Spaniens Umgang mit der faschistischen Vergangenheit

Ralf Streck 24.10.2006 08:36 Themen: Antifa Repression Weltweit
Vor 70 Jahren putschte das Militär in Spanien gegen die II. Republik. Drei Jahre Bürgerkrieg, Zehntausende Tote und 40 Jahre Diktatur waren das Ergebnis. Noch immer fällt die Aufarbeitung schwer. Gegen die starke Ultrarechte trauen sich die Sozialisten nicht, die Opfer zu rehabilitieren und die Unrechtsurteile aufzuheben.
Vergangene Woche (diese Woche) musste die spanische Nachrichtenagentur EFE zugeben, dass die Bilder vom "historischen Treffen" zwischen Adolf Hitler und Francisco Franco gefälscht wurden, um das Bild des spanischen Diktators aufzuhübschen. Die Bilder vom Oktober 1940, so die Ex-Nachrichtenagentur des Regimes, seien im Rahmen der Digitalisierung des Fotoarchivs erst jetzt als Manipulationen erkannt worden. Dass dies erst und 31 Jahre erst nach dem Tod des Diktators auffällt, zeigt die mangelnde Aufarbeitung der Geschichte an.
 http://de.indymedia.org/2006/10/159903.shtml

Wie zaghaft die Sozialisten (PSOE) nach der Machtübernahme mit oder Frage umgehen, wird an der Diskussion um das "Gesetz zur Wiederherstellung der historischen Erinnerung" deutlich. Das versprochene Gesetz der Regierung unter José Luis Rodríguez sollte lange vor dem 70. Jahrestag des Putschs am 18. Juli in Kraft getreten sein, doch kurz vor der Sommerpause wurde im Kabinett nun ein Entwurf verabschiedet.

Der liegt auf Eis und hat kaum Chancen jemals in Kraft zu treten. Von den Vorstellungen der Opfer ist wenig übrig geblieben und sogar der Name wurde verändert. Es heißt nun "Gesetz zur Anerkennung und Ausweitung der Rechte der Opfer des Bürgerkriegs und der Diktatur" und spricht nun von der moralischen Rehabilitierung der Gewaltopfer auf beiden Seiten. Dabei ist allen klar, dass die Opfer vor allem unter den Verteidigern der Republik zu finden sind.

Schon wegen dieser Gleichmacherei ist das Gesetz für viele Opfer und deren Verbände eine "Beleidigung für alle Demokraten". Es gab keine "zwei Lager", sondern "es gab auf der einen Seite eine legal gebildete Regierung, gegen die es eine faschistische Erhebung des Militärs gab". Das sagte Victor Luis Álvarez, Präsident der Vereinigung für die historische Erinnerung kürzlich vor einem der vielen Massengräber, in denen die Opfer noch heute zu Zehntausenden verscharrt sind. Vor dem "Glückbrunnen" (Pozu de Fortuna) sagte Álvarez: "Das Gesetz befriedigt uns nicht, sondern versucht die Faschisten zu beruhigen und ihnen Konzessionen zu machen". Das werde nichts bringen, weil die "unersättlich" seien, sagte er vor dem tiefen Loch, in das die Menschen noch lange nach dem Kriegsende lebendig geworfen wurden.

Die Gegner stört auch, dass die Urteile der Kriegsgerichtsprozesse, wenn es überhaupt solche gab, nicht einmal überprüft werden sollen. Die wenigen verbliebenen Überlebenden sollen mit Geld abgespeist werden. Bis auf Ausnahmen, wie im Baskenland, Andalusien oder Katalonien müssen die Angehörigen der Opfer meist sogar die DNA-Teste bezahlen, um Sicherheit darüber zu erhalten, ob es sich um den Vater, Bruder oder Schwester handelt, wenn auf ihre Initiative ein Massengrab gesucht und geöffnet wird.

"Wenn Politiker auf ein bestimmtes Niveau erreichen, werden sie alle gleich“, fast der kämpferische 71jährige Vicente Muñiz seinen Frust zusammen. Seit dem der Diktator 1975 friedlich in der Hauptstadt Madrid verschied, kämpft er darum, die Todesurteile seiner Eltern annullieren zu lassen.  http://de.indymedia.org/2006/01/136998.shtml Die Anarchisten wurden von einem Kriegsgericht in Valencia zum Tode verurteilt. Sie gehören zu den geschätzten 50.000 Menschen, die noch nach dem Ende des Bürgerkriegs ermordet wurden.

In den 80er Jahren, als die PSOE an die Macht kam, war bei Muñiz und vielen Opfern Hoffnung aufgekeimt: „Wir dachten, jetzt wird das Unrecht bereinigt“. Doch in 14 Jahren der sozialistischen Regierung geschah praktisch nichts, erklärt er. Die Opfer wurden nicht rehabilitiert, von der Bestrafung der Mörder nicht zu sprechen. Dem alten Herrn, der den Fall nun bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg getragen hat, steigt die Wut über die „Feigheit“ der Sozialisten ins Gesicht, wenn er über sie spricht.

Als die PSOE vor gut zwei Jahren erneut an die Regierung kam, schrieb er Zapatero direkt an. Eine Antwort des Regierungschefs, Enkel eines im Krieg hingerichteten republikanischen Hauptmanns, erhielt er nie. Dessen Stellvertreterin Teresa Fernández de la Vega kündigte aber noch vor zwei Jahren großspurig die „dringliche Ausarbeitung“ eines Gesetzes an, das die Annullierung der Urteile erlaube. Doch das ist, wie der Entwurf zeigt, Schnee von Gestern.

Der hat so aber kaum Aussicht das Parlament erfolgreich zu passieren, weil die PSOE keine eigene Mehrheit hat. Alle Parteien sind gegen den Entwurf, zumeist teilen Sie die Kritik der Opfer. Aus ganz anderen Gründen ist die starke rechtsradikale Volkspartei (PP) dagegen, die vielen zentralspanischen Regionen die Mehrheit vertritt. Sie lässt sich auch durch die Zugeständnisse nicht gewinnen. In der PP haben sich die Erben der Diktatur gesammelt und wurde von einem Franco-Minister Fraga Iribarne gegründet. Sie distanziert sich nicht von der Diktatur. Zuletzt versäumte sie die Gelegenheit bei der Debatte im Europaparlament zum Jahrestag des Putschs. Zu den Äußerungen des polnischen Abgeordneten Maciej Marian Giertych schwieg die PP. Der Politiker der Liga polnischer Familien verherrlichte die Faschisten: „Dank der spanischen Kirche, dem Militär, und Francisco Franco konnte der kommunistische Angriff auf das katholische Spanien zurückgeschlagen werden“.

© Ralf Streck, den 21.10.2006

Wer über das Thema mehr erfahren und diskutieren will:

Der spanische Staat und das Baskenland heute

VAs in:
Hamburg Mittwoch, 25. Okt. 2006 – 19.30 Uhr, Brigittenstr. 5 (St.Pauli)
26. Oktober 2006, um 20.00 Uhr im Internationalen Cafe, Bahnhofstr. 10, in Barnstorf
Bochum: 27.10.19:30 h Raum 6 Wallbaumweg 108, Bahnhof Langendreer

Scharfe Repression contra emanzipatorische Bewegungen, die Linke und den
Antifaschismus! 40 Jahre währte die faschistische Diktatur in Spanien. Mit
Hilfe des deutschen Nationalsozialismus und des italienischen Faschismus
etabliert und nach dem 2. Weltkrieg als antikommunistischer Bündnispartner
durch die westlichen „Demokratien“ und die NATO wohl gelitten - 40
prägende Jahre.
Vor über 30 Jahren starb der Diktator Franco. Seitdem zählt Spanien zu den
europäischen „Demokratien“. Inklusive politischer Gefangener!
Mehr als 700 politische Gefangene aus dem Baskenland sitzen im Moment
verstreut über ganz Spanien in über 80 Gefängnissen ein. Die Trennung der
Gefangenen voneinander, seit 1978 eine systematische Praxis, soll der
Isolierung und Schwächung von Knastkollektiven dienen.
In den letzten sechs Jahren wurde versucht die gesamte baskische
Unabhängigkeitsbewegung in die Illegalität zu drängen und die Menschen
wurden ihrer demokratischen Rechte beraubt. Verbote von Parteien,
Zeitungen und Organisationen, Razzien und Folter an Verhafteten stehen
genauso weiter auf der Tagesordnung, wie Verhaftungswellen,
Demonstrationsverbote und brutale Angriffe auf protestierende Menschen.
Auch sieht die Situation in den anderen Teilen Spaniens sieht nicht besser
aus; die Repression trifft jede linke emanzipatorische Bewegung,
Antifaschisten, Anarchisten oder die Häuserkampfbewegung.
Dies alles ist ein Erbe der Diktatur des "Generalísimo" Franco. Und heute
noch liegen Zehntausende Opfer in Massengräbern verscharrt. Den Opfern und
ihren Angehörigen wird weiter die moralische Rehabilitation verwehrt,
während die Täter und ihre Nachfahren unangetastet blieben und bis heute
in höchsten Ämtern sitzen.
Neben der Beleuchtung der aktuellen Repression, wird es auf der
Veranstaltung natürlich auch um die Ursachen und Hintergründe gehen:
Welche emanzipatorischen und linken Bestrebungen gibt es überhaupt in
Spanien?
Welche Kämpfe um gesellschaftliche Partizipation, Macht- und
Reichtumsverteilung gibt es? Welche Rolle spielt noch der Antifaschismus?
Fragen, die der gut informierte freie Journalist Ralf Streck zu
beantworten sucht.
Infoveranstaltung im Rote Hilfe Café in der B5
Mittwoch, 25. Okt. 2006 – 19.30 Uhr
Brigittenstr. 5 (Hamburg / St.Pauli)
VoKü ab 19.00 Uhr

Spanien heute - emanzipatorische Bewegungen, Linke, Antifaschismus

Veranstaltungsreihe 70 Jahre Spanischer Bürgerkrieg
(  http://www.bahnhof-langendreer.de/+++2006%20Spanien.htm)

40 Jahre währte die faschistische Diktatur in Spanien. Mit Hilfe des
deutschen Nationalsozialismus und des italienischen Faschismus etabliert
und nach dem 2. Weltkrieg als antikommunistischer Bündnispartner durch die
westlichen „Demokratien“ und die NATO wohl gelitten. 40 prägende Jahre.
Vor 30 Jahren verstarb der Diktator Franco. Seitdem zählt Spanien zu den
„Demokratien“.
Wie sieht dieses Land von innen aus. Welche emanzipatorischen und linken
Bestrebungen gibt es dort? Welche Kämpfe um gesellschaftliche
Partizipation, Macht- und Reichtumsverteilung gibt es? Welche Rolle spielt
noch der Antifaschismus?
Ralf Streck arbeitet als freier Journalist in Donostia – San Sebastian

AZZONCAO Fr. 27.10.19:30 h Raum 6 Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Auch in Barnstorf
Ralf 23.10.2006 - 08:59
Auch in Barnstorf findet am Donnerstag, dem 26. Oktober 2006, um 20.00 Uhr im
Internationalen Cafe in der Bahnhofstr. 10, in Barnstorf die VA statt. Der Eintritt ist frei. Veranstalter, das Antiquariat Leseratte, Barnstorf, und die Gruppe Bewegung 18. Oktober.
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Ergänzungen

auch an die spanischen Opfer des ....

T. Hannich 24.10.2006 - 22:57

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