"Präsidententourismus" nach Spanien

Ralf Streck 15.10.2005 19:54 Themen: Antirassismus Globalisierung Weltweit
Zwei Tage diskutieren Staatschefs aus Lateinamerika und der iberischen Halbinsel in der spanischen Stadt Salamanca auf dem 15. Iberoamerikanischen Gipfel. "Die Frage der Einwanderung wird wohl das bedeutendste Thema sein", kündigte der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos an. Das Thema bestimmt wegen der blutigen Vorkommnisse in den Exklaven Melilla und Ceuta die Diskussion in Spanien. Es solle aber die sozialen Fragen nicht überdecken, fügte Moratinos an. Die Regierbarkeit, die Armut, die Bildung, der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft und ein nachhaltiges Wachstum sind die Standardthemen des Gipfels.
Erstmals wurde er 1991 zelebriert. An ihm nehmen neben Spanien, Portugal und Andorra nur lateinamerikanische Staaten teil. Die USA hat 1994 mit dem Amerika-Gipfel eine Gegenveranstaltung aus der Taufe gehoben. Damit soll der Einfluss der Ex-Kolonialmächte Spanien und Portugal eingeschränkt werden.

Neben dem neuen Schwerpunkt glänzt der Gipfel durch die Abwesenheit von Regierungschefs, Ausdruck einer prekären Lage in einigen Ländern. Die Präsidenten von Guatemala, Óscar Berger, und von El Salvador, Elías Antonio Saca, haben wegen der Verwüstungen abgesagt, die der Hurrikan Stan produziert hat. Der Präsident von Ecuador, Alfredo Palacios, wird wegen "interner politischer Fragen"; nicht teilnehmen. Das heißt, dass auch der Stuhl des siebten Präsidenten des Landes in nur acht Jahren wackelt. Die Lage in Bolivien ist ebenfalls instabil, weshalb auch Eduardo Rodríguez nicht nach Spanien kommen wird. In nur zwei Jahren hatten die sozialen Bewegungen zwei Regierungen gestürzt, zuletzt im vergangenen Juni.

Für eine instabile Andenregion steht auch die Regierung Perus unter Alejandro Toledo, der die Unterstützung der sozialen Bewegungen verloren hat. Wie der Kolumbianer Alvaro Uribe wird Toledo nur kurz an dem Kongress teilnehmen. "Diese Gipfel verwandeln sich in etwas abscheuliches, einer nach dem anderen und sie dienen als Rechtfertigung für einen Präsidententourismus", kritisierte der Kolumbianer Uribe das Treffen in Salamanca heftig. Er werde versuchen, am Samstag anwesend zu sein. Darin drückt sich nicht nur die Konfrontation zum Präsidenten Venezuelas Hugo Chavez aus, sondern auch die Tatsache, dass dieser Gipfel kaum praktische Bedeutung haben wird. Spanien konnte vor allem damit glänzen, dass am Nationalfeiertag, unter der Diktatur der "Tag der Rasse" am Mittwoch fast alle Länder mit Abordnungen beteiligt waren.

Dabei stach das Fehlen Kubas hervor. Dass der Staatschef Fidel Castro die Entdeckung und blutige Unterdrückung Amerikas durch Spanien feiert, war kaum zu erwarten. Castro sorgt aber für Aufsehen, weil er erstmals nach fünf Jahren wieder an dem Gipfel teilnimmt. Das ist der Tatsache der Entspannung der Beziehungen zu Europa zu verdanken. Dazu hatte die sozialistische Regierung in Spanien beigetragen, die sich für eine Lockerung der Sanktionen stark gemacht hatte.

Castro und Chavez polarisieren. Sie sorgen für Proteste und Solidaritätsbezeugungen. Das Forum Solidarität Kuba-Venezuela hat zu einer Unterstützungsdemonstration und einer offiziellen Veranstaltung aufgerufen, an der auch offiziell die Delegationen beider Länder teilnehmen werden. Die Gegner Castros kritisieren, dass die bisherigen Gipfel nicht dazu beigetragen hätten, den Übergang in Kuba einzuleiten und statt dessen Castro eine Bühne für seine Propaganda gegeben werde: „Es ist unglaublich, dass ein Diktator 46 Jahre an der Macht sei und noch immer ein folkloristisches Gipfelelement darstelle“, sagte Antonio Guedes von der Liberalen Kubanischen Vereinigung.

Schon im Vorfeld stand die Abschlusserklärung weitgehend fest. So wird erneut festgestellt, dass der gesellschaftliche Ausschluss als Folge der Armut eine Bedrohung darstellt. Doch wie die Armut zu bekämpfen ist, wird erneut im Nebel bleiben. Tatsache ist, dass etwa die Hälfte der knapp 600 Millionen Menschen in Lateinamerika täglich nur etwa 1,6 Euro zur Verfügung haben.

Ansonsten wird wieder zur Beachtung der UNO-Charta aufgerufen. Die Demokratie soll "vertieft" und für die Einhaltung der Menschenrechte geworben werden. Auf den 26 Seiten werden multilaterale Beziehungen zwischen den Ländern und die Rolle der UNO und der Schutz der indigenen Völker beschworen. Festgelegt ist auch, dass "Einwandererströme gelenkt" werden sollen. Spanien wird, wie am Beispiel Marokko, auf weitere Abschottung drängen. Mit Versprechungen von Geldern aus der EU wird versucht werden, einige Länder in diese Politik einzubinden. Erstaunlich ist, dass die übliche Verurteilung der US-Sanktionspolitik gegen Kuba nicht mehr im Haupttext auftaucht. Die Verurteilung des Helms-Burton Gesetzes, damit Washington die Maßnahmen gegen die Firmen aufhebt, die auf Kuba investieren, findet sich nur noch im Anhang.

Ein wichtiges Ergebnis wird nicht das unverbindliche Schlussdokuments sein. Vielmehr hängt vieles davon ab, ob die Linksregierungen in Lateinamerika untereinander Vereinbarungen treffen, um der von den USA vorangetriebenen Freihandelszone ALCA etwas entgegen setzen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 14.10.2005
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