Montagsdemo in Berlin belagert SPD-Zentrale (Fotos/Video)

Mr.X 17.08.2004 00:57 Themen: Soziale Kämpfe
Nachdem am letzten Montag in Berlin rund 200 Menschen an einer Kundgebung gegen Hartz teilnahmen, fand heute die erste große Montagsdemonstration statt. Mit 10.000 Teilnehmern wurde gerechnet, gekommen sind wesentlich mehr. Ob es nun 20.000 oder 30.000 waren, ist schwer zu sagen. Der Demonstrationszug war auf jeden Fall mehrere Kilometer lang und die Zahl, die die Polizei an die Presse weitergibt (15.000) ist eher untertrieben. Ungewöhnlich war, daß fast nur "normale Bürger" teilnahmen. Die Stimmung war teilweise sehr wütend. Viele schienen von den Parteien und Gewerkschaften vollkommen desillusioniert. Besonders die Anfgriffe des DGB auf die Protestwelle gab vielen den Rest...
Die Polizei schien von der Größe der Demonstration überrascht. Eilig wurden mit Blaulicht mehrere Hundertschaften richtung Demoroute gefahren. Der Weg zur genehmigten Abschlusskundgebung vor der SPD-Zentrale wurde von mehreren Hundertschaften -illegalerweise- blockiert. Die Stimmung heizte sich auf...
Angefangen hat die Demo am Alex. Gegen 18.00 waren vielleicht 5.000 Leute dort. Während der Auftaktkundgebung hatten alle die wollten, Gelegenheit zu sprechen. Dabei wurden die verschiedenen Ansichten, aber auch die Gemeinsamkeiten der Leute deutlich. Auf den Slogan "Schröder muss weg", reagierten Teile der Kundgebung mit "alle weg, alle weg"...
Irgendwann gegen 18.30 setzte sich die Demonstration in Bewegung - aber nicht die vom breiten Anmelder-Bündnis geplante Route. Eine Politsekte hatte es mit ihrem Lautsprecherwagen geschafft, die ersten paar tausend Leute hinter sich zu sammeln und ging eine eigene Route. Da die eigentlichen Veranstalter die Demo nicht splitten wollte, schlossen sich alle an. Die Redebeiträge der nun führenden Gruppe waren peinlich und erinnerten an DDR-Staatsbürgerkundeunterricht. Nach weniger als einem Kilometer war die Politsekte aber ein Stück zurückgefallen und die verschiedensten Menschen, darunter auch die FAU liefen vorne. Auch Attac fiel mit einem Block auf. Insgesamt würde ich die Länge des Demonstrationszuges auf 3 bis 4 Kilometer schätzen, allerdings waren einige Straßen auch nicht besonders breit. Es können gut 20.000 bis 40.000 teilgenommen haben. Eine genaue Zahl zu nennen, wie es Polizei und Mainstream-Presse macht, halte ich für unseriös. Dazu hätte jemand die Demo ihrer Länge nach abfahren müssen, was meines Wissens niemand getan hat.
Die Polizei schien leicht in Panik ob der Menschenmassen zu sein. Die wenigen hundert Beamten waren im kilometerlangen Zug kaum wahrzunehmen. Am SPD-Gebäude machten sie dann die Straße dicht und liessen die Demonstration nicht an den Ort der geplanten Abschlusskundgebung. Dabei kam es zu Rangeleien und Wortgefechten. Sprechchöre waren: "Strasse frei!", "Die Mauer muss weg", "Haut ab" oder "Wir sind das Volk". Die Polizei hatte extrem viele Hunde im Einsatz, schien sehr nervös. Ich habe mindestens 5 filmende Polizisten gesehen. Auch mehrere Journalisten und Kommerz-Fotografen sind mir als sehr aggressiv aufgefallen. Rabiat wurden Demonstranten und Zuschauer weggestoßen, gemeinsam mit Polizisten Witze über den "dummen Pöbel" gemacht, der "eh nicht für Bevölkerung repräsentativ" ist. Wer die Nachrichten verfolgt, wird dann auch merken, wie verzerrt viele Berichte sind. Bestimmte Forderungen werden unterschlagen, Dinge wie die geringe Teilnehmerzahl in Hamburg besonders hervorgehoben (wobei hier aus mehr als tausend Teilnehmern in der Tageschau schon mal 120 gemacht werden).
Letztlich endete die Demonstration aber friedlich. Viele schienen durch die gefühlte Stärke (immerhin verschanzt sich die Regierungspartei vor ein paar tausend Demonstranten) und neue Erfahrungen (viele waren zum ersten mal auf einer Demonstration) motiviert, weiter zu machen und gingen mit einem positiven Gefühl, aber auch gestärkte Wut auf Regierung und Polizei nach Hause.
Interessant fand ich auch die Reaktion einiger Linksradikaler: Viele fühlten sich gar nicht wohl dabei, auf einer Demonstration zu sein, wo "Normalbürger" dominieren. Die Berichte lesen sich dann so: hier lesen. Andere haben aber die Chance genutzt und linke Inhalte auf die Demo getragen...

Ausserdem gibts noch ein Video von Briks:
3:30 minütiges Video zur Montagsdemonstration gegen Hartz 4 in Berlin.
Teilnehmer waren sehr gemischt. Unangenehm fielen mir besonders die teils sehr "volksbetonten" Sprechchöre auf.
[Video is mit DivX 4.12 encodiert. Abspielen am besten mit MPlayer oder Media Player (Classic) und den entsprechenden Codecs]
Video: hier herunterladen


- schon mal vormerken:
Donnerstag: öffentliche Ratsversammlung
Von 15.00-18.00 Uhr Ecke Koch-/Friedrich-/Charlottenstrasse: sich kennenlernen, öffentlich sichtbar werden, diskutieren, uns gegenseitig informieren und unterstützen, Widerstand formieren, Aktionen planen..
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Ergänzungen

der anmelder

name 17.08.2004 - 03:29
war echt super toll. Der Anmelder "Fred Schirrmacher" bediente sich der Polizei um eine Gruppe von linken, die mit einem Fronttranspi die Spitze der Demo, die nicht durch ein Transpi zu erkennen war entfernen zu lassen.
Wir haben die MLPD satt! Nächsten Montag: Treffen für einen linksradikalen Block 17:45 Uhr an der Weltzeituhr!

Ist im übrigen auch auf dem Video welches in diesem Posting genannt wird zu sehen.

Ein paar Anmerkungen zur MLPD

Pankow-Pirker 17.08.2004 - 12:51
Ziemliche Chuzpe seitens der MLPD attac und dem Berliner Bündnis Spaltung vorzuwerfen. Das Problem ist, dass zuerst eine gemeinsame Demo geplant war. Da das MLPD-"Bündnis" "Montags-gegen-2010" sowas wie ein Urheberrecht auf die Montagsdemso erhebt weil sie bereit letzten Herbts damit anfingen und aus der Bewegung nun "ihr Ding machen" will, meldete sie ihre eigene "Demo in der Demo" an, um die Leute mit ihren völkischen Parolen vollzulabern. Von Anfang an erwies sich die MPLPD als bündnisunfähig! Sie ist falsch, tückisch und hält sich nicht an gemeinsame Absprachen. Diese Leute sind üble hard-core-Stalinisten, die - statt den Chauvinismus in der Arbeiterklasse zu bekämpfen - an in Ostdeutschland vorhandene autoritäre und "nationalbolschewistische" Denkmuster anschließen. Die MLPD setzte sich gestern an der Polizeiabsperrung an die Spitze des Zuges. Dann hinderte die MLPD "erfolgreich" die Leute daran durchzubrechen, verdrängte zunächst die FAU, proklamierte pseudoradikale Phrasen "wir werden durchbrechen! Wir kommen wieder". Der Gipfel war, dass die MLPD die Abschlußkundgebung ihrer Demo vorzeitig begann, dies aber als Abschlußkundgebung der gesammten Demo deklarierte. Obwohl das Ende des Zuges, wie die MLPD selbst über Lautpsrecher durchsagte "noch am Ende des Alex steht". Komisch, wie kann man dann eine Abschlußkundgebeung beginnen? Diese Eingenmächtigkeit der Stalinisten darf nicht einfach hingenommen werden! Jetzt diffamieren sie attac als Spalter, das ist der Gipfel! Die MLPD sind die Spalter! Im Grunde sind sie Zuarbeiter des VS und Schröders 5. Kolonne. Das was die Antideutschen in der antifa machen, versucht die MLPD in der Bewegung gegen 2010: pseudoradikal desorientieren, spalten, zersetzen. Diese Bande muss schleunigst rasufliegen!

Wedding SPD berät Arbeitslose

Tony Cliff 17.08.2004 - 13:13
Die Weddinger SPD-Zentrale im Kurt-Schuhmacher-Haus gegenüber dem Arbeitsamt untervermietet Räume an eine Privatfirma die Arbeitlose am Ausfüllen des Hartz IV Antrags beraten soll. Sie werben im Arbeitsamt Wedding doch mal über die Straße rüberzukommen um sich im SPD-Haus beraten zu lassen. Dort angekomen wird man dann an eine Firma in Reicnickendorf verwiesen, die "Kurse für Arbeitslose" durchführt um über Hartz IV zu beraten. Diese vom Arbeitsmat finanzierten Kurse werden in Vortragsform mit mehreren Leuten durchgeführt. So läßt ishc Proft maximieren.

Wessen Demo?

saul 17.08.2004 - 15:05
Da scheinen sich einige nicht wohlzufühlen? Kenn wa, auf ner Demo unter Normalos? Nun der Witz is ja, die meisten Altlinken gehören ja selbst zu den Normalos und fühlen sich auf ner Demo von freakigen Gestalten mittlerweile wie ein Fremdkörper, wenn sie nicht gleich für Spitzel gehalten werden. Daher sollten 40jährige Exbewegte weniger Probleme auf einer Demo haben auf der das normale Volk dominiert, schon deswegen, weil du ohne die normalen Leute nix erreichen wirst. N paar wild aussehende Pseudoautonome beeindrucken niemanden, dafür ham se die Bullen, mit denen werden wir fertig. Lass sie rumtoben, danach ists vergessen. Die normalen Leut brauchen wir auf der Gass, diejenigen die nicht auf jede Demo gehen, diejenigen, für die es das erste Mal ist das sie Demonstrieren, denn auf die können die Bullen nicht so einfach knüppeln. Das kann unkalkulierbare Folgen haben. Gabs schon in der Anti AKW Bewegung, mit den Knüppeln erreichte der Staat, das es dann erst richtig losging.
PS: Das die Politsekten hier absahnen wollen ist nicht verwunderlich sollt aber nicht hingenommen werden, denn wenns scheitert, werden die Betroffenen dafür bezahlen und dann kannst nicht mehr in den Park weil du über Parkfeger stolperst, oder du brauchst in keine Kneipe mehr gehn weil alle 5 Minuten n Rosendealer ankommt.

profilierungssüchtig

tut nichts zur sache 17.08.2004 - 18:29
war zum ersten mal auf so einer demo und bin danach noch ins max und moritz geraten - also wenn der einfache bürger mal auf die idee kommen sollte, sich mit diesem zirkus hinter den kulissen zu befassen - oder einfach nur mal indymedia anklicken sollte - dann könnt ihr "eure" demo allein durchziehen. mir graut schon heute vor einer machtübernahme oder revolution durch euch : da werden dann erstmal alle andersdenkenden in den gulag geworfen, nehm ich an. anstatt froh zu sein, das endlich mal was in gang kommt was auch trägt, versucht ihr einen imaginären kuchen zu verteilen der euch nicht mal gehört. es ist absolut scheissegal wer hier was wann angemeldet hat und welcher meinung er ist. die demo gehört den normalos und nicht euch - sonst werdet ihr am ende erleben, wie die nazis die sache instrumentalisieren.

@ tut nichts zur sache

dabeigewesener 17.08.2004 - 18:56
Wen meinst Du mit "ihr"? Die Leute auf der Demo kamen aus den verschiedensten Ecken und Enden der Gesellschaft. Es gab kein "ihr".
Zur Sache mit dem "Max und Moritz": Der Lautsprecherwagen hat einer stalinistischen Sekte gehört, die es geschafft hatte, sich an die Spitze der Demo zu setzen und diese ein Stück weit zu lenken. Du bist scheinbar mitten auf ein Treffen einer Stalinisten-Sekte geraten. Kann mir vorstellen, wie übel das ist. Aber sorry, mach dafür bitte nicht die 20.000 Demonstranten und die zig vorbereitenden Gruppen verantwortlich!

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