Hamburg: 1.500 auf Montagsdemo

mensch 17.08.2004 00:08 Themen: Soziale Kämpfe
Am Montag den 16.8. haben zirca 1.500 Menschen in Hamburg unter dem Motto "Weg mit Hartz IV!" Demonstriert. Ein kurzer Erlebnissbericht.
Als ich um 17:10 zum Gerhard-Hauptmann-Platz kam hatten sich vieleicht 300 Menschen versammelt. Die Menge war recht bunt gemischt, wobei eher zum klassisch Linken spektrum zuzuordnende Leute und Menschen ohne bezahlte Lohnarbeit das Bild dominierten.
Das spektrum ging von Autonomen & Linksradikalen, extrem Betroffenen, RenterInnen bis zu Leuten die sich oberflächlich nicht von den meisten Pasanten unterschieden, die an der Demo vorbeischländerten. Auch MigrantInnen (z.B. von DIDF) waren da. Nazis habe ich nicht gesehen, während der Demo sind jedenfalls keine erkennbar aufgetreten, währen aber auch sofort eines besseren belehrt worden hätten sie es versucht.

Einige hatten selbstgemalte Transparente dabei, es waren auch Fahnen der FAU und anderer Gewerkschaften zu sehen, auf einem Transparent wurde die 30-Stunden-Woche gefordert auf einem anderen die soziale Revolution.
Es gab einen mittelgroßen Lautsprecherwagen, der als offenes Mikrofon in das jedE außer Faschisten reden durften rege benutzt wurde.
Es sammelten sich immer mehr menschen während vom Lauti Reden mit sehr unterschiedlicher Qualität kamen, auffallen war für mich die offenheit, mit der auch radikalere Forderungen aufgenommen und beklatscht wurden. Aber ein ausdruck großer Wut war die Demo zu dem Zeitpunkt noch nicht. Reden mit bezug auf den Standort Deutschland sind mir sehr wenige aufgefallen, ich habe aber auch nicht alle Reden gehört. Zwischendurch wurde Linksvolkloristische live Guitarrenmusik gespielt.

Gegen 18 Uhr setzte sich die Demo in richtung Hauptbahnhof in Bewegung. Währendessen wurden Slogans wie "Weg mit Hartz IV, darum sind wir hier!", aber auch "Alles für alle und zwar umsonst!" gerufen. "Wir sind das Volk" fand keine große Zustimmung und wurde auch von Seiten des Lautsprecherwagens kritisiert. So richtig in gang kommen wollten das Rufen aber noch nicht.

Am Ende der Mönckergstrasse gabs eine Zwischenkundgebung, die Demo drehte um und Zog Richtung Gänsemarkt. Dabei wurde immer wieder angehalten und es gab Reden von dem/der die gerade reden wollte.
Immer mehr Menschen kamen dazu und so hatte der Zug kurz vorm Rathausmarkt nach meiner (unsicheren) Schätzung 1.500 TeilnehmerInnen. Als die Demo in die Bergstrasse einbog kam es zu einer Bezeichnenden Szene, als nicht die eher Linksradikale Demospitze, sondern wütende Menschen ohne bezahlte Lohnarbeit riefen wir sollten trotz Polizeitabsperrung zum Rathaus weiterziehen und einer es aus Lauter entschlossenheit sogar alleine versuchte und in lauten Streit mit den PolizistInnen geriet die ihn nicht durchlassen wollten.

Die Demo hatte inzwischen Deutlich an Wut und Entschlossenheit gewonnen. Und um micht herum wurden auf dem Jungfernstieg energischer als auf manchen anderen Demos Slogans wie "Agenda2010, auf nimmer wiederseh'n!", "Weg mit Hartz IV, dafür Kämpfen wir!", "Alles für alle.." und "Schröder woll'n wir stürtzen (jeden Tag Klassenkampf) Schalalalala..." gerufen, dazu die Trommel geschlagen und im Tackt geklatscht. Ich fühlte mich zu dem Zeitpunkt richtig wohl auf der Demo und zwischen all den Leuten die ich noch nie auf einer Demo gesehen hatte und bekannten Gesichtern.
In Reden zwischendurch wurde eigentlich durchweg betont, das bloße Korekturen nicht ausreichen, Brücken zu anderen neoliberalen Schweinereien gezogen und allgemeinangriffe auf Politiker gefahren.

Die Demo ereichte dann um ca.19:30 Uhr den Gänsemarkt wo sich aber die hälfte der DemonstrantInnen relativ schnell verzog. Die anderen Nutzen noch das offene Mikro um zum bespiel relativ kontrovers aber solidarisch über den Slogan "Wir sind das Volk!" zu diskutieren. (der von einer jungen Frau mit Drats nicht-nationalistisch verteidigt worden war) Und sich mit weiteren Ankündigungen und der Versicherung nächsten Montag wieder auf die Strasse zu gehen und noch mehr zu werden voneinander zu verabschieden.

Abschließend:
Ich biete sicherlich einen etwas einseitigen Erfahrungsbericht, da ich von der Demo sehr positiv überrascht war und mit einem guten Gefühl eine schöne, sehr demokratische Art des Klassenkampfes mitgemacht zu haben vorm Computer sitze.
Die Demo wurde überwiegend vom Hamburger Sozialforum und Einzelpersonen relativ kurzfristig und ohne große mobilisation geplant. Für mich war sie ein voller Erfolg und ein Tag mit ein wenig Hoffnung und dem Gefühl nicht ganz allein zu sein.
Für den nächsten Montag (wieder 17 Uhr Gerhard-Hauptmann-Platz) wurde von Hamburg Umsonst noch vorgeschlagen mit Töpfen und Kochlöffeln an argentinische Aktionsformen anzuknüpfen, ein Vorschlag den ich für alle Montagsdemos unterstützen möchte.
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Ergänzungen

2. Ergänzung

mensch 17.08.2004 - 00:22
Die niedrigen Zahlen in den Medien (Tagesschau.de 40, andere 120) kommen daher, dass es vor der eigentlichen Demo schon um 17 Uhr einen Zug vom Arbeitsamt zum Gerhard-Hauptmann-Platz gegeben hatte, der sich dann in die eigentliche Demo einreite.

Die Zahlen 1.500 mögen Übertrieben sein ich bin nicht der allerbeste schätzer (vieleicht können andere anwesende ihre einschätzung hinzufügen), ich hab aber gehört selbst die Polizei hätte zwischendurch von 500-1.000 Leuten gesprochen (laut Anmelder).

Ich kann nur sagen das der Zug mehr als die halbe Bergstrass ausfüllte, also mindestens 1.000 Leute würd ich (trotz schlechter Schätzleistungen)sagen.

Es ist unverschämt wiedie Medien hier im Norden über die Demo schweigen obwohl welche da waren. Es ist unverschämt wie die Zahlen manipuliert und nach unten gespielt werden um zu Argumentieren das es sich bei den Protesten um eine Ostgeschichte handeln würde.

nur ein paar kleinigkeiten

fragender 17.08.2004 - 00:35
schöne beschreibung der demo. allerdings hätte ich noch zwei anmerkungen. erstens finde ich deine schätzung, dass 1500 da waren ziemlich übertrieben. meiner meinung nach waren es nicht mehr als 400-500. wir sollten bei der wahrheit bleiben.

zweitens die situation in der nähe des rathaus habe ich nicht so mit bekommen, dass es da ein egrupee gab, die umbedingt zum rahthaus wollte. aber wir sollten uns überlegen, in wie fern hier die möglichkeit besteht, diese montagsdemos radikalisieren zu können.

Gewerkschaftsdemo

Kiezkicker 17.08.2004 - 05:41
Nunja, für mich wirkte die Demo eher müde. Nachdem man etwa eine Stunde lang am Gerhard Hauptmann - Platz stand, gings etwa 200 Meter die Mönckebergstrasse herunter, nur um dann dort erneut eine Weile zu stehen - und dann, was ich als die bezeichnende Krönung dieser Szenerie empfand - die gleiche Strecke wieder zurückzulaufen, und erneut am Gerhard Hauptmann - Platz anzuhalten. Als dann in die Diskussion eingeworfen wurde, dass man erneut, ein drittes Mal die 300 Meter an der Mönckebergstrasse entlanglaufen solle. fühlte ich mich dann doch leicht veräppelt... Nun gut, nach einer Weile gings dann Richtung Rathausmarkt, wo ich mich dann jedoch abtrennte, da die Demo selbst einfach viel zu müde war - ausser aus dem Laute quasi keine Sprechchöre, und auch ansonsten eher ein Dahingeschleiche, wie man es sonst nur von Demonstrationen der Gewerkschaften kennt. Es gab in Hamburg auch mal einen Herbst mit deutlich agileren Demonstrationen, wo man sich auf derlei "Und nun wandern wir auf der Mönckebergstrasse immer hin und her" - Spielchen nicht eingelassen hätte...
Über den Vorschlag, die zukünftigen Demonstrationen radikalisieren zu wolen, kann ich auch nur noch mit dem Kopf schütteln, jedenfalls dann, wenn es um die politischen Inhalte gehen sollte, die man radikalisieren möchte - damit erreicht man sicherlich nicht, dass sich noch mehr direkt betroffene in die Demo einreihen, die sind nämlich nicht zwingendermassen alle linksradikalistisch, sondern eben ein breiter Bevölkerungsquerschnitt. Man kann nun natürlich versuchen, die "Montagsdemos" in Hamburg zum formulieren von politisch linken Inhalten zu nutzen (wurde gestern ja bereits getan), man könnte aber natürlich auch probieren, die Demo auf eine möglichst breite Basis zu stellen (nein, das heisst ausdrücklich nicht, dass dann auch Faschos mitlaufen sollten) - das erreicht man aber halt nicht, indem man eine Demo politisch radikalisiert.

taz-Bericht

Felix 17.08.2004 - 10:02
Die taz geht auch von etwas realistischeren Teilnehmerzahlen aus. Hier der Artikel vom 17.08.2004:

300 gegen Hartz

Knapp 300 Menschen demonstrierten gestern gegen die Politik der Bundesregierung unter dem Motto "Hartz IV muss weg". Vor dem Arbeitsamt versammelten sich am Nachmittag rund 30 Gegner der Reformpolitik. Auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz waren es wenig später rund 250 Menschen - eine leichte Steigerung gegenüber einer Protestveranstaltung in der Vorwoche.

taz Hamburg Nr. 7437 vom 17.8.2004, Seite 22, 13 Zeilen (TAZ-Bericht)

Wenn man die Ungerechtigkeiten bedenkt, die Hartz IV enthält und sich die massive politische Unterstützung dieser Demos in der Hamburger Springerpresse vor Augen hält, ist das extrem wenig. Es soll übrigens auch eine bundesweite Anweisung der Springer-Konzernleitung geben, Demonstrationen nach Möglichkeit pressetechnisch zu fördern, um die SPD-Regierung zu Gunsten der CDU unter Feuer zu nehmen. Wenn man sich die verlogene Gesamtlinie der Konservativen zu diesen Demos ansieht, kann einem nur schlecht werden.

Ach ja, eine inhaltliche Frage zum Beitrag: Seit wann ist die FAU eine Gewerkschaft?

nochmal zur Anzahl

menschin 17.08.2004 - 11:00
Nur weil sie niedriger ist, muss die Zahl der taz nicht realistischer sein: 300 ist eindeutig zu wenig. Es gab halt die verschiedensten Anfangszeiten, und zu der von mir gehörten, 18 Uhr (plus übliche Verspätung), hat die taz hamburg meines Wissens bereits Redaktionsschluss. 500 bis 700 halte ich für realistisch.

Wieso wird bei Teilnehmeranzahl untertrieben

strangeglove 17.08.2004 - 16:57
Ich frage mich ständig, wieso bei der Teilnehmeranzahl so schamlos gelogen wird. Nach FOCUS, SPIEGEL, Hamburger Abendblat, TAZ und anderen gesteuerten Medien können es nur 120, maximal 300 Teilnehmer gewesen sein.

Jeder der selbst dort war berichtet von ca. 1000 bis 2000 Teilnehmern.

Wem glaube ?

Na, zum Glück gibt es ja Fotos und auf diesen sind *eindeutig* Teilnehmern so zwischen 500 bis 2000 zu sehen, je nachdem, aus welcher Perspektive oder von wo die Bilder aufgenommen wurden.

Wieso wird dann nun ausgerechnet so kleinkariert um die Anzahl der Teilnehmer gestritten ?

Erstens, wieso werden die Berichte der Anwesenden überhaupt angezweifelt und Zwweitens, weswegen wird nicht ganz einfach die Fotos angeschaut ??

Es wird wohl eher so sein dass die Herrschenden natürlich ein Interesse daran haben, ihren Raub an den Sozialsystemen fortzusetzen.

Deswegen natürlich stehen Zahlen wie 120 oder 300 in den gesteuerten Medien, der Widerstand soll kleingeredet werden, jeder kennt sowas von den Anti-AKW oder Hausbesetzerdemos, darüber müssen wir uns nicht unterhalten.

Aber es gibt noch einen Punkt und das wird das Motto : "Teile und Herrsche", als die Spaltung sein.

Hier die Spaltung in Ost und West.

Während sie den Widerstand im Osten nicht mehr kleinreden können, versuchen sie die nächste Methode : der Widerstand soll in der BRD als nur ein lokales, östlichen "Problem" angesehen werden.

So ist es viel einfacher auch für die Agenten und Provokateure im Westen, Stimmung gegen "den" Osten zu schüren, dass "sie nur an unser Geld" wollen oder dass "sie einfach zu faul" sind.
In diese These passen auch die Auswürfe der Politiker : "es gäbe den Widerstand gegen Hartz nur weil sich der Osten "zurückgesetzt" fühle" (Platzeck) und ähnlichen Unsinn.

Dass der Widerstand viel breiter, Gesellschaftlich viel tiefer verankert und deswegen viel gefährlicher ist, das wollen uns die abhängigen und gesteuerten Medien ausreden, vom SPIEGEL, Focus, Bild, TAZ bis hin zu "alternativen" Medien wie "TELEPOLIS".

"300 warens" : daran erkennt Ihr sie


Teilnehmerzahl

Gerd 18.08.2004 - 00:55
Ich habe um 19 Uhr auf der Mö 25 Reihen vor mir und 12 hinter mir gezählt, je ca. 12 Leute, ergibt 500. Nun ist das ja mit "Reihen" so eine Sache, solange keine festen Ketten gebildet werden, aber ganz falsch kann 500 nicht sein. Und wenn nächste Woche noch jede(r) eine(n) mitbringt ...

Zahlen

mensch 23.08.2004 - 12:03
Das Abendblatt sprach von 500, die Zahl 300 ist Laut MoPo um 17:45 (also bevor sich die Demo in bewegung setzte und als noch nicht alle dort waren) von der Polizei verbreitet worden.

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1.Ergänzung — mensch