Gefühlte Teuerung, berechnete Inflation

Wal Buchenberg 05.03.2008 15:10 Themen: Medien Soziale Kämpfe Weltweit
Bei jedem Tanken, bei jedem Lebensmitteleinkauf sehen wir, dass unser täglicher Bedarf teurer geworden ist. Die große Mehrzahl der Menschen schätzt die gegenwärtige Teuerung auf 5 bis 8 Prozent. Die Medien halten unserer Alltagserfahrung die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes entgegen, das für das letzte Jahr eine Inflationsrate von 2,4 Prozent errechnet hatte.
"Gefühlte" Teuerung und berechnete Inflationsrate klaffen weit auseinander. Stimmen Gefühl und Erfahrung von vielen Millionen oder stimmen die von Wenigen errechneten Zahlen?

Hintergrund: Was ist Inflation? -

Schauen wir einmal auf die 20 Produkte mit der stärksten Preiszunahme und dem größten Preisrückgang im Monat Januar 2008.




Wegen Einführung der Studiengebühren stiegen im Januar 2008 die Ausgaben für Bildung im Vergleich zum Vorjahresmonat um 126,9 Prozent. Zitronen wurden im gleichen Zeitraum um die Hälfte teurer, Heizöl um ein Drittel, Milch und Milchprodukte um fast 30 Prozent. Trotzdem errechnete das Statistische Bundesamt für den Januar eine Teuerung von nur 2,8 Prozent.

Das Statistische Bundesamt stellt den gestiegenen Preisen bei Gütern des täglichen Bedarfs die gesunkenen Preise bei langlebigen Konsumgütern wie Notebooks, Fernseher und Digitalkameras gegenüber. Das ist nicht grundsätzlich verkehrt.
In unseren Konsum gehen Waren ein, die wir fast täglich kaufen bzw. bezahlen (Lebensmittel, Benzin etc.), Waren, die wir monatlich kaufen (Mieten, Telefongebühren, Kleidung etc.) und Waren, die wir höchstens einmal jährlich oder in noch größeren Zeitabständen kaufen.
Preissteigerungen, die den täglichen Bedarf treffen, werden also von uns häufiger wahrgenommen und graben sich stärker in unser Gedächtnis. Ein Gesamtbild der Preisbewegung entsteht aber nur, wenn man die Preisentwicklung für tägliche Gebrauchsgüter und für langlebige Konsumgüter in ihrer Gesamtwirkung betrachtet.
Aber wie oft kaufen wir neue Fernseher, neue Mobiltelefone und neue PCs?
Das hängt ganz von unserem Einkommen ab. Studentenhaushalte oder HartzIV-Empfänger kaufen seltener Notebooks und Digitalkameras, als die Zumwinkels und Ackermanns.

Das Statistische Bundesamt kennt aber weder Reich noch Arm, sondern nur einen "deutschen Normalbürger", dessen Konsum von rund 700 Waren teils aus den Angaben des Einzelhandels, teils aus den monatlichen Aufzeichnungen von freiwilligen Helfern des Statistischen Bundesamtes gewichtet und ausgewertet wird. Im Ergebnis sieht der Verbrauch dieses deutschen Normalbürgers wie folgt aus:



Für Bildungsausgaben gibt der statistische Normalbürger zum Beispiel nur 0,7 Prozent der Gesamtausgaben aus. Für Eltern mit Kindern und Jugendlichen in der Ausbildung liegen ihre Bildungsausgaben deutlich höher.

Für Lebensmittel (einschließlich Alkohol und Tabak), sind im bundesdeutschen Warenkorb weniger als 15 Prozent der Ausgaben vorgesehen. Studenten und HartzIV-Empfänger geben aber fast 50 Prozent ihres Geldes für Lebensmittel aus.
Für die "gefühlte Teuerung" hat die unterschiedliche Größe des jeweiligen Geldbeutels enorme Auswirkungen.
Ein Teuerung der Lebensmittel (einschließlich Alkohol und Tabak) um 100 Prozent (bei sonst gleichbleibenden Preisen) schlägt beim statistischen Bundesamt und seinem "Normalbürger" nur mit einer Teuerungsrate von 15 Prozent durch. Studenten und HartzIV-Empfänger erleben dieselbe Teuerung aber mit einer Rate von 50%, weil 50 Prozent ihrer Waren um 100 Punkte teurer geworden sind.

Ähnlich ist die Entwicklung bei den Ausgaben für Miete. Weil die Mieten von großen Wohnungen und Häusern, die von Wohlhabenden bewohnt werden, kaum steigen oder sogar sinken, werden in der Statistik die Preiserhöhungen der Kleinwohnungen geschluckt, in denen die Ärmeren leben. Es heißt dann, dass "die Mieten" nur um rund 1 Prozent im Jahr gestiegen sind. Im statistischen Durchschnitt liegen die Mieten in Westdeutschland zur Zeit bei 6,16 Euro pro Quadratmeter und im Osten bei 5,40 Euro. Aber wer lebt im statistischen Durchschnitt? Der Durchschnitt ignoriert den Unterschied von Reich und Arm und deshalb ignoriert der Durchschnitt unsere gesellschaftliche Wirklichkeit.

Gerade Menschen mit niedrigen Einkommen leiden unter der jetzigen Teuerung der Lebensmittelpreise, weil diese Warenart einen Großteil ihrer Ausgaben ausmacht, während sie von dem Preisrückgang bei langlebigen Konsumgütern wenig spüren, weil sie sich die gar nicht leisten können.

Auf dem Weltmarkt haben die längerfristig steigenden Lebensmittelpreise ähnlich katastrophale Auswirkungen. In den wohlhabenden Industrienationen machen die Lebensmittel 10 bis 20 Prozent der Verbraucherausgaben aus, in den Entwicklungsländern aber bis zu 65 Prozent.
Der Weizenpreis hat sich auf dem Weltmarkt im letzten Jahr verdoppelt, auch die Preise für Fleisch und Milchprodukte sind deutlich gestiegen. Dieser Preistrend wird langfristig anhalten, weil die Lebensmittelreserven der USA und der EU einen historisch niedrigen Stand erreicht haben.

Jacques Diouf, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) meint: Die steigenden Kosten für importierte Grundnahrungsmittel wie Weizen, Mais und Milch hätten in den ärmeren Ländern ein wachsendes "Potenzial für soziale Spannungen". Tortilla-Unruhen gab es schon unter den Armen von Mexiko. Nach dem Freihandelsabkommen mit den USA konnten die mexikanischen Bauern nicht mehr mit der subventionierten Maisproduktion der USA konkurrieren. Mexiko importierte immer mehr den zunächst billigen US-Mais. Seit US-Mais auch für die Herstellung von Ethanol (Benzin) verwendet wird, wurde er so teuer, dass die mexikanischen Armen gegen die Tortilla-Preise rebellierten.


In letzter Zeit ging eine kleine Aufregung durch die deutschen Medien, weil bei uns die "Mittelschicht" schwindet, während die Zahl der Reichen etwas zunimmt und die Zahl der Armen deutlich zunimmt. Je weiter dieser Prozess geht, desto mehr "lügen" die Durchschnittsberechnungen, weil sie sich immer weiter von der Klassenwirklichkeit entfernen.

Nehmen wir dafür ein einfaches Beispiel: Wir haben eine homogene Gesellschaft mit drei Konsumenten, von denen jeder 100 Euro besitzt. Ihre Konsumkraft sind 300 Euro und der statistische Normalkonsument besitzt 100 Euro. Das ist die schöne Welt, die in unseren Schul- und Lehrbüchern haust.

Betrachten wir nun eine Klassengesellschaft: Der Reiche besitzt 180 Euro, der Armer besitzt 9 Euro und der "Mittelschichtler" besitzt 111 Euro. Zusammen besitzen sie immer noch 300 Euro. Aber ihre Konsumoptionen sind höchst ungleich.

Wer meint, dieses Zahlenbeispiel sei irreal, der täuscht sich. Laut dem "Economist" vom 18.11.2006 verbrauchen in den USA die reichen Top-20% der Einkommensbezieher fast 60% des gesamten Konsums. Die untersten 20% Einkommensbezieher bekommen gerade mal 3% des US-Konsums ab. Bei der angenommenen Konsummenge von insgesamt 300 Euro, haben die oberen 20 Prozent also 180 Euro, die unteren 20 Prozent nur 9 Euro.

Für die Bundesrepublik Deutschland kenne ich keine vergleichbaren Zahlen. Sie werden nicht ganz so extrem sein, aber wir steuern mit großen Schritten auf US-amerikanische Klassenverhältnisse zu.

Die sozialdemokratische Propaganda, die Kapitalisten sollten durch Lohnerhöhungen "die Kaufkraft stärken", ist eine zweischneidige Waffe. Ein Zumwinkel oder Ackermann gibt an einem Abend mehr aus, als Hartz-Empfänger oder Studenten im Monat zur Verfügung haben. Obwohl in den letzten Jahren die Reallöhne gesunken sind, ist die "Konsumkraft" in Deutschland insgesamt gestiegen, weil der Luxuskonsum der Reichen schneller wächst, als der Massenkonsum der Armen zurückgeht.

Tatsächlich schmerzt uns die gegenwärtig Inflationsrate so sehr, weil die Masseneinkommen in den letzten Jahren nur stagnierten oder schrumpften. Gegenwärtig fließt unser Geld durch Teuerung schneller ab, als es durch Einkommensverbesserungen hereinkommt.




Im historischen Vergleich ist allerdings die gegenwärtige Teuerungsrate noch gering. Das zeigt die nächste Grafik.





Gehen wir in der historischen Betrachtung noch weiter zurück, dann sind die realen, inflationsbereinigten Preise für alle Warenarten seit 1900 sogar gesunken.




Die Preise dieser Grafik wurden inflationsbereinigt, indem die Einkommensentwicklung aller Klassen gegengerechnet wurde. Man sieht: Preissteigerungen schmerzen nur dann, wenn unser Einkommen stagniert oder schrumpft.

Die beste Antwort auf die gegenwärtigen Preiserhöhungen ist es, jetzt kräftige Lohnerhöhungen zu erkämpfen. Für Versorgungsempfänger (Rentner, HartzIVer etc.) müssen ebenfalls deutliche Verbesserungen her.

Wenn ich mir was wünschen dürfte, würde ich mir wünschen, dass unsere Gewerkschafter nicht nur für höhere Lohneinkommen streiken würden, sondern auch für höhere Versorgungseinkommen. Dann müssten alle Flugzeuge am Boden warten, bis die HartzIV-Bezüge und Bafög-Sätze deutlich angehoben sind. Dann müssten wir nicht bis zum nächsten Wahljahr auf eine Erhöhung warten.

Wal Buchenberg für Indymedia, 5.3.2008

Links:

Statistisches Bundesamt, Preisentwicklung

Wägungsschema des Verbraucherpreisindex, Basis 2005

Preisentwicklung einzelner Konsumgüter 2001-2008
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Ergänzungen

Nettoeinkommen und Lohn?

Volkswirtschaft ist so kompliziert 06.03.2008 - 00:35
echt spannend finde ich die Grafik "Sozialprodukt und Arbeitnehmereinkommen" (nur Männer?): Was ist der Unterschied zwischen "Nettolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer" und "Nettorealverdienste"?
...scheint ja ein wichtiger Unterschied zu sein...

antwort "vwl ist ja so kompliziert"

mm 06.03.2008 - 02:47
->Grafik "Sozialprodukt und Arbeitnehmereinkommen" (nur Männer?): Was ist der Unterschied zwischen "Nettolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer" und "Nettorealverdienste"?
==
ich schätze, dass die nettorealverdienste die nettolöhne/-gehälter mit eingerechneter inflation sind. also auf kaufkraft gerechnet.

vielleicht findet sich ja ein wirtschaftswissenschaftlich besser ausgebildeter mensch um meine erklärung zu korrigieren oder zu bestätigen..

Nettorealverdienste

suchfunktion 06.03.2008 - 08:36
Hallo,
Nettorealverdienst ist das inflationsbereinigte (durchschnittliche) Nettoeinkommen.

"Zieht man vom Bruttolohn die Lohnsteuern und Sozialabgaben ab und bereinigt den Nettoverdienst um die offizielle Preissteigerungsrate, so erhält man den durchschnittlichen Nettorealverdienst."

Die Zahlen stimmen natürlich nicht

Ralf 07.03.2008 - 12:52
Man kann das zum Beispiel in Spanien nachlesen. Dort ist offiziell die Inflation auf 4,4 %. Doch die Berechnungen der Caixa-Bank, die auf einem Basiswarenkorb beruhen und so unsinnige Sachen wie Winterschlussverkäufe eben nicht einrechnen, liegt sie für den Durchschnittsspanier und bei Betrachtung des Basiswarenkorbs schon bei 7,9 Prozent. Treibstoff und Milch führten die Liste mit einer Verteuerung von 31 Prozent an, der Brotpreis stieg um mehr als 16 Prozent, Eier um fast 10 Prozent und Früchte um fast 8 %.
Siehe auch:  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27255/1.html oder  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27410/1.html

inflationsrechner

unteres viertel 07.03.2008 - 16:01
Hi, zu eurer info, falls ich es im Artikel überlesen haben sollte - sorri:
Auf der Webseite des Stat. BAmt gibts auch einen Inflationsrechner, wo man den eigenen individuellen Bedarf gewichten kann.
Direkter Link:  http://www.destatis.de , dann ganz unten "Interaktive Anwendungen". Das Ding benötigt den kostenlosen Adobe SVG-Viewer Plugin für den Browser, da bastel ich gerade, daher kann ich nicht sagen, ob sich das lohnt.

Einkommensverteilung Deutschland versus USA

mannheim-68erz 09.03.2008 - 09:05
Laut Weltbank Zahlen sieht die Situation in 2000 wie folgt aus:

USA
Gini-Koeffizient (Maß für Ungleichheit): 40,8
Anteil der ärmsten 20% am Gesamteinkommen: 5,4%
Anteil der reichsten 20% am Gesamteinkommen: 45,8%

Deutschland
Gini-Koeffizient (Maß für Ungleichheit): 28,3
Anteil der ärmsten 20% am Gesamteinkommen: 8,5
Anteil der reichsten 20% am Gesamteinkommen: 36,9

Der Unterschied zu den Zahlen von Wal Buchenberg liegt am unterschiedlichen Messzeitpunkt und an der unterschiedlichen Berechnungsbasis. Während bei den Weltbank Zahlen das Einkommen entscheidend ist, ist es bei Wal Buchenberg der Konsum. Der Vergleich soll nur illustrieren, wie weit sich die Situation in Deutschland und USA ähneln oder unterscheiden...

Quelle:  http://siteresources.worldbank.org/DATASTATISTICS/Resources/table2_7.pdf

Warenkörbe sind gelogen

egal 10.03.2008 - 09:48
Daß Computerelektronik und deren Komponenten mit in die Statistiken bzw. in die Berechnung einer Inflationsrate hinzugenommen werden, muss bedacht sein. Daß dabei eine Prozentzahl von angeblich -22% rauskommen soll, ist schlicht weg falsch!

Beispiel:
In diesem Jahr kommt eine Grafikarte mit einem neuem Chipsatz auf den Markt und kostet dann zwischen 400-550 Eus. (Echte Angaben mache ich nich, ich mache hier keine Werbung!)
Im nächsten Jahr ist ein neuerer Chipsatz auf den Markt. Die neuen Karten starten zwischen 450-600,- Eus. Die jetzige Karte kostet nur noch 120-180,- Eus, da sie VERALTET ist!

Wenn die alten Teile in der gleichen Statistik im nächsten Jahr bestehen bleiben, ist das LUG und BETRUG und das ist leider nackte Realität!

Deutschland "droht" Steuerskandal II

Informant 12.03.2008 - 19:45
Die Rostocker Staatsanwaltschaft bereitet sich auf Ermittlungen in einem neuerlichen Steuerskandal vom möglichen Ausmaß der "Liechtenstein-Affäre" vor. Es soll um vier Milliarden Euro gehen. "Wir schaffen bereits die personellen Voraussetzungen für mögliche Untersuchungen", sagte ein Behördensprecher.

Die Gespräche mit dem mutmaßlichen Erpresser Michael Freitag und der Rostocker Staatsanwaltschaft werden Anfang kommender Woche beginnen, bestätigte gestern Behördensprecher Peter Lückemann gegenüber unserer Redaktion. Der 48-jährige Tatverdächtige, der sich seit dem 28. November 2007 in der Haftanstalt Bützow befindet, soll über eine DVD mit mehr als 700 Kontodaten möglicher Steuersünder bei der Liechtensteiner Landesbank verfügen. Dabei soll es sich um deutsche Großverdiener und eine Gesamtsumme von mehr als vier Milliarden Euro handeln. Die DVD hatte Freitag zuvor bereits dem Bundesfinanzministerium angeboten, das aber auf die ermittelnde Behörde in Rostock verwiesen hatte.

Freitag und seine Strafverteidigung erhoffen sich durch die Freigabe der Daten offenbar Strafmilderung. "Das ist denkbar, aber Straffreiheit wird es nicht geben", so der Behördensprecher. Die angeklagten Straftaten seien so schwer, dass mit einer mehrjährigen Haftstrafe für den Angeschuldigten und seine drei mutmaßlichen Mittäter zu rechnen sei.

Am 15. September 2007 war der Tatverdächtige auf dem Hamburger Flughafen mit 450 000 Euro festgenommen worden. Nach Informationen unserer Zeitung hatten die Ermittler zum Zeitpunkt der Festnahme keine Ahnung von Freitags Besitz der milliardenschweren Datensätze deutscher Steuersünder und von seinen Erpressungen der Liechtensteiner Landesbank. Vielmehr vermuteten die Fahnder, dass der Rostocker das Geld aus einer früheren Erpressung waschen wollte.

Denn Michael Freitag war 1997 und 1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden, weil er im Januar 1994 den damals 30-jährigen Sohn des Rostocker Möbelhändlers Herbert Kempkes entführt hatte. Ein Teil der Beute, 1,5 Millionen von insgesamt vier Millionen Mark, ist bis heute verschwunden.

Nachdem Freitag 2005 vorzeitig aus der Haft entlassen worden war, wurden die Ermittler 2007 erneut auf ihn aufmerksam, als seine Mutter im Sommer mit einem Anwalt 1,3 Millionen Euro bei einer Rostocker Bank auf ein Thailänder Konto einzahlen wollte. Die Bank nahm das Geld nicht an und informierte die Polizei. Im November, zwei Monate nach der Verhaftung des Tatverdächtigen, kamen durch Rechtshilfe der Liechtensteiner Behörden Hinweise auf Freitags Erpressungen der dortigen Landesbank ans Tageslicht. Die Daten sollen von einem Bank-Mitarbeiter gestohlen worden und in den Besitz Freitags gelangt sein. Die erpresste Liechtensteiner Landesbank habe bereits neun Millionen Euro an den Angeschuldigten und seine Komplizen gezahlt, so die Staatsanwaltschaft.

Ermittlerkreise halten es für denkbar, dass Freitag in der kommenden Woche die DVD herausrückt. Lückemann: "Wenn er die Daten weiterhin zurückhält, kann dies strafverschärfend als andauernde Erpressung gewertet werden."

Ackermann ruft Staat zu Hilfe

Tagesschau 18.03.2008 - 11:38
Deutsche-Bank-Chef Ackermann glaubt nicht mehr daran, dass die Märkte die Finanzmarktkrise alleine in den Griff bekommen. Angesichts der internationalen Turbulenzen zweifle er an den Selbstheilungskräften, sagte Ackermann in Frankfurt am Main. Die Versorgung mit Liquidität reiche als Maßnahme nicht aus, sagte er. Die Regierungen müssten Einfluss nehmen auf die Märkte. Ackermann rief zu gemeinsamen Aktionen von Regierungen, Zentralbanken und Banken auf, um das Vertrauen in die globalen Finanzmärkte wiederherzustellen. Gegen die Finanzmarktkrise seien "mutige Schritte" notwendig.

Nach Auffassung des Chefvolkswirts der Bank, Norbert Walter, wird die Finanzkrise noch länger anhalten. "Vor Ende 2009 werden die Turbulenzen nicht zu Ende sein", sagte Walter den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". "Wir brauchen die Neuordnung und eine Neubesinnung auch bei den Regulatoren der Finanzmärkte", fügte Walter hinzu. Die Hoffnung auf ein Ende der Finanzkrise sei "verfrüht" gewesen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück warnte vor den Folgen der Krise für die deutsche Wirtschaft. Auch er plädierte für eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Banken zur Bewältigung der Lage. "Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft können nicht verleugnet werden", sagte der SPD-Politiker. Es gebe aber Chancen, dass die Krise nicht so stark wie in den USA ausfalle, weil die deutsche Volkswirtschaft robuster als die amerikanische aufgestellt sei. "Wir sind in Deutschland sehr stark darauf angewiesen, die bisherige gute Zusammenarbeit zwischen Politik, Bundesbank, Bankenverbänden und Bankinstituten so dicht zu halten, dass wir die Folgewirkungen in Deutschland minimieren können", sagte Steinbrück. "Das ist eine Frage des Krisenmanagements. Und ich bin froh, dass es bisher funktioniert hat."

BDI: "Die Erträge geraten unter Druck"

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht durch die immer neuen Rekordstände des Euro zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Konjunktur in Deutschland bedroht. Noch seien die Auftragsbücher gut gefüllt und die Produktion für die kommenden Monate gesichert, sagte BDI-Präsident Jürgen Thumann der "Berliner Zeitung". "Allerdings wird sich die Exportdynamik in diesem Jahr abschwächen." Thumann führte dies auf den schwachen Dollar, den steigenden Ölpreis, die nachlassende US-Konjunktur und die Finanzmarktkrise zurück. Besonders betroffen seien Maschinen- und Autobauer sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie. "Die Erträge geraten unter Druck."

IWF prophezeit sinkende Wachstumsprognosen

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte davor, dass sich die Krise von den USA aus auf andere Volkswirtschaften ausbreiten könne. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn kündigte an, dass die Wachstumsprognosen für die Vereinigten Staaten, Europa und China in den kommenden Wochen gesenkt würden.

Der Dow-Jones-Index hatte sich gestern nach einem turbulenten Börsentag zum Handelsende gefangen. Er ging bei 11.972 Punkten, einem Plus von 0,18 Prozent, aus dem Handel. Klarer Tagesgewinner war JPMorgan Chase mit einem Kursanstieg von mehr als zehn Prozent. Die Anleger honorierten damit die Ankündigung des Unternehmens, den finanziell angeschlagenen Konkurrenten Bear Stearns zu übernehmen. Der Dax hatte zuvor auf dem niedrigsten Stand seit Oktober 2006 geschlossen.

US-Notenbank entscheidet über Leitzinssenkung

US-Präsident George W. Bush äußerte sich trotz der Turbulenzen zuversichtlich über den Zustand des US-Finanzsystems. "Wir erleben schwierige Zeiten", räumte er ein, nannte die US-Finanzsituation jedoch "stark", die Kapitalmärkte funktionierten "effektiv und effizient". Bush versicherte, die US-Regierung werde sofort handeln, sollte dies nötig sein. "Die USA haben die Lage im Griff", sagte er am Rande eines Treffens mit Wirtschaftsberatern, darunter US-Notenbankchef Ben Bernanke und Finanzminister Henry Paulson.

Gemeinsam berieten sie mit dem New Yorker Börsen-Chef Christopher Cox über eine neuerliche Senkung des Leitzinses, um die Schockwellen der Finanz- und Immobilienkrise für die Wirtschaft abzudämpfen. Für heute Abend wird die Entscheidung der US-Notenbank Fed erwartet. Von einer Senkung wird inzwischen ausgegangen, nur die Höhe ist noch unklar.

hedonic price index ?

Daniel Deut 05.04.2008 - 17:48
Was ist mit dem "hedonic price index" ?
Soweit ich vor Jahren in einem Spiegel-Inteview gelesen habe, soll das Statistischwe Bundesamt die Preisentwicklumg technischer Konsumgüter mit einem sogenannten "hedonic price index" herunterrechnen:

Zum Beisiel kostet ein Computer 1000 Euro.
Das Nachfolgemodell mit mehr Leistung (die vom neuen, mitgelieferten Betriebssysten wieder aufgefressen wird) wird, obwohl das Nachfolgemodell den gleichen Preis hat, vom Statistikamt heruntergerechnet, weil der angenommene Gebrauchsmehrwert des Nachfolgemodells gestiegen sein soll. So ist ein Standart-Computer zwar genauso teuer, aber statistisch billiger.

Das gleiche gilt für Autos, Fernseher, Waschmaschinen usw.

Wer weiss hierzu mehr ?

D.D.

Der Fehler

Pispers Brigaden 08.04.2008 - 19:08
Der Kabarettist Volker Pispers stellt in seinem Programm "Bis neulich 2007" der Problematik, daß Flachbildfernseher immer billiger die Waren des täglichen Bedarfs - wie etwa Lebensmittel - aber immer teurer werden. Er findet auch einen "Schuldigen" und spricht das Publikum direkt an:

"Sie ernähren sich falsch" :)

Hedonische Statistik

Wal 11.04.2008 - 13:05
Hallo,
soweit ich weiß, werden nur Statistiken in den USA nach dem "hedonic price index" geführt, in Deutschland nicht.
Allerdings wird in Deutschland der Inhalt des "Warenkorbs" regelmäßig (nach einigen Jahren) "angepasst" - zuletzt, glaube ich, im Jahr 2005. Da werden dann Produkte ausgetauscht, die angeblich zum "Normalbestand" eines Haushaltes gehören.
Das Konsumverhalten unterscheidet sich erheblich je nach Einkommen. Für alle Einkommensklassen einen einzigen Warenkorb zur Grundlage einer landesweiten Inflationsbestimmung zu machen, ist in sich ein Unding und wird umso mehr ein Unding, je mehr die Einkommensklassen auseinanderdriften.

Gruß Wal

@egal

Peter Lustig 14.04.2008 - 13:24
Du hast völlig recht. Genauso, wie Du es vermutest ist es. Die Produkte (z.B. Computer) werden nach Preis pro Leistungseinheit (Ram, Mhz, Rom) "gewichtet". Dein Beispiel der Grafikkarte sieht so aus, daß Grafikkarten, wenn sie im nächsten Jahr doppelt soviel Speicher und doppelt so schnell sind, bei gleichem Preis genau um 50 Prozent billiger geworden sind, obwohl man immernoch über 500 Euros für eine neue aktuelle Grafikkarte bezahlt. Eigentlich ist das Wahnsinn.

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