GATS-Protestaktion: Beispiel Kolumbien

Regina 14.06.2002 01:05 Themen: Bildung Globalisierung Militarismus Soziale Kämpfe
Arbeiter protestieren gegen die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen in Cali, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, Januar 2002
Andy Higgenbottom, Co-ordinator, Colombia Solidarity Campaign, UK

Weihnachten 2001 besetzten hunderte von Gewerkschaftsmitgliedern, einschließlich des gesamten Vorstands der Sintraemcali-Gewerkschaft das städtische Zentral-Verwaltungsgebäude (CAM) um gegen die Privatisierung ihres Arbeitgebers Emcali zu protestieren, welche die nationale Regierung Kolumbiens erzwingen will. Emcali ist eine regionale staatliche Gesellschaft, die Cali mit Elektrizität, Wasser und Telekommunikation versorgt.
Am 24. Dezember, als die Arbeiter von Sitraemcali sich mit ihren Familien und Freunden auf Weihnachten freuten, kündigte Koumbiens Superintendent der öffentlichen Dienste die Entlassung von Juan Manuel Pulido, dem Generalmanager von Emcali an. Pulido wurde ersetzt durch Oscar Halim Reveiz, einem ehemaligen Manager der Gesellschaft, der in eine Reihe von Korruptionsuntersuchungen aufgrund eines Bestechungsskandals während seiner Leitung von 1987-1988 verwickelt war.
Am nächsten Tag besetzten mehrere hundert Arbeiter den CAM-Tower, wie das mehrstöckige Verwaltungsgebäude der Gesellschaft in der Stadtmitte, genannt wird. 400 schwerbewaffnete Polizisten und Armeepersonal umringten daraufhin das Gebäude.
Diese Entlassung hat die langfristigen Vereinbarungen zwischen der Gewerkschaft und dem Superindenten der öffentlichen Dienste gebrochen und stoppte den 8-Monatsplan, der zwischen Pulido und Sintraemcali beschlossen worden war.
Der Rettungsplan, unterstützt von Cali´s Bürgermeister Jhon Maro Rodriguez hatte begonnen, die Korruption im Management der Gesellschaft auszurotten und die Effizienz der Dienstleistungen an Privathaushalte und Firmen zu verbessern. Bis zu diesem Tag waren die Ergebnisse beeindruckend gewesen und die Gesellschaft fing an sich von ihrer finaziellen Krise zu erholen, ohne daß es dabei wie bei Privatisierungsprojekten in anderen Regionen Kolumbiens zu massiven Preissteigerungen an die Verbraucher kam. Das größte Problem für jedes Management von Emcali ist der Schuldenberg, den die Gesellschaft mit sich trägt.
Privatisierungsversuche von Emcali haben ihren Ursprung in der neoliberlaen wirtschaftlichen Umstrukturierung, die das Land in den 90ger Jahren traf. Dies führte zu Rekordanstiegen in der Arbeitslosigkeit (20%) und in der Armut (60%). 1998 spitzte sich ein harter Kampf in einer 17-tägigen Besetzung zu, währenddessen die CAM-Arbeiter gegen gewalttätige Polizei, Hunger und Nötigung kämpften. Diese Besetzung endete erst, als zwischen dem Superintendenten der öffentlichen Dienste, dem Bürgermeister und der Sitraemcali-Gewerkschaft eine Vereinbarung geschlossen wurde. Sie beinhaltete die Ernennung Juan Manuel Pulidos zum Generalmanager. Er ist Verwaltungsexperte im öffentlichen Dienst mit einem hohem Maß an Transparenz und Ehrlichkeit.
Trotz fortgesetzter Staatsrepression, wodurch in den letzten drei Jahren 6 Gewerkschaftsführer und Aktivisten ermordet wurden und unzählige Morddrohungen, Mordversuche und erzwungene Versetzungen stattfanden ist es jetzt der Gewerkschaft gelungen, die Gesellschaft vor dem gierigen Griff der nationalen und transnationalen Investoren zu verteidigen.
Sitraemcali kam am 27.November zu einer Krisensitzung mit einem Vertreter des Innenministeriums zusammen. Die Gewerkschaft forderte, daß eine Ministerial-Kommission eingerichtet würde, die einen Schutz der Subventionen der Emcali-Dienstleistungen an die Niedriglohngruppen gewährleisten würde. Die Nationalregierung sagte, daß sie der Gewerkschaft nicht vor nächstem Mittwoch, dem 2.Januar antworten wolle.
Mittlerweile fanden in Cali´s ärmeren Distrikten Demonstrationen statt, die die Besetzung der Gewerkschaft unterstützten. Über ein Telefon aus dem besetzten Gebäude rief der Präsident der Gewerkschaft Sintraemcali, Alexander Lopez am 28. Dezember nach nationaler und internationaler Solidarität bei unserem Kampf gegen die Privatisierung auf. Er forderte, daß auf die kolumbianischen Autoritäten Druck ausgeübt würde und eine unabhängige Korruptions-Untersuchungskommission eingerichtet werden muß. Alexander Lopez forderte auch Menschenrechtsgarantien für die Sitraemcali-Mitglieder und begründete den Protest:
,,Wir nehmen unser legitimes Recht auf friedlichen und sozialen Protest gegen ein neoliberales Modell wahr,
das Millionen von Kolumbianern in die Armut treibt,
das wertvolle natürliche Ressourcen zerstört,
und das der Mehrheit der Kolumbianer ein Leben in Frieden und Würde nimmt."
Die Würde des Kampfes der Gewerkschaft SINTRAEMCALI gegen Privatisierung und für eine Gesellschaft mit sozialer Gerechtigkeit drückt sich in den Worten eines der Rechtsanwälte der Gewerkschaft, Eduardo Umana Mendoza aus, der 1998 von Paramilitärs ermordet wurde: ,,Es ist besser für etwas zu sterben, als für nichts zu leben."



Die Medien warnen die Bevölkerung vor ,,Terroristen"
2 Beispiele aus der Zeitung El Pais

Aus El Pais vom 26.01.02
(2 Ausschnitte eines längeren Artikels)
,,Ab morgen werden Truppen der dritten Armeebrigade einen Rettungsplan für die Stadt umsetzen um mögliche Terroristenattacken gegen die städtische Infrastruktur und die öffentlichen Dienste zu verhindern. Im Einverständnis mit der Entscheidung des Sicherheitsrats werden alle Fabriken, Kommandostellen und Betriebe der öffentlichen Dienste von der Armee übernommen werden. (militarisiert werden). Gleichzeitig hat die städtische Polizei einen Plan entwickelt alle öffentlichen Gebäude, Straßen und Brücken zu schützen. Die Armee und die Polizei werden Straßensperren und Kontrollpunkte auf den Einfallstraßen der Stadt errichten und an strategischen Stellen in der Stadt Kontroll- und Registrierungsstellen installieren. Auf dem Land, insbesondere in den gebirgigen Bezirken wird es permanente Armeekontrollen geben."

,,Öffentliche Aufforderungen (veröffentlicht in El Pais am 26.01.02)
1. Nehmen Sie nicht an Märschen, Versammlungen, Zusammenkünften oder Protestaktionen teil (dies wird im Abschnitt ,,allgemeine Maßnahmen" ausdrücklich verboten)
2. Schicken Sie Ihre Kinder nicht zur Schule (im Abschnitt allgemeine Maßnahmen wird bekannt gegeben, daß sämtliche Schulen geschlossen bleiben)
3. Tragen Sie Sportschuhe, für den Fall, daß sie lange Strecken zu Fuß gehen müssen, wenn das öffentliche Transportwesen gestoppt werden sollte.
4. Gehen sie früher zur Arbeit als üblich
5. Parken Sie Ihr Fahrzeug nicht auf einer Hauptstraße, da es von den Autoritäten stillgelegt würde.
6. Berichten sie den Autoritäten so schnell wie möglich von jeder seltsamen Aktion, von der Sie erfahren
7. Bleiben Sie aufmerksam für neue Aufforderungen und Intruktionen seitens der Autoritäten.
8. Berichten Sie den Autoritäten über die Anwesenheit von verdächtigen Menschen, oder von Menschen, die sich in der Nähe Ihres Zuhauses oder Arbeitsplatzes sich verdächtig verhalten."



Ausschnitt aus einem der vielen Flugblätter anläßlich der Besetzungsaktion
,,`Sintraemcali´, die Gewerkschaft der Emcali-Arbeiter, die Vereinigung für Soziale Forschung und Aktion ,,Nomanesc", und die versammelten Organisationen der Nationalen und internationalen Menschenrechtskampagnen gegen Privatisierung, Korruption und gegen die Kriminalisierung der sozialen Protests, gemeinsam prangern wir vor der nationalen und internationalen Gemeinschaft die Medien, die gegen die permanente Versammlung der Emcali-Arbeiter hetzen an und teilen mit, daß die allgemeine Bevölkerung unseren friedlichen Protest im CAM-Gebäude unterstützt."

............,,Die Menschen in Cali, die Emcali-Arbeiter und die Gerkschaftsführer von SITRAEMCALI handeln zur Verteidigung des Allgemeinwohls der Menschen im Cauca-Valley. Was die Herrschenden nicht berichten ist, daß die Gemeinschaft mittels friedlicher Demonstrationen und Kulturveranstaltungen ihre Ablehnung jeglicher die Privatitisierungsvorhaben im allgemeinen zum Ausdruck gebracht hat. Der Versuch die Gewerkschaften mit Rebellen-Gruppen in Verbindung zu bringen ist Teil eines schmutzigen Krieges, den der kolumbianische Staat organisiert um soziale Anführer zu militärischen Zielen zu machen. Die SITRAEMCALI-Gewerkschaft verteidigt mit Unterstützung der lokalen Bevölkerung, Gewerkschaften und sozialen Organisationen auf friedliche Art und Weise die öffentlichen Dienste zum Wohle der Allgemeinheit..........."

No to Privatisation! No to Price Increases! Yes to a high Level Anti-Corruption Commission!
National and International Human Rights Campaign against Privatisation, Corruption and the Criminalisation of Social Justice!


Solidarity from around the World
Mario Novelli Augenzeugenbericht update Nr.8 (Ausschnitt)

Solidaritätsbekundungen aus der ganzen Welt erreichten die Menschenrechtsabteilung von SINTRAEMCALI. Gestern erhielten wir Unterstützungsschreiben der Zentralen Arbeitervereinigung aus Indonesien, von der norwegischen sozialistischen Partei und einer anti-imperialistischen Organisation auf den Philippinen. Während einer farbenfroher Jugenddemo mit hunderte von Schulkindern, werden eine Volksbank und 4 Meter hohe Marionetten zur Verteidigung der öffentlichen Dienstleistungen durch die Straßen getragen. Dabei sprach mich ein Italiener an, der sich vorstellte mit den Worten: ,,Claudio, von der Anti-kapitalistische Bewegung in Genua, Italien. Wir fangen an zu fühlen, daß die Welt anfängt zu begreifen, was diejenigen im CAM-Tower bereits wissen: Hier handelt es sich um einen historischen Kampf.


Sieg für Sintraemcali und die Menschen in Cali
Mario Novelli, Colombia Solidarity Campaign, UK
From inside the CAM-Tower, Eyewitness update No 13 (Ausschnitt)

Am 29.Januar wurde eine Vereinbarung von der kolumbianischen Regierung, dem Bürgermeister von Cali und der Gewerkschaft Sitraemcali unterzeichnet und die derzeit 35-tägige Besetzung des Cam-Towers beendet.
Die Vereinbarung erfüllte vollständig die 3 Forderungen der Gewerkschaft, die seit dem 25.Dezember den CAM-Tower besetzt hatten und eine Reihe von Aktivitäten entfaltet hatten um dafür zu sorgen, daß EMCALI EICE ESP eine öffentliche Gesellschaft bleibt. Diese Vereinbarung stellt einen kompletten Sieg für die Arbeiter von EMCALI dar. Sie garantiert, daß die Gesellschaft nicht privatisiert wird, daß es dieses Jahr (2002) keine Preissteigerungen geben wird und daß eine hoch angesiedelte Anti-Korruptionsuntersuchung all jene Menschen vor Gericht bringen wird, die in den vergangenen Jahren, Geld der öffentlichen Dienste in ihre eigenen Taschen gestopft haben.
Nach einigen Tagen höchster Anspannung, die drohten in einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den Arbeitern und den Sicherheitsdiensten in Cali und in Bogota zu enden, begrüßen jetzt alle Betroffenen eine friedliche Lösung. Daß diese Lösung dabei gleichzeitig auch gerecht ist, verdankt man der Strategie der Gewerkschaftsführer, dem Mut aller Beteiligten Aktivisten innerhalb und außerhalb des CAM-Towers und den Solidaritätsbekundungen von Gewerkschaftlern und AktivistInnen auf der ganzen Welt insbesondere in Großbritannien.

Möge dieser Sieg all jene ermutigen, die sich eine friedliche und sozial gerechte Welt wünschen. Es ist an der Zeit die Herrschaft der Reichen und Mächtigen anzugreifen. Wenn es in Kolumbien möglich ist, dem für Gewerkschaftler und Aktivisten gefährlichsten Land der Welt, dann ist es überall möglich.


Amnesty International Report von ihrer aktuellen Webside
Am Morgen des 11. Februar 2002 fuhr Julio Galeano seine Frau Viviana Maria Villamil mit dem Motorrad zur Arbeit. Berichten zufolge wurden sie von Männern auf einem anderen Motorrad angehalten, die Julio Galeano zunächst ins Gesicht schossen und dann drei weitere Schüsse auf ihn abgaben, als er bereits auf dem Boden lag. Er war sofort tot, seine Frau konnte fliehen. Julio Galeano war Gemeindesprecher und früher Mitglied von SINTRAEMCALI. Sowohl er als auch Viviana Maria Villamil waren aktiv an der von SINTRAEMCALI organisierten 36-tägigen Besetzung des städtischen Hauptverwaltungsgebäudes von Cali (25. Dezember 2001 bis 31. Januar 2002) beteiligt. Die Besetzung fand im Rahmen der von SINTRAEMCALI geführten Kampagne gegen die Privatisierungsvorhaben (Strom- und Wasserversorgung. Abwässer und Fernmeldeeinrichtungen) statt. Während der Besetzung wurden Mitglieder der Gewerkschaft und deren Unterstützer von Vertretern der Sicherheitskräfte in der Presse beschuldigt, mit bewaffneten Oppositionsgruppen in Verbindung zu stehen. Ziel dieser "terroristischen Verschwörung" sei, die Stadt ins Chaos zu stürzen. Die von der Armee unterstützte paramilitärische Organisation "Vereinigte Selbstverteidigungsgruppen von Kolumbien" (Autodefensas Unidas de Colombia - AUC) hat die Mitglieder von SINTRAEMCALI nach der Besetzung ebenfalls zu "paramilitärischen Zielen" erklärt.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN Von Amnesty International
Die Streit- und Sicherheitskräfte und ihre paramilitärischen Verbündeten bezeichnen Gewerkschafter, Menschenrechtsaktivisten, Mitglieder der legalen Oppositionsgruppen und andere sozial engagierte Menschen seit Jahren als Guerillakollaborateure oder -unterstützer. Die Personen, denen sie solches vorwerfen, werden dann häufig schikaniert, gefoltert oder getötet. Die Täter dieser Menschenrechtsverletzungen sind in vielen Fällen Paramilitärs. Der "Internationale Bund Freier Gewerkschaften" (International Confederation of Free Trade Unions - ICFTU) berichtet, dass im Jahr 2001 mehr als 160 Gewerkschafter in Kolumbien ermordet wurden und dass Schikanierungen und Gewalt weit verbreitet sind. Dem kolumbianischen Gewerkschaftsdachverband CUT zufolge sind in diesem Jahr bereits 20 Gewerkschafter getötet worden.


Recherche, Auswahl und Übersetzung von Regina Schwarz
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Ergänzungen

MODS!

d 14.06.2002 - 04:26
huhu!
und mal wieder ins feature :)
dangge (auch fuer den bericht)

Argentinien

Berliner 14.06.2002 - 04:55
Momentan schauen ja die wenigen Linken in Deutschland, die noch Utopien haben nach Argentinien. Was wenige wissen (ich auch erst seit heute durch einen amnesty international- Stand), ist die Tatsache, daß während der Militärdikatur in Argenitinien genau wie in Kolumbien die großen Konzerne (bei amnesty gings um Daimler Benz) Gewerkschafter ermorden lassen. Sobald es das politische Klima zulässt, ist das scheinbar die normale Politik der großen Konzerne. Merkwürdig finde ich, daß das so besonders in Lateinamerika abläuft. Insofern belibt schlimmes für Südosteuropa zu befürchten, wenn Chomsky recht mit seiner "Leteinamerikanisierungs"-These Südosteuropas.
Sind die Gedanken, die mir so gerade kamen.
Danke für die Kraft und den Mut nach Kolumbien!