Hausdurchsuchungen gg. Bielefelder Studenten

Alles für Alle 10.11.2006 19:19 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe
Am Morgen des 9. November sind zwei Wohnungen in Bielefeld und Duisburg vom polizeilichen Staatsschutz durchsucht worden. Die Polizeiaktion richtete sich gegen einen politisch aktiven Studenten der Universität Bielefeld, der vom Staatsschutz zum "Anführer" einer konstruierten "studentischen Protestbewegung, die schwere Straftaten verübt" stilisiert wird.
Hintergrund dieses Kriminalisierungsversuchs sind massive Protestaktionen gegen die Einführung allgemeiner Studiengebühren in Bielefeld seit Anfang des Jahres, begonnen mit einer vierwöchigen Rektoratsbesetzung im Februar, umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit über Monate sowie direkten Aktionen gegen eine entscheidende Senatssitzung. Auch verschiedene militante Aktionen - völlig ungeklärten Hintergrunds - wie ein Brandanschlag auf das Auto des Unirektors werden vom Staatsschutz in diese Reihe gerückt.

Bereits im August war es in Bielefeld zu einer Hausdurchsuchung in gleicher Sache gekommen, deren Ergebnislosigkeit die Staatsanwaltschaft nun eingeräumt hat. Der nun betroffene Student hat sich als gewählter Vertreter in verschiedenen Hochschulgremien immer deutlich und kompromißlos gegen Studiengebühren und deren VerfechterInnen ausgesprochen. Offensichtlich soll er nun dafür abgestraft werden. Die Durchsuchungen fanden im Elternhaus sowie in der Wohnung einer Bekannten statt. Es wurden wie bereits im August Computer beschlagnahmt, offenbar sind nach ergebnislosem Abschluß der ersten Durchsuchung wieder Auswertungsstellen bei der Bielefelder Polizei frei geworden. Der Betroffene war - obwohl durch seine politischen Tätigkeiten hochschulweit bekannt - bereits im August zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung aus dem Bett geholt worden.

Der AStA der Uni Bielefeld übt in einer Pressemitteilung scharfe Kritik an den Ermittlungsmethoden:

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Wenn der Staatsschutz zweimal klingelt

Die Kriminalisierung des studentischen Protests geht in die zweite Runde. Am Morgen des 9. November wurde ein Mitglied der verfassten Studierendenschaft Opfer staatlicher Repression in Form von Hausdurchsuchungen. Eine Hausdurchsuchung fand in der vorübergehenden Wohnung eines Bekannten, die andere in der Wohnung der Eltern im 200 km entfernten Duisburg statt. Wie bei der vorherigen Durchsuchung der Wohnung eines anderen Studierenden gehen wir auch hier davon aus, dass die Durchsuchung zu keinen relevanten Erkenntnissen führen wird.

Interessanterweise kam es einen Tag zuvor im Senat zum Streit um den Betroffenen. Das Studierendenparlament (StuPa) hatte zuvor den Betroffenen für den sicheren Statusplatz der Studierenden in der Kommission für Studium und Lehre (LeKo) gewählt. Die professorale Senatsmehrheit hatte daraufhin keinen der ProfessorInnen und der restlichen zwei studentischen VertreterInnen in die LeKo gewählt. Dieses bisher beispiellose Vorgehen stellt zum wiederholten Male die undemokratische Vorgehensweise der professoralen Mehrheit im Senat offen zur Schau. Anscheinend hat sich bei den professoralen VertreterInnen im Senat der Eindruck breit gemacht, sie seien berechtigt, sich genehme StudierendenvertreterInnen auszusuchen. „Es ist äußerst bedenklich, dass diese Entscheidung offensichtlich auf Grund einer unzulässigen Vorverurteilung getroffen wurde“, sagt der Vorsitzende des AStA.

In der Freitagsausgabe des Westfalenblatts zeigt sich zudem, dass das Rechtsstaatsprinzip der Unschuldsvermutung und Zurückhaltung in Bezug auf die Weitergabe sensibler persönlicher Daten die Polizei wenig interessiert. Wieder einmal gibt es Vorverurteilungen von Studierenden und StudiengebührengegnerInnen per se. Nur weil Polizei und Staatsschutz scheinbar noch immer im Dunkeln tappen, belangen sie einen derjenigen, der offen seine, von der Linie des Rektorats abweichende, Meinung vertritt. Ein demokratisch gewählter Repräsentant der Studierendenschaft wird somit in der Öffentlichkeit diffamiert und kriminalisiert. In diesem Zusammenhang entsteht der Eindruck, als arbeiteten Polizei und
universitäre Stellen eng zusammen. „Ich finde es merkwürdig, dass die Hausdurchsuchung nur einen Tag nach der Sitzung des Senates stattfand“, sagt die hochschulpolitische Referentin des AStA.

Der AStA der Universität Bielefeld lehnt das Vorgehen von Staatsschutz und Polizei vehement ab. Wir fordern den Staatsschutz auf, gewählte VertreterInnen der verfassten Studierendenschaft, den AStA und ihre Räumlichkeiten nicht länger zu überwachen und auszuspionieren. Es liegt die Vermutung nahe, dass durch die gewählte Vorgehensweise legitimer Protest pauschal kriminalisiert und StudiengebührengegnerInnen eingeschüchtert werden sollen. Dieser Zustand ist unerträglich und dient offensichtlich lediglich dazu, unterbeschäftigte PolizistInnen mit Arbeit zu versorgen.

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Hintergründe/Chronologie der "Bielefelder Verhältnisse" unter  http://besetzung.kollima.de
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Ergänzungen

Bitte sagen Sie jetzt nichts!

hai 10.11.2006 - 22:17

 http://www.aussageverweigerung.de

Jede fortschrittliche politische Bewegung, die gegen die herrschenden Zustände kämpft, wird über kurz oder lang mit den Repressionsorganen des Staates konfrontiert werden. Die kapitalistische Profitwirtschaft und die zwangsläufig daraus resultierenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse werden mit allen Mitteln verteidigt. Seit einigen Jahren nehmen wir - die Rote Hilfe - zur Kenntnis, dass viele Menschen schon bei der Polizei Aussagen machen, sei es weil sie ihre "Unschuld" beweisen wollen, sei es weil sie eingeschüchtert sind usw. Auch bei der Staatsanwaltschaft wird geredet, vor Gerichten Zeugenaussagen gemacht... Offensichtlich existiert kein Bewusstsein mehr darüber, was mit diesem Plaudern angerichtet wird.

UNIted HG Stellungnahme

blablub 13.11.2006 - 09:36
Repressionen reloaded!

Die Repressionen gegen die studentische Antistudiengebührenbewegung seitens der Polizei reißen nicht ab. Erschüttert musste die UNIted- Hochschulgruppe zur Kenntnis nehmen, dass am Donnerstag den 9. November bei einem Vertreter unserer Hochschulgruppe eine Hausdurchsuchung stattfand. Gegen 6:30 Uhr klingelte es bei dem gewählten Vertreter im Studierendenparlament (StuPa) und Lehrkommission (LeKo) an der Haustür. Mehrere Polizeibeamte drangen daraufhin in die Wohnung ein und nahmen eine Hausdurchsuchung vor. Nach anderthalb Stunden der erfolglosen Suche mussten die Beamten wieder abziehen.
Bei der durchsuchten Wohnung handelte es sich nicht um die Wohnung des Studierenden, sondern um die Wohnung eines Bekannten. Zeitgleich wurde auch die Wohnung der Eltern des UNIted- Mitglieds, in der irrigen Annahme hier seien Beweise zu finden, im 200 km entfernten Duisburg durchsucht.
Dem Studierenden wird vorgeworfen, „einer der führenden Köpfe der Studiengebührenproteste“ zu sein. In den Augen der Polizei offensichtlich schon Grund genug, in die Privatsphäre des Studierenden einzudringen und ihn unter Generalverdacht zu stellen. Ebenso wird dem Studierenden unterstellt, für Brandstiftungen innerhalb der Universität und den Brandanschlag auf den Wagen des Rektors Timmermann verantwortlich zu sein. Wie hierfür Beweise in der Wohnung der Bekannten aufzufinden sein sollen, erschließt sich keinem Mitglied der UNIted- Hochschulgruppe. Es ist nicht verwunderlich, dass die Suche nach dem Generalschlüssel der Universität ergebnislos verlief, da er unschuldig ist. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die unter massiven Erfolgsdruck stehenden Ermittlungsbehörden händeringend nach einem Sündenbock suchen. Kennzeichnend für das Vorgehen der Polizei ist es, dass gegenüber der Presse im Monatsrhythmus sämtliche Vorfälle an der Universität Bielefeld in unzulässiger Art und Weise miteinander in einen Topf geworfen werden. Offensichtlich sind die Ermittlungsbehörden nicht einmal in der Lage, den Studiengang des Betroffenen zu ermitteln oder aber der Presse zutreffende Informationen weiterzugeben. Es drängt deshalb eher der Eindruck auf, Kleinstadtcops würden versuchen, mal große Polizei zu spielen. Vielmehr ist es Auftrag der Polizei in ihren Ermittlungen mit gleichem Impetus ebenfalls nach entlastenden Momenten zu suchen und nicht in rechtsstaatwidriger Manier, verzweifelt Vorwürfe gegen einzelne Personen zu konstruieren. Die UNIted- Hochschulgruppe fordert für ihre Mitglieder das Rechtsstaatsprinzip der Unschuldsvermutung ein und beobachtet mit wachsender Erschütterung die dilletantischen Ermittlungsbemühung der Polizei Bielefeld die nicht über mal auf den Busch klopfen hinauskommen und die bedenkliche Berichterstattungspraxis einzelner Bielefelder Lokalzeitungen. Es bleibt zu hoffen, dass nicht noch weitere Unschuldige in die Mühlen einer offensichtlich heillos überforderten Polizeimaschinerie geraten und die Lokalzeitungen sich nicht an einer weiteren Hexenjagd gegen die betroffene Person beteiligen.
UNIted stellt hiermit fest, dass der Betroffene weder an Sachbeschädigung, Diebstahl noch anderen rechtswidrigen Aktionen beteiligt war und ist. Aus diesem Grund sehen wir weiteren Ermittlungen gelassen entgegen, da sich letztendlich ja doch die Wahrheit durchsetzen wird.