Venezuela: Basismedien unterstützen Ende von RCTV

Karl Ole 19.01.2007 20:34 Themen: Medien Soziale Kämpfe Weltweit
In einem Kommuniqué erklärten vergangene Woche zahlreiche venezolanische Basismedien ihre Unterstützung für die Ankündigung des Präsidenten, die auslaufende Konzession des Fernsehsenders Radio Caracas Televisión (RCTV) für die Antennenausstrahlung nicht zu verlängern. Sie fordern in der Erklärung eine Sozialisierung der Sendefrequenzen, um eine Kommunikation von unten zu ermöglichen. Auch die Internationale Demokratische Föderation der Frauen (FDIM) ünterstützt öffentlich den Schritt. Unabhängige MedienproduzentInnen diskutieren die Nutzung der frei werdenden Frequenz.
Der Fernsehkanal RCTV ist unter anderem für seine Rolle beim Putsch gegen Hugo Chávez im Jahr 2002 bekannt geworden, den er offen unterstützte. In den letzten Wochen gelangte er in die Schlagzeilen, als Präsident Hugo Chávez bei einer Rede zum Jahreswechsel vor Militärangehörigen ankündigte, die im Mai ablaufende Sendelizenz für den Antennenempfang nicht zu verlängern. Während die oppositionellen Medien in Venezuela und die Mainstreammedien das Ende der Pressefreiheit heraufbeschwören, ergeben sich für BasisaktivistInnen und Menschen ohne finanzielle Mittel nie dagewesene Möglichkeiten. Zwar geht der Prozess der Legalisierung und Lizenzvergabe der unzähligen nachbarschaftlichen Radio- und Fernsehstation nur schleppend voran, jedoch werden diese heute überhaupt gefördert, während sie in der "Vierten Republik" massiver Repression ausgesetzt waren. Dies ist teil des Projektes der "Bolivarianischen Revolution", die die Macht - und damit auch die Medien - von unten nach oben aufbauen will.

Nun veröffentlichte eine Reihe von Basismedien ein Kommuniqué, um die Entscheidung des Präsidenten zu unterstützen. Die von 17 nachbarschaftlichen Fernsehsendern, dem relativ neuen basisnahen staatlichen Sender Vive und der linken Internetplattform aporrea.org unterzeichnete Erklärung beschuldigt die privaten Medien, zu denen RCTV gehört, ein "Sprachrohr des Imperialismus" zu sein und als "Apparate der Reproduktion der Ideologie des Kapitalismus, des Egoismus und der kapitalistischen Barbarei" zu dienen. Die Sendefrequenzen seien ein beschränkter Raum und man könne nicht denen die Konzession erneuern, die sie nutzen, um Privilegien gegen die Mehrheit zu verteidigen.

In der Erklärung heißt es weiter: "Deshalb ergreifen wir, die sich gezwungen gesehen haben, eine wirkliche Kommunikation zu entwickeln, die aus den Nachbarschaften, von den Arbeitern, den Bauern, den Indígenas, d.h. von der Mehrheit kommt, die nie die Möglichkeit hatte, die natürlichen Ressourcen wie die Sendefrequenzen zu nutzen, Partei für eine sozialistische Politik in Bezug auf die Verwaltung der Sendefrequenzen, einem Mittel, das allen Venezolanern gehört."

Die Sendefrequenzen seien genauso wie das Öl und das Wasser eine begrenzte Ressource, die auf Grundlage der Notwendigkeiten des venezolanischen Volkes benutzt werden müsse: "Deshalb hat es keine Priorität, die Frequenz wieder an ein anderes Unternehmen mit Gewinninteressen zu geben, das nach den Interessen der Oligarchie handelt, welche ständig das für die Befreiung kämpfende Volk kriminalisieren, welche lügen und diese Lügen wie in einer Kampagne der Angst wiederholen, die die Straflosigkeit der Putschisten und Mörder der vierten Republik verteidigen und die eine einseitige Kommunikation betreiben mit dem Ziel, ein Volk zu manipulieren und zu betrügen, das ihnen nicht mehr glaubt."

Weiter rufen die Basismedien dazu auf, ein "sozialistisches Kommunikationsmodell" zu verteidigen, das sich in den Händen der Mehrheit befindet und so eine Kommunikation unter Gleichen ermöglicht. "Unser Platz ist nicht vor den Fernsehschirmen, sondern wir müssen Protagonisten sein und selber das Fernsehen machen. Die Kommunikation braucht keine Mittler, die für uns reden - wir sind es selbst, die dazu aufgerufen sind unsere Stimmen hörbar zu machen und die Bilder eines Volkes zu widerzusppiegeln, das sich entschlossen hat, sich trotz der Attacken aus Washington zu ändern."

Weitere Unterstüztung

Auch die Internationale Demokratische Föderation der Frauen (FDIM) will die Entscheidung unterstützen, die Sendelizenz von RCTV nicht zu verlängern. Dafür wolle man Unterschriften sammeln erklärte die Präsidentin der FDIM, Elena Linares: "Wir glauben, dass dieses Medium, RCTV, das Bild der venezolanischen Frau zerstört hat, weshalb wir Frauen der FDIM den Entzug der Lizenz nicht nur mit Worten, sondern auch mit Aktionen unterstützen. Wir werden Unterschriften sammeln, um für diese souveräne Entscheidung zu bürgen." Der Imperialismus habe verschiedene Formen, die venezolanischen Frauen zu misshandeln und zu vergewaltigen: "Für seine Ziele macht er Gebrauch von verschiedenen Aktionen, von subtilen, durch die Medien wie RCTV, bis zur physischen Misshandlung wie in den Kriegen, in denen Frauen und Kinder diejenigen sind, die am meisten leiden."

Über die Zukunft der freiwerdenden Frequenz machten sich auch unabhängige ProduzentInnen von Medien gedanken. In einer Versammlung in Caracas forderten sie, die Lizenz des Kanal 2 zu nutzen, um unabhängigen MedienmacherInnen einen Raum zu bieten und so die künstlerischen und kulturellen Werte zu verbreiten.
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Ergänzungen

Taz-Artikel pro/contra

qwertz 19.01.2007 - 21:17
Venezuela ist wohl das einzige Land, in welchem TV-Stationen geduldet werden, die zum Sturz der Regierung, zu Sabotage usw aufrufen. Nun wird der agressivste Sender seine Lizenz verlieren, andere Sender der extremen Rechten werden aber on air bleiben. Die taz hat zum Thema (Präsidialdekrete und RCTV) eine pro- und contra-Argumentation gegenübergestellt:
 http://www.taz.de/pt/2007/01/12/a0204.1/text

"Aufgabe des Staates"

icke 20.01.2007 - 00:47
Der Direktor der Tageszeitung Últimas noticias*, Eleazar Díaz Rangel hat der Regierung in der Frage der Erneuerung Recht gegeben. In der Sendung Contragolpe des staatlichen Fernsehsenders Venezolana de Televisión (VTV) sagte er, es sei Aufgabe des Staates, die Lizenz zu verlängern oder nicht.

Días Rangel weiter: "Es kann nicht bestätigt werden, das dies der Ausgangspunkt für eine Reihe von Einschränkungen der Informationsfreiheit und der Meinungsfreiheit ist." Und: "Es reicht aus, sich anzusehen, was die Regierung Chávez' gemacht hat. Seit 1999 bis heute hat es nicht eine einzige Information, eine einzige Meldung, einen einzigen Artikel oder einen einzigen Kommentar gegeben, der auf Druck von Seiten der Regierung nicht veröffentlicht worden wäre."

* Eher "neutral", nicht chavistisch und auch nicht offen oppositionell

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@alter mann — l

@quertz — moeper