Berliner Montagsdemonstration besucht BDI

FotoFixx 14.09.2004 02:14 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Etwa 10.000 Menschen nahmen an der heutigen Montagsdemonstration in Berlin teil. Dieses mal gings zum Industrieverband BDI, welcher zusäzlich zur Abschaffung der sozialen Grundsicherung mehr Arbeit für weniger Menschen fordert. Auf 4 Lautsprecherwagen gab es viele Redebeiträge und Musik. Interessantweise dominierten antikapitalistische Töne. Auch der Zusammenhang zu Militarisierung und Sozialabbau in anderen europäischen Staaten wurde mehrmals thematisiert. In einem Redebeitrag wurde festgestellt, daß die Kampagne von Politik und Medien, die Demonstrationen kleinzureden scheinbar nicht den gewünschten Effekt zeigt.
Während der Abschlußundgebung kam es wieder wie letzte Woche zu Polizeibergriffen gegen die Demonstranten. Dabei schlugen Mitglieder der 22. und 25. Einsatzhundertschaft mehrmals Leuten mit der Faust ins Gesicht.
In der Presse wird behauptet, daß nur 1.000 bis 3.500 teilgenommen haben - aber diese Desinformations-Strategie wird ja schon seit einigen Wochen gefahren.
Hier jetzt einige Fotos von der heutigen Demonstration.
Zu den Polizeiübergriffen auf der Kundgebung: Relativ zu Beginn der Kundgebung rannten 2 oder 3 Hundertschaften (darunter die 25.) zwischen Absperrgitter und erste Reihe und drängelten und schubsten immer wieder Leute weg. Etwa nach einer halben Stunde (als noch einige tausend Menschen anwesend waren), bekam eine Hundertschaft auf einmal eine Anweisung und marschierte auf einige Demonstrationsteilnehmer mit Transparenten zu und begann sofort diesen ins Gesicht zu schlagen und das Transparent zu entreißen. Dabei bekamen auch Umstehende von der Polizei Schläge und Tritte ab, Fotografierenden wurde teilweise versucht die Kamera zu entwenden. Mir wurde später erzählt, daß auch Leuten Pfefferspray ins Gesicht gesprüht wurde. Die Aufforderung der Kundgebungs-Redner, daß die Polizei aufhöen solle, wurden natürlich ignoriert. Der Einsatzleiter gab sich unschuldig. Die Bürger riefen unter anderem: "Haut ab!" und "Ohne Nazis wärt' Ihr nur die Hälfte!"... irgendwann schafften einige Demoordner sich zwischen Polizei und Demonstration zu stellen, so kam es nur noch vereinzelt zu Rangeleien.
Weiterhin wurde heute enorm viel gefilmt. Es machte auf mich den Eindruck, als wenn jedes an der Demo teilnehmende Gesicht für irgendwelche Karteien gefilmt werden solle. Teilweise liefen Polizisten in Uniform und Zivil abziehenden Demonstranten bis zur Bahn oder dem Auto hinterher und filmten alles. Soweit ich weiß, darf nur in bestimmten Situationen gefilmt werden, nicht generell in jeder. Vielleicht kann jemand dazu was ergänzen?
Weitere Unannehmlicheit: Ein Redner der MLPD (P.Illius), der am Ende der Kundgebung sprach, begann auf einmal über die anderen Organisatoren als "Verräter" herzuziehen und für die Stalino-Demo am 3.10. zu werben. Von den 1000 noch verblieben Leuten verdrückte sich die Hälfte und es gab wieder eine dieser typischen MLPD-Abstimmungen, an denen 100 MLPD-Kader teilnehmen und sich danach in Presserklärungen als "Das Volk" bezeichnen.

Positiv: Trotz der Medienkampagne gegen die Montagsdemos waren es immer noch um die 10.000 Leute, die da teilgenommen haben. Inhaltlich ging es längst weit über die Proteste gegen die gegenwätige Sozialabbau-Politik hinaus. Die Reden waren teilweise echt gut gewesen. Habe am Rande mitbekommen, daß viele 1989er mitdemonstrierten. Obwohl die Polizei eskalieren sollte, blieb es bis auf das Gerangel bei der Kundgebung friedlich und die Presse bekam nicht die Bilder, die sie wollte.
Negativ: Für eine starke Bewegung ist noch zuwenig Dynamik zu spüren. Heute waren mehr organisierte Linke und weniger "echte" Bevölkerung anwesend (letztere war aber immer noch in der Mehrzahl). Die Hegemoniekämpfe der Partei-Kader, die Pressehetze und die Angst vor Polizeigewalt scheint einige abzuhalten zur Demo zu kommen.


Für diese Woche ist noch mehr geplant:

- Dienstag, 19 Uhr, Haus der Demokratie, Greifswalder Str. 4.öffentliche Vollversammlung für die Berliner Montagsdemo
- Donnerstag 13:00 Uhr, Leopoldplatz im Wedding, Antiquitätendemo zum Arbeitsamt Wedding
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Ergänzungen

Wenn Bullen filmen ...

informator 14.09.2004 - 03:15
"Soweit ich weiß, darf nur in bestimmten Situationen gefilmt werden, nicht generell in jeder."

laut gesetz: ja ;-) ... porträtaufnahmen sind untersagt (ausgenommen sind personen, die aus der demo heraus straftaten (sachbeschädigung, landfriedensbruch etc.) begangen haben) und gefilmt darf meines wissens eigentlich nur werden, wenn es zu auseinandersetzungen zwischen polizei und demonstrationsteilnehmerInnen kommt (zwecks beweissicherung/ermittlung). aber: wer überprüft schon die videobänder der bullen?

de facto ist es so, dass die bullen diese gesetzlichen bestimmungen in der praxis so auslegen, wie sie es eben brauchen. d.h. sie ignorieren sie einfach. wer schon mal in berlin oder hamburg auf einer großen demo war, weiss was ich meine ;-). kamerabullen in uniform und zivil überall!

Presse, Inhalte, Polizei die illegal filmt

Gedankenverbrecher 14.09.2004 - 03:35
Presse:
Zu den Montagsdemos bundesweit dieselben Schlagzeilen wie seit Wochen:
Das rechte Propagandablatt "Welt" schreibt: "Hartz-Gegner werden montagsmüde", dort wird von 4.000 gelogen. Auch in anderen Zeitungen lauten die Headlines "Weniger Hartz-IV-Demonstranten als zuletzt" oder "Teilnehmer werden weniger". Die Zahlenangaben sind durchweg falsch. Dazu pushen die Medien gerade ein anderes Thema: Köhlers Rede soll Ost und West spalten. Schon komisch, wie die Medien sich freiwillig selbst gleichschalten...

Reden:
Teilweise wurden auf der Demo in einigen Reden Dinge gesagt, die mir neu waren. Die Reaktion der Zuhörer (in der Leipziger Straße auch viele Anwohner) schwankte zwischen Verwunderung und Wut... Erwähnt wurde, daß: Sozialhilfeempfänger künftig 75 Euro zahlen müssen, wenn sie den Rechtsweg gehen wollen... Zusätzlich zu den 331 Euro Arbeitslosengeld werden Wohnungen nur mit 50 Euro bezuschusst werden... einige Lügen der Regierung und ihrer gleichgeschalteten Presse richtiggestellt.

Polizei:
Die Polizei hat von allen Demonstranten Portaitaufnahmen gemacht. Das ist eindeutig illegal (wie auch viele andere Aktionen). Es macht Sinn, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Einsatzleiter der 22. und 25.Ehu zu stellen. Dienstaufsichtsbeschwerden werden immer angenommen. Die Demoanmelder sollten sich überlegen, ob sie Anzeige stellen. Gibt ja genug Zeugen.

nix neues

alt 14.09.2004 - 07:03
filmen in bestimmten situationen???
weiß ja nicht wie es bei euren montags demos abgeht,
aber bei uns in hamburg wird dauerhaft aus wagen, aus hundertschaften gefilmt.
ob bei ruhigen demos, oder bei eskalation, man sieht sie von allen seiten...
beschwerden bringen nichts, denn sie haben euch alle auf film!!!

A.C.A.B.

@ alt

ich 14.09.2004 - 12:47
"beschwerden bringen nichts, denn sie haben euch alle auf film!!!"

was ist denn das fgür ein verrückte logik? die bullen brechen wohl auch nur deshalb reihenweise das gesetz, weil sich niemand wehrt. gerade deswegen bringen dienstaufsichtsbeschwerden wirklich was, wenns mehrere leute tun. (ich hoffe mal nicht, daß dein kommentar die polizei in schutz nehmen sollte)

DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE

jurist 14.09.2004 - 15:44
die dienstaufsichtsbeschwerden scheinen zwar fuer den antragsteller scheinbar ohne wirkung zu verpuffen, allerdings werden sie in einer von mobbing und korruption zerfressenen behoerde gerne verwendet um befoerderungsstops zu begruenden. insofern stinkt es dem betreffenden beamten ganz gewaltig, wenn man ihn mit dienstaufsichtsbeschwerden ueberhaeuft.

MIT ALLEN MITTELN!

bitte bis zum Schluß sachlich bleiben

dabeigewesener 14.09.2004 - 20:49
Es stimmt nicht, daß am Schluss mit 400 Leuten abegestimmt wurde, sondern es wurde klar gesagt daß hier niemand für die stimmen kann, die schon nach Hause gegangen sind. Es gab am offenen Mikrofon eine Diskussion über Termine und Inhalte der Demo Anfang Oktober, die gerade deshalb interessant war, weil Leute aus beiden Lagern diskutierten.

Was fehlt und was zu viel ist...

antitom 14.09.2004 - 21:27
Was an diesem Montag noch deutlicher wurde - es fehlt leider an erkennbaren gemeinsamen Inhalten und tieferen Auseinandersetzungen. Die Bandbreite spielte sich zwischen etwas verschoben daherkommenden FDJ-lern mit DDR-Fähnchen bis zu den eher national orienttieren MLPD-lern ab, dazwischen die PDS, ein paar wackere GewerkschafterInnen(deren Führung den Sozialabbau im großen und ganzen mitträgt und das ewige Lied der Arbeit singt)bis hin zu den Bürgers und sich linksradikal nennende - nicht so irre toll organisierte - Leute. Alles im allem ist selbstkritisch zu sagen: da muss in nächster Zeit mehr laufen und wir kommen nicht umhin uns endlich längerfristig auf Strategien zu einigen, was und wie wir etwas erreichen wollen. Die Heterogene Masse von Politsekten und den eher unpolitisch Frustrierten ist in meinen Augen eher eine Schwäche, als eine Stärke. Wenn die Mitorganisatoren auf dem Lautiwagen einzelnen Gruppen anhängen, sie würden provozieren(wie soll in der Masse eine Gruppe ausgemacht werden?) und unkritisch zu Beginn der Demo ein Redner sagt, dass wir die Polizei gegen die gewaltbereiten Autonomen bräuchten - dann erzählt dies Bände, wie tief das Herrschende in uns bzw. weiten Teilen der BEvölkerung verinnerlicht wurde. Daraus eine Basis für wirklich schwunghafte emanzipierende Bewegung zu schaffen ist schwer, wenn nicht gar unmöglich. Es wird Zeit, dass sich die kritische radikale Linke damit auseinandersetzt, wie dem Konzens im Kopf der Menschen mit dem Bestehenden etwas sinnvolles entgegengesetzt wird, wie die Widersprüche der nach Arbeit Schreienden oder DDR-wiederhabenwollenden begegnet werden kann - ohne die Leute vor den Kopf zu schlagen. Wir müssen klein beginnen, vor Ort, mit kleinen Initiativen -die auch ganz praktisch Möglichkeiten entwickeln, dem Sozialabbau und der Politverdrossenheit etwas entgegenzusetzen. D. h. wir brauchen mehr Dauerhaftes, als den derzeitigen Aktionnismus, der sich wahrscheinlich wieder irgendwann totlaufen wird - Verstätigung von Protestkultur und - Struktur. Die derzeitige Vernetzung der Nazis und deren Art zu arbeiten zeigt leider auch unsere Defensive Situation - die seit 1989 anhält. Wir brauchen neue Strukturen und Bündnisse, aber auch wieder mehr Inhalt und lohnende Diskussion um die Sache, nicht um unser Ego. In dieser Hinsicht haben nämlich gerade auch in Linken Kreisen die Herrschenden Denk- und Reaktionsmuster ihre tiefen Spuren hinterlassen. Alle gegen alle und möglichst für den eigenen Erhalt ohne Analysen und aus dem Gesamtkontext gerissen - so sieht die derzeitige Situation immer noch aus, wenn Frauen für den Erhalt der Frauenhäuser, WagenburglerInnen für Wagenburgen, Hausprojekte für den erhalt des eigenen Hauses auf die Strasse gehen, dann ist das Einpunktorientierte Interessenspolitik - meistens und leider.

Scheiß-Spaltung

Mr. Burns 15.09.2004 - 22:05
Sah irgendwie alles etwas peinlich aus:
Auf der Bühne steht irgendso´n Alt-Zoni der permanent Lobeshymnen auf die DDR ausruft, der linksradikale Block langweilt sich anscheinend und ist nur damit berschäftigt sich mit Bullen zu kabbeln. Die Parole "Weg mit Hartz IV - das Volk sind wir" scheinen einige unheimlich toll zu finden, andere sind voll dagegen und gröhlen "Nie nie nie wieder Deutschland" dagegen. Und dann gibt´s ´ne Mega-Diskussion, ob nun am 2. oder am 3. Oktober eine Großdemo stattfinden soll, und Leute beschimpfen auf der Bühne das Vorgehen der jeweils anderen als "Stellverteterpolitik".
Ey, das kann´s doch wohl nicht sein!

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