Oaxaca: Mord an Barrikade / Hungerstreik

homebase 15.10.2006 16:35 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Angriff auf Barrikade in Oaxaca-Stadt: ein Toter
Täter mutmaßlich Militärangehörige
Hungerstreik der APPO in Mexiko-Stadt begonnen
Großdemonstrationen und Streik angekündigt
Bericht der Senatskommission zur "Unregierbarkeit" wird erwartet

Oaxaca: Barrikadenverteidiger von Soldaten erschossen - Hungerstreik der APPO/SNTE

Der in der Nacht zum Samstag bei einem Angriff auf eine Barrikade in Oaxaca schwer verletzte Alejandro García Hernández starb am Samsatgnachmittag im Hospital von Oaxaca. Die Leiche von García wurde danach einer sorgfältigen Autopsie unterzogen und auf dem Zocalo von Oaxaca aufgebahrt.

Am Samstagmorgen um 2.45h hatte sich nach Zeugenberichten ein Fahrzeug mit mehrerern Männern der Barrikade im Süden der Stadt Oaxaca angenähert und das Feuer auf die Verteidiger eröffnet. Die Männer sollen "arriba Ulises!" (Hoch Ulises!, der Vorname des PRI-Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz) gerufen haben. Alejandro García wurde - dem Autopsiebericht zufolge - von zwei Kugeln (kal. 22) in den Kopf gertoffen, einmal in die Stirn und einmal in den Nacken. Ein junger Mann, der ihn zu bergen versuchte, erlitt eine Schussverletzung an der Schulter, befindet sich aber nicht mehr in Behandlung.

Kurz vor dem Feuerüberfall hatten die Menschen an der Barrikade einen betrunkenen Autofahrer gestoppt, wobei ein Junge verletz worden war. Alejandro García, der wie jede Nacht den Leuten an der Barrikade zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn Kaffee brachte, war gerade damit beschäftigt, eine Gasse für den Krankenwagen freizuräumen, indem er einige Altreifen zur Seite räumte. In diesem Augenblick hätten die mutmaßlichen Soldaten mit dem Ruf "arriba Ulises!" das Feuer eröffnet. Fünf Einschusslöcher wurden auf der gegenüberliegenden Straßenseite in 15m Entfernung gefunden, außerdem mehrere Projektile Kal. 22. García versuchte nach Angaben seines Sohnes zurückzugehen, wurde aber in die Stirn getroffen. Als er zu seinem Vater geeilt sei, hätten de Männer auf ihn weitergefeuert, ein Mann, der ihn zu beschützen versucht habe, sei deswegen in die Schulter getroffen worden.

Nach der Flucht der Angreifer wurden der angefahrene Junge, García und der zweite Verletzte von dem Krankenwagen, für den garcia den Weg freiräumen wolte, ins Hospital gebracht. Dort wurde García - nach offiziellen Angaben mangels Fachärzten - erst nach neun Stunden behandelt. Die Ärzte erklärten sein Gehirn gegen elf Uhr für irreparabel geschädigt, um 14.29h wurde García für tot erklärt. (Video zum Attentat (spanisch))

Die APPO forderte die Aufklärung der Rolle der Militärs.

Einer der Angreifer verlor beim Aufspringen auf das Fahrzeug den Zeugen zufolge eine Brieftasche. Darin befanden sich Fotos von Soldaten und Dokumente, unter anderem ein Wählerausweis und eine Kreditbescheinigung vom Banco del Ejercito, der Militärbank, die auf einen 22jährigen Soldaten lauten, der von den Zeugen auch als einer der Angreifer identifiziert wurde. Auf einem der Fotos ist überdies ein etwa 50jähriger Mann in der Uniform eines Leutnants zu sehen, der nach Zeugenaussagen das Fahrzeug der Angreifer gesteuert haben soll. Mindestens zwei weitere Männer hätten sich im Fahrzeug befunden, einer von ihnen habe ebenfalls geschossen. Die Generalstaatsanwaltschaft von Oaxaca erklärte mittlerweile, sie habe den Soldaten vorführen lassen, ohne jedoch nähere Angaben zu machen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass Dokumene mit seinem Namen am Tatort gefunden worden seien.

Am Abend und in der Nacht gab es Demonstrationen und eine Feier zu Ehren des Ermordeten, die Leute riefen Parolen wie "Garcia ist nicht gestorben, Ulises Ruiz hat ihn ermordet!"

Zugleich äußerten Mitglieder der APPO Zweifel daran, dass der Senat mit der Erklärung der "desaparicion de poderes" gegen den Willen des PRI den Rücktritt von Ulises Ruiz erzwingen werde.

Auch aus anderen Teilen von Oaxaca wurden weitere Repressionen gemeldet. So wurden Frauen aus den indigenen Gemeinden von Mazatlán von militanten PRI-Leuten durch einen "menschlichen Wall" daran gehindert, aus ihrem Ort zu einer Protestkundgebung gegen die gewaltsame Schließung des indigenen Radiosenders "Radio Nandia" nach Oaxaca-Stadt zu fahren.

Hungerstreik der APPO in Mexiko D.F.

Vor dem föderalen Innenministerium in der mexikanischen Hauptstadt haben am Samstag 40 Mitglieder der APPO und LehrerInnen aus Oaxaca einen Hungerstreik begonnen. Sie erklärten die Demission des Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz, für "unabdingbar und nicht verhandelbar". Auperdem kündigten sie an, dass 3.000 wietere AktivistInnen aus Oaxcaca in die Landeshauptstadt kommen würden. Sie forderten den kompletten Rücktritt der - sowieso "nur umherwandernden" - Staatsregierung von Oaxaca und lehnten das Ultimatum des Innenministeriums an die LehrerInnen ab, ab dem kommenden Montag wieder zu unterrichten. Sie verwahrten sich gegen die Drohungen des Staatssekretärs mit Gewalteinsatz, vor denen sich sowieso niemand fürchte.

Für eine Erklärung zur Wiederaufnahme des Unterrichts solle die Einschätzung der Senatskommission, die die "unregierbarkeit" Oaxacas in der vergangenen Tagen vor Ort untersuchen sollte, abgewartet werden. Mit der Bekanntgabe diese Ergebnisse wird für das Innenministerium am Montag, für den Senat zwischen Dienstag und Donnerstag gerechnet. Der ungerstreik sei nun ein weiteres friedliches Mittel, um die Regierung Ruiz zu entfernen.

Die APPO kündigte an, gemäß den Beschlüssen ihres Camps vor dem Senat einen "zivilen Generalstreik" und eine "Megademonstration" für den kommenden Samstag, den 21.10. nach D.F. einzuberufen, der "historisch werden könne". Im ganzen Land solle es solche Solidaritätsaktionen für die Bevölkerung von Oaxaca geben.

Die Staatsregierung von Oaxaca und der Gouverneur Ruiz, aber auch der mexikanische Präsident Vicente Fox wurden abermals für die Repression und den Mord vom Samstagmorgen verantwortlich gemacht, da sie sich den Forderungen der Bevölkerung verweigerten. Vom Senat forderten sie "sofortige Handlungen", um das "unnötige Vergießen unschuldigen Blutes durch Todesschwadronen unter dem Befehl von Ulises Ruiz" zu beenden.

Erklärung der Unregierbarkeit von Oaxca scheint möglich

Das Mitglied der Senatskommission für Inneres, Humberto Aguilar Coronado (PAN), erklärte, er könne sich die Erklärung der Unregierbarkeit ("desaparicion de poderes") durch den Senat vorstellen: "das würde alles Seiten dazu verpflichten, offen für eine gemeinsame Lösung zu sein". Man müsse aber zunächst den Bericht der Senatskommission abwarten.

(zusammengestellt aus der mexikanischen Tageszeitung La Jornada und anderen Medien)
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