"Weiter für eine Konfliktlösung eintreten"

Ralf Streck 03.03.2008 10:06 Themen: Weltweit
Am 9. März finden in Spanien Parlamentswahlen und in Frankreich Kommunalwahlen statt. Die Partei Batasuna (Einheit) ist seit 2003 im spanischen Staat verboten, tritt aber im französischen Staat weiter legal an. In Spanien wurden derweil zwei weitere Parteien von den Wahlen ausgeschlossen, weil es angeblich "Tarnorganisationen" Batasunas seien. Wir sprachen mit dem Batasuna-Führungsmitglied Haispea Abrisketa.
Was bedeuten solche Vorgänge für demokratische Wahlen?

Es werden keine Parteien ausgeschlossen, weil es konkrete Vorwürfe gegen sie gäbe, sondern eine politische Option. Batasuna tritt für ein unabhängiges, sozialistisches und vereintes Baskenland ein. Das tun auch die Baskisch Patriotische Aktion (EAE ANV) oder die "Kommunistische Partei der Baskischen Territorien" (EHAK) und dieses Projekt passt nicht in das spanische System, weshalb auch sie ausgeschlossen werden. Elementare Rechte werden verletzt und das führt zu einer antidemokratischen Situation im Baskenland, wo es keine Möglichkeit gibt, sich frei politisch zu artikulieren.

Es ist auffällig, dass das verstärkte Vorgehen gegen die baskische Linke nach dem gescheiterten Friedensprozess 2007 beginnt und man nun Beweise gefunden haben will, Batasuna steuere diese Parteien?

Batasuna steuert niemanden. Jede Partei tritt für ihre Ziele ein. EAE-ANV kandidierte zu den Kommunalwahlen im Mai 2007, um den Wählern der linken Unabhängigkeitsbewegung eine Option zu bieten, wie es EHAK 2005 tat. Es zeigt sich, dass der Staat je nach politischer Situation handelt. In einem Friedensprozess sind diese Parteien legal, scheitert er, werden sie verboten. Das wird juristisch bemäntelt, aber es sind politische Entscheidungen. Das hat nichts mit dem Verhalten der Parteien zu tun.

Früher wurde Batasuna stets als Arm der Untergrundorganisation ETA bezeichnet, heute werden ihre Kollegen als angebliche ETA-Führer verhaftet. Befinden wir uns hier im Büro in Bayonne in einem legalen ETA-Hauptquartier?

Diese ganzen Vorwürfe dienen nur als Vorwand, um uns als politische Option im spanischen Staat zu isolieren. Hier im französischen Staat arbeiten wir all die Jahre weiter legal und treten auch zu den Kommunalwahlen am 9. März in einer Koalition mit zwei Parteien an. Madrid will verhindern, dass wir für eine Konfliktlösung eintreten, die allen erlaubt, frei für ihr politisches Projekt einzutreten und die baskische Bevölkerung demokratisch darüber entscheiden kann. Das würde eine Tür zur Unabhängigkeit öffnen und diese Option sollte im Friedensprozess nicht geschaffen werden.

Wie stellt sich die baskische Linke zu den Wahlen in Spanien?

Angesichts dieses Ausnahmezustands gibt es nur die Möglichkeit zu einer aktiven Wahlabstinenz. Denn diese Wahlen sind völlig undemokratisch. Wir machen im Wahlkampf deutlich, dass uns unsere Rechte verweigert werden und fordern die Leute auf, an solchen Wahlen nicht teilzunehmen.

Erwartet Batasuna, dass trotz der Repression die Sozialisten (PSOE) gewinnen, weil es mit der rechten Volkspartei (PP) noch schlimmer käme?

Beide vertreten den spanischen Nationalismus. In den Verhandlungen hat sich gezeigt, dass die PSOE keine Lösung will, die an die Ursachen des Konflikts geht. Ihr ging es um eine technische Lösung für dessen gewaltsamen Ausdruck. Die ETA sollte die Waffen ablegen und dafür kämen die 700 politischen Gefangenen frei. PP und die PSOE haben die gleichen Ziele in der baskischen Frage und verteidigen ein großes, unteilbares Spanien.

Madrids Position ist nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovos, von der EU akzeptiert, deutlich geschwächt.

Doch warum erkennt die EU die so einfach an? Wir sagen immer, Konflikte müssen von allen Konfliktparteien per Dialog gelöst werden müssen und der Wille der Bevölkerung muss respektiert werden. Es zeigt sich nun, dass Grenzen in Europa veränderbar sind und es auch die EU dieses Problem in sich trägt. Europa muss sich dem stellen, dass es auch Irland, Schottland, Katalonien, Flandern… gibt und nicht nur nach geostrategischen Interessen handeln.

Anders als andere Batasuna-Führer wurden Sie nach der großen Verhaftungswelle im Oktober wieder frei gelassen. Liegt das an ihrem französischen Pass?

Es gibt da keine Logik, andere wurden erst später verhaftet. Letztlich machen sie, was sie wollen und wann es ihnen politisch opportun erscheint.

Wie arbeitet eine Partei mit der Führung im Knast, illegal im großen Teil des Landes?

Batasuna ist der Ausdruck einer Bewegung, die etwa 200.000 Menschen umfasst und die für ein politisches Projekt steht. Die verschwindet nicht und ist tief in der Gesellschaft und ihren politischen, sozialen und kulturellen Aktivitäten verankert. Jeder repressive Schlag verlängert die Lösung des Konflikts und das Leiden nur, aber verhindert nichts. Wir werden uns weiter für eine Lösung per Dialog einsetzen, mit der die Ursachen des Konflikts beseitigt werden. Hier gibt es ein Volk und es hat das Recht über seine Zukunft zu entscheiden.

© Ralf Streck, Baiona den 29.02.2008
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