Ein Jahr Hartz IV

Unsere Traeume sind zu gross fuer Wahlurnen... 31.12.2005 16:06 Themen: Soziale Kämpfe
Zum Jahresende wird im Medienwald Bilanz gezogen, leider mit wenig Überraschungen. Die Armut hat zugenommen mit dem Verelendungsprogramm Hartz IV. ALG II-EmpfängerInnen wurden und werden auf den Ämtern schikaniert, erhielten die ihnen zustehenden Zahlungen nicht und legten massenweise Widerspruch ein. Die Beratungsstellen erlebten einen massiven Ansturm, und arbeiteten selbst oft ehrenamtlich weit über die Erschöpfungsgrenze hinaus. Ob 2006 wieder mehr Protest auf der Straße zu erwarten ist?

update 3.1.06: Agenturschluß: Hartz IV- Bilanz

www.labournet.de | Tacheles | Gerichtsentscheide zu SGB II und XII | net news global | Infos zu ALG II
Die Hartz IV-Gesetzgebung verstärkt die patriarchale Rollenverteilung, Frauen werden in eine höhere Abhängigkeit von Partnern getrieben oder schaffen es als Alleinerziehende kaum, lebensnotwendige Dinge für den Nachwunchs aufzubringen. Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf. Die Ämter durchleuchten die Betroffenen, schnüffeln in den Privatwohnungen bei Verdacht auf Bedarfsgemeinschaften rum und beteiligen sich sogar an der Terrorfahndung: ein Erwerbsloser wurde plötzlich zum Terrorverdächtigen und erhielt vom Jobcenter Berlin-Neukölln kein ALG II mehr ausgezahlt - der Verdacht entpuppte sich als unbegründet.

Die schlimmsten Befürchtungen vor der Einführung von Hartz IV wurden bestätigt. Im Sommer 2004 protestierten Hunderttausende bundesweit in ganz vielen Städten gegen die herannahende Katastrophe. Sie behielten Recht: Arbeitsplätze wurden nicht geschaffen (wie auch, mit Ein-Euro-Jobs?), und diejenigen die noch einen Arbeitsplatz haben spüren den noch stärkeren Druck. Weiterhin werden bei Großbetrieben wie Samsung, AEG, Telekom, usw. massiv Stellen abgebaut. Peter Hartz ist weg, Schröder auch, Hartz IV war bisher trotz massiven Protesten nicht wegzukriegen. Das ALG II wurde im Osten auf Westniveau angehoben, ein schwacher Trost. Die Angst regiert weiter. Merkel träumt vom Aufschwung, aber wenn die Kaufkraft bei weiten Teilen der Bevölkerung fehlt, bleibt die Binnennachfrage im Keller, Exportweltmeister hin oder her.

Das Beschäftigungswunder blieb aus, arbeitsmarktpolitisch scheinen die "Reformen" wirkungslos. Hartz IV ist deshalb nicht gescheitert, es ging ja nicht um Arbeitsplätze, es ging dabei eine Stimmung zu schaffen, angereichert mit Medienberichten über angebliche "Parasiten", in der es möglich ist, einen Teil der Bevölkerung von der gesellschaftlichen Teilhabe weitgehend auszuschließen. Das neoliberale Gerede vom Sparzwang wirkt, auch in anderen Ländern. Manchen Menschen bleibt nur noch der Griff in die Mülltonne, ob da vielleicht eine Pflandflasche für acht Cent oder sogar 25 Cent zu ergattern ist und die unsichere Hoffnung, keinen Zwangsumzug aufgebrummt zu kriegen 2006.

Pünktlich zum Jahrestag der Aktion Agenturschluss am 3. Januar ist soeben das Schwarzbuch Hartz IV (Verlag Assoziation A) erschienen. Das Buch enthält die Auswertung einer Befragung von Erwerbslosen zu ihrer Situation, liefert konkrete Tipps und beleuchtet auch die Folgen von Hartz IV für MigrantInnen und Flüchtlinge. Besondere Bedeutung wird den Prozessen der Selbstorganisierung beigemessen, eine Chronik zeichnet den Widerstand gegen den sozialen Angriff von oben nach. Das Buch zeigt eindrücklich, dass es nach wie vor allen Grund gibt sich gegen die Ämterschikanen gegen ALG II-EmpfängerInnen und Lohndrückerei gegen die Noch-Beschäftigten zu wehren.

Im Dezember 2005 verfasste die BAG-SHI (Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen) deshalb gemeinsam mit anderen einen Aufruf an die Erwerbslosen und prekär Beschäftigten zur Selbstorganisierung. Vereinzelt Widerspruch einlegen reicht nicht, Menschen müssen sich zusammentun und gemeinsam Aktionen organisieren. Und spätestens am 11. und 14. Februar 2006 werden sich Protestierende europaweit gegen die Bolkestein-Richtlinie versammeln.

Die Überflüssigen jetzt auch im Süden

weitere Artikel:
Ein Jahr Proteste gegen Hartz IV (2.8.2005)
Scherbengericht für Hartz IV (jw)
Ein Jahr Hartz IV: Noch schlimmer als erwartet (taz)
Linksnet zum Thema Sozialabbau

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Ergänzungen

Hartz 4.. Ins leere Laufen 2006

Gerald 02.01.2006 - 13:16
Völlig in ihrer Bedeutung abzutauchen scheinen die Hartz-Gesetze. Große Teile dieser vermeintlichen Reformen laufen ins Leere oder wirken sogar kontraproduktiv. Dies stehe in einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Bewertung von Hartz I bis III, wie das Handelsblatt in seiner heutigen Ausgabe berichtet. Demnach kommen die Personal-Service-Agenturen (PSA) besonders schlecht weg. Jeder Erwerbslose, der an eine PSA überwiesen wird, koste pro Monat 5700 Euro mehr. Für die meisten anderen Bausteine von Hartz I bis III konnten die Forscher keine Verbesserung in der Arbeitsvermittlung nachweisen. Daß sie die Arbeitslosigkeit der Betroffenen verkürzt hätten, sei erst recht nicht erkennbar. Hartz IV war nicht Bestandteil der Untersuchungen. In Frage steht jedoch, ob Hartz IV nicht ebenso schlecht abschneiden würden- doch dies sein erst eine Frage in den nächsten Jahren- doch mancher scheint es jetzt schon zu erahnen... (gefunden bei  http://www.gegen-hartz.de/

Schwarzbuch Hartz IV

Agenturschluss 02.01.2006 - 14:56
Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und Widerstand –
Eine Zwischenbilanz
Die Agenda 2010 und die verschiedenen Hartz-Gesetze stellen eine neue Dimension des sozialen Angriffs in der BRD dar, die zukünftig zu verschärften, bislang nicht gekannten sozialen Konfrontationen führen wird. Die Herausgeberinnen nehmen den Zeitpunkt "Ein Jahr Hartz IV" zum Anlass für eine umfassendere theoretisch - praktische Einordnung und Bewertung des fortschreitenden sozialpolitischen Angriffs.

Ein wichtiger Aspekt des Buches ist die Auswertung einer bis Ende 2005 durchgeführten bundesweiten Befragung von Arbeitslosen zu ihrer Situation in den Arbeitsagenturen und bei den externen Trägern von Zwangsmaßnahmen. Dazu enthält der Band eine Reihe konkreter Tipps und Tricks für Arbeitslose, die von den beteiligten Beratungsinitiativen zusammengestellt wurden – unter anderem bei verschärfter Verfolgungsbetreuung durch den sozialschnüffelnden Prüfdienst. In einem Beitrag zur Praxis des Profiling und zur Etablierung der so genannten Ein-Euro-Jobs wird der mehr als nur disziplinierende und entrechtende Charakter dieser Zwangsinstrumente untersucht. Den historischen Wurzeln und der Entwicklung dieser Konzepte widmet sich das Buch in einem Artikel über die Geschichte von Zwangsdiensten. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Buch den Prozessen der Selbstorganisierung innerhalb der Sozialproteste zu, die sich unabhängig von gewerkschaftlichen Positionierungen entwickeln, ohne den Blick auf basisgewerkschaftliche Initiativen zu vernachlässigen.

Es enthält eine Chronik, die den Widerspruch und Widerstand gegen den Sozialen Angriff seit Verabschiedung des Hartz'schen Gesetzespakets im Herbst 2002 dokumentiert. Darüber hinaus werden die spezifischen Konsequenzen der Eingriffe für Flüchtlinge und MigrantInnen analysiert. Vergleichend richten zwei der Autoren ihren Blick auf die Entwicklung des Sozialraubs und die damit verbundenen Konflikte in England und Frankreich. Hier schließt eine generelle politökonomische Analyse des Neoreformismus an. Denn Hartz IV ist nicht für sich allein zu begreifen. Die darin angesetzten Strategien sind nicht einmal spezifisch für den „Sozialsektor“. Sie betten sich ein in eine umfassende Offensive, die arbeitstechnische, sozialtechnische, informations- und telekommunikationstechnische Seiten, Kontrolltechniken des öffentlichen Raums, Zugangsgrenzen etc. miteinander vereint. Im Artikel Abrichtung und Revolte wird dieser Zusammenhang, auch anhand seiner historischen Vorläufer, beleuchtet. Zum Abschluss wagt der Sammelband eine Diskussion über neue Formen und Visionen des Sozialen jenseits von Arbeit und Staat.

Alle Autorinnen und Autoren sind aktiv am Widerstand gegen das beschleunigte Verarmungs- und Verunsicherungsprogramm beteiligt.

Überflüssige in Nürnberg

Ergänzende 02.01.2006 - 20:14

Agenturschluß 2006 in Ffm-Höchst

noName 03.01.2006 - 15:41

Ein versuch ist es wert!

Manfred 04.01.2006 - 20:47
Wir suchen Mitstreiter
www.deutschearbeitslosenpartei.de

video - Des Wahnsinns letzter Schrei

v 07.01.2006 - 11:02
BRD 2005. deutsche unternehmen schreiben rekordgewinne. es wird so viel geld verdient wie noch nie. gleichzeitig gibt es immer mehr arbeitslose, die immer staerker unter druck gesetzt werden. sie werden per gesetz gezwungen unterhalb der armutsgrenze zu leben und fuer 1,50 euro arbeitsgelegenheiten wahrzunehmen. 'Des Wahnsinns letzter Schrei' versucht zu erklaeren, wie diese phaenomene nebeneinander bestehen koennen. - ein film ueber die arbeitsmarktreform und ueber die ideologische neuausrichtung im land, in zeiten, da die verteilung des produzierten reichtums neu verhandelt wird.

video:  http://kanalb.de/edition.php?clipId=75

Große Unzufriedenheit der ARGE Kunden

Alexandra Maier 21.04.2006 - 11:35
Proteste gegen Hartz IV stehen nicht immer auf der Tagesordnung. Sie sollten aber vielleicht öfter dorthingestellt werden. Denn es sind viel mehr Menschen (Betroffene und Nicht-Betroffene) mit den sog. Hartz IV Reformen unzufrieden als landläufig angenommen wird. Um das Herauszufinden, sind wissenschaftlichen Bewertungen von Hartz I bis IV nicht nötig. Wie wir hier auf dieser Seite lesen können, kommen die Personal-Service-Agenturen (PSA) besonders schlecht bei diesen Bewertungen weg. Aber auch die Arbeitsagenturen, ARGEn oder Sozialämter erreichen in der Bewertung ihre "Kunden" im Schnitt nur die Schulnote 4. Nachzulesen auf  http://www.sozialhilfe24.de

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Frühkapitalistische Verhältnisse — Roland Ionas Bialke

Was ist zu erwarten? — Erwachsener

Roland Ionas Bialke — Meine Person

hallo roland — unbekannt