[Erfurt] 1400 fürs Besetzte Haus

gg 22.11.2008 22:53 Themen: Freiräume
Häuserkampfdemo in Erfurt mit 1400 Leuten - Massive Vorkontrollen, Polizei setzt aber Vermummungsverbot nicht durch und schreitet auch bei anderen Aktionen (Bengalfeuer etc.) nicht ein - keine Verhaftungen (3 Ingewahrsamnahmen)
Lautstark und entschlossen trugen am Samstagnachmittag rund 1400 Leute ihre Forderung in die Erfurter Innenstadt: "Hände weg vom Besetzten Haus!" war das Motto der Demonstration, mit der auf die Bedrohung des seit fast acht Jahren besetzten Projektes in der Thüringer Landeshauptstadt hingewiesen werden sollte. Die Teilnehmerzahlen gingen damit weit über die Erwartungen der Veranstalter_innen hinaus. "Eine Aktion, die Mut macht für die bevorstehenden Auseinandersetzungen", sagte eine Sprecherin der Besetzer_innen.
Mit einem starken Polizeiaufgebot und nervigen Vorkontrollen hatten die Behörden auf die Demonstrationsanmeldung reagiert. Die Demonstration, die um 13 Uhr am Erfurter Hauptbahnhof begann, war von Beginn an von einer entschlossenen Stimmung geprägt. Parolen wie "Wir bleiben alle!" oder "One struggle, one fight - Rigaer und Topf-Squat bleibt!" erschallten auf dem Bahnhofsvorplatz.

Obwohl ein schwarzer Block am Anfang der Demonstration lief, behielt das Ganze einen recht vielfältigen Charakter. Viele Schilder und Tranmsparente waren gemalt wurden, Luftballons flogen zwischen den Reihen hin und her, vorneweg fuhr ein Traktor samt Hänger, auf dem auf Tonnen getrommelt wurde und an verschiedenen Stellen wurde Pyrotechnik entzündet. Die Polizei verzichtete - wie angekündigt - auf eine einschließende Begleitung und setzte auch das Vermummungsverbot nicht durch. Bis zum Abend wurde dem Ermittlungsausschuss keine einzige Festnahme bekannt - lediglich drei unverhältnismäßige Gewahrsamnahmen waren zu beklagen.

Es gab Redebeiträge von der Gerberstraße 1 in Weimar, DGB-Jugend, der Wir-bleiben-alle-Gruppe, dem Besetzten Haus Erfurt, der Antifagruppe AG17 und dem Bildunkskollektiv BiKo. In den Redebeiträgen verschiedener Gruppen wurde unter anderem die Wichtigkeit selbstverwalteter Zentren für ein antifaschistisches Klima in Erfurt und die Bedeutung einer Geschichtsarbeit von unten herausgestellt. Am Rande des Demonstrationszuges kam es zu kleineren Auseinandersetzungen: Zwei Mal versuchten wenige Nazi-Hooligans der sogenannten Kategorie EF zu stören, konnten aber am Hauptbahnhof erfolgreich verjagt werden, so dass sie Zuflucht im Haus der Bundespolizei suchen mussten. In einem anderen Fall wurden sie von der Polizei abgedrängt.

Zum Ende der Aktion spitzte die Lage sich zu: Am Hauptbahnhof soll ein Polizeifahrzeug beschädigt worden sien, es kam zu wenigen Stein- und Flaschenwürfen, zwei Demonstranten wurden durch den Einsatz von Pfefferspray verletzt.
In ersten Medienberichten schwanken die Angaben über die Zahl der Demonstrant_innen zwischen 600 und "über 700", wobei sich undifferenziert auf die Angaben der Polizei bezogen wird. Die Bilder sagen anderes, auch Zählungen der Veranstalter_innen ergaben eine Teilnehmerzahl von über 1400 Personen. "Die Demonstration hat noch einmal gezeigt, dass sich sehr viele Menschen für den Erhalt des Besetzten Hausprojekts einsetzen." so eine Sprecherin der Besetzer_innengruppe.

Das Besetzte Haus auf einem Teil des ehemaligen Topf & Söhne Geländes in Erfurt ist seit einigen Wochen akut von der Räumung bedroht, weil der neue Besitzer den größten Teil des Geländes abreißen lassen will, um dort Wohn- und Geschäftsgebäude zu errichten. Die Stadt Erfurt bot den Besetzer_innen ein Alternativobjekt unter der Bedingung einer Vereinsgründung an. Eine Sprecherin dazu: "Das angebotene Alternativobjekt ist schon allein aus Platzmangel ungeeignet für die Fortsetzung unseres Projekts. Wir fordern eine Lösung, die nicht nur dem Platzbedarf des Projekts, sondern auch dem Wunsch nach Selbstbestimmtheit der Besetzer_innengruppe gerecht wird."

Berichte von Aktionen der letzten Wochen und Monate:
Vermessungsaktion:  http://de.indymedia.org/2008/11/231249.shtml
Weimar:  http://de.indymedia.org/2008/11/231098.shtml
Bad Langensalza: //de.indymedia.org/2008/10/230965.shtml
Wasseraktion:  http://de.indymedia.org/2008/10/230794.shtml
Freiluftwohnen:  http://de.indymedia.org/2008/10/229830.shtml
Fahrraddemo:  http://de.indymedia.org/2008/10/229055.shtml
Straßenbahnparty:  http://de.indymedia.org/2008/10/228747.shtml
Kundgebung:  http://de.indymedia.org/2008/09/228025.shtml

Infos zum Besetzten Haus Erfurt und der Firma "Topf&Söhne":
www.topf.squat.net
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Ergänzungen

"Keine Verhaftungen (3 Ingewahrsamnahmen)"

Ach 23.11.2008 - 02:42
Kinner´s, auf Demos wird nie jemand verhaftet. Nur festgenommen oder in Gewahrsam genommen. Für eine Verhaftung braucht´s nen Haftbefehl und für nen Haftbefehl brauchts neN HaftrichterIn. Und das erst nach 48 Stunden bzw. bis 0.00 Uhr des näxten Tages.

Zur Polizei

Demonstrant 23.11.2008 - 05:12
Also ich finde es sollte hier dann schon aml - wie es im Bericht ja auch erwähnt wurde - auf das wirklich erfreuliche verhalten der Polizei hingewiesen werden. Die haben sich - bis auf die echt dummen und überflüssigen Vorkontrollen - super krass zurückgehalten. Keine dummen Anmache, kein Spalier, keine Übergriffe, auch nicht als in der Demo Sachen gemacht wurden die ihnen Anlass und Legitimität dazu gegeben hätten. Fande ich ich echt mal eine gute und vertsäündliche Polizeitaktik heute in Erfurt....

Die Demo war auch von den VeranstalertInnen super geplant und durchgegführt. Großes Lob nach Erfurt!

mdr

Demonstrant 23.11.2008 - 05:14
Hausbesetzer demonstrieren gegen Abrisspläne

In Erfurt haben mehr als 700 Menschen gegen die Räumung eines Hauses auf dem Gelände der früheren Erfurter Ofenbauers "Topf und Söhne" demonstriert. Nach Polizeiangaben blieben die Proteste friedlich. Es sei lediglich zu "kleineren Zwischenfällen" gekommen. So seien Steine auf Polizeiautos geworfen worden - ein Beamter wurde verletzt. Der Pressesprecher der Linksjugend Thüringens, Clemens Beck, nannte die Demonstration einen Erfolg. Es seien mehr Teilnehmer gekommen als erwartet. Bei der Bevölkerung sei keine Ablehnung zu spüren gewesen.
Besetzer sollen Haus räumen

Grund für die Demonstration ist die geplante Räumung und der Teilabriss des Gebäudes, das seit mehreren Jahren von rund 30 Menschen besetzt wird. Im vergangenen Jahr hatte eine Mühlhäuser Firma die Industriebrache gekauft, um dort ein Gewerbe- und Wohngebiet zu errichten. Bisher hatte der Besitzer die zwischen 18 und 40 Jahre alten Besetzer geduldet. Jetzt sollen sie das Haus räumen. Zwar hat die Stadt Erfurt Ausweichquartiere angeboten. Diese lehnt die Gruppe jedoch bisher ab.
Rechte: dpa
Ein Krematorium von "Topf und Söhne" in Buchenwald
Pläne für Museum

Das besetzte Haus gehört zum stillgelegten Fabrikgelände des früheren Ofenbauers "Topf und Söhne". Der Betrieb lieferte in der NS-Zeit Verbrennungsöfen für die Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald. Der neue Besitzer des Geländes plant neben Wohnungen deshalb auch ein Museum, das an die Verstrickungen des Unternehmens im Nationalsozialismus erinnern soll.

[mdr-Online]

no pasaran

mein name 23.11.2008 - 13:52
auf der anschlusskundgebung wurde außerdem ein beitrag des dresdner "no pasaran!"-bündnis' verlesen, in dem gegen den europaweit größten nazi-aufmarsch in dresden am 14.2. mobilisiert wurde. im squat selbst könnt ihr die passenden flyer finden; alles weitere gibt es auf
 http://dresden1302.noblogs.org/

wir sehen uns in dresden!

700 oder 1400?

Zahlenkünstler 23.11.2008 - 15:12
Für den Beginn der Demo halte ich 700 Leute für eine realistische Zahl. Aber während die Demo lief kamen immer noch Leute hinzu, so dass es wohl dann weit über 1000 waren!

Solidemos!?

nachgedacht 23.11.2008 - 16:05
... sind gut und wichtig. Doch was passiert am Tag X, wenn geraeumt wird?

Meist sieht es doch so aus: die wenigsten, die vorher auf der/den demo/-s waren, sind bereit einen Schritt weiter zu gehen - nämlich das Objekt (hier das B-Haus in Erfurt) auch aktiv zu verteidigen. Warum auch immer?! ...doch dann hätte Mensch sich solch eine Demo sparen können, denn somit verpufft die Wirkung. So prallt dann die liebgewonne linke/linksradikale Utopie auf die Realität und damit kann sie nunmal gar nicht umgehen (die linke/linksradikale-Szene).

Meines Erachtens hat sie sich schon vor Jahren davon verabschiedet einen Ansatz zu finden, wie in der bestehenden Realität und dem immensen erstarken des staatlichen Gewaltmonopols angemessen reagiert und agiert wird. Es muss dabei nicht (zwangsläufig) um eine Militanz und/oder Gewaltfrage gehen, doch sollte auch die ab und an mal gestellt werden bzw. zumindest darüber nachgedacht werden. Denn, so hart wie das klingen mag, es ist leider die Realität: mit solchen (Groß-)Demos hält Mensch keine Projekte mehr am Leben, wenn erricht Mensch einen kurzen Aufschub.

Ebenfalls zeigt sich für mich, anhand solch einer Demo, der aktionsorientierte linke/linksradikale Aktionismus, der in weiten Teilen aber nicht darüber hinausgeht. Es ist schick sich komplett in scharz (und doch stark Männer-dominiert - will nicht sagen Makker) in Blöcken zusammen zu finden, einer Verbal-Radikalität zu fröhnen und sich gegenseitig toll zu finden. Doch wenn es daran geht, die dadurch -nach Aussen wie nach Innen- erzeugte Wirkung umzusetzen, eben jenem propagiertes Taten folgen zu lassen, dann mangelt es an Entschlossenheit und wirklicher Solidarität - einer die sich nicht nur auf Texte und Soli-Aufurfe stützt.

Anzahl, Silvio Meier, Tag X

einE SympatisantIn 23.11.2008 - 16:39
Anzahl
Mein Persönlicher Eindruck war das die Demo einiges größter war als 1000 Personen. Die Zahl von 1400 halt ich für realistisch. Klar ist es schwierig zu schätzen, jedoch bin ich die Demo von vorn bis hinten abgelaufen und musste feststellen das wirklich viele Menschen in unterschiedlichster Art und Weise dabei sind. Weit wichtiger fand ich jedoch die Stimmung. Sie war kämpferisch, entschlossen und es war festzustellen das es nur einen funken braucht das die Bombe hochgeht. Hände weg vom besetzten Haus - Erfurt!

Silvio Meier Demo
Die Demo in Erfurt solidarisierte sich aus gutem Grund mit der Silvio Meier Demo. Auch ich wollten unbedingt nach Berlin auf die Demo, fand aber die bedrohliche Lage des besetzten Projektes akuter. Aus Gesprächen auf der Demo konnte ich feststellen, dass vielen Personen ähnlich dachten. Wie ich finde die einzelnen Demos können als eine gesamte gewertet werden. Das liegt auch daran, das das besetzte Haus in Erfurt ist ein wichtiger Bezugspunkt gegen Nazis ist. Was es für die Region bedeuten würde, wenn es das Projekt nicht mehr gibt kann sich niemand vorstellen. 2003 wurde ein dem Haus nachstehender Punk von einem Nazis ermordet, einem weiteren Punk wurde das Gesicht zertrümmert (Diesem wurde der Zutritt zur Demo nach einer Personenkontrolle Polizisten verboten!). Am 20. April 2007 wurde ein Brandanschlag auf den besetzten Teil des Geländes verübt. Es kam nur deshalb kein Mensch zu schaden, da die Nazis zu blöd zum Molli bauen waren. Viele weitere Vorfälle zeigen auf wie wichtig es ist einen Rückzugsort zu haben der nach außen wirkt. Weitere Punkte zeigen auf das es nicht nur einfach ein Squat ist. Das Projekt ist ein autonomes Zentrum, auf einem Täter Ort der von „normalen Deutschen“. So spielt, wie ich finde, die Geschichte eine prägende Rolle im Handeln des Projektes.

Tag X
Die Demo war nicht das Ende sondern der Anfang. Tag X mit seinem Räumungsversuch wird kommen. Egal ob sie das Projekt bei Nacht und Nebel Räumen oder den Tag ankündigen. Es wird nicht kontrollierbar sein! Es braucht eine politisches Aussage zu ihrem Verhalten. Kommt alle zum Haus – falls nichts mehr steht habt ihr ja schon einen kleinen Eindruck der Stadt bekommen
Besetztes Haus Erfurt – bleibt!
Wir kommen alle und bleiben alle!

Informationen zum Tag X sollen unter topf.squat.net und haendeweg.blogsport.de veröffentliche werden.

Zahlen und verbittertes Gemeckere

sheep going riot 23.11.2008 - 17:39
Hey ho, es war schwer zu schätzen wie viele es waren, da wir an keinem Punkt wirklich übersichtlich laufen konnten aber an der Stelle als es den großen Ausfall gab, konnt mensch halbwegs erkennen das es einige über der tausender Marke sein müssen. Auch Begleiter_innen, mit den ich in in letzter Zeit auf ein paar Veranstaltungen dieser Größe war, meinten das.

Zum ganzen Gelaber das eh alles sinnlos ist:

Ich hoff einfach mal das diese Beiträge Fakes waren. Wenn nicht solltet ihr vielleicht einfach keine Artikel über Häuser lesen weil Freiräume nicht euer Feld sind (speziell an Kuunterbunt).

Sicher ist es richtig das meistens zu wenig Leute ein Haus auch wirklich verteidigen, das ist aber auch der Entfernung, Verpflichtungen in der eigenen Stadt usw. geschuldet.

Eine größere Demo kann trotzdem auf zwei Seiten Sinn machen; Wenn Du als Projekt noch einen guten Draht zu anderen Vereinen, Initiativen usw. hast, kannst Du mit einer großen Demo das Thema weiter in die öffentliche Diskussion hereintragen und die Stadtregierung mit evtl. Stimmeneinbusen unter Druck setzen.

Wenn Du bei der Bevölkerung eher verschissen hast kannst Du wenigstens Bambule machen, bis Unternehmen, Medien und Bevölkerung (im besten Fall sogar die Bullen) auf eine politische Lösung mit den Besetzer_innen drängen.

Im jeden Fall machen solche Aktionen die Verteidigung des Objektes für andere Gruppen im Umkreis interessanter (siehe Köpi und Ungdomhuset).

Dabei darf mensch nicht nur den Erhalt des einzelnen Hauses als Erfolg sehen sondern eben so ein (Wieder-)Erstarken der Freiraumbewegung insgesamt, welches auch durch einen verlorenen aber spektakulären Kampf erreicht werden kann.

Also Leute, wer Zeit übrig hat, ab in gefährdete Häuser und auf Bereitschaft halten.

Wir bleiben alle - wir werden mehr!

Solidarität mit und unter allen Häusern!

Redebeiträge

Vorne in der Demo 24.11.2008 - 19:38
Leider konnten die kompletten Redis im vorderen Block nicht verstanden werden. Könnten die noch veröffentlich werden?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Grosse Demo! — veganxedge

echt gut — rille

Keine 1400, sondern 800-1000 - 'eh Wurscht! — Kunterbunte Zahlenspielchenkackwurst

fett — one two

Unsere Häuser verteidigen! — berliner Autonomer

Besucherzahl überschätzt? — Die Wahrheit

Nazi-Sponti? — Es wurde keinE AutorIn angegeben!

thanx 4 support — squaterin

Demonstration am 29.11. in Berlin — http://wba.blogsport.de