SF: Polizei erschießt Schwarzfahrer

Clara 26.07.2011 14:48 Themen: Antirassismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Vor wenigen Tagen, am 16. Juli 2011 wurde der 19 jährige Kenneth Harding von Polizisten in San Franciscos öffentlichem Nahverkehr 10 mal beschossen und erlag seinen Verletzungen.

Anlaß für das Massaker war der Versuch Hardings, sich durch Weglaufen einer Fahrschein Kontrolle zu entziehen.
Die Polizei war mit mehreren Beamten im Einsatz. Anstatt dem verblutenden Kenneth Harding irgend eine Form von Hilfe zu leisten, bedrohten sie ihn bis zu seinem Tod weiterhin mit gezogener Waffe (siehe Bild) und richteten ihre Waffen auch auf empörte Passant_innen.

Das ist bereits die dritte Erschießung innerhalb von zwei Monaten durch die Polizei San Franciscos. Erst zwei Wochen zuvor war jemand im lokalen Zugverkehr von Beamten erschossen worden.

In den ersten Tagen nach der Erschießung Hardings beeilten sich die Konzern Medien, auf dessen unterstellten klein-kriminellen Hintergrund hinzuweisen. Als aber auch dieses Rechtfertigungsmanöver die öffentliche Kritik an dem von vielen als Mord betrachteten Vorfall nicht verstummen ließ, wartete der pathologische Dienst der Polizei, der SAN FRANCISCO MEDICAL EXAMINER in der vergangenen Woche nun mit einer abenteuerlichen These auf: Harding habe sich selbst erschossen. Sie behaupten tatsächlich, Harding habe im Rennen hinter sich geschossen und sich im Fallen "irgendwie selbst verletzt".

Tatort Zeuge Henry Taylor sagte, "er habe keine Schüsse rückwärts gerichtet kommen sehen" (1), sondern lediglich aus der Richtung der Beamten. Es wurde auch keine Waffe bei dem erschossenen Harding gefunden.

Gleich nach der Bluttat umringten wütende Passant_innen die Polizei. Obwohl die Polizei selbst Video Aufnahmen in den Medien umdeuten lässt, sind bei vielen Erinnerungen an den in Oakland erschossenen Oscar Grant wach geworden, der ebenfalls von einem Polizisten im Nahverkehrszug ermordet worden war.

Die Polizei behauptet nun, eine Waffe auf einem Video identifiziert zu haben, welches von dem Vorfall auf YouTube gepostet gewesen sein soll. Angeblich hätte jemand anderes die Waffe mit genommen uund sei danach geflüchtet. Sie hätten diese Waffe aber nun angeblich sicher gestellt (2). Das beeindruckt die Bevölkerung in der Umgebung des Tatortes überhaupt nicht. Ein Passant sagt in die Kamera: "Selbst wenn eine Waffe gefunden worden wäre - die verfolgen hier einen Mann über die Gleise, während draußen wirkliche Verbrechen passieren" (2). In dem ABC Video wurden auch erstaunliche Erklärungsmuster als Entschuldigung für die Gewalt Tat präsentiert, die nichts an atemberaubenden Zynismus zu wünschen übrig lassen: die Polizei habe sich laut dem Bericht wegen früherer Schießereien in der Gegend befunden, welche von Armut gekennzeichnet sei. Diese Armut müsse durch Stadtentwicklung verschwinden und hier seien andere Behörden gefragt.

Inzwischen sind die Zweifel an der Darstellung der Polizei noch größer geworden. Viele vermuten, dass die Polizei diese Geschichte nun mit allen Mitteln vertuschen möchte (3). Polizei Chef Mike Biel räumte auf einer Presse Konferenz ein, dass er "die Skepsis über die jüngst veröffentlichten Beweise der Behörden" verstehe (4).


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(1) Bayview Police Shooting: Cops Checking Muni Fares Kill Man As He Flees (GRAPHIC VIDEO)  http://www.huffingtonpost.com/2011/07/17/bayview-police-shooting-muni_n_901197.html

(2) SFPD, demonstrators square off over Bayview shooting (July 17, 2011)
 http://abclocal.go.com/kgo/video?id=8255954&syndicate=syndicate§ion

(3) (SF Gate) Police: Bayview suspect shot himself (Friday, July 22, 2011)
 http://www.sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=%2Fc%2Fa%2F2011%2F07%2F21%2FBAAU1KDJ6H.DTL

(4) (Socialist Worker) Dead over a $2 train fare
 http://wwww.socialistworker.org/2011/07/25/dead-over-a-train-fare
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Ergänzungen

No Justice - No B.A.R.T.

Clara 26.07.2011 - 15:19
Der Anstieg der Polizei Brutalität löst große Wut aus und führt zu Protesten.

Am 16. Juli, dem Tag, an dem Harding erschossen wurde, kam es zu spontanen Demonstrationen in der Bay Area. Stationen der BAY AREA RAPID TRANSPORT (B.A.R.T.) und MUNI CARS wurden vorübergehend blockiert.

Am 20. Juli hatte die Gruppe "No Justice - No BART" zu einer Demo in Gedenken an die Ermordung Oscar Grants aufgerufen. Die bestimmende Parole der Demo war: "How do you spell murderer? S.F.P.D.!" (übersetzt: "wie buchstabierst du Mord? - S.F.P.D." = San Francisco Police Department).
Auf einem großen Transparent der Demo war zu lesen: "You Can't Shoot Us All!" (übersetzt: Ihr könnt uns nicht alle erschießen!"
Von den 150 Teilnehmer_Innen wurden 46 von der Polizei festgenommen.

Bereits einige Tage zuvor, am 11. Juli, gab es eine 150 Menschen große Demonstration auf der B.A.R.T Station, in der Charles Hill kürzlich von der Polizei ermordet worden war. Die Parole: "No justice! No peace! Disband the BART police!" (übersetzt: Keine Gerechtigkeit! Kein Frieden! Löst die BART Polizei auf!")
Es gelang den Demonstrant_Innen für mehrere Stunden, drei der zentralen B.A.R.T. Stationen in San Francisco zu blockieren.

weitere Links

Internetfund 26.07.2011 - 16:39
Family of dead parolee doubt SF police's claims
 http://www.mercurynews.com/breaking-news/ci_18547369?nclick_check=1

Cold-Blooded Murder in San Francisco... Enough Is Enough!
 http://www.indybay.org/newsitems/2011/07/25/18685995.php

Open letter to Mayor Lee about violence in Bayview Hunters Point
 http://sfbayview.com/2011/open-letter-to-mayor-lee-about-violence-in-bayview-hunters-point/

Kenneth Harding's mother considers legal

action 26.07.2011 - 16:43

Kenneth Harding's mother considers legal action
 http://abclocal.go.com/kgo/story?section=news/local/san_francisco&id=8270062

Mord ist Mord

Ana 27.07.2011 - 16:14
Dieses Ereignis erinnerte mich an die Tötung eines 14-jährigen Jugendlichen in Krems/Austria , Aug.2009.
Dort waren 2 unbewaffnete Jugendliche in der Nacht beim Einbruch erwischt worden und bei der Flucht schoßen die Polizisten einem der Flüchtingen gezielt in den Rücken, dem andren ins Bein. Mord.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Pigs, Lügner und Co.

Ana 27.07.2011 - 16:37
Das Grausame daran ist, dass es in solchen Fällen kaum Gerechtigkeit gibt.
Der Mord an dem Jugendlichen in Krems zb., wurde vom Richter als Versehen(sowas wie ein Arbeitunfall) eingestuft und dem Polizist passierte im Endefakt gar nix. Und bleibt weiterhin Polizist. Das ist doch WAHNSINN!