Erklärung der BUKO zur Campräumung

BUKO 16.08.2003 15:46 Themen: Antirassismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) zur Räumung des 6. Antirassistischen Grenzcamp in Köln
Das international mobilisierte 6. Antirassistische Grenzcamp in Köln ist am Samstag, den 9. August von einem massiven Polizeiaufgebot eingekesselt, unter Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken angegriffen und de fakto aufgelöst worden. Etwa 350 TeilnehmerInnen wurden zum vorübergehenden Gewahrsam abtransportiert, weitere circa 150 Personen wurden direkt vor Ort erkennungsdienstlich behandelt.

Den Eingekesselten wurde bei 40 Grad Hitze zeitweise das Wasser abgedreht, Strom- und Telefonleitungen wurden gekappt. Viele standen bis zu 17Stunden im Polizeikessel.

Die Auflösung des Grenzcamp, eingeleitete Strafverfahren und die massenhaften Erfassung durch erkennungsdienstliche Behandlung sind die Zuspitzung eines staatlichen Kontroll- und Verfolgungsinteresses, das sich bereits seit Campbeginn in der ständigen Polizeipräsenz, Kamera- und Richtmikrofonüberwachung sowie permanenter Observation von Personen aus der Grenzcampvorbereitung zeigte. Der Einsatz zielt in seiner politischen Dimension auf die völlige Delegitimierung und Unsichtbarmachung des Widerstandes gegen herrschende Abschottungspraxis und Verwertungslogik. Die europaweite Mobilisierungskraft der Grenzcamps musste, so scheint es, irgendwann durch den Staat unterbunden werden.

Besonders hervorgehoben werden muss die Situation der Flüchtlinge, die an dem Camp teilgenommen hatten. Viele von ihnen hatten sich der Residenzpflicht widersetzen müssen, um nach Köln fahren zu können. Ihnen drohen nun Geldstrafen, Schikanen an Ihren Aufenthaltsorten, abernatürlich auch Abschiebung.

Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) verurteilt den gewaltsamen Angriff auf das Grenzcamp und die massenhafte erzwungene erkennungsdienstliche Behandlung der Camp-TeilnehmerInnen. Der Polizeieinsatz und die Strafverfolgungen können nur als das verstanden werden, war sie sind:

Kriminalisierung und Angriff auf die antirassistische,
internationalistische Bewegung.

Der politische Widerstand, der sich in der Grenzcamp-Bewegung zusammenfindet, hat zurecht in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit und Zulauf erhalten. Die Camps sind ein Ort für politische Diskussion und Aktion, für Vernetzung auch über die BRD hinaus und für Austausch über lokale und weltweite Erfahrungen und Initiativen.

Der polizeiliche Angriff auf das Grenzcamp ist ein Angriff auf uns alle

Aber es ist ja nicht nur das Grenzcamp. Die Verhältnisse in einer mehr und mehr enteigneten Welt, die einer selbstbestimmten Aneignung durch ihre BewohnerInnen permanent vorenthalten wird, mahnen den Staat und all die von ihm geschaffenen Institutionen zur Vorsicht. Widerstand, der sich gegen die tagtägliche, gewaltsame soziale Ausgrenzung und Vernichtung von Existenzgrundlagen richtet, muss im Keim erstickt werden. Das politische Klima erlaubt keine ideologischen Experimente und die Zeiten, in denen eine politische Alternative noch zumindest in Gedanken erlaubt war, scheinen vorbei. Alle Versuche der Rückgewinnung von Autonomie gegen Unterdrückung und Fremdbestimmung sollen durch sog. Terrorismusbekämpfung, durch neue polizeilichen Überwachungs- und Sicherheitskonzepte, durch Grenz- und Migrationsregime oder eine globale Durchsetzung neoliberaler Rückzugsstrategien der Nationalstaaten aus sozialer Fürsorge angegriffen und geschwächt werden.

Herrschaft rüstet sich zu, angesichts der gefahrvollen Unbeherrschbarkeit sozialer Bewegung gegen weltweite kapitalistische Globalisierung, Abschottung, Ausgrenzung, Ausbeutung, Vorenthaltung und Entrechtung. Diese unvorhersehbaren, spontanen Kämpfe sind Ausdruck eines Unwohlseins, eines Gefühls, dass etwas ganz Entscheidendes auf dieser Welt falsch läuft - und dass keine Regierung und keine Partei dieser Welt das Vertrauen verdient, etwas grundsätzlich anderes, besseres zu wollen.

Diese Kämpfe sind nicht ideologisch diszipliniert. Sie bilden keine weltweite Bewegung, und sicher ist das noch nicht der große Wurf; aber es werden gemeinsame Wünsche und Ideen geteilt. Die Beteiligung erfolgt aus freien Stücken, aus freier Wut und Ungeduld. Die Motivationen in Göteborg, Genua, Seattle, im Wendland, in Buenos Aires, Evian, Köln, Straßburg, Larzac, Porto Alegre oder demnächst in Cancun mögen unterschiedliche sein, aber sie haben dies eine gemeinsam: eine politische Praxis, die Dissidenz und Widerstand nicht nur für den eigenen Vorgarten bereithält, sondern dabei ein Verständnis von globalen Zusammenhängen und internationalistischer Solidarität entwickelt. Der Blick ist zu weit und der Atem zu lang, als dass sie nicht eine Gefahr darstellen würden für diejenigen, die sich im Status quo eingerichtet haben und der Mehrheit der Menschheit den Platz am gemeinsamen Tisch verweigern.

Die in der Bundeskoordination Internationalismus BUKO engagierten Gruppen, Organisationen und Menschen stehen für linke, offene, herrschaftskritische Debatten und Mobilisierungen. Deshalb halten wir den solidarischen Bezug und die Auseinandersetzung zwischen der Grenzcamp-Bewegung und anderen libertären internationalistischen Bewegungen für wichtig und nötig.


Die BUKO verurteilt den Angriff auf das Antirassistische Granzcamp nicht etwa nur deshalb, weil eine befreundete Bewegung Opfer staatlicher Repression geworden ist, sondern weil dieser Angriff vor allem uns allen gilt - allen, die den rassistischen Alltagskonsens angreifen; allen, die europaweite und weltweite Abschottung und Ausgrenzung verurteilen; allen, die sich gegen Disziplinierung und Gleichmacherei zur Wehr setzen; allen, die widerständig sind für eine gerechte Welt.


Schafft 1,2,3 viele Grenzcamps!

Für eine lebendige, radikale, fröhliche und widerständige Bewegung!



Bundeskoordination Internationalismus (BUKO)

August 2003
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Ergänzungen