Demo gegen Krieg und Folter in Kurdistan

Bernd Kudanek alias bjk 23.10.2008 12:31 Themen: Antifa Antirassismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Kurdische Vereine aus Berlin hatten für gestern, den 22.Oktober, um 16 Uhr auf dem Hermannplatz zu einer Demonstration gegen Folterungen, Verhaftungen, Vertreibungen und militärische Operationen in der Türkei und Kurdistan aufgerufen.

Anlass war die dramatische Zuspitzung der Situation in den letzten Tagen.
Vergangene Woche soll der auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte kurdische Volksführer Abdullah Öcalan vom Gefängnispersonal körperlich angegriffen und mit dem Tod bedroht worden sein. Der Imrali-Knast ist das Guantanámo Europas, ein rechtsfreier Raum, in dem nicht die Justiz sondern nach verbrecherischem US-Terror-Vorbild das Militär die alleinige Macht ausübt.

Öcalan wurde von der CIA entführt und sitzt seit 1999 in illegaler Isolationshaft unter unmenschlichen Umständen. Er sit der einzige Gefangene auf der Festungsinsel ohne jeden Kontakt zu lebenden Wesen, nicht einmal Pflanzen sind gestattet. Gesetze wurden speziell geändert, um Besuche auch von seinen Verteidigern möglichst zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Legal ist deshalb neuerdings, alle Gespräche mit seinen Anwälten auf Tonband aufzuzeichnen.

Die USA haben ihren Staatsterrorismus erfolgreich exportiert und die Welt, insbesondere die EU schweigt. Mit dem Verbot des kurdischen Fernsehsenders Roj TV und dem seit 15 Jahren durchgeführten PKK-Verbot trägt auch die deutsche Bundesregierung ebenso zur Unterdrückung der Kurdinnen und Kurden bei, wie mit Waffenlieferungen an die türkische Armee.

In der Türkei demonstrieren schon seit 4 Tagen Tausende gegen die bekannt gewordenen kürzlichen Mißhandlungen des Kurdenführers. Die Polizei schoss an mehreren Orten mit Tränengas und scharfer Munition auf die DemonstrantInnen. Mindestens eine Person wurde dabei getötet, viele zum Teil schwer verletzt. Landesweit kam es zu einer massiven Verhaftungswelle. Überdies hat die türkische Luftwaffe in den letzten Tagen Ziele im Nordirak bombardiert. Die Gewalt droht weiter zu eskalieren. Es wird berichtet, daß Kurden von türkischen Faschisten gejagt, ihre Läden, Büros und Autos angezündet würden. Es drohe ein ethnischer Bürgerkrieg zwischen der kurdischen und türkischen Bevölkerung.

Stoppt den Krieg in Kurdistan! Schluß mit der Folter! Freiheit für Abdullah Öcalan und alle anderen politischen Gefangenen! Stoppt die rassistischen Pogrome - Für die Geschwisterlichkeit der Völker! Weg mit dem PKK-Verbot und dem Verbot von Roj TV! - Unter diesem Motto rief das Kurdistan-Solidaritätskomitee alle demokratischen, antifaschistischen und sozialistischen Organisationen und Menschen dazu auf, sich an den kurdischen Protesten zu beteiligen und an der Demo auf dem Hermannplatz zu beteiligen.

Als ich gegen 16 Uhr am Hermannplatz eintraf, waren außer dem üblichen Bullen-Großaufgebot bereits gut 200 DemonstrantInnen versammelt, die sich durch die Bullerei weder provozieren noch einschüchtern ließen. Selbst dann nicht, als ihre Öcalan-Plakate und Flaggen mit seinem Konterfei willkürlich und rechtswidrig beschlagnahmt wurden. Dabei sollen die Staatsbüttel sogar auf den Plakaten herumgetrampelt sein, wurde vom Lauti durchgegeben. Die Demoleitung reagierte trotzdem besonnen und verhandelte zäh mit den von ihrer Einsatzleitung im Hintergrund vorgeschickten Bullen. Mit Erfolg, denn später wurden wenigstens die Öcalan-Plakate freigegeben. Andererseits wurden Transparente mit Protest-Botschaften gar nicht erst zugelassen bzw. von der Staatsmacht gleich einkassiert. Zum Beispiel werden Proteste gegen das Verbot des kurdischen Fernsehsenders Roj TV und das PKK-Verbot von der Demo-Erlaubnisanstalt unter Joachim Haß, Berlins oberstem Demobeschränkungs-Sachverwalter, rigoros unterbunden. Deshalb gab es nur wenige Spruchbänder mit auch nur eingeschränkten Protestaussagen.

So wird in der angeblich demokratischen BRD seit langem systematisch das Grundrecht auf freie Demonstration durch reaktionäre Polit-Verwaltungsbehörden ausgehöhlt und gewaltsam abzuwürgen versucht. Schikanöse Demo-Auflagen werden ersonnen, Zivilbullen mischen sich illegal und oft nicht gekennzeichnet in die Demo, die DemoteilnehmerInnen werden gigabyteweise abgefilmt, was ausgerechnet der rotrote Senat ja unter anderem vor gut einem Jahr durch das Polizeiverschärfungsgesetz legalisiert hat, und andere Grundgesetzesbrüche mehr.

Nicht gekennzeichnete Zivilbullen pirschten gestern übrigens immer wieder durch die Demo. Aber deren Körpersprache und Gesichtsausdruck sind auch Kennzeichen genug, zumal, wenn es auf allen Demos immer die gleichen Unsympathen sind. Es war leider nicht zu verhindern, daß sie sich in einzelne Fotos regelrecht hineingedrängt haben. Insbesondere dann, als sie sich ausgerechnet vor dem Denkmal versammelt hatten, das ich als Hintergrund-Motiv in Foto Nr. 31 aufnehmen wollte. Der Demo-Beschränkungs-Sachwalter, Joachim Haß, erspähte mich und drohte mir sogleich mit erhobenem Zeigefinger (siehe Foto Nr. 33). Als mich das nicht beeindruckte, eilte er schnurstracks zu mir und wollte mir mehr oder weniger deutlich das Fotografieren seiner Person und offenbar auch seiner Zivilbullen verbieten. Aber ich lächelte ihn nur fröhlich an. Seine ohnehin hagere Gestalt klappte, wie von einer plötzlichen Magengeschwür-Schmerzattacke befallen, ein wenig zusammen und sein Gesicht drückte den ganzen Weltschmerz aus aber er konnte beim Weggehen zu seinen Zivilbullen noch herausquetschen, daß ich mich ja unterstehen solle, die Fotos von ihm ins Internet zu stellen.

Natürlich weiß Joachim Haß, daß er mir das, weil es Demofotos und damit von öffentlichem Interesse sind, im Grunde gar nicht verbieten kann. Aber da er sich nun als Amtsperson im (verdeckten) Einsatz ausdrücklich als solcher zu erkennen gegeben hat, darf ich ihn und seine Zivi-Büttel natürlich nicht im Einsatz ablichten, ohne wenigstens die Gesichter unkenntlich zu machen. Also hab ich deren Visagen auf beiden Fotos mit roten Klecksen verschönert. - Der gute Herr Haß war möglicherweise not amused über meinen Fotobericht auf der Anti-Repressions-Demo am 10. Juli, nachzulesen unter  http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/21788075.0.30115.html - Dort ist er gleich mehrfach ins Bild geraten und zwar in die Fotos Nr. 9, 42, 45, 71, und 78, wo er gerade einem jungen Kurden freundschaftlich Arm in Arm bzw. auf Schulter im Gespräch vertieft ist. Seine Konterfeis fand Joachim Haß wohl eher nicht so lustig.

Wie auch immer, die Demo-TeilnehmerInnen waren überwiegend kurdischstämmig, nur ein paar deutsche Anarchisten und Antifaschisten hatten sich solidarisch eingefunden. Die Lauti-Redebeiträge und Ansagen erfolgten überwiegend in kurdischer Sprache, was sicher viele deutsche Linke noch zusätzlich zu anderen, oft dummen Vorbehalten davon abhält, mal an kurdischen Demos solidarisch teilzunehmen. Ich blieb noch bis fast zum Ende der Auftaktkundgebung auf dem Hermannplatz und gehe davon aus, daß es auf der anschließenden Demoroute zu keinen weiteren nennenswerten Schikanen seitens der Bullerei gekommen ist - zumindest habe ich davon keine Kenntnis. Vielleicht wissen ja indy-LeserInnen mehr.

Alle 36 Fotos sind eingestellt unter:
 http://www.carookee.com/forum/WISP/4/22930897.0.30115.html
und
 http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/4/22930833.0.30115.html

Bernd Kudanek alias bjk
Unterschichtler

Foren:
 http://freies-politikforum.carookee.com
 http://wisp.carookee.com
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Ergänzungen

free ocalan !

martin glasenapp 24.10.2008 - 20:02
An die Redaktion

Betreffend zum Hungerstreik in der Türkei von Chris Kutschera



Normalerweise schätze ich Artikel von Chris Kutschera und man kann wohl sagen, dass er einer der Journalisten ist, die sich in der kurdischen Frage gut auskennen. Sein Artikel zum Hungerstreik allerdings ist kein Ruhmesblatt für ihn. Er ist schlampig, lieblos und zudem denunziatorisch. Warum? Nach nun fast 60 Toten sollte ein längst überfälliger Artikel im Asiti mit etwas mehr Behutsamkeit und Mitgefühl versuchen die Tragödie in- und ausserhalb der Gefängnisse zu skizzieren. Ich glaube es ist angesichts dieses menschlichen Dramas auch nicht notwendig, derart oberflächlich die türkische Linke mit zwei, drei Sätzen abzustrafen und zuguterletzt die Unterstellung im Raum stehen zu lassen, dass die Gefangenen von "aussen" gesteuert werden. Da hilft auch die Relativierung von Eren Keskin am Ende nichts. Es bleibt Chris Kutschera unbenommen, derartiges zu schreiben und zu glauben. Ihr allerdings druckt es und gebt dem Artikel somit seine Relevanz. Damit bewegt ihr euch auf dem Niveau der TAZ-Berichterstattung zu diesem Thema.
Schade, ich hätte euch mehr politische Sensibilität zugetraut. Und auch wenn ihr keine Freunde der türkischen Linken seid, so ist es doch ein Fehler, zu glauben, der Kampf in den Gefängnissen hätte in seiner Konsequenz mit der Politik der kurdischen Bewegung nichts zu tun. Der 19. Dezember 2000 war nicht nur ein "Modernisierungsmassaker" und quasi ein Putsch im Knast, es war auch ein direkter militärischer Schlag gegen das Projekt der "Demokratischen Republik". Dies nicht zu sehen, sondern den Überlebenskampf der Gefangenen und deren Gefallenen letztlich lapidar auch als Opfer einer Fraktionierung innerhalb der "extremen Linken" (Kutschera) abzuhandeln, schmerzt zu lesen. Gerade auch in einem Rundbrief von Leuten, die es zumindest besser wissen könnten, würden sie es denn wollen. Und so rudert Asiti zusammen mit Daniel Cohn-Bendit in die gleiche Richtung, der nach einem Besuch im F-Typ von Kandira letztlich nichts anderes sagte, als Chris Kutschera schreibt, und die Gefangenen zu Mitschuldigen an ihrem eigenen Tod im Namen einer "Steinzeit-Ideologie" erklärte. Dem hat sich in der Diktion nun auch Asiti angeschlossen. Gut zu wissen ist das nicht. Besser wäre, ihr überdenkt das noch einmal. Oder sind das die notwendigen "Korrekturen" auf dem Weg nach Europa, die ihr meint vollziehen zu müssen?

Martin Glasenapp
(medico international)
tel 069-944 38-21
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 info@freedom-for-ocalan.com

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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