Kolumbien: Mehr als nur Chiquita

Decio Machado 10.06.2007 22:17 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Laut dem Chef der Paramilitärs Manusco zahlte Chiquita nicht Schutzgeld, sondern bezahlte Auftragsmorde an Bauernführern und Gewerkschaftern; aber beileibe nicht als einziger Multi in Kolumbien. Die blutige Liste ist lang, auch deutsche Insignien erscheinen auf ihr...
Die Spitze des Eisbergs
AN DEN MULTIS HAFTET DER GERUCH VON BLUT
von: Decio Machado ( Beobachtungsstelle multinationaler Konzerne Kolumbien)
27.Mai 07
Der Skandal über die existierenden Verbindungen zwischen Politikern und Unternehmern und den Narco(=Drogen/handel)-Paramilitärs der extremen Rechten in Kolumbien füllt immer mehr Seiten. Die Netze der "Paras" haben alle Teile der kolumbianischen Gesellschaft durchdrungen. Allmählich, und noch immer weit von der ganzen Realtität entfernt, kommen verschiedene Fälle ans Licht die es ermöglichen, die Tragweite dieses schrecklichen Dramas zu erkennen.
In dem bis dato letzten Kapitel dieses gewaltigen, institutionellen Skandals ist nun die Klasse der Unternehmer an der Reihe. In seinen Erklärungen Mitte Mai gegenüber den Richtern von Gerechtigkeit und Frieden in Medellín, hat der desaktivierte Chef der Paramilitärs Salvatore Mancuso, ausser die Namen von Politikern und Militärs anzugeben, ebenso Konzerne und Unternehmer genannt, die in die Finanzierung des Paramilitarismus verstrickt sind.

IMPLIZIERTE MULTIS UND NATIONALE UNTERNEHMER

Durch die von Manusco gemachten Detaillangaben wurde klar, auf welche Weise Peso für Peso, das Anschwellen der Kassen der Vereinten Selbstverteidigungsgruppen (Autodefensas Unidas de Colombia, AUC) kalkuliert wird. Kein Wirtschaftssektor an der Küste der praktisch nicht davon betroffen ist: Bananenunternehmer; die Kaffepflanzer der Sierra Nevada; die Tankstellen; die Ölkonzerne, wie Ocensa, Ecopetrol und alle von Casanare; die Holzfirmen; Fischfabriken und Kohleberbauunternehmen wie Prodeco und die karibische Carbones sind Teil einer ausgedehnten, kompromittierenden Liste der Welt des Kapitals und ihrer Rolle bei der Finanzierung des Narcoparamilitarismus.

Laut Mancuso "wurde der Paramilitarismus von den Wirtschaftsgremien orchestriert, die als Geldgeber fungieren; Geld mit dem die Politiker und die Armee dazu bewegt werden, zu erschiessen wer in Opposition geht, egal ob Guerriller@ oder nicht." Der verhaftete paramilitärische Führer gibt weiter an, dass folgende Unternehmen für die Eliminierung von Bauernführernb und störenden Gewerkschaftern (sprich für Auftragsmorde ) bezahlt haben: Chiquita Brands (Ex- United Fruit Company); Dole Food Company ( zu 100% Eigentum des Multimillionärs Murdoch) sowie Fresh Del Monte ( zu 50% in der Hand des palästinensisch-chilenischen Millionärs Mohammad Abu-Ghazaleh, an der aber auch Unternehmen wie die deutsche Allianz! (1*), die britische Barclays oder die nordamerikanische FMR Corp und Melon Financial Corp Teil haben ). Sie alle haben "mit einem Centavo in Dollar (centavo de dólar ) pro aus Kolumbien exportierter Bananenkiste in den Fond der AUC eingezahlt."

"Steuern" zahlten auch das Unternehmen Postobón, der Ardila Lule-Gruppe ( eine der ökonomisch stärksten Gruppen Kolumbiens ), die den AUC monatlich 7.000 Dollar für jedes Departement, indem sie ihre Produkte vertreibt, zahlte (Postobón kontrolliert zu 99% den Markt alkoholfreier Getränke in Kolumbien und unterhält mehr als 450.000 Verkaufsstellen im Land ) sowie Bavaris ( Eigentum von SABMiller, zweitgrösste Brauerei der Welt ), die 70 centavos in Dollar (centavos de dólar) pro 30 Biere, die an der Atlantikküste verkauft wurden, überwies. Die Kohleunternehmen die im Departement Cesar, wo sich eines der grössten Reservevorkommen der Welt befindet, agieren, zahlten ebenfalls "Steuern" an die AUC, so Mancuso. In diesem Fall zahlten auch die Transporteure mehr als 70.000 Dollar monatlich für die Lieferfahrten.

Laut Generalstaatsanwalt Mario Iguarán "zahlten diese Unternehmen nicht für Sicherheit, sie zahlten für Blut". Iguarán hat sich öffentlich verpflichtet dieser jüngsten Achse des paramilitärischen Projekts den Prozess zu machen: den Unternehmen, die seine Finanzierung unterstützten. In diesem Sinne laufen gegenwärtig zwei Ermittlungsverfahren bezüglich der Handlungsweisen jeweils von Drummond und Chiquita Brands in Kolumbien.

Für die Paramilitärs ist die Sache einfach. Wie Iván Duque, ein Sprecher der Paras, der sich aktuell in Haft befindet, gegenüber der Nachrichtenagentur Argenpress erklärte, "war die Unterstützung der Paramilitärs seitens der Untenehmen logisch, da wir die Privatunternehmen und die Ideen der Konzerne respektierten und über die Vorteile des Freien Marktes Übereinstimmung zwischen ihnen und uns herrschte."

DATEN TAUCHEN AUF, DIE ZU ANKLAGEN DER MULTIS FÜHREN

Die avalierende Verwicklung der Multis in Anklagen wegen an Gewerkschaftern und kommunale Dirigenten begangenen Verbrechen, ist nichts Neues.

Im Fall des us-amerikanischen Kohlekonzerns Drummond, dem grössten Kohleförderer in Kolumbien, wurde dem Konzern im eigenen Land wegen der Bezahlung von Paramilitärs für einen Mord an drei Gewerkschaftsführern der Prozess gemacht, wie jetzt, nach einem Jahr, ein ehemaliger "reuiger" verantwortlicher Informatiker des DAS (Verwaltungsdepartement der Sicherheit, Geheimdienstorgan des kolumbianischen Staats ) angab.

Der Multi ist nicht der einzige; Coca Coca sieht sich der Anschuldigung von 14 Morden gegenüber, von denen 7 an Gewerkschaftsführer begangen worden sind. Die "Los Angeles Times" schrieb 2002, dass Oxy 750.000 Dollar an die kolumbianischen Sicherheitskräfte zahlte, genauso wie die Asociación Cravo Norte ( Eigentum von Ecopetrol, Repsol und Oxy), die jährlich zwei Millionen Dollar an die XVIII Heeresbrigarde in Arauca zahlte, die die Zonen um die Pipeline Caño Limón-Coveñas patroullierte. In gleicher Weise wird British Petroleum, gemeinsam mit der französischen Total und der us-amerikanischen Tritón in verschiedenen Informationsschriften und Anklagen der Finanzierung der Paras und Komplizenschaft bei Menschenrechtsletzungen in Casanare beschuldigt.

Der krasseste (wohl hinreichend bekannte) Fall bleibt bislang der von Chiquita Brands. Der Bananenmulti mag der us-Regierung 25.000 Millionen Dollar Entschädigung geboten haben solange er will: In Kolumbien werden Sammelklagen Betoffener gegen ihn in die Wege geleitet, die nicht bereits sind, ihm das vergossene Blut (in Urabá) und seine Wirtschaftskriminalität so günstig zu "verkaufen".

Chiquita, Coca-Cola und Drummond sind nur die Spitze des Eisbergs der breiten und wirkungsvollen Verbindungen zwischen den Multis, der Unternehmenswelt allgemein und dem Narcoparamilitarismus. Unternehmen wie British Petroleum, Defense System Limited, Ecopetrol, Repsol ( spanisch), Oxy und Nestle sind Teil des in Kolumbien entfesselten Terrors, der die Leben vieler Gewerkschafter gekostet hat und der dazu beigetragen hat, die Lohnsituation der kolumbianischen ArbeiterInnen ebenso zu verschlechtern wie die Lebensbedingungen der betroffenen Gemeinden.

Beobachtungsstelle multinationaler Konzerne in Lateinamerika
Observatorio de Multinacionales en América Latina
 http://www.omal.info/www/article.php3?id_article=828
 http://www.omal.info

( Quelle:  http://chiapas.indymedia.org/display.php3?article_id=146172 )
übersetzt von: tierr@

(1*) über die Allianz Stuttgart sagte eine ehemalige Mitarbeiterin aus, dass sie sich gezwungen sah, ihr Ausscheiden zu akzeptieren ( wenn auch finanziell abgegolten), weil sie nicht bereit war, auf Anforderung ihres Vorgesetzten in die NPD einzutreten. Die Betroffene weiss noch nicht, ob und mit wessen Beistand, sie sich anwaltlich zur Wehr setzen kann. Ein hoher, deutscher Politiker der Linken und Rechtsanwalt, hat jedenfalls abgelehnt, zu intervenieren: "Er hat ( für einen solchen absoluten und angstbelasteten Skandal) keine Zeit." (Wer hat das schon?)

Aktuell zu Kolumbien auch
DIE SITUATION DER STUDENTEN/TINNEN:
 http://de.indymedia.org/2007/06/180255.shtml

Coca braucht keine Cola
 http://de.indymedia.org/2007/04/172905.shtml
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