Autoorganisation !

Beate Setzer 02.04.2004 02:53 Themen: Freiräume
Unter dem Titel Autoorganisation bereitete seit gut 8 Monaten einüberregionales Bündnis eine Kongress- und Aktionswoche inBerlin vor.
Ziel der Aktions- und Kongresswoche ist es, einen Austausch unterunterschiedlichsten Formen selbstorganisierter Projekte herzustellenund mit Aktionen die Ideen selbstorganisierten Lebens wiederstärker in die Öffentlichkeit zu bringen.

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Übersicht der letzten Tage
Kongress- und Aktionswoche selbstorganisierter Projekte vom 4. bis 11. April in Berlin

Selbstorganistion als politisches Konzept
Selbstorganisierte Projekte gibt es in den unterschiedlichsten Formen, so unterschiedlich, dass die Frage gestellt werden muss, ob der Begriff der Selbstorganisiation als politischer Bezugspunkt überhaupt Sinn macht.
Neben Projekten, bei denen es vor allem um das kollektive Wohnen geht (Hausprojekte, Wagenplätze und ähnliches), gibt es eine gar nicht so geringe Zahl von Kollektivbetrieben, mit sehr unterschiedlich hohem politischen Anspruch. Eng verknüft mit beidem sind politischen Kommunen , die kollektives wohnen und arbeiten zu kombinieren versuchen.
Genauso wenig darf die Bedeutung selbstorganisierter Medienprojekte und Kulturprojekte vergessen werden.
Der Austausch zwischen diesen unterschiedlichen Formen selbstorganisierter Projekte ist jedoch gering. Die Autoorganisation soll eine ersten Schritt dahin sein, diesen Zustand zu beenden. Expliziter Anspruch der Vorbereitungsgruppe ist es, einen Austausch zwischen unterschiedlichsten Formen linker Selbstorganisierter Projekte anzustoßen. In weit dies gelingen kann, wird sich zeigen müssen.

Bedeutung selbstorganisierter Projekte
In selbstorganisierten Projekten wird der Versuch unternommen, einen egalitären linken Anspruch zumindest teilweise im Alltag zu verwirklicht. Hausprojekte und Wagenburgen sind nicht nur Rückzugs- und Schutzraum, sondern könnten gerade auch Ausgangspunkte für den politischen Kampf nach außen. Die Realität sieht leider oft anders aus.
Kollektives Wohnen, Volxküchen, Umsonstläden ermöglichen es, sich der kapitalistischen Verwertungslogik wenigstens teilweise zu entziehen. Dieser Versuch des sich einzeln (oder als Gruppe) den Verhältnissen zu entziehen führt aber oft in Nischenexistenzen, die zwar auf der einen Seite linke Ansprüche im Alltag verwirklichen. Auf der anderen Seite ist die politische Wirkung solcher Projekte oft gering, da sie in vielen Fällen vom Rest der Gesellschaft leicht ignoriert und als bunter Farbtupfer in den Städten geduldet werden können.
Arbeitskollektive und selbstverwaltete Betriebe könnten eine Alternative zu einer Arbeitswelt, die von Konkurrenz, Leistungsdruck und Individualisierung geprägt ist, bieten. Die Realität sieht leider oft anders aus. Viele selbstverwaltete Betriebe konzentrieren müssen sich auf Nischenprodukte konzentriene oder geben statt dessen im Rahmen von Professionalisierung und steigendem Kapitaleinsatz den egalitären Anspruch schrittweise auf.
Als Infrastruktur für politischen Aktivismus sind Projekte wie Infoläden oder Autonome Zentren unverzichtbar. Sie bieten Raum sich zusammen zu organisieren, für politische Veranstaltungen aber auch für Kulturveranstaltungen jenseits des Mainstreams. In solchen linken Strukturen wird ein Leben ohne Rassismus, Sexismus, Nationalismus und Herrschaft zumindest vorstellbar.
Eine wachsende Zahl selbstorganisierter Medienprojekte wie das Netzwerk Indymedia oder Video Projekte wie der europäische Newsreal versuchen mit dem Medienmainstream etwas entgegen zustellen und Medien und Medientechnik subversiv zu nutzen.

Zwischen Subkultur und Ausgangspunkten für Widerstand
Gerade die Berliner Häuser- und Wagenburgszene lebt immer noch von dem Mythos der einstigen BesetzerInnenhochburg und stützt sich vor allem auf in den 80er und frühen 90er Jahren erstrittene Projekte. Die politische Ausstrahlung der Häuser und Wagenburgen ist oft nicht mehr besonders groß. Aus politischen Freiräumen sind oft rein subkulturelle Nischen geworden, von denen kaum Widerstand ausgeht und die daher als auch leicht geduldet oder unauffaäälig aus dem Stadtbild entsorgt werden können, gerade weil die Fähigkeit sich gegen Angriffe von Staat und Kapital zu wehren oft verloren gegangen.
Waren die Häuser anfangs auch eine antifaschistische „Besetzung“ der Viertel, so ist es heute zur Normalität geworden das es in ehemals linken Kiezen rechte Strukturen nicht selten unwidersprochen gibt

Bedrohung von Projekten
Leider nimmt zur Zeit die Zahl der politischen Haus- und Wagenprojekte in Deutschland gerade stetig ab.
Ein Teil der Projekte scheitert an äußerem Druck. Dieser kann unterschiedlicheste Formen haben: Einige Projekte scheitern an steigende Mieten, die kollektives Wohnen und zur Verfügung Stellung von Räumen für nicht kommerzielle Kultur- und Politveranstaltungen schlicht nicht mehr finanzierbar machen.
Gerade Wagenplätze haben damit zu kämpfen, daß in vielen Städten nicht nur das Baurecht ein dauerhaftes Wohnen im Wagen nicht erlaubt (Wagenplatz Hafen in Kassel ). Versuche, entsprechende Gesetztesänderungen in Verhandlungen zu erreichen, haben sich nicht immer zum Vorteil der Projekte aus gewirkt (Hamburger Wagengesetz ). Andere Projekte sehen sich mit für nicht kommerzielle Projekte unerfüllbaren Auflagen von Ämter konfrontiert, die oft ein willkommener Weg sind, unliebsame Projekte loszuwerden (Alte Meierei Kiel ). Es gibt jedoch auch einige erfreuliche Gegegnbeispiele zu diesem Trend mit zumindest zeitweise erfolgreichen Neubesetzungen (Köln | Marbug | Osnabrück | Mannheim | Aachen ) oder beispielsweise der realtiv neuen aber stetig wachsenden Bewegung der Umsonstläden. Ein mindestens genauso großer Teil von selbstorganisierten Projekten scheitert jedoch auch an inneren Konflikten. Zu nennen sind hier unterschiedliche politische Zielvorstellungen und Lebensperspektiven, Sexismuskonflikte oder schrittweise Kommerzialisierung.

Absicherung?
Gerade unter diesen Gesichtspunkten sind auch die Möglichkeiten zur Absicherung von Projekten zu bewerten. Viele Hausprojekte nicht nur in Berlin setzten ihre Hoffnung für eine mittel oder langfristige Absicherung in Kauf der Vermietung an einen Verein. Auf politischen und öffentlichen Druck als Weg zur „Absicherung“ setzten immer weniger Projekte (Köpi | R94 | Henriette ).
In nicht wenigen Fällen ist die an sich wünschenswerte Legalisierung oder sogar öffentliche Förderung auch der Anfang von Entpolitisierung und der Aufgabe egalitärer und basisdemokratischer Ansprüche

Was während der Woche passieren soll
Die ersten Tage von 4. bis 8.4. haben vor allem Kongresscharakter. Hier sollen inhaltliche Diskussionen über Ansätze selbstorganisierten Lebens und selbstorganisierter Politik diskutiert werden. Neben inhaltlichen Workshops sind auch eine ganze Reihe Vernetzungstreffen z.B. von Vokü-Gruppen, Infoläden, usw. vorgesehen. Ab Donnerstag steht dann eher der praktische Teil mit Aktionen im Vordergrund.

Die "Berliner Linie"
Eines der Themen wird hier die „Berliner Linie“ sein. Diese Verwaltungsvorschrift des Berliner Senates schreibt insbesondere vor, daß die Polizei in Berlin Neubesetzungen von Häusern und Plätzen innerhalb von 24h nach ihrem Bekanntwerden zu räumen hat. Egal ob von ihnen aus Sicht der Polizei irgendeine „Gefährdung“ ausgeht, oder vom „Eigentümer“ eine Strafanzeige vorliegt. Diese im Westberlin seit 1981 bestehende Verordnung (die nach der „Wiedervereinigung“ auch auf den Ostteil der Stadt ausgedehnt wurde) macht in Berlin Neubesetzungen nahezu unmöglich. Und dies, ob wohl eine Wachsende Zahl von Wohnungen in Berlin leer steht (Leerstandsliste ). Zumindest teile der an der Regierung beteiligten PDS haben sich vor den Wahlen für eine Abschaffung bzw. Änderung der Berliner Linie ausgesprochen. Dies hat jedoch an dem Umgang der Polizei mit Neubesetzunge in Berlin bislang nichts geändert (Kiefholzstr | Rigaer 94   | Gabriel Max Straße ). Genauso wenig das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes von Juli 2003, daß die Räumung des Hauses Rigaerstraße 80 im Jahr 1997 für rechtswidrig erklärte.

Situation von Projekten in Berliner
Das Haus- und Kulturprojekt Köpi , sollte mehrfach versteigert werden. Dank einer gross angelegten Kampagne gegen die Verwertung von Wohnraum fand sich noch nie ein Käufer und das wird auch in Zukunft so bleiben!
Die Köpi bietet mit Konzerten, Partys und Kino ein vielfältiges und europaweit bekanntes kulturelles Angebot und Raum für politische Veranstaltungen.

Die Rigaerstr. 94(1 | 2 ) kämpft seit vier Jahren gegen ihren Hauseigentümer Suitbert Beulker, dem es jedoch trotz aller Bemühungen (mehr als 100 Räumungsklagen und anderes) nicht gelang, das Haus räumen zu lassen, sondern der jetzt wohl (hoffentlich!) in die Pleite getrieben wurde. Und das wohl nicht zuletzt wegen des Widerstands der linken Szene.
DieWagengruppe Platz Bfordert schon seit längerem einen Platz. Trotz ettlicher leerstehender Flächen in der Stadt  weigert sich die Politik weiter, Wagenburgen neue Plätze anzubieten.

Und anderorts:
Auch die neue CDU Stadtregierung in Hamburg hält an ihrer Linie fest, Wagenplätze aus der Stadt zu verbannen. Die BewohnerInnen der im Nov. 2002 geräumten Wagenburg Bambule warten zwar immer noch auf einen neuen Platz, der breite Widerstand hat jedoch Wirkung gezeigt. Denn den Plätzen in der Gaussstr wurde noch unter der CDU/Schill Regierung der Mietvertrag verlängert. Auch der Wagenburg „Henriette“, für die es einen Räumungstermin zum 1. April gab, wurde diese Woche eine weitere Dulung für 18 Monate „zur Vermeidung einer Eskalation“ ausgesprochen. Der Widerstand in Folge der Räumung der Bambule ist also nicht ohne Wirkung geblieben !

Ähnlich ging es dem Kultur- und Politzentrum Alternative/Walli in Lübeck. Auch hier wurde nach vielen Aktionen und breiter Unterstützung ein Vertragverlängerung gewährt. Andere Projekte wie die KTS in Freibung, die Ex-Steffi in Karlsruhe, der Wagenplatz „Hafen“ in Kassel oder die „Alte Meierei“ in Kiel u.A. sind weiter von Räumung bzw. Schließung bedroht.

Auch international stellt sich die Frage nach Perspektiven, so zum Beispiel beim Blitz in Oslo, dem EKH in Wien, den besetzten Häusern in Barcelona und den sozialen Zentren in London. Es handelt sich bei diesen Konflikten in den einzelnen Städten aber nicht um lokale Konflikte sondern um einzelne Facetten einer gesammtgesellschaftlichen Entwicklung.
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Ergänzungen

Auto-Ausgrenzung

Hierarchnieki 06.04.2004 - 17:30
Ohne die inhaltliche Qualität der verschiedenenen Teile des "Autoorganisation" zu bewerten, finde ich wichtig, einige in der Werbung verschwiegene Beschlüsse zu benennen.

Es hat im Vorfeld mindestens zwei Ausschlüsse gegeben. Einmal gegen alle, die Kriege befürworten - gemeint waren aber natürlich nur die, die US-Kriege gut finden (Antideutsche). Die wollte mensch los sein durch Ausgrenzung ... während Kriege ohne US-Beteiligung da schon anders gesehen werden (also wer z.B. sog. nationale Befreiungskriege gut findet usw. - will ich selbst hier gar nicht bewerten, sondern nur darstellen, wie propagandistisch und manipulativ halt vorgegangen wird).

Die zweite Ausgrenzung ist die klassische gegen einen Menschen aus der Projektwerkstatt in Saasen. Da kann mensch auch zu stehen, wie er oder sie will - der vorgebrachte Begründung war ziemlich chaotisch und vor allem für ein Treffen, was prinzipiell offen ist, auch wenig geeignet. Die dahinterstehenden Auseinandersetzungen um hierarchische Kongressorganisation wurde so per mentalem Faustrecht entschieden. Einige Projekte werden aufgrund der vorgekommenene Ausgrenzungen in Berlin fehlen - wohl weil die Leute keinen Bock mehr auf die selbsternannten RichterInnen und PC-PolizistInnen der Zusammenhänge haben.

Trotzdem: Viel Spaß in Berlin und gute Aktionen. Und den Eliten klarmachen, dass Offenheit hergestellt werden und nicht nur propagandistisch benutzt werden sollte. Gilt auch für A-Camps und einige andere ...

an hierachnieki

antihierachie 08.04.2004 - 10:49
der mensch aus der projektwerkstatt saasen wurde aus der vorbereitungsgruppe ausgeschlossen und nicht aus dem kongress, aber ob diesem besagten menschen räumlichkeiten angeboten werden oder an den einzelnen veranstaltung teilnehmen kann, ist sache der einzelnen projekt und veranstalterInnen

autoorga

Gecko 11.04.2004 - 11:45
An all diesen seitenlangen Texten, Presseverlautbarungen und Vorsätzen gemessen ist der Kongreß komplett gescheitert. Wie kann es sein, daß tonnenweise Papier bedruckt und das Internet vollgemüllt wird, aber wenn eine Vollversammlung ist, noch nicht mal einer da ist, der Infos weitergeben kann? Wenn sich dann endlich was selbstorganisiert hat, was garnicht so einfach ist in einer internationalen Gruppe Unbekannter, dann kommt plötzlich doch einer und schickt alle in den Friedrichshain. Rumlaufen. Augen offenhalten. Irgendwo wird grad was besetzt. Die Presse weiß Bescheid, die Bullen sowieso, nur wir sind das Fußvolk. Wenn das die Praxis von selbstverwalteten linken Strukturen ist, dann weiß ich nicht, wofür ein Haus besetzen. Um sich als Helden zu fühlen. Um endlich mal wieder allen gezeigt zu haben, was in Berlin geht? Ja, was denn?
OK, das soll hier kein Diskussionsforum sein. Aber muß ja auch mal intern was vom Kongreß rüberkommen. Sonst heißt es am Ende noch, alles super. Alle, mit denen ich dort geredet habe, waren genervt, frustriert, ratlos und werden sicher nexte Woche kein Haus um die Ecke besetzen...

Körperstimmen Plakatierer überkleben Autoorga

Informant 11.04.2004 - 21:28
Kleine Information am Rande:

Die PlakatklerberInnen der Körperstimmen N 9 haben MASSSIV UND GEZIELT
am Frankfurter Tor die Autoorganisationstage Plakate überklebt.
Tanz contra Freiräume !?

Podewil
 http://www.podewil.de/start/right.html
KÖRPERSTIMMEN
 http://www.tanzwerkstatt.bkv.org/

Hörst du die Körperstimmen?
Im Podewil sind sie bei der Plattform für den Choreografie-Nachwuchs sogar zu sehen
 http://www.taz.de/pt/2004/03/27/a0253.nf/text

Es war nett

N.N. 13.04.2004 - 04:23
Autoorga war geil.Besonders der Umgang mit den sexes (und dem Sexismus)
war bewußter und spürbarer als sonst,schön,wenn das so weitergeht.
Möglich,das der ausschluß von Kriegsbefürwortern daran liegt,das es ein inter-nationales Treffen war....oder macht ihr einen prinzipiellen Unterschied zwischen Irakern und Leuten aus dem europäischen Nichtdeutschland ? Willst du mit einem zusammenwohnen,der mit einem Krieg
im Ausland identifinziert ist ? Dir den ganzen tag Nationalhymnen anhören,
Strategiespiele spielen...also,wozu dann mit denen ein Haus besetzen.

ein kleiner Bericht

hellwach 23.04.2004 - 17:58

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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an hierarchnieki — Icke

Autokaputt — N.N.