Berlin: Studierende beteiligen sich an Warnstreik der IG Metall

FotoFixx 29.01.2004 17:39 Themen: Bildung Globalisierung Soziale Kämpfe
Heute fand ein bundeweiter Warnstreik der IG Metall statt. Mindestens 10.000 beteiligten sich. Bei Daimler Chrysler und Osram geriet die Produkiton dadurch ins Stocken. Im Wesentlichen ging es gegen die geplante Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich. Diese würde 12% Lohnverzicht und rund 300.000 mehr Arbeitslose bedeuten. Ausserdem wurde die neoliberale Politik der Regierung generell angegriffen. Es wurde betont, daß es der Regierung und den Unternehmen darum gingen, den Gewerkschaften endgültig das Genick zu brechen.
Nachdem es im Herbst gelungen ist, verschiedene gesellschaftliche Interessengruppen gegen Sozialabbau gemeinsam auf die Straße bringen, besuchten heute mehr als 100 Studierende und Attacis die streikenden Arbeiter von Daimler-Chrysler in Berlin-Marienfelde. Auf verschiedenen Reden wurde die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes beschworen. Bislang habe die Vereinzelung der neoliberalen Politk nichts entgegensetzen können...
Weitere Termine für die nächste Tage in Berlin: hier
Bereits im Sommer ist ein Metaller-Streik in Ostdeutschland um die 25 Stundenwoche nach heftigen Attacken von Regierung, Wirtschaft und der deutschen Medienmaschinerie gescheitert. Auch heute titeln Blätter wie die "Berliner Zeitung" groß auf Seite 1: "Streik gefährdet Aufschwung", um dann gegen sozialen Protest zu hetzen.Interessanter Nebenaspekt: Seit heute streiken rund 2000 Zeitungsredakteure selbst für mehr Geld.
Weitere Nachrichten: LabourNet Germany

Vormerken:
  • NRW-weite Proteste gegen Studiengebühren und Sozialabbau am 31.01.2004 in Düsseldorf (1 Aufruf von vielen)
  • 4.Feb.18,00 - Berlin: RECLAIM THE CITY!
    *vor der Amerika-Gedenk-Bibliothek (AGB), U-Bahnhof Hallesches Tor * an der Weltzeituhr, U/S-Bahnhof Alexanderplatz
  • 2.April./3.April. Europäische Aktionstage von sozialen Bewegungen und Gewerkschaften gegen Sozialabbau. (ein Artikel von vielen)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Kein Wort in den Medien

XXX 29.01.2004 - 19:44
Der IGMetall-Streik wird zwar überall breit erwähnt, aber kein Wort zur Unterstützung durch Studenten und Sozialbündnisse. Wundert nicht. Die sozialen Proteste in Berlin wurden ja auch schon auf reine Studi-Proteste reduziert.


Hier mal die dpa-Meldung veich geknüpft.on heute nachmittag:

Stuttgart/Frankfurt/Main (dpa) - Nach Ablauf der Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall ihre Gangart im Tarifkonflikt mit ersten Warnstreiks verschärft. Bundesweit legten nach Gewerkschaftsangaben mehr als 16 000 Beschäftigte in über 50 Betrieben die Arbeit für kurze Zeit nieder. Am Freitag sollen die Warnstreiks ausgeweitet werden. IG-Metall-Chef Jürgen Peters unterstrich die Kampffähigkeit der Gewerkschaft. Gesamtmetall- Präsident Martin Kannegiesser kritisierte die Warnstreiks.

Die Aktionen der ersten Nacht zielten besonders auf den Stuttgarter Autohersteller DaimlerChrysler. In den Werken Sindelfingen und Mannheim verließen insgesamt rund 1800 Beschäftigte für eine Stunde ihre Plätze in der Fahrzeug- und Motorenproduktion. Die Metaller zogen mit Fackeln über das Betriebsgelände. Am Donnerstagmorgen versammelte sich fast die gesamte Tagesschicht des DaimlerChrysler-Werkes in Mannheim zu einer Kundgebung mit rund 4000 Teilnehmern. Auf Transparenten forderten sie «Finger weg von der 35- Stunden-Woche» und «Wir lassen uns nicht ausquetschen».

Auch in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Berlin gab es bereits in der Nacht zum Donnerstag zahlreiche Warnstreiks. Die Gewerkschaft zeigte sich mit der Beteiligung mehr als zufrieden. «Wer glaubt, die IG Metall sei nicht streikfähig und nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres zu einem zahnlosen Tiger geworden, den werden wir eines Besseren belehren», sagte der Stuttgarter IG Metall-Chef Jürgen Stamm. An diesem Freitag ruft die Gewerkschaft allein Baden-Württemberg 51 000 Beschäftigte in 76 Betrieben zu Arbeitsniederlegungen auf.

IG-Metall-Vize Berthold Huber betonte, das sei erst der Auftakt für weitere Proteste. «Ich gehe davon aus, dass das in den nächsten Tagen zunehmen wird», sagte der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft im Nachrichtensender n-tv. Die bayerische IG Metall stellte den Arbeitgebern ein Ultimatum bis zum 5. Februar. Sollte es bei der nächsten Tarifrunde in Bayern kein verhandlungsfähiges Angebot geben, werde am nächsten Tag eine größere Warnstreikwelle im Freistaat starten, sagte der bayerische IG Metall-Bezirksleiter Werner Neugebauer in München. «Wir streben einen fairen Kompromiss an, aber nicht um jeden Preis.»

IG-Metall-Chef Peters warf den Arbeitgebern vor, «die tarifpolitische Rolle rückwärts» zu proben. Die IG Metall solle zustimmen, 400 000 Arbeitslose zu produzieren. «Hier ist ein System angelegt, das wir nicht billigen werden und auch nicht unterschreiben.» Die Gewerkschaft sei auch zu einem Streik bereit. «Nur weil wir das im Osten nicht richtig gemacht haben, heißt das noch lange nicht, dass wir im Westen ähnliche Fehler begehen würden. Das ist eine kühne Annahme und da sollte sich keiner von leiten lassen», sagte er im Deutschlandfunk.

Für Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser zeigen die Warnstreiks, «wie schwierig es ist, Reformen am Industriestandort Deutschland durchzusetzen». Zudem seien sie Ausdruck dafür, «wie wenig wir in einer schwierigen Wirtschaftslage fähig sind, unsere institutionellen Regelungen wie die Tarifautonomie weiter zu entwickeln». Auch der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Ulrich Brocker, kritisierte Warnstreiks: «Jeder Streik bedeutet eine empfindliche Störung und oft Beschädigung der Produktion sowie der Beziehung zu den Kunden», sagte er in einem dpa-Gespräch.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) mahnte einen Lohnabschluss unterhalb der Produktivitätsverbesserung an. Es müsse zudem wieder möglich sein, auf Betriebsebene notfalls auch über Mehrarbeit ohne Lohnausgleich zu verhandeln, sagte VDA-Präsident Bernd Gottschalk in Frankfurt. Ohne solche Öffnungsklauseln dürfe es keinen Tarifabschluss geben.

Die Gewerkschaft fordert für die bundesweit knapp 3,5 Millionen Beschäftigten der Branche vier Prozent mehr Lohn und Gehalt bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Die Arbeitgeber haben bislang eine Erhöhung in zwei Stufen um je 1,2 Prozent auf 27 Monate verteilt angeboten. Dies ist an die Möglichkeit einer Arbeitszeitverlängerung auf bis zu 40 Stunden pro Woche auch ohne Lohnausgleich geknüpft.

 http://www.news.de/57/24Metall_verschaerft_Gangart_im_Tarifkonflikt.php

Studenten kippen Müll in Buchladen

... 30.01.2004 - 00:25
Studierende der Universität haben gestern Müll in einem Buchladen ausgekippt und zuvor Bücher aus dem Geschäft in Mülltüten gepackt (FOTO li.). Draußen vor dem Laden forderten sie auf einem Transparent "Bertelsmann/CHE - Hände weg von der Universität!" (FOTO re.). Die Gruppe aus etwa 30 Leuten protestierte mit der Aktion "Wir lassen uns unsere Bildung nicht vermüllen" erklärtermaßen gegen den Einfluss des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Dieses wurde von der Bertelsmann-Stiftung mitbegründet, um die Qualität der Hochschulen zu verbessern. Der Buchladen ist eine Filiale von "Der Club - Bertelsmann". In einer Pressemitteilung forderte das Studierenden-Streikkomitee die Auflösung des CHE. Es steuere die Hochschulreformen des Rechts-Senats, welche "den Interessen des Konzerns selbst und sonstigen hochkonzentrierten Kapitals" dienten. WEI/
F.: AG Sozialer Ungehorsam

 http://www.taz.de/pt/2004/01/30/a0280.nf/text.ges,1

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 8 Kommentare

Attacis für Streik?

Icke 29.01.2004 - 17:59
Seit wann sind denn die Attacis für(!) Streik: Attaci-Bonze Wahl/Weed hat sich doch in Frankfurt dagegen ausgesprochen!
Schon vergessen?

Icke lügt

Aufklärer 29.01.2004 - 18:02
Nicht Attac hat sich gegen Streiks ausgesprochen, sondern gewisse Gewerkschaftsvertreter auf dem Abschlussplenum. Daraufhin gabs einen regelrechten Aufstand von Attacis.
Die Lügen von Icke sind entweder ideologisch motiviert oder eher aus Unwissenheit gespeist?

Kampagne der Neuen Einheit?

Sebastian K. 29.01.2004 - 18:16
Gruselige ML-Sektierer versuchen innerhalb der Sozialbündnisse gegen Attac-Stimmung zu machen. Icke scheint einer der MLer zu sein.
Von Neue Einheit könnte auch die falsche Darstellung sein, die neulich bei Indy gepostet wurde. Dort wurde wahl für Anti-Streik-Haltung der Gewerkschaftsführer verantwortlich gemacht.

Wer sich den ML-Haufen mal reinziehen will: www.neue-einheit.com/

ML-Sektierer hin...

bembl 29.01.2004 - 18:50
...oder her. Aber es ist in der Tat richtig, dass die ATTAC-Obergurus die Konferenz in Frankfurt dahin gehend erpressen wollten, dass das Wort Streik "nicht" auftaucht und das sie das durch Manipulation eines AG Ergebnisses getan haben. Wer es nicht glauben mag, kann sich die Berichte auf  http://www.fau.org oder  http://www.labournet.de ansehen. Woher Wahl und Konsorten ein solches Mandat hatten und wie weit es um die innerorganisatorische Demokratie bei ATTAC bestellt ist, das mögen die ATTAClerInnen untereinander klären. Wäre ja nicht die erste selbstherrliche Aktion irgendwelcher ATTAC-SprecherInnen.

bembl, das stimmt nicht!

... 29.01.2004 - 19:05
nicht die attac-obergurus wollten dass mit streik aus dem beschluss nehmen, sondern einige gewerkschafter. die attac-leute haben versucht die gewerkschafter umzustimmen. was soll das lügen?

ATTAC und Sozialforum = brave Staatsbürger

Hessen Anarcho 1.2 29.01.2004 - 19:41
Ich war auch in Frankfurt und dort haben Leute aus dem Sozialforumsspektrum und ATTAC versucht, vor allem den nationalismuskritischen sozialen Protest zu bremsen. Stattdessen appelliert man an die Politiker, die einem die ganze Zeit schaden. Damit wird jeglicher Protest staatskonform gestaltet und die ArbeiterInnen betrogen. Wir werden ja sehen, wer bald unsere Minister sein werden. Sie heißen Wahl, Giegold und Micheal Prütz.

Was ist Attac?

ft-europa 30.01.2004 - 12:33
ATTAC: Eine marxistische Analyse
Ein relativer neuer Spieler auf der Bühne der deutschen Politik ist Attac. Am 22.01.2000 wurde Attac Deutschland gegründet1 und blieb als kleine NGO mit unter 1.000 Mitgliedern relativ unbekannt bis die Antiglobalisierungsbewegung als Ganzes, sowie Attac im Besonderen, nach dem G8-Gipfel in Genua im Juli 2001 und dem für Europa ungewohntem Ausmaß an Polizeigewalt, in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geriet.2 Der Medienrummel um die Übergriffe und den Tod eines Demonstranten bescherten Attac einen sprunghaften Mitgliederanstieg, obwohl sich Attac ausdrücklich von den gewalttätigen Demonstranten distanzierte. Ein Jahr später zählte Attac bereits über 10.000 Privatpersonen als Mitglieder in Deutschland.3

Dazu kommen Organisationen die sozusagen kollektiv Mitglieder bei Attac sind, wie z.B. einige Gewerkschaften, ver.di, DGBjugend, einzelne Landesverbände des DGB etc. ; Jugendorganisationen der Grünen und der SPD, sowie kommunale Verbände dieser beiden Parteien; kirchliche Vereinigungen von Pax Christi bis hin zu verschiedenen ökumenischen Netzwerken, und sogar Gruppen, die sich selbst als "sozialistisch-trotzkistische Tendenzen" verstehen, ohne eine Partei sein zu wollen, wie Linksruck (IST).4

Die Zusammensetzung von Attac im Zusammenhang mit den Schwerpunkten die sich in ihrem Grundkonsens finden, führt klar und deutlich vor Augen, dass die Ziele von Attac nicht nur relativ verschwommen sind, z.B. "Attac wirft die Frage nach wirtschaftlicher Macht und gerechter Verteilung auf"5, sondern auch, dass die Zielsetzung von Attac rein auf Reformen ausgerichtet ist. In Publikationen von Attac wird gefordert, durch "demokratische Kontrolle und Regulierung der internationalen Finanzmärkte", die durch die "kapitalistische Wirtschaftsweise entstehende gesellschaftliche Ungleichheit auszugleichen"6. Auch die Schwerpunkte ihrer Zielsetzung: Stabilisierung der Finanzmärkte und Wechselkurse, Stärkere Besteuerung von Kapitaleinkünften und großen Vermögen, Schuldenstreichung und nachhaltige Entwicklung, Erhalt 7der sozialen Sicherheitssysteme8, machen deutlich, dass Attac an die Reformierbarkeit des bestehenden Wirtschaftsystems glaubt, dass für sie Kapitalismus nicht zwangsweise mit Ausbeutung, Betriebsabwanderung ins Ausland und Massenentlassungen einhergehen muss. Dies zeigt, dass Attac die Basis des herrschenden Wirtschaftssystems leugnet, in dem die Konzerne darauf angewiesen sind, um jeden Preis immer höhere Gewinne zu erwirtschaften. Jedoch ist dies nur durch Ausbeutung sowohl der hiesigen Arbeiter, als auch der Arbeiter in den neokolonialen Ländern zu erreichen. Auch Attac kann keinen "humanen Kapitalismus" schaffen, auch wenn die Attacies zum großen Teil daran zu glauben scheinen. Attac will die notwendigen negativen Folgen des Kapitalismus abschwächen, ohne an deren Grundlage, dem kapitalistische Wirtschaftssystem, zu rütteln.

Diese gemäßigt bis radikal reformistische Zielsetzung von Attac macht die Organisation zu einem natürlichen Verbündeten der Gewerkschaftsbürokratie, die natürlich auch an Reformen, Verhinderung der Abwanderung von heimischer Industrie und damit einhergehenden Massenentlassungen interessiert ist, um ihre eigene Basis zu schützen. Durch Attac hat sie die Möglichkeit gefunden, ohne eigene Initiative oder zusätzlichen Aufwand und ohne offen einen systemkritischen Standpunkt einnehmen zu müssen, sich zumindest nominell für die Interessen der nationalen Arbeiterschaft einzusetzen. Wen kann es da noch wundern, dass Attac als Auffangbecken für frustrierte Sozialdemokraten und Alt-Grüne fungiert, und sich Linksopportunisten wie Lafontaine als Sprachrohr der Organisation profilieren?
Diese Instrumentalisierung von Attac durch die DGB Spitze als verlängertem Arm von Rot-Grün, wurde besonders deutlich durch die Unterzeichnung des DGB-Attac-VENRO (Dachverband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen) Papiers im Dezember 2002.9 Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Erklärung der drei oben genannten Organisationen zum Thema: Globalisierung gerecht gestalten. Schon der Titel erkennt "Globalisierung" explizit und versucht die Illusion zu erwecken, dass man diese durch "politische Gestaltung"10 zu einem Instrument "sozialer Gerechtigkeit"11 machen könnte. Außerdem wird als eine der ersten Forderungen nach einem "sozialen und demokratischen Gesicht"12 für die Globalisierung verlangt. Dies beschreibt schon recht treffend den Tenor des gesamten Pamphlets, es geht darum, "die hässliche Fratze der kapitalistischen Globalisierung etwas hübscher zu schminken"13, und nicht etwa darum, die Wurzeln des Problems anzugehen. So erkennt Attac in dieser Erklärung sowohl die kapitalistischen Institutionen IWF, WTO und Weltbank genauso grundsätzlich an14, wie die "potentiell nützliche Funktion von Finanzmärkten"15.

Das ganze Papier ist ein Bittgesuch an die Bundesregierung, welches diese auffordert, sich "engagiert" dafür einzusetzen, doch bitteschön die böse neoliberale Globalisierung etwas netter zu gestalten und den großen Konzernen ins Gewissen zu reden, damit sie "ihre soziale, ökologische und menschenrechtliche Verantwortung und Verpflichtung anerkennen"16. Damit negieren Gewerkschaftsspitze und Attac die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit des Handelns der Massen, getreu dem Prinzip einer Arbeiterdemokratie, indem die Initiative allein der Regierung überlassen wird, und die Arbeiter, bzw. die sie hier mehr oder weniger demokratisch vertretenden Gewerkschaften, höchstens beratendend eingreifen. Darüber hinaus impliziert die Formulierung bewusst, dass eine kapitalistische Globalisierung nicht nur unaufhaltsam, sondern auch durchaus sozial-gerecht zu gestalten sei.

Die Erklärung beinhaltet noch eine Unzahl an weiteren unsäglichen Kompromissen wie z.B. dass für die ILO (Internationale Arbeiterorganisation) nicht einmal ein Mitspracherecht, sondern nur einen "Beobachterstatus" bei WTO, IWF und Weltbank gefordert wird17, dass selbst GATS- Verpflichtungen mit einigen "sozialen" Einschränkungen anerkannt werden18, und dass Forderungen nach weltweiter, gerechter Reichtumsverteilung19 dem Ziel der Bekämpfung der extremen Armut" Platz machen, welche wiederum durch höhere Entwicklungshilfe erfolgen soll20. Dies erkennt implizit den Reichtumsstatus Deutschlands und anderer Industrieländer an und stellt dessen ausbeuterische Grundlage mit keinem Wort in Frage. Wiedereinmal geht es nur darum, ein paar Krümel an die "Armen" zu verteilen, damit es ihnen nicht gar so schlecht geht und sie sich nicht etwa noch am Ende gegen ihre Ausbeuter und Unterdrücker mit der Waffe in der Hand zur Wehr setzen und so das Gleichgewicht unserer schönen heilen Welt stören.

Dass dieses Papier auf undemokratische Weise zustande gekommen ist, also von der Attac Führung ohne Rücksprache und bewusst gegen den Willen von Teilen ihrer Mitgliedschaft unterzeichnet wurde21, ist der Beweis für die Übernahme bürokratischer Methoden wie derjenigen unserer rot-grünen Regierung, die sich ja bekanntlich auch der Wirtschaft zu liebe ständig über den Willen ihrer Basis hinwegsetzt - siehe Agenda 2010. Da ist es nur die Krönung des Ganzen, dass der von der Attac Führung mit solchen Zugeständnissen umworbene DGB Chef Sommer, sich dann trotz Einladung auch von der Gegenseite, entschloss zum World Economic Forum in Davos zu fahren.22

Durch die undemokratische Art und Weise wie sich die Attac Führung hier präsentiert hat und durch ihr Abrücken von jedweder in irgendeiner Form "radikal" klingenden Forderung, reiht sich die Organisation in die "nicht ganz so goldene politische Mitte ein"23. Da rettet sie auch nicht die Vorbemerkung aus Attac Sicht in der gesagt wird, dass "die oft weitergehenden Forderungen aus der Attac-Erklärung keineswegs überholt sind, sondern natürlich weiterhin bestehen bleiben".24

Man kann strategische Bündnisse mit anderen Organisationen eingehen um bestimmte Ziele zu erreichen, aber diesen Bündnissen die eigenen Grundsätze unterzuordnen bzw. diese explizit zu leugnen ist politischer Verrat und wird auch dadurch nicht besser, dass man an anderer Stelle etwas anderes schreibt oder flammende Reden auf Demonstrationen schwingt. Die Organisation hat sich daher selbst als undemokratisch und verlogen entlarvt.

Auch die erhebliche Kritik aus den eigenen Reihen führte weder zu einem Umdenken noch zu einer Rücknahme der Unterschrift durch die Attac Führung.25 Dies kann eigentlich nur eine einzige Konsequenz haben, nämlich, dass diejenigen ihrer Mitglieder und Unterstützer, die sich tatsächlich für die Interessen der Arbeiter überall auf der Welt einsetzen wollen, die an echte Demokratie und nicht an Schmierenkomödie glauben, Attac den Rücken kehren und sich kritisch mit der Organisation auseinandersetzen müssen. Wer das nicht tut, und weiter "aus Kompromissgründen" in der Organisation verbleibt, ist offensichtlich ebenso wenig demokratisch und genauso opportunistisch und bürokratisch wie Attac selbst.

Aufgrund der anvisierten verschwommen - reformistischen Ziele, die sich der heterogenen Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft und deren widersprüchlichen Interessen ergeben, bildet Attac den rechten Flügel der Antiglobalisierungs-bewegung. Die Organisation versucht die, durch die explosive Mischung aus genereller Enttäuschung über die bürgerlichen Demokratien und tiefer Verunsicherung durch die immer schlechteren wirtschaftlichen Verhältnisse unter Jugendlichen und Arbeitern, freigesetzten Kräfte für sich zu nutzen und durch eine Politik zu hegemonisieren, die letztendlich nicht mehr als ein Durcheinander aus hilflosen Appellen an die "Politik" und faulen Kompromissen darstellt.
Trotz alledem sollten Revolutionäre auch solche Organisationen nicht aus den Augen verlieren, denn auch in Attac gibt es viele idealistische junge Menschen, die etwas verändern wollen und hoffen durch Attac wirklich etwas erreichen zu können. Es ist unsere Pflicht, zu versuchen, unter diesen die politisch fortgeschrittensten Elemente zu erreichen und für den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen. Allerdings ist es unumgänglich, alle Strömungen zu bekämpfen, die uns glauben machen wollen, dass unser heutiges, allein auf Ausbeutung und Profit ausgerichtetes System reformierbar sei. Die Entlarvung dieser kleinbürgerlichen und reformistischen Kräfte stellt eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen einer wirklich revolutionären Partei dar, da diese sich nur im schonungslosen Kampf gegen den Opportunismus entwickeln kann.

Noten:
1 Attac Vorstellung, S. 5
2 Attac - Wer wir sind und was wir wollen, S.2
3 Attac Vorstellung, S.5
4 ibid. S.6
5 Selbstverständnis von Attac, S. 1
6 Attac, Wer wir sind und was wir wollen, S.2
7 Attac - Vorstellung, S.12
8 ibid. S.12
9 Undemokratische Methode, S. 1,2
10 Globalisierung gerecht gestalten, S.2
11 ibid. S.10
12 ibid. S.2
13 Undemokratische Methode, S.1
14 Globalisierung gerecht gestalten, S. 2
15 ibid. S.4
16 ibid. S.7
17 ibid. S.6
18 ibid. S.7
19 Attac Erklärung, S.2
20 Globalisierung gerechter gestalten, S.2
21 Undemokratische Methode, S.1,3; Junge Welt, S.1
22 Junge Welt, S.2
23 Undemokratische Methode, S.1
24 Vorbemerkung aus Attac Sicht, S.1
25 Junge Welt, S.1


Quellen:

attac-Beilage zur taz vom 08.Nov. 2001

 http://www.attac-netzwerk.de/stuttgart. : Giegold, S., Klimenta, H., Stiefel, R. Attac-Vorstellung.
01.2003.

 http://www.attac.de/erklaerung/erklaerung.php : Attac - Erklärung. 26.05.2002

 http://www.attac.de/selbstverstaendnis/selbstverstaendnis.php: Attac - Selbstverständnis. 10.2001.

 http://www.hamburger-ilustrierte.de/w2d/hillu/international/report/globalisierungsgerechtigkeit :
Globalisierung gerecht gestalten. Gemeinsame Erklärung von Attac, VENRO und dem DGB.
12.2002.

 http://www.attac-netzwerk.de/debatte/dgb_ludwig.php : Ludwig, Claus. Undemokratische Methode.
06.01.2003

 http://www.attac.de/archiv/gemerkl.php "Vorbemerkung aus Attac - Sicht"

 http://www.jungewelt.de/public_php/drucken_popup.php?num=10&djahr=2003 :
Klas, Gerhard. Wohin geht ATTAC? In "Junge Welt". 17.01.2003.


Zukunft der Studentenproteste und Arbeiterbew

ft-europa 30.01.2004 - 12:36
Zukunft der Studentenproteste und Arbeiterbewegung

Und die Studenten bewegen sich doch!

Autoren: Anna Lehmann und Marc Turm
Dezember 2003
Eine Welle von Protesten geht in den letzten Monaten durch Deutschland. Arbeiter, Rentner, Arbeitslose, Studenten demonstrieren gegen den neoliberalen Großangriff der Bourgeoisie, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern und sogar den USA. Auch in den Halbkolonien wie Argentinien oder Bolivien gab es in letzter Zeit soziale Unruhen, deren Auslöser zunehmend die Privatisierung der Ressourcen und die Vergesellschaftung der Schulden der Kapitalisten sind.

Die Privatisierungsoffensive richtet sich jetzt auch in Deutschland gegen hier bisher "unantastbare" Grundbereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Bildung, Gesundheit, Wasser- und Stromversorgung.


In Deutschland gehen deswegen unter Anderen die Studenten auf die Straße, um gegen die Kürzungspakete an den Hochschulen, die Kürzungen im Bildungsbereich und den "sozialen Abbau" im allgemeinen zu protestieren. Was am Anfang klein und bescheiden anfing, breitete sich aus wie ein Lauffeuer. Auf Großdemonstrationen im ganzen Bundesgebiet tun die Studenten ihren Unmut über die von der Bundes- und Landesregierungen geplanten, einschneidenden Sparmaßnahmen im Bildungsbereich kund.

Uni Besetzungen, unter freiem Himmel gehaltenen Vorlesungen, Suppenausgabe an Bedürftige, Straßenblockaden, Besetzung von Ämtern sind nur einige Beispiele für die phantasievollen Proteste. So etwas haben wir im imperialistischen Deutschland schon lange nicht mehr gesehen.

Eine Analyse dieser Ereignisse ist notwendig, um Aussagen über die mögliche Entwicklung der Proteste und über deren Grenzen zu machen. In diesem Zusammenhang ist es unumgänglich, auch Positionen anderer Parteien und Organisationen kritisch zu betrachten.

Die Studentenproteste und die Antwort von Presse und Politikern

Während die Studierenden die Unis bestreiken, demonstrieren und sogar Straßen kurzzeitig blockieren, versuchen einige Politiker zusammen mit der bürgerlichen Presse, sowohl die Forderungen, als auch das Potential der Proteste herunterzuspielen.

Viele Studenten lassen sich dennoch nicht beirren: In Berlin z. B. wurde das Büro des Wissenschaftssenators, die PDS-Bundeszentrale und das Rote (sic!) Rathaus besetzt.

Die Antwort der Parlamentspolitiker ist entweder Stillschweigen oder auch zynisch Verständnis für die Forderungen der Studenten zu zeigen.

So hat z.B. die Bundesbildungsministerin, Edelgard Bulmahn (SPD), in einem Interview in der Saarbrücker Zeitung behauptet, sie würde die Studentenproteste verstehen1. Auch der Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS-Berlin) dessen Büro die Studenten besetzten, findet den Protest "verständlich" meint jedoch, dass er "zu spät" komme und auch der regierende Bürgermeister Berlins behauptet Sympathien für die Streikenden zu haben, er versteht den Streik sogar als "Auftrag für bildungspolitische Reformen".2

Als allerdings rund 1.000 Studenten in Frankfurt am Main eine Veranstaltung, in der Ministerpräsident Roland Koch (CDU) reden sollte, blockierten (25.11.2003) war es mit dem "Verständnis" der rechten Politiker vorbei. Wie der hessische Regierungssprecher Dirk Metz (CDU) zusammenfasste: Die studentische Proteste nähmen Formen an, die "nicht mehr akzeptabel" seien.3

Diese Herrschaften stehen mit ihrer Haltung allerdings nicht alleine, auch in der Presse ist viel vom Verständnis für den Unmut der Studenten zu lesen. Gleichzeitig wird jedoch versucht, durch angeblich tiefgehende Analysen und Kommentare, die Notwendigkeit der Reformen quasi als naturgegeben darzustellen.

In der "links-liberalen" Frankfurter Rundschau werden z.B. die angeblichen Gründe für die Bildungsmisere ausgeführt und nebenbei eine Kritik an die Adresse der streikenden Studenten gesandt, da diese nicht thematisieren, wie mit "weniger Geld zielgerichteter gelehrt werden kann"4 Es wird keine Zeile vergeudet um darauf aufmerksam zu machen, dass, während Arbeiter, Arme, Rentner und Studenten zur Kasse gebeten werden, die Konzerne Steuergelder in Milliardenhöhe hinterziehen und nebenbei riesigen Gewinne machen. In der Presse wird immer wieder nur auf andere Länder hingewiesen, in denen angeblich das Bildungssystem so toll funktioniert, gerade weil eben dort Studiengebühren erhoben werden.

Es wird künstlich versucht, einen Keil zwischen die demonstrierenden Studenten und die Bevölkerung zu treiben, indem Studenten, welche die Regelstudienzeit überschreiten kriminalisiert werden und die Forderungen der Studenten im allgemeinen als eine Zumutung für den Steuerzahler dargestellt werden.

Diese gemeinsamen Bemühungen von Presse und Politikern stellen eines ganz klar, trotz der vielen Solidaritätsäußerungen brauchen die Studenten von dieser Seite keine Hilfe zu erwarten.

Daher ist es wichtig, dass die Studenten kein Vertrauen in die bürgerlichen Politiker und in die bürgerliche Presse setzen. Diese werden immer versuchen alle Proteste, die sich nicht an die "Regeln" halten, entweder zu bagatellisieren oder ggf. zu kriminalisieren.

Radikalisierung der Protestformen und staatliche Repression

Bis am Donnerstag dem 04.12.verliefen die Proteste weitgehend friedlich und phantasiereich. An diesem Tag haben Studierende unter dem Motto "Essen mit der Elite" das Berliner Luxushotel "Maritim" belagert. 800 Studenten und auch einige Nicht-Studenten haben ihrer Ablehnung zur Einführung von Studiengebühren gegenüber den an diesem Tag dort anwesenden Gästen [Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Roland Koch (CDU), Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sowie Hartz, Rürup und Guido Westerwelle (FDP)] deutlichen Ausdruck verliehen.

Die Blockadeaktion vor dem Nobelrestaurant wandte sich ganz offen gegen die krasse Diskrepanz zwischen Luxus und Verschwendung auf der Seite der Politiker und der Vertreter des deutschen Kapitals und der Kürzungspolitik im Bildungs- und Sozialbereich, die nur darauf abzielt die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer zu machen. Die Aktion deutet auf eine Radikalisierung von Teilen der Studentenschaft hin, ist sie doch eine klare Kampfansage an die Regierungspolitik und die Ziele die von Politik und Kapital verfolgt werden.

Die Antwort der Polizei ließ nicht lange auf sich warten: Knüppeleinsatz und Pfefferspray. Seitdem greift die Polizei immer öfter zum Knüppel, z.B. wurden in Göttingen Studenten die die Uni-Aula besetzt hatten gewaltsam vertrieben, wobei einige über den Boden geschleift, getreten und geschlagen wurden. Auf einer Anti-Kürzungsdemo in Frankfurt am 13.12. mussten ein paar Studenten, die versuchten eine Strasse in der Innenstadt zu blockieren, ähnliche Erfahrungen machen.

Je radikalere Formen der soziale Protest annimmt und je mehr er die Schranken der Verfassung in Frage stellt, desto genauer werden wir in der Praxis erfahren, auf wessen Seite die Polizei steht. Dabei wird sich auch die Studentenbewegung spalten, denn die konzilianten Strömungen innerhalb der sich neu formierenden Studentenbewegung werden einen Rückzieher machen, wobei sie radikalere Protestformen verurteilen werden. Zum Teil kann man jetzt bereits sehen: Als bei der Abschlusskundgebung am 13. Dezember in Frankfurt ein Student alle Anwesenden aufforderte, den in der Innenstadt von der Polizei geknüppelten Studenten zur Hilfe zu kommen, wurde er direkt vom Podium entfernt und ein verantwortlicher AstA-Vertreter bezeichnete zwar den Knüppeleinsatz der Polizei gegen Studenten generell als unerfreulich, kritisierte jedoch hauptsächlich diejenigen Studierenden, die sich nicht an den Regeln halten ("wir haben den Weg der Demonstration klar festgelegt. Wer sich nicht daran hält, muss ja mit den Konsequenzen rechnen").

Der Trotzkismus und die Polizeigewalt

Einige trotzkistischen Parteien, wie z.B. die SAV, versuchen eine künstliche Trennlinie zwischen der "einkasernierten" und der "normalen" Polizei zu ziehen. Sie gehen davon aus, dass auch Polizisten zur Arbeiterklasse gehören, da auch sie lohnabhängig Beschäftigte sind. Sie verkennen dabei den Klassencharakter der Polizei.

Die Polizei ist und bleibt eine bürgerliche Institution, die darauf bedacht ist die wirtschaftlichen Interessen der herrschenden Klasse zu verteidigen. Die Polizei ist nichts anderes als ein Instrument der Bourgeoisie zur Wahrung der bestehenden Ordnung und zum Schutz der herrschenden Klasse vor Gefahren und verfassungsfeindlichen Aktivitäten. Diese Aufgabe muss sie unter allen Umständen, wenn nötig sogar mit Waffengewalt erfüllen. Daher wird sie immer wenn es drauf ankommt, zum Schutz von Regierung und Kapital mit der Waffe in der Hand gegen die Arbeiter und die Massen vorgehen. Es ist mehr als absurd, Polizisten als Teil der Arbeiterklasse zu betrachten, denn ihre ureigenste Aufgabe besteht darin, die Arbeiter daran zu hindern sich vom Joch der Ausbeutung durch den Kapitalismus zu befreien während sie deren Todfeinde zu schützen und ihre Pfründe zu sichern geschworen haben.

Eine zentrale Forderung Trotzkis in seinem Aktionsprogramm für Frankreich (1934) war die Auflösung der Polizei. Diese Forderung steht im krassen Gegensatz zur SAV Forderung nach einer gewerkschaftlichen Organisierung der Polizei. Der Sinn und Nutzen einer solchen ist nicht erkennbar, oder meint die SAV wirklich, dass die Polizei, nur weil sie gewerkschaftlich organisiert ist, plötzlich die Seiten wechselt und sich in den Dienst einer Arbeiterbewegung stellt? Dies scheint angesichts der Fundamente auf denen die Institution steht, doch mehr als zweifelhaft und mutet fast etwas naiv an.

Glauben sie wirklich, dass, durch die gewerkschaftliche Organisierung der Polizei, die Ordnungshüter durch den von der Gewerkschaft bzw. Gewerkschaftsverband ausgehenden Druck dazu gezwungen werden, nicht zu repressiven Maßnahmen gegen die im Kampf stehenden Arbeiter und andere Gruppen der Gesellschaft zu greifen? Wir glauben jedoch, dass diese Forderung das Problem nicht löst, denn die Gewerkschaften in ihrer heutigen bürokratischen Form, erlauben keine Basisdemokratie. Dadurch vertreten sie nicht die Interessen ihrer Mitglieder sondern ihrer Führung, welche denen der Arbeiter um 180° entgegengesetzt sind. Die Bürokraten tun alles Mögliche um dem "demokratischen Staat" zu zeigen, wie notwendig sie in Friedens- und Kriegszeiten sind, um sich einige Krümel vom Gewinn des Kapitals zu sichern. Eine zentrale Aufgabe für Revolutionäre ist dafür zu kämpfen, dass die Gewerkschaften ihre absolute Unabhängigkeit von Staat und Bourgeoisie wahren.

Die gewerkschaftliche Organisierung der Polizisten gibt der Bourgeoisie die Möglichkeit, die Arbeiterorganisationen von innen zu zersetzen. Ein Repressionsorgan des Staates hat dadurch die Möglichkeit die Entscheidungen der "Arbeitervertreter" im Interesse der Bourgeoisie zu beeinflussen.

Eine Partei, die von sich behauptet revolutionär zu sein, darf den Massen keine falschen Hoffnungen bezüglich der bürgerlichen Institutionen machen. Die Arbeiter brauchen keine Polizei "im Dienste der Werktätigen" sondern es sind die Arbeiter selbst, die Arbeitermilizen aufstellen müssen.

Nach Marx, Engels, Lenin und Trotzki besteht ein Erkennungsmerkmal einer proletarischen Revolution darin, dass sie, indem durch sie die Ausbeuter enteignet werden, die Notwendigkeit eines sich über die Gesellschaft hinaushebenden bürokratischen Apparats, vor allem der Polizei und des stehenden Heeres, beseitigt.5

Denn "die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eigenen Zwecke nutzen. Die zentralisierte Staatsmacht, mit ihren allgegenwärtigen Organen - stehende Armee, Polizei, Bürokratie, Geistlichkeit, Richterstand - Organe, geschaffen nach dem Plan einer systematischen und hierarchischen Teilung der Arbeit - stammt aus den Zeiten der absoluten Monarchie, wo sie der entstehenden Bourgeoisgesellschaft als eine mächtige Waffe in ihren Kämpfen gegen den Feudalismus diente.6

Eine revolutionäre Partei kämpft nicht dafür, die Gesellschaft weiter zu hierarchisieren bzw. der Bourgeoisie den Rücken zu stärken, sondern ganz im Gegenteil dafür, diese Hierarchisierung aufzuheben und die Bourgeoisie und ihre Institutionen für immer aus der Welt zu schaffen.

Kann die Gewerkschaft der Polizei auf der Seite der Demonstranten stehen?

Auf der Internet-Präsenz der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Berlin findet sich ein offener Brief, gerichtet an MitarbeiterInnen der Polizei, in dem die GdP sich mit dem Streik solidarisiert und diesen als legitim bezeichnet, solange die Demonstrationen friedlich verlaufen.

Dass die GdP sich vorstellen könnte sogar mit den Studenten gemeinsam gegen die Kürzungspläne der Regierung zu protestieren kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich dabei nicht um die selben Interessen handelt wie bei den Studenten. Um jeden Preis soll die Gefährdung des sozialen Friedens und dadurch der staatlichen Institutionen wie Parlament, Parteien, Gerichtsbarkeit, usw. vermieden werden, daher die starke Betonung auf den friedlichen Protest. Dies ist stellt einen Versuch seitens der Polizei dar, den Studentenprotest zu institutionalisieren, der darauf abzielt, ihn zu kontrollieren.

Die Reibungen zwischen den verschiedenen Institutionen des bürgerlichen Staates, wie z.B. die Demonstrationen der Polizei gegen die Maßnahmen der Regierung oder ihre Solidaritätserklärung mit den Studierenden, sind nur ein Zeichen dafür, dass sie in der Krise stecken bzw. in die Krise geraten sind. Die Polizei oder auch Teile von ihr aus diesem Grund als progressiv und als Alliierte im Kampf gegen die Kürzungspläne der Regierung und Opposition zu bezeichnen, ist kriminell.

Die Interessen der Polizei als Institution sind unvereinbar mit denen der großen Massen, denn wenn sie bessere Arbeitsbedingungen und mehr Mittel fordern, bedeutet das nur bessere Schlagstöcke, effektiveres Tränengas, mehr Mittel zur "Terroristenbekämpfung", etc. Anders gesagt die Polizei ist der Profi der Repression und der Hüter der bürgerlichen Ordnung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Forderung der Gewerkschaftspolizei das analoge Kommunikationsnetz durch ein digitales Netzsystem, das nicht weniger als drei Milliarden Euro kosten wird, zu ersetzen. Diese Forderung wird just zu einer Zeit "knapper oder leerer Kassen" und allgemeiner Kürzungsmaßnahmen im sozialen Bereich gestellt. Daher verstehen wir die Positionen der SAV nicht, wenn sie behauptet die Konditionen hätten sich geändert und die Polizei wäre nicht mehr das Zwangsorgan von Früher. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte die revolutionäre Führung sagen, was sie ist, und wie und wann sie dazu kam diesen "neuen" Charakter anzunehmen.

Vielleicht können sie uns auch erklären, inwiefern die gewerkschaftliche Organisierung der Polizei den italienischen Tram- und Busfahrern nutzt, die zur Zeit von den Gerichten und Polizei gezwungen werden unter Androhung von Strafen und Gewalt an ihre Arbeitsplätzen zurückzukehren.

Sollte die SAV recht haben, dann müssten Revolutionäre viele Aspekte des Marxismus revidieren.

Die Grenzen der Studentenproteste

Einige Studenten behaupten, dass die Universitäten nicht unterfinanziert wären, wenn man die großen Vermögen besteuern und das Geld nicht z.B. an eine Berliner Bankgesellschaft verschenken würde. Eine Rückgängigmachung der Körperschaftssteuerreform, die Einführung einer Vermögenssteuer und eine Erhöhung der Erbschaftssteuer sowie geringere Spitzensteuersätze wird gefordert. Dies erscheint auf den ersten Blick richtig und sehr progressiv, allerdings lenken sie nur vom eigentlichen Problem ab.

Diese Forderung sagt nichts darüber, wer diese fortschrittlichen Maßnahmen durchführen soll. Es ist mehr als offensichtlich, dass alle Parlamentsparteien nichts dafür tun, um das durchzusetzen. Im Gegenteil, sie versuchen sich gegenseitig zu übertreffen, indem sie sich tagtäglich neue Maßnahmen ausdenken, welche die Lebensbedingungen der Massen verschlechtern. Es reicht nicht nur die Misere anzuprangern, es muss auch gesagt werden, wie sie gelöst werden kann und wer dies auch durchführen soll.

Die geplanten Einsparungen an den deutschen Unis sind nur ein Teil der Kahlschlagpakete. Die Kürzungsdynamik ergibt sich aus der Logik des Kapitals, die gesamte Gesellschaft seinem Nutzen zu unterwerfen. Was in anderen Ländern schon bittere Realität ist, soll auch hier eingeführt werden. Der Staat zieht sich mehr und mehr aus seiner sozialen Verantwortung zurück und überlässt, um der vermeintlichen Effizienzsteigerung willen, dem Kapitalismus die Organisation der Gesellschaft nach den "heiligen" marktwirtschaftlichen Kriterien. Daher auch die Privatisierung von Gesundheitsfürsorge, Bildung, Rentenversicherung etc.

Diese ist für das Kapital notwendig und unumgänglich, denn es muss dem tendenziellen Fall der Profitrate irgendwelche Maßnahmen entgegensetzen. Dabei spielt das Herunterdrücken des Arbeitslohns unter seinen Wert eine sehr wichtige Rolle, denn dadurch kann das Kapital die Tendenz zum Fall der Profitrate aufhalten.

Die Wut eines großen Teils der Studenten richtet sich in erster Linie gegen die Einsparungen. Die Umstrukturierung der Universitäten nach marktwirtschaftlichen Kriterien an sich, wird jedoch von den Wenigsten in Frage gestellt. Viele Studierende sehen immer noch nicht die bestehende Verbindung zwischen den Einsparungen im Bildungssektor und im sozialen Bereich, was einige Studentenvertreter dazu veranlaßt hat, ihre Ablehnung gegen die Einführung von Semestergebühren zu signalisieren. Andererseits haben sie auch deutlich gesagt, dass sie nicht prinzipiell gegen die von der Regierung initiierten "Reformen" sind.

In diesem Kontext ist auch die äußerst knappe Entscheidung im überfüllten Audimax der FU-Berlin für die heftig umstrittene "Präambel zu sehen, nach der der Protest der Hochschule als Teil der sozialen Protestbewegung verstanden werden sollte".7

Trotz Wut und dem bisher geleisteten Widerstand sind viele Studenten noch nicht bereit, sich mit anderen Sektoren der Gesellschaft zusammen zu schließen. Sie sehen sich immer noch als die zukünftige Elite der Gesellschaft, die zu den künftigen Systemgewinnern gehören wird.

Daher ist es wichtig den Protest auszuweiten und den politischen Kampf innerhalb der Studentenschaft zu führen, damit die solidarischen Teile der Studentenschaft, die sich mit der materiellen und geistigen Verarmung an den Unis und in der Gesellschaft nicht abfinden wollen, eine politische Alternative geboten wird.

Machen wir uns den Slogan der argentinischen Arbeiter der Keramikfabrik Zanon zu eigen: "Solange Millionen um uns leiden, können wir uns nicht retten".

Auf dem Weg zu einer neuen Studentenbewegung!

Nachdem die Studenten in Berlin die PDS-Bundeszentrale ein Tag nach der Besetzung wieder verließen, war ihr politisches Bewusstsein nicht mehr das Gleiche wie zu dem Zeitpunkt als sie das Gebäude besetzten. Die Formulierung eines Sprechers der Studenten vor Ort "diese Partei (kann) kein aktiver politischer Verbündeter für die Forderungen der Studenten sein" spricht für eine Tendenz zur Radikalisierung der politischen Positionen innerhalb der Studentenschaft. Diese ist jedoch kein einheitlicher Prozess, da die Studenten weder eine einheitliche Gruppe innerhalb der Gesellschaft noch eine eigene Klasse darstellen.

Die Studenten teilen sich in verschieden Gruppen und ihre politische Aktivität ist eng mit der politischen Aktivität der verschiedenen Sektoren in der der Gesellschaft verbunden. Daher wird die Notwendigkeit der Radikalisierung der Protestformen und ihre Koordinierung mit den anderen Sektoren der Gesellschaft zur Zeit nur von einer kleinen Minderheit der Studentenbewegung verstanden. Es ist illusorisch zu glauben, dass plötzlich aus der Studentenbewegung eine einheitliche progressive politische Alternative entstehen könnte. Vielmehr wird es so kommen, dass mit der Zuspitzung der Proteste ein Teil dazu neigen wird, ähnlich wie bei den Gewerkschaftsbürokraten, Kompromisse zu akzeptieren um den "sozialen Frieden" an den deutschen Unis nicht zu gefährden.

Daher ist es wichtig, dass die progressivsten Elemente innerhalb der sich neu formierenden Studentenbewegung begreifen, dass ohne die schonungslose Kritik an alle reformistischen, karrieristischen und konzilianten Strömungen kein einziger Schritt vorwärts getan ist.

Märsche und Proteste allein reichen nicht aus, um das Sparvorhaben der Regierung und der Länder zu stoppen. Es ist unbedingt notwendig, die Zusammenarbeit zwischen Arbeitern, Studenten und Arbeitslosen (siehe Demo in Wiesbaden oder in Braunschweig am 02.12.) voranzutreiben und zu vertiefen. Nur indem sich die Studenten auch die Forderungen der Arbeiter, Arbeitslosen, Immigranten und Rentner zu eigen machen und mit diesen Gruppen gemeinsam für das Scheitern der "Reformen" sowie den Fall der Regierung kämpfen, kann das Vorhaben von Regierung und Kapital gestoppt werden. Daher betrachten wir die vielen verabschiedeten Uniresolutionen, die auf eine solche Perspektive hinzielen, als einen Schritt in die richtige Richtung.

Was wir brauchen ist eine Studentenbewegung, die die Sorgen der Arbeiterklasse teilt. Die politisch aufgewecktesten Studenten müssen alles daransetzen, dass der große Teil der Studierenden seine individualistische Sichtweise der Dinge ändert. Was eine gerechte Gesellschaft nicht braucht, sind eben die Karrieristen und Zyniker, die die Menschen als ein Produkt ansehen, das ihnen für ihren beruflichen Erfolg dienen soll. Die Studenten müssen ihre Kenntnisse in den Dienst der historischen Aufgabe der Arbeiterklasse stellen: den Sozialismus. In der Fusion der marxistischen Intellektuellen und der revolutionären Arbeiterklasse liegt der Schlüssel zur endgültigen Aufhebung der kapitalistischen Ungerechtigkeit.

Keine Studienkonten!!!

Keine Studiengebühren!!!

Kein Numerus-clausus!!!

Keine Eliteuniversitäten!!!

Für eine Neue, im Dienste der Arbeiterklasse stehende, Studentenbewegung!!!

Fussnoten

1 "Von Etat-Kürzungen für Unis kann ich nur abraten". Saarbrücker Zeitung vom 27.11.2003

2 "Aufruhr gegen den Sparminator". Frankfurter Rundschau vom 1.12.2003

3 Studierende auf die Barrikaden. JungeWelt vom 27.11.2003

4 Ebda.

5 L. Trotzki. Die Verratene Revolution. S. 51 (Programm und Wirklichkeit). Unterstrichene Stelle ist von uns

6 K. Marx: Der Bürgerkrieg in Frankreich, S. 87. (vgl. MEW Bd. 17, S. 336)

7 Streik, Streik, Streik. jungeWelt vom 25.11.2003