Bundestag berät Repression gegen das Internet

W.Buchenberg 15.01.2004 09:07 Themen: Indymedia Medien Netactivism Repression
Zugang zu relevanten Informationen ist eine grundlegende Voraussetzung für Emanzipation und Selbstbestimmung.
Das Internet ist als leichtzugängliche und umfassende Informationsquelle ein basisdemokratisches Medium. Unsere Machthaber brauchen kein Internet. Sie unterhalten (mit unseren Steuergeldern) Nachrichten- und Informationsdienste und sie monopolisieren sich eigene "Intranets".
Zugang zu relevanten Informationen ist eine grundlegende Voraussetzung für Emanzipation und Selbstbestimmung. Die soziale Emanzipation, d.h. Selbstverwaltung und Selbstbestimmung in einer herrschaftsfreien Gesellschaft basiert auf der Zugänglichkeit aller wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Informationen für alle Gesellschaftsmitglieder. Die Herrschenden und ihr Staat bauen nicht nur ihren Repressionsapparat ständig aus, sondern versuchen auch immer, gesellschaftlich und wirtschaftlich relevante Informationen durch Geheimhaltung zu monopolisieren.

Das Internet ist als leichtzugängliche und umfassende Informationsquelle ein basisdemokratisches Medium. Die Machthaber brauchen kein Internet. Sie unterhalten (mit unseren Steuergeldern) Nachrichten- und Informationsdienste oder sie monopolisieren sich eigene "Intranets". Als begrenzter Personenkreis, der ständig Kontakt untereinander hält, können sie ständig Meinungen und Informationen in ihren Gremien und in ihrer Freizeit austauschen.

Das Internet ist die technisch entwickelte Form eines römischen Forums oder germanischen Things: Es ermöglicht basisdemokratische Willensbildung. Es erleichtert die direkte Beschlussfassungen in Volks- und Vollversammlungen und die direkte Einflussnahme durch Protest- und Kampfaktionen. Mit einem Wort: Das Internet ist eine Gefahr für das System.

"War doch der letzte Grund, womit der Klassenunterschied verteidigt wurde, stets: Es muss eine Klasse geben, die sich nicht mit der Produktion ihres täglichen Lebensunterhalts abzuplacken hat, damit sie Zeit behält, die geistige Arbeit der Gesellschaft zu besorgen. Diesem Gerede, das bisher seine große geschichtliche Berechtigung hatte, ist durch die industrielle Revolution der letzten hundert Jahre ein für allemal die Wurzel abgeschnitten.“ Friedrich Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 220f.

Die Attentate in New York vom 11. September geben ebenso wie der Missbrauch einiger Minderheiten, die das Internet z.B. für den Austausch von Kinderpornos nutzen, für die Staatsbehörden den Vorwand ab, das Internet flächendeckend und umfassend zu überwachen. Jeder, der einen Computer besitzt, ist schon ein potentieller Kinderschänder oder ein Staatsfeind.
Heute wird im Bundestag ein weiterer, repressiver Gesetzentwurf gegen die Internetnutzer eingebracht. Dazu schreibt die Financial Times von heute, 15.1.2004:

"Überwachung in Deutschland
In Europa haben Ermittler vor allem nach dem 11. September mehr Möglichkeiten erhalten, das Internet zu überwachen. Das deutsche Anti-Terror-Gesetz verpflichtet die Anbieter seit 2002, den Geheimdiensten und der Polizei Zugang zu ihren Netzen zu geben. Die Provider müssen die Verbindungen und den E-Mailverkehr bei Nachfrage offen legen.
Der Rechtsausschuss des unionsdominierten Bundesrates will die Telekommunikationsanbieter nun auch dazu verpflichten, alle Verbindungsdaten für mindestens sechs Monate zu speichern. Das sind in erster Linie Telefonnummern, die bisher in der Regel gelöscht werden, wenn der Kunden die Rechnung bezahlt hat. Höchstens dürfen sie sechs Monate gespeichert werden. Aus dieser Höchstfrist soll nun eine Mindestfrist werden.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz befürchtet, dass bei Internet-Nutzern neben den Telefonverbindungen auch E-Mails und die Adressen von besuchten Websites gespeichert werden sollen. "Wir gehen davon aus, dass auch IT-Adressen als Verbindungsdaten zu werten sind", sagte Pressesprecher Peter Büttgen. "Das heißt, man könnte verfolgen, wer wo im Internet gesurft ist."
(...)
Der Gesetzesentwurf geht am heutigen Donnerstag (15.01.04) im Bundestag in die erste Lesung und wird dann zunächst an die Ausschüsse verwiesen. (...)"

W.Buchenberg, 15.1.04
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Ergänzungen

Auch Frankreich orientiert sich an China

Maxx 15.01.2004 - 12:20
Während in den USA über Lizenz- und Patentrecht versucht wird, die Freiheit des Internets zu beseitigen, orientiert sich Europa scheinbar mehr an der chinesischen Lösung des Problems unkontrollierter Kommunikation. Beispiel: Frankreich

Frankreich will die Internetanbieter zwingen, mit den jeweils modernsten elektronischen Filtern zu verhindern, dass ihre Kunden illegal Musikwerke, Pornos oder rassistische Inhalte ins Netz stellen. Der Gesetzentwurf wurde bereits von der Nationalversammlung verabschiedet und liegt jetzt im Senat.
 http://www.heise.de/newsticker/data/anw-13.01.04-007/

Das alles ist natürlich nur der erste Schritt, der Fuß in der Tür. Anfangs gehts immmer nur gegen Kriminelle und Terroristen.
(ähnliches Beispiel:  http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16497/1.html)

Der worst case kommt wohl nicht

Daniel Rödding 15.01.2004 - 18:57
Zu den heute stattgefundenen Beratungen gibt es bereits erste Ergebnisse in der Presse zu finden, so z. B. bei heise unter

 http://www.heise.de/newsticker/data/jk-15.01.04-011/

Im Bereich der sog. "Vorratsdatenspeicherung" zeichnet sich damit ab, daß wohl nicht der worst case einer globalen, präemptiven Überwachung eintreten wird. Auch rechne ich nicht damit, daß die Direktzugriffsmöglichkeiten staatlicher "Bedarfsträger" auf Telekommunikationsanlagen gegenüber dem bestehenden Ist-Zustand noch ausgeweitet werden. Es kann - und in diesem Punkt ist der Branchenverband BITKOM ausnahmsweise mal nützlich - durchaus plausibel dargelegt werden, daß bei einer Güterabwägung zwischen Grundrechten, Aufwand auf Betreiberseite und Erfolgen bei Strafverfolgung definitiv kein Ergebnis herauskommt, welches eine Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen rechtfertigen würde.

Da man in anderen Bereichen wie z. B. Spam und Dialer über die vergangenen Jahre in der Politik ansonsten erfolgreich bewiesen hat, daß man nicht nur nicht lernfähig, sondern auch noch hochgradig faktenresistent ist, erwarte ich auch keine bahnbrechenden "Geistesblitze" aus der weiteren Debatte.

Anwendern, die sich vor derzeit ja schon möglicher Schnüffelei weitgehend schützen wollen sei angeraten, insbesondere E-Mail nicht auf den Server eines Großproviders mit eigener Leitungsinfrastruktur zu verwalten. Wer als Dienstebetreiber nämlich eigene physikalische Teilnehmerleitungen (z. B. Telefonanschlüsse) unterhält fällt unter das TKG, und mit der angehängten TKÜV bestehen dort bereits heute weitreichende Überwachungsbefugnisse.
Systembetreiber, die über keine eigene physikalische TK-Infrastruktur fallen, sind weitgehend von der Vorhaltung fernsteuerbarer Überwachungseinrichtungen befreit. Das bedeutet, daß bei diesen Systemen eher keine Massenüberwachung zu erwarten ist. Davon unberührt gibt es für den Staat allerdings immer die Möglichkeit, per richterlichem Beschluß von einem Provider Daten einzufordern.

killing me softly

everybody 15.01.2004 - 19:35
Massenüberwachung geht ja noch;
zuviel Geheimpolizei sorgt oft, wie im vorrevolutionären Frankreich,
für erhebliche Unruhe -
die DDR ging trotz erheblicher Datensammlungen von uns -
aber wie sichern wir uns vor Myriaden von Wissenschaftlern,
die unsere Netzgewohnheiten bis ins kleinste Detail erforschen,
um uns dann, mit der richtigen Dröhnung Sound und Licht versehen,
in das verhexen, was wir garantiert nie werden wollten.

größere Bedrohung

elfboi 20.02.2004 - 01:11
Ich denke, die momentan noch in Arbeit befindlichen EU-Gesetzesentwürfe zur Reglementierung digitaler Medien sowie die Bestrebungen der Industrie, den User zu entmachten, sind wesentlich gefährlicher.
Hierzu auch mein Artikel:  http://de.indymedia.org/2004/02/75237.shtml

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Hallo Wal — ein Mod

Ohne HTML-Code! — W.Buchenberg

Hallo Wal — ein sehr verplanter Mod