Stuttgarter Verhältnisse und die Aktionen gegen rechte Allianzen - Antirepressionsinfo der Roten Hilfe
Stuttgarter Verhältnisse und die Aktionen gegen rechte Allianzen
Egal ob Hamburg, Berlin oder Stuttgart gegen fortschrittliche Aktivist_innen fährt die Polizei meist einen besonders restriktiven Kurs. Die von Hardlinern geforderte Null-Toleranz-Linie wird in Stuttgart sowohl am Tag selbst als auch in den Nachwirkungen mit hohem personellen Aufwand verfolgt. Besonders deutlich wird das beim Vorgehen gegen die Proteste und Aktionen der letzten Monate. Bevor wir jedoch näher darauf ein-gehen, geben wir zuerst einen allgemeinen Überblick über die Stuttgarter Verhältnisse.
Stuttgarter Verhältnisse und die Aktionen gegen rechte Allianzen
Egal ob Hamburg, Berlin oder Stuttgart gegen fortschrittliche Aktivist_innen fährt die Polizei meist einen besonders restriktiven Kurs. Die von Hardlinern geforderte Null-Toleranz-Linie wird in Stuttgart sowohl am Tag selbst als auch in den Nachwirkungen mit hohem personellen Aufwand verfolgt. Besonders deutlich wird das beim Vorgehen gegen die Proteste und Aktionen der letzten Monate. Bevor wir jedoch näher darauf ein-gehen, geben wir zuerst einen allgemeinen Überblick über die Stuttgarter Verhältnisse.
Null-Toleranz-Linie der Stuttgarter Polizei auf der Straße
Gespürt hat die Null-Toleranz-Linie fast schon jede / r, die / der für fortschrittliche Politik und gegen reaktionäre Aktivitäten wie beispielsweise Kundgebungen von Neonazis, Rassisten, Rechtspopulisten oder homophoben Hetzern in Stuttgart auf die Straße geht. Willkürliche Vorkontrollen, martialisches Auftreten der Polizei, Polizeikessel oder permanentes Filmen sind da nur einige Bei-spiele. Kritische Journalist_innen werden massiv eingeschüchtert. Wer sich der Konfrontation entziehen will, hat nur die Möglichkeit zu Hause zu bleiben und / oder im vorauseilendem Gehorsam auf Grundrechte zu verzichten. Eine gut ausgerüstete und mit einem klaren Feindbild auftretende Polizei kann tun und lassen was sie will. Selbst der völlig überzogene Einsatz am 30.09.2010 im Stuttgarter Schlossgarten hatte kaum Konsequenzen. Entsprechend rücksichtslos und selbstbewusst treten die Einheiten auf. Die Hemmschwelle zur Gewalt ist sehr gering. Der Einsatz von Schlagstöcken, Quarzsand-handschuhen oder Pfefferspray wird häufi-ger und kann schwere Verletzungen verursachen. Verschlimmert wird dies durch ständig wechselnde, meist junge und unerfahrenen Polizeieinheiten. Deren erste praktische Ein-sätze sind von Unsicherheit und damit verbundenen gefährlichen Unberechenbarkeit geprägt. Das wird dann von allen Seiten gefilmt. Daher droht nach dem Ärger auf der Straße auch noch eine Menge lästiger Papierkrieg und sonstige Repressalien.
Null-Toleranz-Linie der Stuttgarter Behörden: Anzeigen, Strafbefehle und Gerichtsverfahren
Egal ob Kundgebung, Demonstration, oder Info stand, bereits die Auflagen der Versammlungsbehörde unterliegen dem Dogma der Null-Toleranz-Linie und zielen meist da-rauf ab, Aktionen oder Versammlungen ihrer Attraktivität und ihrer positiver Außen-darstellung zu berauben. Einer kritischen und juristischen Betrachtung halten vieler dieser teils absurden Auflagen jedoch nicht stand. So sind zwar Lockerungen erstreit-bar, trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit für die anmeldende Person ein Bußgeld wegen angeblichen Verstößen gegen Auflagen verordnet zu bekommen sehr hoch. Doch nicht nur für Anmelder_innen, sondern auch für Teilnehmer_innen ist die Repression stets unmittelbarer Begleiter. Fast jegliche Art des Handelns kann als passiver oder aktiver Akt des Widerstands gewertet werden und verbale Reaktionen können als Beleidigung aufgefasst werden. Ermöglicht werden solche Verfahren durch übermotivierte Einsatz-kräfte, die routinemäßig solche vermeintliche „Vergehen einfach bestätigen“, um so ihren Beitrag zur Null-Toleranz-Linie bei-zutragen. Wegen Nichtigkeiten werden Verfahren eingeleitet. Zur „falschen“ Zeit am „falschen“ Ort gewesen zu sein, reicht aus, um von Ermittlungsverfahren überzogen zu werden. Die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei zeichnet sich hier durch einen hohen Ermittlungseifer aus. Mit immensem Aufwand werden Anhaltspunkte gesucht, um Anklagen zu konstruieren, welche von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft dankbar aufgegriffen werden, die trotz angeblicher Überlastung immer wieder Zeit findet, wegen Nichtigkeiten Prozesse zu führen, um legitimen Protest zu kriminalisieren.
Die Proteste gegen die „rechten Allianzen“ – ein Rückblick
Am 01.02.2014 glich das Auftreten der Polizeikräfte einem unorganisiertem Hühner-haufen. Die meist jungen Einheiten waren mit der Lage überfordert. Durch einen über-motivierten Polizisten erlitt ein Fotograf einen Kreuzbandriss. Die Veranstaltung der „rechten Allianz“ konnte nicht nur gestört, sondern auch blockiert werden. Der Verlauf des Einsatzes veranlasste den Leiter zu einer für alle hörbaren Manöverkritik. „Ihr habt Scheiße gebaut!“, fasste er das Scheitern zusammen. Einen Monat später am 01.03.2014 prügelten in mehreren Wellen die eingesetzten Beamten die Demonstrationsroute für die „rechte Allianz“ frei. Ein Beamter trat durch besonders brutales Vorgehen in den Vorder-grund – mit einem Faustschlag brach dieser Beamte den Kiefer eines Gegendemonstranten. Weiterhin wurde durch das Kesseln von Gegendemonstrant_innen der Protest nicht nur erschwert, sondern teilweise nicht ermöglicht. Am 05.04.2014 wurden bereits im Vorfeld mehrere Aktivist_innen in Gewahrsam genommen und zur erkennungs-dienstlichen Behandlung gebracht. Auch das Auto, welches Material für eine angemeldete Kundgebung transportierte, wurde penibel kontrolliert. Mehrere Aktivist_innen wurden auf dem Anreiseweg von der Polizei abgepasst, an der Teilnahme einer angemeldeten Kundgebung gehindert und mit Platzverweisen für die gesamte Stuttgarter Innenstadt bedacht. Zwei erfolgreiche Sitzblockaden wurden aufgelöst und fast alle Aktivist_in-nen wurden zur Wache gefahren. Mit über 70 Ingewahrsamnahmen und willkürlichen Platzverweisen wurde wieder einmal die Taktik der Behörden und Einsatzkräfte deutlich. Den Stuttgarter Verhältnissen treu bleibend wird jetzt wild ermittelt, kriminalisiert und es werden Verfahren eingeleitet. Insbesondere die Zuhilfenahme von Foto-sammelmappen bei sämtlichen politischen Aktivitäten ist in dieser Qualität eine neue Entwicklung.
Tausche Überwachung gegen Versammlungsfreiheit – Das „Polizei-Sammel-Album“
Am 05.04.2014 wurde erstmalig der Einsatz des „Polizei-Sammel-Albums“ beobachtet. Seitdem ist es bei Demonstrationen wie beispielsweise am ersten Mai oder zu Blockupy immer wieder in Erscheinung getreten. Wer in dem Album gelistet ist und so als „Störer“ erkannt wird, findet sich meist auf der Wache zur erkennungsdienstlichen Behandlung wieder. Aufgrund von Nichtigkeiten wie das vermeintliche Stören von Versammlungen wird hier ein immenser Aufwand betrieben, um legitimen Protest zu kriminalisieren. Meist werden die Betroffenen erst nach Ende der Proteste freigelassen. Die Versammlungsfreiheit scheint hierbei keine Rolle zu spielen. Die Kriminalisierung ganzer De-monstrationen wird nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern durch das zusät-liche Schüren von Angst weiter befeuert. Diese Praxis bedarf starker Kritik!
Zum Vergleich: Am 10.04.2011 gab es in Winterbach einen Brandanschlag von Neonazis auf eine Feier von Migrant_innen. Nach einer kurzen Personalienkontrolle wurden alle Nazis auf freien Fuß gelassen. Da drängt sich der Eindruck auf, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Das ist nicht einmalig – das hat System!
Die Polizei – Kein Freund und Helfer!
Die steigenden Fälle von Polizeigewalt, das provokante Verhalten der Polizei im Einsatz, sowie das immer aggressivere Auftreten zeigen deutlich, dass das Bild vom Freund und Helfer nicht nur veraltet, sondern falsch ist. In der Anonymität der Masse treten sie meist vermummt und gewaltbereit in Erscheinung. Mit Sätzen wie „Mir ist kein Fall bekannt, in dem bei Verfehlungen nicht heraus kam, wer es war,“ verhöhnt der Landesvorsitzenden der GdP nicht nur alle Opfer von Polizei-gewalt, sondern versucht so auch noch die Kennzeichnungspflicht der Polizei zu verhindern. Die Beteiligung am Ku-Klux-Klan, Naziaufkleber in Mannschaftsbussen der Bereitschaftspolizei und bereits beschriebene Messen mit zweierlei Maß lässt da leicht den Eindruck entstehen, dass der Polizeiapparat mehr als nur auf dem rechten Auge blind ist. Wer sich gegen Repression nicht wehrt, muss damit rechnen, dass sich die Repressionsspirale weiter dreht. Ob die momentane Praxis ein Wendepunkt oder nur ein Zwischenschritt darstellt, liegt letztlich auch am Widerstand, der sich solchen Maßnahmen entgegenstellt. Es wird sich zeigen, ob auch in Stuttgart „Gefahrengebiete“ oder andere repressive Maßnahmen eingeführt wer-den. Der Blick ins Ausland oder auf andere Gebiete zeigt, dass der Handlungsspielraum der Behörden noch nicht ausgeschöpft ist. Solange in Medien und Politik die Presseberichte der Polizei unkommentiert übernommen werden und jegliche Repression einfach so hingenommen wird, scheint die Null-Toleranz-Linie nicht wirklich in Bedrängnis.
Tipps und Tricks der Roten Hilfe Stuttgart
Egal was passiert: Bleibt ruhig. Lasst euch nicht einschüchtern. Viele von euch besitzen ein Handy (bzw. ein Smartphone), eine Digitalkamera oder sogar eine Videokamera. Viele nehmen zumindest ihr Handy mit auf Demonstrationen. Dies ist sicherlich sinnvoll, wenn es um einen Anruf beim Er-mittlungsausschuss (EA) geht. Auf der an-deren Seite wird das Handy auch von vielen genutzt, um Aufnahmen oder Fotos zu machen. Wir empfehlen: Wenn ihr zu Demos, Kundgebungen oder Ähnlichem geht, lasst Kameras und Smartphones zu Hause, löscht am besten eure Kontaktdaten und schaltet die Geräte aus. Solche Geräte wurden schon häufig beschlagnahmt und wurden für weitere Kriminalisierungen genutzt. Kontrolliert eure Taschen und sortiert alles aus, was ihr nicht braucht, bevor es in einer Vorkontrolle der Polizei beschlagnahmt wird. Wenn es zu einer Kontrolle kommt, ist dies kein Grund zur Unruhe. Die Demo wird nicht vor Ende der Schikanen starten. Lasst euch nicht provozieren oder zu Beleidigungen hinreißen! Bei jeder Demo könnt ihr sicher sein, dass ihr nicht allein gelassen werdet! Der Ermittlungsausschuss (EA) ist bei Aktionen und Demonstrationen erreichbar. Den EA könnt und sollt ihr im Falle einer Festnahme und anderen Arten von Repression anrufen. Er informiert gegebenenfalls einen Rechtsbeistand und behält den Überblick über die Ingewahrsamnahmen und andere Arten von Repressionen. Deshalb ist es wichtig, nicht nur Festnahmen zu melden, sondern auch wenn man wieder freigelassen wird. Als Rote Hilfe unterstützen wir euch mit dem Papier-kram im Anschluss. Lest unsere Broschüren, schreibt uns eine E-Mail und kommt zu un-seren Beratungen. Bei der Identitätsfeststellung seid ihr nur verpflichtet, Angaben zu eurer Person zu machen, d. h.: Name, Adresse, Geburtsdatum und ungefähre Berufsangabe (Arbeiterin, Angestellter, Studentin, Erwerbsloser). Kein Wort mehr! Nichts über Eltern, Schule, Firma oder Wetter, einfach gar nichts. Es gilt: Anna und Arthur halten’s Maul!
Unsere Antwort auf Ihre Repression!
Getroffen hat es einige – gemeint sind wir alle! Wir lassen uns nicht spalten und nicht einschüchtern. Vorladungen wandern in den Papierkorb, DNA-Proben werden verweigert. Prozesse werden solidarisch begleitet. Wir fordern alle auf, die Stuttgarter Verhältnis-se nicht schweigend hinzunehmen! Unter-stützt oder organisiert vielfältige Aktionen gegen Repressionsversuche! Beteiligt euch an Aktionen und an den Prozessbegleitungen! Organisiert Solidaritätsaktionen oder spendet auf unser Konto mit dem Stichwort: „Gegen Rechte Allianzen“.