Finanzwirtschaft und Realwirtschaft anno 2008

Wal Buchenberg 21.09.2008 16:48 Themen: Globalisierung Weltweit
Weltweit verlieren die Aktienmärkte an Wert. Globale "Finanzplayer" sind heilfroh, wenn sie für einen Apfel und ein Ei die Besitzer wechseln, statt wie die Großbank Lehman Brothers insolvent zu werden, während niemand sie übernehmen will. Prominente Kapitalvertreter rufen laut nach Staatshilfe, und die Regierungen tun, was von ihnen verlangt wird: In Deutschland wurde die IKB-Bank für gut 10 Milliarden Euro "sozialisiert" und der Verkauf der maroden SachsenLB an die LBBW mit 17 Mrd. Staatsknete "gefördert". In England zahlte die Regierung 34 Mrd. Euro für die Verstaatlichung der Pleitebank Northern Rock. In den USA kostet die Verstaatlichung der Hypothekenfinanzgesellschaften Fannie Mae und Freddie Mac mindestens 300 Mrd. US-Dollar. Dann war die größte Versicherungsgesellschaft der Welt, die AIG, an der Reihe, für die aus dem US-Steuersäckel 85 Mrd. Dollar fällig werden. Inzwischen gibt es Pläne für einen allgemeinen "Bail-out". Die US-Regierung will mit Steuergeldern wertlose "Sicherheiten" der Finanzwirtschaft im Wert von fast 500 Mrd. Euro aufkaufen, ihren Steuerzahlern aufbürden. Wo Märkte "versagen", hilft der Staat - alles wie gehabt?
Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts warnte nach den jüngsten Finanz-Pleiten vor "falscher Panik" und meint, die Wachstumsprognose für die Wirtschaft in Deutschland müsse nur "um einzelne Zehntelpunkte" nach unten korrigiert werden. Neben solchen professionellen Gesundbetern sehen linke wie rechte Paniker das Ende der "Welt, wie wir sie kennen" und behaupten, der "Kapitalismus habe fertig" oder gebildet auf Englisch: "Game over".

Frühere Indy-Artikel zu diesem Themenbereich:
22.01.2008 Börsencrash
05.03.2008 Gefühlte Teuerung, berechnete Inflation
02.01. 2008 Finanzkrise - was dann?
03.05.2007 Kapitalistischer Reichtum in Deutschland

Um diese widersprechenden Ansichten nachzuprüfen, versuche ich die aktuellen Entwicklungen auf den Finanzmärkten mit den Verflechtungen zwischen "Realwirtschaft" und "Finanzwirtschaft" aufzuzeigen. Ich kann und will keine Prophezeiungen abgeben, hoffe aber, dass die Leser des Textes ein bisschen besser verstehen, was derzeit mit dem Kapitalismus passiert.

1. Woher kommen die Finanzmilliarden?


1.1. Industriekapital und Profit


Ausgangspunkt aller scheinbar mühelos verdienten und schnell wieder verlorenen Finanzmilliarden ist die "Realwirtschaft". In unseren Lehrbüchern steht: Die erste Quelle der Finanzwelt sei das "Sparen privater Haushalte". Diese "privaten Sparer" können weder HartzIV-Empfänger noch durchschnittliche Lohnarbeiter sein. Bei deren Einkommen bleibt nichts übrig für Finanzinvestitionen. Tatsächlich ist die Hauptquelle und die Basis der Finanzwirtschaft das industrielle Kapital.

Wie das üblicherweise abläuft, zeigt die Grafik 01:




Der Kreislauf des Industriekapitals beginnt oben rechts im Uhrzeigersinn mit der Investition: "Geld kauft Ware" (Arbeitskraft plus Produktionsmittel). Diese Produktionsfaktoren verbinden sich im Produktionsprozess zu Waren von neuer Gestalt und höherem Wert (W').
Die im Wert angereicherte Warenmenge W' kann also theoretisch geteilt werden in (W) plus den Zusatzwert Delta-Ware.
Der industrielle Kapitalist und Unternehmer verkauft die gesamte Warenmenge und verwandelt sie dadurch wieder in Geld. Auch diese vermehrte Geldmenge G' lässt sich darstellen als G (= vorgeschossenes Kapital) plus g (= versilberter Mehrwert).
Der versilberte Mehrwert tritt aus dem Kreislauf heraus, das ursprüngliche Kapital tritt wieder in den Kreislauf ein.
Damit der Produktionsprozess wie bisher weiterläuft, muss G wieder neu in Arbeitskraft und Produktionsmittel (W) verwandelt werden. Sofern sich die äußeren Bedingungen nicht geändert haben, geht das ohne Schwierigkeiten vonstatten, weil das neue G gleich groß ist wie das ursprüngliche G. Dieselbe Menge G kauft wieder dieselbe Menge Arbeitskraft und Produktionsmittel.
Mit dem neuen G beginnt ein neuer Kreislauf wie oben:
In diesem Kreislauf erscheint das industrielle Kapital als Perpetuum mobile, das immer neu das vorgeschossene Kapital G reproduziert und gleichzeitig ein Delta-G, den versilberten Mehrwert auswirft.

Jeder dieser Kapitalumschläge teilt sich in eine Produktionsphase und zwei Marktaufenthalte (Zirkulationsphasen). Beim ersten Marktaufenthalt (auf dem Kreis zwischen ein Uhr und 17 Uhr) verwandelt sich Geldkapital in produktives Warenkapital (G - W) (18 Uhr bis 20 Uhr), beim zweiten Marktaufenthalt (von 20 Uhr und 24 Uhr) wird die produzierte Ware wieder versilbert (G - W).

Die Länge dieses Kapitalumschlags in der realen Welt ist je nach Branche und Entwicklung der Produktivkräfte verschieden. Nur als Beispiel nehme ich die Autoindustrie, wo ein Auto in der Produktionsphase durchschnittlich in rund 15 Tagen montiert wird. Zu dieser Zeit der Endmontage wäre noch die Entwicklungszeit und die Produktionszeit von Zulieferteilen hinzu zu rechnen. Ich schätze beides zusammen auf rund 5 Tage pro PKW. Zusammen ergibt das eine Produktionszeit pro PKW von 20 Tagen.
Für die erste Zirkulationsphase - die Zeit, die nötig ist, um Arbeitskraft und Produktionsmittel bereitzustellen, rechne ich durchschnittlich 5 Tage pro PKW. Für die zweite Zirkulationszeit, in der das fertige Auto auf den Markt kommt und auf Käufer wartet, gab der "Economist" eine durchschnittliche Dauer von 40 Tagen an.
Man käme so auf eine Kapitalumschlagszeit pro PKW von 5 + 20 + 40 = 65 Tagen oder drei Arbeitsmonaten.

Als Schema lässt sich ein Kapitalumschlag vom nächsten trennen. In der Wirklichkeit verläuft der Produktions- und Zirkulationsprozess des Kapitals jedoch kontinuierlich, weil sich das industrielle Kapital innerhalb seines Kreislaufs auf alle Punkte verteilt und sich ständig gleichzeitig in allen Phasen befindet. Die Auto-Kapitalisten müssen nicht 65 Tage warten, bis der nächste PKW produziert ist. In modernen Autowerken verlässt mindestens jede Minute ein fertiges Auto die Fabrikhallen.
Toyota macht an jedem Auto 1.742 Dollar Profit, Nissan sogar 2.402 Dollar. (Siehe dazu Globale Krise der Autoindustrie http://www.marx-forum.de/geschichte/deutschland/auto.html ). Selbst wenn wir annehmen, dass andere Autohersteller pro PKW nur 1.000 oder 500 Euro Profit machen, dann werden auch dort jede Minute 1.000 oder 500 Euro Profit "ausgespuckt".
Was geschieht mit diesem Profit?

Ein Teil des kapitalistischen Profits heißt "Revenue" und dient dem Lebensunterhalt der Kapitalistenklasse und ihres Anhangs. In statistischen Übersichten ist dieses Einkommen unter dem Stichwort zusammengefasst: "Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen".
Zahlenmäßig macht die Kapitalistenklasse in Deutschland derzeit rund 3 Prozent der Erwerbsbevölkerung, hinzu kommen allerdings noch kleine, traditionelle Selbständige mit rund 7 % der Erwerbsbevölkerung. Grob gerechnet erhalten diese zehn Prozent der Bevölkerung 34 Prozent des Volkseinkommens in Deutschland ( Siehe Lohnquote 2006 http://www.postbank.de/csfiles/ReseachSpezialAug2007.pdf).
An anderer Stelle http://www.marx-forum.de/geschichte/deutschland/bip_2006.html hatte ich für das Jahr 2006 errechnet, dass die Kapitalisten in Deutschland pro Kopf ein Netto-Durchschnittseinkommen von 146.250 Euro hatten. Dort ist die Quelle für "privates Sparen".
Je größer ein solches Kapital-Einkommen ist, desto leichter teilt sich in zwei Teile: Ein Teil wird privat verkonsumiert (Revenue) ein anderer Teil tritt als Zusatzkapital auf. Nur in der Frühphase des Kapitalismus mussten sich viele potentielle Kapitalisten ihr Kapital "vom Mund absparen".
In den offiziellen Statistiken findet sich dieses Zusatzkapital als "Sparquote" wieder. Es ist Geld, das weder im eigenen Unternehmen angelegt wird, noch verkonsumiert wird. Diese "Sparquote" liegt in Deutschland derzeit bei 11 Prozent des Volkseinkommens. Im Jahr 2006 waren das knapp 160 Mrd. Euro. Diese 160 Mrd. Euro waren überschüssiges Zusatzkapital, das nach profitabler Anlage suchte.

1.2. Zusatzkapital und Akkumulation


Nehmen wir zunächst an, das verfügbare Zusatzkapital wandert vollständig zurück in die eigenen Unternehmen. Damit wächst das aktive, Kapital, der Kreislauf des industriellen Kapitals weitet sich zur Spirale.
Siehe dazu die Grafik 02:




Irgendwann aber tritt ein Punkt ein, an dem es profitabler wird, das Zusatzkapital in neue Branchen oder in neuen Regionen anzulegen. Kapitaltransfer und Kapitalexport beginnen und nehmen zu. Seit Jahren sinkt in Deutschland die Investitionsquote relativ zum Bruttoinlandsprodukt.
Kapitalexport und Kapitaltransfer beginnen nicht, weil es keine Anlagemöglichkeiten mehr im eigenen Betrieb und im eigenen Land mehr gäbe. Sie beginnen und weiten sich aus, weil die neuen und fremden Anlagemöglichkeiten profitabler sind oder mindestens profitabler scheinen.
Ausmaß und Verteilung des weltweiten Kapitaltransfers seit 1980 zeigt die Grafik 03




Die Daten zeigen, dass die industriellen Direktinvestitionen in diesem Zeitraum sich mehr als verdoppelt haben. In Gewerkschaftszeitungen heißt es dann die "Arbeitsplätze" wandern ins Ausland. Ein Heilmittel dagegen gibt es nicht - es sei denn die Löhne in Deutschland werden relativ zu den ausländischen Standorten gesenkt.
Deutlicher noch als die Direktinvestitionen stiegen die Geldgeschäfte mit dem Ausland und die Finanzinvestitionen im Ausland
Die weltweiten Finanzinvestitionen stiegen seit 1980 von rund 4% des Welt-BSP auf rund 14% des Welt-BSP. Es handelt sich um eine überproportionale Ausweitung der Finanzwirtschaft, ohne entsprechendes Wachstum der "Realwirtschaft". In diesem Faktum liegt meines Erachtens der Kern der gegenwärtigen Finanzkrise. Es handelt sich um ein Anwachsen des Finanzkapitals ohne entsprechendes Wachstum des industriellen Kapitals.

2. Die Vermehrung der Finanzmilliarden


2.1. Geldschöpfung der Banken?


Die Frage, wie die Banken aus Geld urplötzlich mehr Geld machen können, ist so rätselhaft und so simpel wie die Frage der frühen griechischen Philosophen, ob ein fliegender Pfeil sich an einem einzigen Ort oder an mehreren Orten befinde.
Jeder unkomplizierte Kopf weiß: Ein fliegender Pfeil ist nacheinander an vielen Orten. Auf diese Weise schafft ein Pfeil von 1 Meter Länge eine Flugstrecke von vielleicht 100 Meter Länge.
Wie wir gleich sehen werden, wird in der kapitalistischen Finanzwelt die "Länge" des fliegenden Pfeils nicht als 1 Meter, sondern als 100 Meter gerechnet.
Und jeder unkomplizierte Kopf weiß: Indem ein Betrag von 100 Euro durch viele Hände geht, kann er Transaktionen von vielen Tausend Euro bewirken. Deshalb ist die umlaufende Geldmenge immer geringer als die Waren und Dienstleistungen, die hergestellt, gekauft und verkauft werden.
Das Bruttoinlandsprodukt gibt ungefähr die in einem Jahr reproduzierte und neu geschaffene Waren- und Dienstleistungsmenge eines Wirtschaftsraumes wieder. Das BIP der EU-27 lag im Jahr 2006 bei rund 11.580 Mrd. Euro. Ende des Jahres 2006 waren aber nur 630 Mrd. Euro-Banknoten um Umlauf. Im Durchschnitt konnte jeder im Euroraum umlaufende Euro Waren und Dienstleistungen im Wert von 18,38 "bezahlen". In der Metapher des fliegenden Pfeils: Jeder dieser "fliegenden" Euros erreichte eine Weite von 18,38 Meter.
Durch das Bankensystem, durch bargeldlose Zahlung und durch Kredit, wird die Wirksamkeit des umlaufenden Geldes erhöht. Der "fliegende Pfeil" erreicht Weiten von 100 Meter und mehr. Die Wirksamkeit des umlaufenden Geldes erhöht sich. Im Bankensystem scheint sich die begrenzte Geldsumme von 5.000 Euro zu verdoppeln und zu verdreifachen. Wie der fliegende Pfeil scheinen die 5000 Euro an einer Stelle zu sein und gleichzeitig an vielen anderen Stellen.
Wie das geschieht und welche Folgen das hat, zeigt die Grafik 05:




Nehmen wir an, die Bundesbank hatte eben die sogenannte Geldmenge M1 (Bargeld plus Kontoguthaben) mit der Summe Mx berechnet.
Nehmen wir weiter an, der Unternehmer A. hat seine gesamte neu produzierte Ware verkauft und damit einen Umschlag seines Kapitals beendet. Angenommen er verwendet ein Kapital von 1.000.000 Euro und macht damit bei jedem Kapitalumschlag einen Gewinn von 10.000 Euro. Die Hälfte davon gibt er für seinen Lebensunterhalt aus, 5.000 Euro bleiben auf der A-Bank als Guthaben.
Die A-Bank bucht diese 5.000 Euro als Passiva (Besitz ohne Eigentum), denn sie schuldet diese 5000 Euro dem Kontoinhaber. Der kümmert sich aber zunächst nicht um dieses Geld. Denn dieses Geld ist für ihn "überschüssig": Er benutzt es weder für seinen Privatkonsum, noch für sein Geschäft.
Für die Bundesbank hat sich nun die Geldmenge M1 auf Mx + 5000 vergrößert.

Die A-Bank geht aber hin und verleiht diese brachliegenden 5.000 Euro an die B-Bank, die gerade mit einem potentiellen Kreditnehmer verhandelt.
In der Bilanz der A-Bank stehen nun 5000 Euro als Passiva (die Einlage des Unternehmers A) und 5000 Euro als Aktiva (der Kredit an die B-Bank.)
Die A-Bank bucht 5000 Euro auf ihrer Passivseite (Besitz bzw. Schuld) und 5000 Euro auf ihrer Aktivseite (Eigentum).
Die B-Bank bucht dieselben 5000 Euro auf ihrer Passivseite (Besitz bzw. Schuld).
Für die Bundesbank hat sich die Geldmenge M1 auf Mx + (2 x 5000) vermehrt.

Nun überweist die B-Bank den Kredit auf das Konto des Unternehmers B., der die 5.000 bar abhebt.
Damit werden die 5.000 bei der B-Bank auch als Aktiva (Eigentum) gebucht.
Für die Bundesbank hat sich die Geldmenge M1 auf Mx + (3 x 5000) vermehrt.

Vom Ergebnis her wäre es dasselbe gewesen, wenn der Unternehmer A. seine 5.000 Euro direkt an den Unternehmer B. als Kredit ausgehändigt hätte. Da die 5.000 Euro aber den Weg durch das Bankensystem machten, muss dieser Weg präzise dokumentiert werden.
Der "gefühlte Reichtum" hat sich allerdings vervielfacht:
Der Unternehmer A fühlt sich im Besitz von 5.000 Euro durch seinen Kontoauszug, tatsächlich aber hat er der Bank die Verfügungsgewalt über seine 5.000 Euro überlassen. Die zahlt ihm eventuell niedrige Zinsen dafür.
Die A-Bank hat ebenso die 5000 in ihrer Bilanz stehen wie die B-Bank. Es sind dieselben 5000 Euro, aber sie sind dreimal als Schulden gebucht: Bei der A-Bank, bei der B-Bank und beim Unternehmer B.
Nur der Unternehmer B. hat die 5.000 Euro wirklich in Händen.
In der Metapher des Pfeils: Der "Euro-Pfeil" ist von A nach B geflogen, aber seine gesamte "Flugstrecke" bleibt aufgezeichnet, damit das verliehene Geld rückwärts auf demselben Weg wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehren kann. Es sind nun 1.5000 Euro als Schulden gebucht. Das nennen die Banker "Geldschöpfung". Tatsächlich haben sich die 5.000 Euro nicht vermehrt, sie sind nur als Kredit durch mehrere Hände gegangen. Die angebliche "Geldschöpfung" ist allenfalls eine Kreditschöpfung. Später sollen die geflossenen Kredite wieder rückgewickelt werden. Deshalb ist es nötig den Weg der 5.000 Euro durch die verschiedenen Hände festzuhalten.
Schon auf dieser einfachsten Stufe zeigen sich die wundersamen Wirrnisse des kapitalistischen Finanzsystems. Wem kann ein Vorwurf gemacht werden, wenn er da nicht durchblickt?
Ein Großteil der weltweiten Schulden beruht auf der Illusion von der "Geldschöpfung" der Banken. Das vorhandene Geld wird dadurch nicht vermehrt, allerdings vermehren sich die Schuldverhältnisse. Im Extremfall ist jeder bei jedem verschuldet und keiner blickt mehr durch, weil in der Finanzwelt immer nur der Weg zwischen zwei Punkten dokumentiert wird, nicht der Gesamtweg vom Unternehmer A. zum Unternehmer B.

Aus diesem Grund trauen sich gegenwärtig die Banken selber nicht mehr über den Weg und geben sich gegenseitig keinen Kredit - mit Ausnahme von solchen Leuchten bei der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau, die sogar noch 300 Millionen Euro an Lehman Brothers überwiesen hatten, als diese Bank schon Insolvenz angemeldet hatte.
Jeder von uns sollte sich auch klar machen, dass alles Geld, das er/sie auf dem Konto und dem Sparbuch hat, als Kredit an die Bank vergeben ist. Die Kontoinhaber haben nur den Eigentumstitel, die Bank hat die Verfügungsgewalt über diese Gelder und sie macht damit, was sie will.

2.2. Kreditvermehrung und Leverage ratio der Banken


Die Banken sind als Kapitalsammelstellen und als Kapitalverteilungsstellen für die Kapitalisten schon deshalb nötig, weil das Industriekapital bei jedem einzelnen Kapitalumschlag nur relativ geringe Beträge von Zusatzkapital ausstößt. In der Autoindustrie sind das pro PKW vielleicht 1000 Euro. Diese 1000 Euro reichen keineswegs hin, um in eine neue Industrieanlage investiert zu werden. Das Industriekapital produziert ständig Geldkapital in relativ niedrigen Beträgen, die erst allmählich anwachsen zu einer als Investition nutzbaren Größe. In dieser Zeit werden sie von den Banken aus vielen Quellen gesammelt und zu größeren Beträgen gebündelt. Diese gebündelten Beträge werden dann als Kredit an andere Unternehmer vergeben. So machen die Banken aus potentiellem und inaktiven Kapital" aktives und wirksames Kapital. Das Geldkapital durchläuft in relativ kleinen Beträgen als "potentielles Kapital" ("Buchgeld") etliche Konten, bis es zu wirklichem Kapital wird, bis es wirklich verwendet wird als produktives Kapital. Nur dort schafft es dann wirkliche Werte. Auf allen anderen Konten ist dieses Kapital nur fiktiv. Es kann in der Summe anwachsen, aber dieses Anwachsen steht nur auf dem Papier.
Auch bei der Kreditvergabe sind die Banken mehr oder minder passive Mitspieler. Banken können die Kreditvergabe allenfalls bremsen, aber nicht beschleunigen. Sie reagieren auf eine vorhandene Kreditnachfrage und bedienen sie mehr oder minder willig. Bis hierher war das "Finanzkapital" keine selbständige Größe und erst recht kein eigenständiges Wirtschaftssubjekt, wie Marxisten-Leninisten und Rechte gleichermaßen behaupten.

Außer der gleichsam "passiven" Kreditvergabe treten die Investitionsbanken auch als aktive "Mitspieler" auf. Sie kaufen mit fremdem Geld Aktien oder Wertpapiere und handeln damit.
Das ist ablesbar aus der Grafik 04, die die weltweite Verschuldung zeigt.




Auf dem Kreditmarkt traten die Banken und andere Finanzunternehmen in den letzten Jahren zunehmend selber als Kreditnehmer auf. Statt Kredite für die "Realwirtschaft" zu vermitteln, sammeln sie für sich selber Kredite, um damit zu spekulieren.
Wie die Grafik zeigt, flossen mehr als ein Drittel aller weltweiten Kredite in die Finanzwirtschaft. Zwar sind auch alle unsere Geldeinlagen auf Konten, Sparbüchern oder Wertpapierdepots Kredite, die wir der Bank geben. Dieses Geld haben die Banken aber nur passiv eingesammelt. Dieses Geld reicht vielen Banken, vor allem den Investmentbanken nicht, um ihre Geschäfte zu finanzieren: Firmenbeteiligungen, Unternehmensfusionen, Aktienspekulationen usw. usf.
Die Vorschriften für die Mindestreserven der Banken liegen derzeit bei 2 Prozent. Theoretisch dürfen und können Banken mit jedem Euro, der auf ihre Konten eingezahlt wird, Finanzgeschäfte im Wert von 50 Euro tätigen. Tatsächlich "hebeln" Großbanken jeden ihrer eingezahlten Euro um das 30fache und mehr.
Siehe dazu die Grafik 06




Bei den betrachteten fünf Großbanken stieg zwischen 2002 und 2007 die Leverage Ratio (das Vielfache, um den das Fremdkapital der Bank ihre Aktiva übersteigt) von durchschnittlich 22 auf 30. Die Leverage Ratio stieg allerdings nicht, weil das Fremdkapital in diesem Zeitraum stark angestiegen ist, die Leverage Ratio der Banken ging in die Höhe, weil ihre Aktiva in den Keller rutschten.
Die "Sicherheiten" der Bank, Aktienpakete, Hypotheken, besicherte Wertpapiere etc. verloren im Gefolge der Hypothekenkrise an Wert. Hier setzt der "Bail-out" der US-Regierung an: Sie will den Banken ihre faulen Kredite und Sicherheiten ohne Wert für öffentliches Geld aufkaufen.

Noch risikofreudiger als die Großbanken sind die sogenannten Hedgefonds. Banken sind öffentliche Einrichtungen, die bestimmte Bilanzregeln einhalten müssen und die mehr oder minder allen offen stehen. Jeder von uns hat auch ein einen rechtlichen Anspruch auf ein Bankkonto. Hedgefonds sind geschlossene Finanzfirmen, zu denen nur Superreiche zugelassen. Nur wer flüssiges Geld von 100.000 Euro und mehr zur Verfügung hat, ist bei Hedgefonds als Kunde willkommen. Hedgefonds sind gleichsam die Spielcasinos der Superreichen.
Aber selbst das Geld der Superreichen reichte in den letzten paar Jahren den Hedgefonds immer weniger für ihre Spekulationsgeschäfte. Die Grafik 07 zeigt, dass die Hedgefonds zunehmend mit geliehenem Geld arbeiteten.



3. Mein Resümee



Jede/r kann hier eigene Schlussfolgerungen ziehen. Ich ziehe für mich folgendes Resümee:

1. Die gegenwärtige Finanzwirtschaft als bedeutender Faktor des globalen Kapitalismus ist sowohl spekulativ aufgebläht, als auch völlig in dichtem Nebel, so dass keiner mehr durchblickt, am wenigsten die Agenten des Finanzkapitals selber. Selbst die Gesamtsumme der ausstehenden Kredite und den gesamten Buchwert der Derivate und anderer phantasievoller "Finanzprodukte" kennt keiner. Jedenfalls sind diese Summen so hoch, dass kein Geld der Welt sie bezahlen kann, auch nicht die US-Regierung mit ihren 700 Mrd. Dollar Steuergeldern. Die Schulden der US-Regierung steigen dadurch von 10,6 Billionen Dollar auf 11,3 Billionen Euro. Ja und? Wenn ich und du die USA für Bankrott halten, hat das keine Wirkung. Erst wenn die Banker in Beijing und Tokio und die wichtigsten Warenlieferanten der USA das Land für Bankrott halten, ist es tatsächlich bankrott.

2. Der Großteil der aufgeblähten Kredite und "Finanzprodukte" beruht auf Illusion, auf unbeabsichtigter und beabsichtigter Täuschung. Auch hier weiß keiner und kann keiner wissen, welche Kredite und welche "Sicherheiten" noch etwas wert sind, und was nur Finanzmüll ist. Jedes Finanzunternehmen hat direkt oder indirekt Forderungen an jedes andere Finanzunternehmen. Einen Teil dieses Kreditmülls werden die Regierungen den Steuerzahlern aufbürden, ein anderer Teil des Kreditmülls wird sich ein Luft auflösen. Es war illusionärer und fiktiver Reichtum, dessen Profitillusionen platzen und der aus vielen Konten verschwindet. Leute mit viel Geld verlieren viel, Leute mit wenig Geld verlieren wenig. Der Kapitalismus frisst seine Kinder.

3. Der Bankrott weiterer Unternehmen, auch etlicher Industrieunternehmen, wird unvermeidlich. Es werden vor allem solche Industrieunternehmen im Bankrott landen, die hoch verschuldet sind und zunehmend weniger neuen Kredite auftreiben können, und auch solche Unternehmen, die bisher ihren Industriebetrieb nur durch zusätzliche Bank- und Spekulationsgeschäfte aufrechterhalten konnten wie einige große Autofirmen.

Der Lack blättert ab vom globalen Kapitalismus.

Wal Buchenberg für Indymedia, 21.09.2008

Anhang: Froschartoons zur Finanzkrise















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Ergänzungen

Update: Investbanken sind Geschichte

Wal 22.09.2008 - 08:13
Hallo,
in Grafik 06 werden Kreditrisiken der fünf größten Investbanken der Welt beleuchtet. Jetzt sind alle 5 Großbanken in der bisherigen Form verschwunden. Aus Spiegel online (gekürzt):
"New York - Der Druck wurde zuletzt immer größer - nun geben auch die beiden letzten verbliebenen US-Investmentbank auf: Als Reaktion auf die Finanz- und Bankenkrise in den USA geben Morgan Stanley und Goldman Sachs ihren Sonderstatus auf und werden zu einfachen Holding-Unternehmen und damit zu gewöhnlichen Geschäftsbanken. Das gab die US-Notenbank Federal Reserve überraschend am Sonntagabend (Ortszeit) in New York bekannt. Die beiden Banken erhalten überdies in der Übergangsphase zusätzliche Notenbankkredite.
Die Finanzkrise beendet damit die Geschichte der großen unabhängigen Investmentbanken der Wall Street in ihrer bisherigen Form. Zu Jahresbeginn gab es noch fünf von ihnen. Investmentbanken sind Spezialisten für lukrative Wertpapiergeschäfte aller Art sowie für Fusionen und Übernahmen von Firmen. Unter hohen Risiken erzielten sie oft enorme Gewinne, mit der Kreditkrise stürzten sie in große Schwierigkeiten, die meisten erlitten Milliardenverluste.
Der bisherige Branchenführer Goldman Sachs und die Nummer zwei Morgan Stanley unterliegen künftig den Kontrollen, Regeln und Kapitalanforderungen, die auch für andere Banken gelten. Bisher genossen sie weitgehende Freiheiten und konnten größere Risiken eingehen, weil sie keine Geschäfte für Jedermann anbieten, etwa Girokonten.
Die fünftgrößte Investmentbank Bear Stearns hatte im März ihrem Zwangsverkauf an den Finanzkonzern J.P. Morgan Chase zustimmen müssen. Lehman Brothers als Nummer vier meldete am vergangenen Montag Insolvenz an. Die bisher drittgrößte Investmentbank Merrill Lynch rettete sich durch eine Übernahme in die Arme der Bank of America."

Gruß Wal



Finanz-Ermächtigung für den US-Finanzminister

usay 22.09.2008 - 08:50
1) The key line in the proposed bill is this one:

"The Secretary's authority to purchase mortgage-related assets under this Act shall be limited to 700,000,000,000 dollars outstanding at any one time"

What this does is give Hank Paulson, acting as an emperor with unchecked control over the nation's treasury, a $700 billion line of credit in which he can buy up toxic debt for whatever price he'd like to pay, $700 billion at a time.

In other words - he could buy trillions. Trillions and trillions and trillions. Buying and selling, buying and selling.

He can sell the junk he buys from his banker friends for whatever price he wants, saddling the taxpayers with the loss. He keeps this process going, using his $700 billion credit card. Buy for 60 cents on the dollar, sell for 30 cents on the dollar. Buy for 80 cents on the dollar, sell for 5 cents on the dollar. He's in charge.

$700 billion folks IS JUST THE LINE OF CREDIT. He can purchase trillions and trillions of bad debt with this credit card, as long as only $700 billion is OUTSTANDING at any one time.

2) Hank Paulson, CEO of Goldman Sachs on leave, has complete and total control over the nation's treasure. He would be unchecked by Congress, unchecked by the President. He will be king. Here's the text:

"The Secretary is authorized to take such actions as the Secretary deems necessary to carry out the authorities in this Act, including, without limitation"

Using this power, Hank Paulson of Goldman Sachs could pay Goldman Sachs anything he wanted for their mortgage assets. Let's say the market value was 20 cents on the dollar. Hank Paulson could pay them 100 cents on the dollar. Its his decision and his alone. No oversight. No limitations. Hank Paulson could simply give the nation's treasure to Goldman Sachs.

Get it now?

3) Deputizing the banks and investment banks as "agents of the government". Seriously. Here's the text:

"Designating financial institutions as financial agents of the Government, and they shall perform all such reasonable duties related to this Act as financial agents of the Government as may be required of them"

4) Have no outside control over the firesale of assets and loss to the taxpayer. Again, Hank Paulson and Hank Paulson alone shall be in control. No auditors. No oversight. No multiple bids. No nothing. Hank Paulson and Hank Paulson alone. Here you go:

"Sale of Mortgage-Related Assets. The Secretary may, at any time, upon terms and conditions and at prices determined by the Secretary, sell, or enter into securities loans, repurchase transactions or other financial transactions in regard to, any mortgage-related asset purchased under this Act."

5) Hank Paulson has final say. Hank Paulson knows what's best. Hank Paulson cannot be reversed. Hank Paulson cannot be sued. Hank Paulson is king.

"Decisions by the Secretary pursuant to the authority of this Act are non-reviewable and committed to agency discretion, and may not be reviewed by any court of law or any administrative agency"

Was wird aus der Deutschen Bank??

Nativ speaker 22.09.2008 - 08:54
"The key problem on this side of the Atlantic is that the largest European banks have become not only too big to fail but also too big to be saved. For example, the total liabilities of Deutsche Bank (leverage ratio over 50!) amount to around 2,000 billion euro, (more than Fannie Mai) or over 80 % of the GDP of Germany. This is simply too much for the Bundesbank or even the German state to contemplate, given that the German budget is bound by the rules of the Stability pact and the German government cannot order (unlike the US Treasury) its central bank to issue more currency."

US-Billionen = deutsche Milliarden

@nat. speaker 22.09.2008 - 11:57
"For example, the total liabilities of Deutsche Bank (leverage ratio over 50!) amount to around 2,000 billion euro, (more than Fannie Mai) or over 80 % of the GDP of Germany..."
..

Offenbar sind mit den schlappen 2,000 billion euro die amerikanischen billions,
also deutsche 2 Tausend Milliarden Euro gemeint, was dann wären 2 Billion €.

Also: kein Grund zur Panik!

der Bericht Buchenbergs

Peter H. 22.09.2008 - 20:41
Diese Krise, ganz gewiß einer der größten, die der Kapitalismus hervorbrachte und bringt, ist in jeder Weise eine der Superlativen. Schon allein der Rettungsplan, der mehr als 700 Mrd Dollar bis jetzt verschlingt, sprengt alle zurückliegenden Dimensionen, ist auch in dieser Hinsicht ein Novum in der Geschichte.
Noch können wir nur erahnen, welche mächtige Tsunamiwelle rund um den Erdball rollen wird.
Zwar sind die ersten Auswirkungen bereits weltweit da, doch das ist erst die Spitze vom Eisberg.
Weitere Hypotheken,- u. Investmentbanken werden folgen inkl. div. Versicherungen.
Es wird demnächst einen Sozialabbau in den führenden kap. Staaten geben, der alles Zurückliegende in den Schatten stellt. Auch die Arbeitslosigkeit wird zunehmen, da Kredite sich verknappen oder aber nicht ausgehändigt werden, sei es aus Mißtrauen, sei es aus Unfähigkeit, dem überhapt nachkommen zu können.
Bei all dem ist die Prellung der Sparer bei den ruinierten als auch pleite gegangenen Banken und Versicherung/en noch das kleinere Übel, wenn auch nicht zu übersehen.
Der Kapitalismus ist und wird in seinen Grundfesten erschüttert,allen voran die vielgeproesene Marktwirtschaft, was übrigens selbst in konservativen Zeitungen nicht unerwähnt bleibt.
Und weil das so ist, entschließt sich gar die Hochburg des Kapitalismus, die USA zu Schritten, die jenseits der Marktwirtschaft sich bewegen.
Damit soll aber nicht gesagt sein, dass nun mit dem geschnürten Aktionspaket auch die gewaltige Problematik gelöst wäre. Vielmehr kann dadurch nur eine vorübergehende Verschnaufpause erreicht werden.
Gleichzeitig dürfte der Lehre Friedmans der Boden entzogen sein, während nun erneut die Stunde Keynes schlagen wird, in welcher Art und Weise, das wird sich noch zeigen.
Dem Bericht Wal Buchenbergs haften einige Mängel an. So erfährt man von ihm fast nichts über die Genese dieser Finazkrise, sowie die z.Z. erfolgenden Stützungs,- u. Sanierungsmaßnahmen, jedenfalls nicht ausreichend. Auch das spezifische Verhältnis des Finanzkapitals zu den halsbrecherischen Finanzspekulationen, inkl. fauler Kredite wird nicht hinreichend beleuchtet. Von einem Paradigmenwechsel wie er von den USA offensichtlich vorgenommen wird, läßt er wenig verlautbaren. Stattdessen bekommen wir reichlich einen Batzen Marxscher Gedanken um die Ohren geschlagen, so dass der Eindruck entsteht, hier will einer fast das gesamte marxistische Ökonomie-Programm in einem Schnelldurchgang einem andienen.Diese Art Rundumschläge sind nicht nur dogmatisch und unaufgefordert dozierend, sondern sie tragen nicht grade viel zur Transparenz der jetzigen Krise bei. Wer gar zu sehr im Allgemeinen verweilt, langweilt einfach,schon weil derlei Betrachtungen auch ganz gut auf andere kapitalistische Gebrechen anwendbar sind. Auch entspricht dies dem Prinzip, mal vorsorglich gleich bei "Adam und Eva" zu beginnen, damit nur ja nix vermeintlich Wichtiges verloren gehe.
Nun wäre es sicherlich verkehrt, derlei Betrachtungen gänzlich Außen Vor zu lassen, doch hätten hierfür einige knappe Bemerkungen ganz gut gereicht.
Was gewiß auch sinnvoll wäre, ost mal eine Parallele zu 1929 zu ziehen, damit so die großen Kollapse der Finazwirtschaft klarer erkennbar sind.
Weil das von linker Seite weitestgehend ausbleibt, von wsws mal- partiell- abgesehen, müssen wir uns zunächst weitestgehend auf seriöse bürgerliche Zeitungen beim Informationserwerb beschränken. Dort erfahren wir zumindest, was auf der Erscheinungsebene im Punkto Finanzkrise geschieht,und das sogar recht gründlich, mitunter wird sogar das Wesen des Kapitalismus gestreift.
Fazit: der Bericht Buchenbergs mutet langweilig an!

Das Ende der US-Investmentbanken

Ralf 22.09.2008 - 20:50
Das Ende der US-Investmentbanken
Mit Goldmann Sachs und Morgan Stanley werden die letzten beiden großen Investmentbanken in normale Geschäftsbanken umgewandelt, um sie zu retten..

Mit Goldmann Sachs und Morgan Stanley werden die letzten beiden großen Investmentbanken in normale Geschäftsbanken umgewandelt. Das teilte die US-Notenbank FED mit. Nach der Pleite von Bear Stearns und Lehman Brothers und der Flucht von Merrill Lynch unter die Fittiche der großen Bank of America ist damit das Ende der Investmentbanken eingeleitet, welche die Wall Street für gut zwei Jahrzehnte dominierten.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/116307

Kreditklemme erreicht Reedereikapitalisten

ftd 23.09.2008 - 08:03
Deutsche Reeder bekommen bereits seit einiger Zeit die Finanzkrise zu spüren. Es ist schwieriger und teurer geworden, Kredite für neue Schiffe zu erhalten. "Die meisten europäischen Banken haben ihre Bücher für dieses Jahr bereits geschlossen", sagte Tobias König, geschäftsführender Gesellschafter beim Fondshaus und Schiffsfinanzierer König & Cie, auf einer Konferenz von FTD, Lloyd's Shipping Economist und Hamburg Messe.

"2009 wird es noch härter als jetzt", erwartet er. "Dies ist aber keine Schifffahrtskrise, sondern eine Finanzkrise." Syndizierungen, bei denen Banken große Kredite nachträglich untereinander aufteilen, funktionieren kaum noch. Dies war aber in der Schiffsfinanzierung üblich. Statt ganze Serien von Schiffen zu finanzieren, stellen sie deshalb nur noch Geld für einen oder zwei Frachter bereit.

Strauss-Kahn vom IWF

behauptet nun 23.09.2008 - 10:47
Dominique Strauss-Kahn, Chef des Weltwährungsfonds, behauptet nun:

"At the core of this crisis is the fact that the financial system has too little capital."
 http://www.ft.com/cms/s/0/8629e55e-88a9-11dd-a179-0000779fd18c.html

Das ist genau so, als würde man über einen Drogensüchtigen, der einen kalten Drogenentzug ("Cold Turkey") erleidet, sagen:
Der Kern seiner Probleme ist die Tatsache, dass sich in seinem Körper zuwenig Drogen befinden.

Die Folgen des Paulson-Plans

W. Münchau (ftd) 24.09.2008 - 08:15
Wolfgang Münchau: Eure Währung, Euer Problem
(...)
In der letzten Woche war ich recht pessimistisch, was die weitere Entwicklung der Finanzkrise angeht. Nach der Rettungsaktion von US-Finanzminister Hank Paulson bin ich noch viel pessimistischer. Denn dieses Paket hat drei grundlegende Probleme.
Erstens ändern die Aufkäufe von Schrottpapieren nichts an der zu schwachen Kapitalisierung der Banken. Das Problem ist behebbar und wird möglicherweise behoben. Momentan verhandelt der Kongress darüber, ob die Regierung als Gegenleistung für den Aufkauf dieser Papiere Vorzugsaktien der Finanzinstitute erhalten sollte.

Zweitens verzögert diese Aktion den absolut notwendigen Schrumpfungsprozess des amerikanischen Finanzsektors und behindert die Anpassung der aufgeblasenen Wertpapierpreise. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist in den USA der Anteil des Finanzsektors von zwei Prozent auf nahezu acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. (Es gibt auch andere Zahlen, die auf anderen Klassifizierungen beruhen. Entscheidend ist, dass sich der Anteil vervierfacht hat.) Es ist zwar müßig, über den optimalen Anteil zu streiten. Aber es ist offensichtlich, dass er in den USA im Post-Subprime-Zeitalter zu hoch ist. Nur hängt das amerikanische Establishment leider immer noch an der Idee, dass der Finanzsektor auf Biegen und Brechen in seiner jetzigen Größe erhalten werden muss.

Eher 2000 als 700 Mrd. Dollar
Das dritte Problem ist das gravierendste. Der Schuldenstand der USA wird als Folge dieser Krise dramatisch ansteigen. Man sollte dazu wissen, dass es sich nämlich nicht um ein "700-Mrd.-$-Paket" handelt, wie Zeitungen schreiben. Die Summe bezieht sich lediglich auf die Obergrenze der Staatsverschuldung, die um diesen Betrag angehoben wird. Sie ist eine Art Bilanzsumme, keine Ausgabensumme. Je nachdem, wie die Schrottpapiere bewertet werden, kann und wird die US-Regierung weit über diese Grenze hinaus intervenieren.

Ich gehe mittlerweile davon aus, dass sich der Gesamtschaden dieser Krise allein in den USA auf über 2000 Mrd. $ belaufen wird. Diese Summe wird sich erhöhen, wenn es Verwerfungen im Markt für Credit Default Swaps gibt - womit ich ebenfalls rechne. Wenn wir die Verluste der Marktteilnehmer kompensieren wollen, und das sieht Paulsons Plan letztlich vor, schwellen die Schulden um diesen Betrag an. Die Finanzkrise ist somit ökonomisch für die USA mindestens so gravierend wie die Wiedervereinigung für Deutschland.

Hier ein paar Rechnungen auf dem Rücken eines Briefumschlags: Die öffentlichen Schulden liegen bislang bei rund 37 Prozent des BIP. Die Schulden verschiedener halbstaatlicher Betriebe und Agenturen belaufen sich auf ungefähr 29 Prozent, was zusammen 66 Prozent ergibt. Dazu kommen noch mal 20 oder 30 Prozent vom BIP durch die Finanzkrise. Das ergibt einen möglichen Schuldenstand von knapp 100 Prozent. Somit bewegen sich die Vereinigten Staaten in puncto Haushaltspolitik in Richtung Japan und Italien.

Jetzt stellt sich die Frage, wie die USA damit umgehen werden. Wird die amerikanische Regierung als Konsequenz steigender Schuld eine gnadenlose Konsolidierungspolitik betreiben? Natürlich nicht. Man wird doch nicht die Steuern erhöhen, so wie wir das machen würden. Oder würden die wachsenden Staatsschulden dadurch teilweise kompensiert, dass der Privatsektor weniger konsumiert und seine Schulden abbaut? Das wird zum Teil passieren. Das Zeitalter negativer Sparquoten ist sicherlich vorbei. Aber ich erwarte in den USA keine deutschen Sparquoten.

Ich schätze, die USA werden am Ende den vermeintlich weichen Weg der Geldentwertung gehen. Der politische Druck auf die Notenbank wird zunehmen, die jetzigen und zukünftigen Steuerzahler zu entlasten, indem man einen Teil der Schulden durch das vermehrte Drucken neuen Geldes finanziert. Zur Kasse gebeten werden dann die Investoren, also die Überschussländer wie China, die einen sehr großen Anteil ihrer Reserven in Dollar-Anleihen investiert haben. Das wird enorme Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten zur Folge haben und den Wechselkurs des Dollar zum Euro weiter belasten. Die Finanzierungsbedingungen für die USA werden sich drastisch verschlechtern, die amerikanischen Marktzinsen werden steigen, und die Notenbank wird irgendwann einmal gezwungen sein, die permanente Niedrigzinspolitik aufzugeben. Es ist das Ende des "exorbitanten Privilegs": des Rechtes, für immer und ewig über seine Verhältnisse zu leben.

(...)
Paulsons Schuldenplan hingegen wird sich langfristig als der größte wirtschaftspolitische Fehler der Bush-Administration herausstellen.

Gekürzt aus: Financial Times Deutschland, 24.09.2008

Ergänzung/Korrektur

blaschnak 28.09.2008 - 17:35
Hallo,

du hast geschrieben:
"Die Vorschriften für die Mindestreserven der Banken liegen derzeit bei 2 Prozent. Theoretisch dürfen und können Banken mit jedem Euro, der auf ihre Konten eingezahlt wird, Finanzgeschäfte im Wert von 50 Euro tätigen. Tatsächlich "hebeln" Großbanken jeden ihrer eingezahlten Euro um das 30fache und mehr."

Das ist leider nur die halbe Wahrheit:
Diese zwei Prozent gelten A) nur im US-Amerikanischen Trennbankensystem (siehe Wikipedia-Artikel dazu) und B) darin auch nur für Banken mit dem Status "Investmentbank". Bis vor nicht allzu langer Zeit gab es davon genu 5 Stück, die allesamt in der Grafik auftauchen. GoldmanSachs war die letzte die diesen Titel abgab und in den Status einer "Bankholdinggesellschaft" bzw. auch einfach "Geschäftsbank" gewechselt ist. Diese haben nach gültigen US-Amerikanischem Recht einen maximalen Leverage von etwas mehr als 10%, also etwas weniger als das 10fache je eingezahlten Dollar. Als Quelle möchte ich dafür den Artikel "Warren Buffet steigt bei GoldmanSachs ein" aus der NZZ Internationale Ausgabe vom Donnerstag den 25. September 2008, Seite 9 nicht nur angeben sondern auch empfehlen.

VG

Eigenkapital der Banken

Wal Buchenberg 29.09.2008 - 09:13
@blaschnak und andere.

Hallo,
tatsächlich sind die gesetzlichen Anforderungen bezüglich der "Eigenkapitalausstattung" der Banken unterschiedlich. Seit "Basel II" sollen in der EU die Banken 8% als Eigenkapital halten. Das hat in der Praxis aber wenig zu bedeuten.

Denn "Eigenkapital" (Aktiva) sind für Banken auch Kredite, die sie an Dritte vergeben haben.
Was so bei einer Bank als "Eigenkapital" (Aktiva) gebucht wird, hat die Bank gar nicht in ihrem Tresor, wie man sich das vielleicht vorstellt.
Die Kreditnehmer der europäischen Banken werden mehr oder minder nach eigenem Gutdünken in "Risikogruppen" eingeteilt. Für jede Risikogruppe gelten dann andere "Hebel" (Leverage Ratios).
Tatsache ist, dass europäische Banken keine niedrigeren Leverage Ratios aufweisen (falls man die jeweilige "Risikogruppe" außer Acht lässt).
Siehe dazu folgende Quellen:  http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=41364

Gruß Wal

kapital ungleich kapitalist

bibo 04.10.2008 - 13:10
schön, dass du was schreibst. ich bin auch noch nicht ganz durch, jedoch gleich zu anfang stösst mir der zu platte marxistische ansatz auf. nicht nur "kapitalisten" häufen vermögen an, auch deren lohnabhängige, der brave facharbeiter/in, der vorstandsvorsitzende usw. und auch die priviligierten besserverdienenden ingenieure, lehrer, anwälte usw. alle machen mit in diesem kacksystem der aktionäre, ob über lebensversicherung oder direkt an der börse.
richtig ist nur, dass das vermögen immer von den produktiv arbeitenden erwirtschaftet wird, und die sitzen in ihrer masse global gesehen meist nicht in mitteleuropa, sondern in mexico, bangladesh oder vietnam - und sind meist weiblich und werden mehrfach ausgebeutet.
also nicht nur den blick auf den achso bösen kapitalisten...

Zu Hypo Real Estate

und Co. 06.10.2008 - 22:42
Gute Zusammenfassung der Ereignisse der letzten Tage.

 http://www.spiegelfechter.com/wordpress/category/wirtschaft

Update oder Ausblick

Wal Buchenberg 11.10.2008 - 18:47
Krise ist Alltag:  http://de.indymedia.org/2008/10/229177.shtml

Gruß Wal

Staat als Helfer in der Not

frosch 15.10.2008 - 08:38
froschartoon:

"Getriebene in einem unmenschlichen System"

http://www.tagesschau.de 20.10.2008 - 21:14
Mit "Let's Make Money" kommt Ende des Monats der Film zur Finanzkrise in die Kinos. Dokumentarfilmer Wagenhofer begleitete dafür Investmentbanker und Fondsmanager über drei Jahre. Sein ernüchterndes Fazit gegenüber tagesschau.de: Alle haben die Krise kommen sehen - nur hat es keinen interessiert.

Weiterlesen auf:
 http://www.tagesschau.de/wirtschaft/interviewwagenhofer100.html

Bankenkrise, das neue Brettspiel

extra3 24.10.2008 - 15:54

Das Ende des Kapitalismus

Ingo Frickler 02.11.2008 - 22:42
Der Text wurde als Datei angehängt.

Vielen Dank für den Artikel

citizennet 06.11.2008 - 21:25
Ich finde der Text ist eine gute Grundlage für einen Einstieg in das Thema. Bin gerade selbst dabei mich in die Thematik einzuarbeiten und trage deshalb Informationen zur Finanzkrise zusammen im citizennet-Blog. Da der Artikel unter cc veröffentlicht ist, habe ich mir erlaubt ihn zu

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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grundlagen — Houssam

New World Order — Sklave

wat nu — Lachesis