Vereint gegen spanische Massenprozesse

Ralf Streck 26.04.2005 13:32 Themen: Repression Weltweit
Erneut haben Tausende im Baskenland für die „zivilen und politischen Rechte“ aller demonstriert.  http://de.indymedia.org//2005/03/108230.shtml Konkret hat sich der Marsch am Samstag in Gasteiz (span. Vitoria) gegen Massenprozesse des spanischen Staats gerichtet, die im Rahmen des Verfahrens mit dem „Aktenzeichen 18/98“ geführt werden.  http://de.indymedia.org//2005/02/106270.shtml Seit 1998 wurden Parteien, Wählerlisten, Organisationen und Kommunikationsmedien verboten, weil sie nach Lesart des Ermittlungsrichters Baltasar Garzón zur Unterorganisation ETA gehörten. Konkret richtete sich der Marsch gegen den ersten gescheiterten Prozess gegen die Jugendorganisationen, der gerade zu Ende geht.
Zu der Demonstration in der kleinsten baskischen Metropole, hatte die „Plattform 18/98+“ aufgerufen, in der sich Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik vereint haben, um auf den verdeckten Ausnahmezustand hinzuweisen, mit dem die Grundrechte auf Organisations- und Meinungsfreiheit geschliffen werden und „Ideen kriminalisiert“ werden.  http://de.indymedia.org//2005/02/107592.shtml Angeschlossen hatten sich alle baskischen Parteien und die spanische Vereinte Linke (IU), sowohl alle baskischen Gewerkschaften und viele Gruppen und Einzelpersonen.

Es kam dem beliebten Musiker Mikel Urdangarin zu, das Abschlussmanifest zu lesen. Er erinnerte, von dem in Einzelprozesse zerlegten Makroverfahren seien 221 Personen betroffen. Es habe massive „Inhaftierungen“, „Schließung von Zeitungen“ und „glaubhafte Folteranzeigen“ gegeben. 18 Personen aus Gasteiz seien angeklagt, sieben noch heute inhaftiert. Deren Angehörigen führten die Demonstration mit ihren Fotos an. Alle hätten ihr „politisches, soziales und kulturelles Projekt öffentlich vertreten“, sagte der Musiker und klagt an: „Mit der These, alles sei ETA“, würden Menschen der Mitgliedschaft in ihr beschuldigt, die „keinen Kontakt zur ihr hatten“. Gemäß der Anklage müssten sie nicht einmal von ihrer Mitgliedschaft gewusst haben und zudem werde kein „kriminelles Verhalten“ der Beschuldigten spezifiziert.

Die Demonstration war eilig anberaumt worden, weil der erste Prozess im Rahmen des Makroverfahrens vor dem Nationalen Gerichtshof nun zu Ende geht. 42 Jungendliche waren vor dem Sondergericht angeklagt worden, Führer drei verbotener Jugendorganisationen und Mitglieder oder Unterstützer der ETA zu sein.  http://de.indymedia.org//2005/03/108228.shtmlSeit Januar hat der Prozess reihenweise Besonderheiten zu Tage gefördert und die Anklage musste etliche Schlappen hinnehmen. Der Versuch eilige Urteile zu bekommen, bevor im März bei einigen die Höchstdauer von vier Jahren Untersuchungshaft abgelaufen war, schlug fehl.  http://de.indymedia.org//2005/01/103368.shtml Die angeblichen ETA-Mitglieder mussten frei gelassen werden, sie führten die Demonstration an.

Offen wurde, dass sich die Anklage auf zum Teil 30 Jahre alte Dokumente und einer These stützt, die ETA hätte die Jugendorganisation Jarrai (Weitermachen) gegründet. Die wurde ohnehin erst verboten, als es sie schon ein Jahr nicht mehr gab. Alle Zeugen auch der Aussteiger und Ex-Führungsmitglied der ETA, José Luis Alvarez Santacristina, betonten die Autonomie von Jarrai, die nie der ETA untergeordnet gewesen sei. Hätten sich einzelne daraus in die ETA integriert, sei das eine persönliche Entscheidung gewesen.

Der Prozess ist längst gescheitert. Das kann auch daran abgelesen werden, dass der Staatsanwaltschaft Enrique Molina von den Richtern letzte Woche eine neue Definition von „Terrorismus“ forderte, die sich dem Prozess anpasse. Statt Freispruch aus Mangel an Beweisen, forderte er die Richter zur Rechtsbeugung auf. Er sagte: „Sie müssen dieses Konzept in der herrschenden Legalität entwerfen, weil das bestehende nicht dient“. Gemeint war, die Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Molina führte Urteile des Obersten Gerichtshofs an, dass bisher die Mitgliedschaft über Waffenbesitz oder direkte Kontakte zu der jeweiligen Organisation definiert.

Bei keinem der Angeklagten kann ein solcher Nachweis erbracht werden. Statt zu beweisen, sollen die Thesen eines dubiosen Ermittlungsrichters übernommen werden, die der in Regierungszeit der ultrarechten Volkspartei (PP) von der PP annahm. Schon jetzt ist somit klar, dass zwei Zeitungen, ein Radio und eine Zeitschrift, Organisationen und Parteien verboten wurden, ohne den Nachweis erbringen zu können, dass sie Teil der ETA sind. Obwohl sie auf Antrag Spaniens auf die EU-Terror-Liste gesetzt wurden, sind alle bis heute im französischen Baskenland weiter legal tätig. Die Verteidigung forderte Freispruch und forderte die Richter auf, „eine politische Entscheidung nicht juristisch abzusegnen“.

© Ralf Streck, Gasteiz den 24.02.2005
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