Die Regierung Beschränkt den Bonus auf dieses Hungerniveau Erstling aus Voraussicht. Wenn die Gas und Metalpreise fallen und die Krise Bolivien erreicht, kann die Regierung das Geld für den Bonus nicht mehr aufbringen. In Wirklichkeit wird die Regierung kein Geld haben um nur einen der Boni, die sie heute verschiedensten benachteiligten Bevölkerungsgruppen zahlt, aufrecht zu halten. Die Regierung Evo Morales hat versäumt eine Industrie aufzubauen, die das Land unabhängig von den internationalen Rahstoffpreisen macht.“ meint Javo Ferreira, Aktivist der Lor-ci (Fraktion Trotzkista). „Die Nationale Bourgeoisie hat kein Interesse das Land zu Industrialisieren. Die Gewinne, die sie erwirtschaften, wenden sie auf um sich ein luxuriöses Leben in der ersten Welt zu leisten. Die einzige soziale Kraft, die Bolivien Industrialisierten kann, ist die Arbeiterklasse.“ ergänzt ein anderer Genosse der Lor-ci.
Die MAS (Movimineto al Socialismo; dt.: Bewegung zum Sozialismus) baut einen Sozialstaat auf, der sich auf den Einnahmen der Gas und Minenindustrie stützt. Aber sie streben weder eine sozialistisch organisierte Wirtschaft an, noch lässt sich irgendwie ein Absterben des Staates beobachten. Die meisten unter Morales verstaatlichten Betriebe sind nicht unter Kontrolle der Arbeiter, und die Produktionsmittel bleiben in der Hand Multinationaler Konzerne. Morales versucht sein neues politisches Regime zu stabilisieren, anstatt eine sozialistischen Rätedemokratie aufzubauen, doch solang Bolivien eine kapitalistische Wirtschaft bleibt, wird seine Politik auch abhängig vom Internationalen Kapital sein. Ein Präsident bleibt halt ein Präsident. Und die Umfragewerte des Bolivianischen sang, als Antwort auf die Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Indigene Befölkerung, in nur einen Jahr von 70% auf 30%.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Mehr bei amerika21.de

verlinka 08.03.2012 - 00:24
Betroffene unzufrieden mit neuem bolivianischen Behindertengesetz

La Paz. Am Freitag hat Boliviens Präsident Evo Morales ein neues Gesetz für Menschen mit Behinderungen verkündet. Demnach sollen die Betroffenen verschiedene Vergünstigungen sowie eine Rente von 1.000 Bolivianos jährlich erhalten. Insbesondere gegen diese Summe protestieren die etwa einhundert Menschen mit Behinderungen, die vor knapp zwei Wochen einen Marsch über knapp 1.600 Kilometer und 100 Tage zum Regierungssitz nach La Paz unternommen hatten. Sie forderten 3.000 Bolivianos und stellen sich weiterhin gegen diesen Teil des Gesetzes. (...)

Weiter:  http://amerika21.de/meldung/2012/02/49129/boliven-behinderte-marsch

Beeindruckende Bilder

Ant 08.03.2012 - 04:15

Sein und werden

Gingko 08.03.2012 - 08:53
Nicht Vorwurf, sondern Denkanstoß: Die Menschen, die als Behinderte bezeichnet werden, sind nicht behindert, sondern werden behindert durch die Umstände. Da diese Umstände allgegenwärtig sind und für Nichtbehinderte normalerweise nicht behindernd wirken, haben die Betroffenen statt einer Behinderung -> besondere Bedürfnisse. Dieser Sprachgebrauch lässt sich hin und wieder beobachten, z. B. in Österreich. Auch ist zu erwähnen, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen oftmals nicht an IHRER Behinderung leiden, sondern daran, dass die Umstände ihnen ein gleichwertiges Leben verunmöglichen. So wird Abweichung vom vermeintlich Normalen zum Schicksal statt zum Anerkenntnis der Vielfältigkeit. Das ist sehr schade. Vielleicht mag der Leser sich mit dem Schlagwort Handicapism (Behindertenfeindlichkeit) auseinandersetzen ...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

hä? — ----

@Hä? — Lucho Espinoza Gonzales