Berlin: 7. Prozesstag im mg-Verfahren

Roland Ionas Bialke 30.10.2008 00:21 Themen: Militarismus Repression Soziale Kämpfe
Heute, am 29. Oktober 2008, fand in Berlin der siebte Prozesstag im "mg-Verfahren" gegen Axel, Oliver und Florian statt. Es wurde ein BKA-Polizist vernommen, sowie mehrere Gutachten (DNS, Faserspuren, Chemikalien) erörtert.
Gegen 9 Uhr begann der siebte Prozesstag gegen die angeblichen Mitglieder der "Militanten Gruppe" (mg) im Berliner Kammergericht (Oberlandesgericht). Fünf bis zehn Personen, je nach Tageszeit, waren als Prozessbeobachter anwesend. Zudem noch fünf Zuschauer auf den Journalistenplätzen.

In verschiedenen Gutachten wurden zuerst etliche Spuren ausgewertet. In Rahmen der mündlichen Hauptverhandlung wirkte diese Auswertung ziemlich missverständlich. So wurde erwähnt, dass eine DNS-Spur an einer Assavarte mit der DNS von einen der Beschuldigten überein stimmte. Rechtsanwalt Hoffmann klärte aber auf: Da die Assavarte, ein Benzinkanister, im Auto eines Beschuldigten sichergestellt wurde, ist der Fund der Spur nicht ungewöhnlich und beweist überhaupt nichts. Auch alle anderen DNS-Spuren konnten nicht beweisen, dass die drei Angeklagten für eine Brandstiftung verantwortlich sind.

Ebenfalls als positiv stellte sich ein chemisches Gutachten heraus. Reste von Benzin wurden aus dem Kanister eines Beschuldigten untersucht und mit den Resten des abgebrannten Brandsatz verglichen. Auch Spuren an den Händen der Angeklagten wurden chemisch mit den Resten des abgebrannten Brandsatzes verglichen. Auch hier kam zwar heraus, dass sich im Kanister "Otto-Kraftstoff" befunden haben müsse, aber dieser nicht vergleichbar mit dem Brandbeschleuniger im abgebrannten Brandsatz wäre.

Nun wurden Faserspuren in einen Gutachten erläutert. Blaue Fasern wurden an Spurenträger gefunden, aber da die so häufig sind - wahrscheinlich von Blue Jeans - sagen diese Faserspuren auch kaum was aus. Die Faserspuren nahm KHK Junghähnel vom LKA 533 aus Berlin.

Plötzlich führte die Bundesstaatsanwaltschaft Fotos des Tatorts, von den noch nicht abgebrannten Brandsätzen und anderen in Brandenburg sichergestellten Gegenständen in bester Qualität ein. Die Anwälte der Verteidigung protestierten, denn sie hatten die Fotos zwar gesehen, dies aber in sehr schlechter Qualität, und darum schon am ersten Prozesstag beantragt genau die selbe Akteneinsicht wie die Bundesstaatsanwaltschaft ermöglicht zu bekommen. So zeigte sich aber, dass die Bundesstaatsanwaltschaft sich mit hochaufgelösten Farbfotos vorbereiten konnte, die Verteidigung zur Verfahrensvorbereitung nur schief kopierte und kaum erkennbare Schwarzweisskopien zur Verfügung hatte. Da die Fotos "erhellende Tatsachen" aufweisen, so Rechtsanwalt Hoffmann, wären die schon vernommenen Zeugen ganz anders durch die Verteidigung vernommen worden.

Schliesslich wurden auch die Brandsätze in der Hauptverhandlung behandelt. Die Brandsätze waren angeblich mit einer Zeitverzögerung versehen. Diese Zeitverzögerung soll aus einen Joghurtbecher und einen Grillanzünder bestanden haben. Die Brandsätze waren ja verbrannt, aber das MEK Berlin schien nach dem Gutachten genau zu Wissen wie diese Brandsätze aufgebaut waren: Genau wie sie in dem Buch "Klasse gegen Klasse - Nobelkarossentod" beschrieben worden sind. Ein Brandsatz mit Becherzünder.

Angeblich sollen die Brandsätze vor dem Verbrennen auch noch fotografiert worden sein. Das kann ich aber auch falsch verstanden haben. Jedenfalls rügten die Rechtsanwälten die späte preisgabe der Fotos in dieser Qualität.

Ein paar fiese Details kamen so nebenbei auch ans Licht. Das schon erwähnte Abkleben der Hände der Beschuldigten oder die Wegnahme der Oberbekleidung. Neben der Erfahrung durch ein Überfallkommando aus einen entglasten PKW gezogen zu werden sicher keine schöne Erfahrung. Ein weiteres Detail war, dass Polizisten rund um den Tatort auch die Briefkästen und die Tagespost durchsuchten.

Nun wurde ein Zeuge vom BKA Meckenheim vernommen. Bei diesem zeigte sich aber, dass er kaum aussagen wollte. Daher sagte er andauernd "Das steht nicht in meiner Aussagegenehmigung." Auf die Frage, was denn in der Aussagegenehmigung stehen würde, musste er aber dann doch seine Aussagegenehmigung gründlich durchlesen. Der vorsitzende Richter Hoch fand das so auch in Ordnung, aber die Verteidigung protestierte teilweise erfolgreich gegen diese Verweigerung auszusagen.

Schliesslich stellte sich heraus, dass das BKA mit etwa ein Dutzend Personen in einer Konferenz die Zeugen auf den Prozess vorbereitet hatte. Es gab also sehr wahrscheinlich Absprachen über Aussagen innerhalb des Bundeskriminalamts.

Zum Schluss wurde eine CD erörtert auf denen Aufzeichnungen des nicht-öffentlich gesprochenen Worts zweier Beschuldigter befinden. Diese Aufnahmen wurden von einem Observationsteam angefertigt. Nach der Bearbeitung des Ton-Materials will der BKA-Ermittler beim 20-maligen Reinhören ein unverständliches "Bra?n?schlag" ausgemacht haben.

Die nächsten Termine sind:

30. Oktober 2008 - 9 Uhr, Gerichtsgebäude Berlin-Moabit, Turmstraße 91, Saal 700
5. November 2008 - 9 Uhr, Gerichtsgebäude Berlin-Moabit, Turmstraße 91, Saal 700
6. November 2008 - 9 Uhr, Gerichtsgebäude Berlin-Moabit, Turmstraße 91, Saal 700

S-Bahnhof Bellevue (S7) oder U-Bahnhof Turmstrasse (U9)

Kommt zu den Terminen, beobachtet und schreibt mit! Ergänzt diesen und andere Artikel, schreibt selbst Artikel und veröffentlicht diese. Es ist ein bisschen arm, wenn eine handvoll Menschen den Prozess beobachten und nebenbei drei Menschen eingemacht werden. Auf der Homepage des Einstellungsbündnisses finden sich auch gute Prozessberichte. Informiert Euch und werdet aktiv!

 http://einstellung.so36.net/de/prozess/berichte
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Bericht vom siebten.Prozesstag (29.10.2008)

einstellung.so36.net 30.10.2008 - 07:55
Pünktlich um 9.00 Uhr eröffnete der Vorsitzende Richter Hoch die Verhandlung und ein zäher siebter Prozesstag begann. Der längere Teil desTages wurde von der Verlesung von Behördengutachten zur Spurensicherung, DNA-Proben und Vergleichen, Tatortuntersuchungen etc. eingenommen. Am Nachmittag folgte die Vernehmung des BKA-Beamten Heim, der speziell für die Sachbearbeitung bezüglich des Beschuldigten Axel H. zuständig war.

Die Verlesung der behördlichen Gutachten begann mit der sehr langen Asservatenliste. Es folgten die Auswertungen der Asservate: Genommene DNA-Spuren, Faserreste und Flüssigkeiten wurden mit sichergestellten Objekten verglichen. Das Gros der Gutachten kam zu dem Schluss, dass Proben nicht eindeutig zuzuorden waren, dass aber auch nicht auszuschliessen sei, dass die Beschuldigten die Verursacher sind. So zum Beispiel am Tatort gesicherte Faserproben. Insgesamt wurden 23 Proben am Tatort genommen um sie mit der Kleidung der Beschuldigten zu vergleiche. Allerdings konnten nur 6 indigoblaue Baumwollfasern zugeordnet werden. Bei diesen Fasern handelt es sich um Fasern von gewöhnlichen blauen Jeanshosen. Auch das behördliche Gutachten räumte ein, dass diese nicht zum Kontaktnachweis herangezogen werden können, da blaue Jeans ja doch weit verbreitet sind. Ausgeschlossen werden kann der Kontakt jedoch auch nicht.

Auch das Gutachten zu den im Auto gefundenen Benzinkanistern brachte kein klares Ergebnis:die Untersuchung auf brennbare Flüssigkeiten legte dar, dass keine Flüssigkeitsreste in den Kanistern vorhanden waren und nur "flüchtige Komponenten von Ottokraftstoff" festgestellt werden konnten. Es bedurfte mehrerer aufwendiger chemischer Verfahren wie dem"Soldifacemicroextraction (SFME)", um festzustellen, dass es sich bei der Substanz um Benzin handelt. Auch hier gilt das Gleiche wie bei den oben genannten Jeansfasern:Benzin ist weit verbreitet.

Desweiteren wurden sichergestellte Beutel auf vermutliche Brandbeschleunigerreste untersucht. Diese Beutel waren den Beschuldigten nach ihrer Festnahme über die Hände gezogen und mit Klebeband luftdicht verschlossen worden um gasförmige Reste von Brandbeschleunigern feststellen zu können. Das Gutachten sagte hierzu, dass es sich bei den sichergestellten Proben um "körpereigene Produkte oder Reste von Kosmetika" handelt, jedoch Brandbeschleuniger nicht festgestellt werden konnte. Zur Beweisaufnahme werden die Rechtsanwälte später eine Erklärung abgeben.

Das nächste Gutachten galt der Brandvorrichtung an sich:Aufbau und Funktion. Es wurde jedoch unterbrochen, da der Vorsitzende Richter Hoch hier auf den von der Bundesanwaltschaft mitgebrachten Aktenordner mit farbigen Lichtbildern der Asservate hinwies. Bislang standen der Verteidigung nur Schwarz/Weiss-Kopien in schlechter Qualität zur Verfügung, wie bereits beim Prozessauftakt von den Rechtsanwälten bemängelt wurde. Richter Hoch ordnete eine halbstündige Pause an, in der diese Bilder für die Anwälte kopiert werden sollten, die zur Mittagspause verlängert wurde, damit sie Zeit zur Einsicht der Bilder hatten.

Nach der Mittagspause folgte eine Erklärung der Anwälte zur Beweisaufnahme: die von ihnen gesichteten Farbfotos seien erhellendes Material auch zu Themen und Zeugen, die bereits befragt und verhandelt wurden. Daher muss dieses Material erneut geprüft und Zeugen gegebenenfalls neu geladen werden. An die BAW gerichtet sagten sie, dass es einen schalen Beigeschmack hat, dieses Material erst jetzt zu sehen.

Desweiteren erklärten die Anwälte zusammenfassend, dass die verlesenen Gutachten keine eindeutigen Hinweise ergaben. Selbst die Zuordnung der Konstruktion der Brandvorrichtung zur militanten gruppe wurde von den Gutachtern des BKA selbst widerlegt: der Aufbau entspreche der Bauweise benutzt durch die Gruppierung Klasse gegen Klasse.

Es folgte eine kurze Pause, nach der der BKA-Beamte Heim vernommen wurde. Heim ist zuständig für die Sachbearbeitung von Axel H. gewesen und wurde zu Beginn vom Vorsitzenden Hoch nach einigen Lebensumständen von Axel gefragt und nach den Durchsuchungen an denen er teilgenommen hat. Heim sagte aus, dass er weitgehende Informationen zu Axel H. vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erhalten habe, wobei diese nur zum Teil öffentlich und im Prozess verwendet werden dürften. Weitergehende Aussagen seien von seiner Aussagegenehmigung nicht gedeckt.

Als der Vorsitzende den Zeugen nach einer Tonbandaufnahme eines mitgeschnittenen Telefongespräches, die Heim einem anderem Beamten vorgespielt hatte, befragen wollte, intervenierten die Rechtsanwälte. Sie beanstandeten, dass sie vorher die Aufnahme hören sollten oder aber das davon abgesehen wird, den Zeugen zu dieser Aufnahme und seiner Wahrnehmung zu befragen. Der Richter lehnte dies ab. Von den Rechtsanwälten nach dem Ursprung der Aufnahme befragt, konnte er nicht aussagen, von wem dieser "Lauschangriff" angeordnet wurde. Die Anwälte forderten daraufhin, Heim solle seinen Vorgesetzen anrufen, um zu klären ob und in welchem Punkt er nicht aussagen dürfe.

Nach kurzer Pause fuhr der Vorsitzende mit der Befragung fort und wollte von Heim wissen, weshalb er die Tonaufnahme einem anderen Beamten vorgespielt hat. Heim sagte, er glaubte auf dem Tonband "unser Br...nd...schl..g" gehört zu haben und wollte ein zweite Meinung. Natürlich sagte er vorher dem anderen Beamten nicht, was er glaubte gehört zu haben. Dieser und auch eine phonetische Textanalyse konnten jedoch den Verdacht Heims nicht bestätigen: Die Analyse spricht von fehlender Qualität, fehlendem Kontext, einem unverständlichem vorangegangenem Wort (unser) und dass ein anderer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann.

Zu diesem Zeitpunkt erhielt Heim den Rückruf seiner Dienststelle. Viel Erhellendes brachte dieser nicht. Der Disput, wie weit seine Aussagegenehmigung geht wurde nicht endgültig geklärt. Auf nochmalige Nachfrage der Rechtsanwälte, sagte Heim aus, dass er die Genehmigung habe, zu diesem Verfahren im Rahmen des Bestandes der Akten auszusagen, darüberhinaus aber nicht. Auf die Nachfrage, ob er denn den vollständigen Bestand der Akten kenne, sagte Heim, dass dies nicht der Fall sei.
Nachdem der Zeuge wiederholt keine Angaben machte, wobei er sich auf seine beschränkte Aussagegenehmigung berief, stellt ihm die Verteidigung einige Fragen zu dem Umfang dieser Genehmigung. Dabei verwies der Zeuge Heim auf eine "Erörterung der Tragweite" mit seinem Vorgesetzten über die Aussagegenehmigung. Hier stellt sich heraus, dass es vor Prozessbeginn bei seiner Dienststelle eine explizite Vorbereitung auf den Prozess gegeben habe. Die BAW versuchte hier einzugreifen, indem sie die Befragung für unzulässig erklärte. Der Richter Hoch ließ, die Befragung jedoch zu. Es stellte sich heraus, dass diese Besprechung circa eine Stunde angedauert haben soll, er konnte jedoch nur inhaltlichen Stoff von etwa fünf Minuten wiedergeben. An den Rest konnte er sich nicht mehr erinnern.

Es folgte eine erneute Pause von 15 Minuten.
Danach wurde die Vernehmung des Zeugen Heim auf den 13. November vertagt und die Verhandlung geschlossen.

MEK Berlin

Wessen Name ? 30.10.2008 - 11:31
Woher die Vermutung dass das MEK Berlin vor Ort war, das BKA hat doch ein eigenes MEK. Die geben doch auch sonst nur dann Sachen an die Länderpolizeien ab, wenn sie selbst keinen Bock drauf haben. Steht das explizit so in den Akten ?

MEK und LKA Berlin

Roland Ionas Bialke 30.10.2008 - 17:36
Das MEK Berlin und LKA Berlin (Staatsschutz und Kriminaltechnik) wurden, bezogen auf die mündliche Hauptverhandlung, wurden anscheinend vom BKA Meckenheim angefordert um Amtshilfe zu leisten. Mehr kann ich nicht sagen, da ich keine Akten gelesen habe, sondern nur als Prozessbeobachter die Verhandlung verfolgt habe.

Entschuldigt bitte, dass ich im ersten Teil des Textes nicht gegendert habe und das Mit der "Bundesstaatsanwaltschaft" - Heisst wohl eher "Bundesanwaltschaft" - Verdammte Fachbegriffe!! *grmbl*