Keine Haft für Kohlekraftwerksblockade - und ein paar Gedanken dazu

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Im April letzten Jahres hatte das Amtsgericht Grevenbroich eine*n von uns zu einer 9-monatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt - ein Urteil, das in der Klimagerechtigkeitsbewegung für einigen Aufruhr und zumindest nach unserer Wahrnehmung auch für eine durchaus beabsichtige Abschreckung sorgte. Jetzt wurde das Urteil durch das Landgericht Mönchengladbach aufgehoben und relativiert. Wir wollen mit diesem Text ein paar Einschätzungen dazu abgeben und euch ermuntern, weiter aktiv zu sein, auch trotz drohender Repressionen.

Was ist passiert?

Im November 2021 blockierten etliche Aktivist*innen parallel zur COP26 in Glasgow die Schienen zum Kohlekraftwerk Neurath, an insgesamt vier verschiedenen Aktionsorten und mit allerlei unterschiedlichen Ankettvorrichtungen. Viele von ihnen verweigerten die Personalien und verbrachten volle 7 Tage im Gewahrsam der Polizei. Im Anschluss wurden insgesamt vier Personen identifiziert, teils über Personalienangabe, Bekanntheit bei der Polizei und auch über eine Öffentlichkeitsfahndung auf Anweisung der Staatsanwaltschaft, welche in den letzten Jahren immer häufiger eingesetzt wird.

Drei der Verfahren liegen vor dem Amtsgericht Grevenbroich, dort wurden mittlerweile zwei Personen von Richterin Dr. Zieschang zu 9-monatigen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Ohne Bewährung, weil sie sich weigerten, sich von der Aktion zu distanzieren. Einer dritten Person steht ein ähnliches Urteil bald bevor, der Prozess hat am 15. Januar begonnen. Eine vierte Person wird vor dem Amtsgericht Bergheim angeklagt, dort wird gerade noch auf den Ausgang eines anderen Verfahrens gewartet. Gegen die absurd hohen Strafen wurde Berufung eingelegt, bei der ersten Person wurde die ab Oktober 2023 verhandelt und jetzt sprach das Landgericht Mönchengladbach ein Urteil: Die Richterin und die Schöff*innen dort sahen ebenfalls eine Störung öffentlicher Betriebe, auch wenn bei der Beweisaufnahme etliches nicht aufgeklärt werden konnte. Die Gefahr für das Klima ist für sie nur abstrakt, deshalb besteht aus ihrer Sicht kein rechtfertigender Notstand, welcher die Tat rechtfertigt. Die nicht vorbestrafte Person wurde zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt (3600 €).

Auch diese immer noch hohe Strafe werden wir nicht einfach akzeptieren, deshalb wurde gegen das Urteil Revision eingelegt. Denn kämpfen lohnt.

Geld und Unterstützung

Natürlich sind 120 Tagessätze, in diesem Fall 3600 € Geldstrafe immer noch viel, mehr als in den meisten vergleichbaren Fällen verhängt wurde, aber etwas in dem Rahmen womit wir gerechnet haben. Wir freuen uns natürlich über Spenden, damit diese Kosten solidarisch getragen werden. Spenden können überwiesen werden an

Spenden & Aktionen,
DE29 5139 0000 0092 8818 06,
Betreff: "AntiRRR (Block Neurath)" - wichtig anzugeben damit das Geld ankommt!.

Bei Geldstrafen ist das immerhin möglich und wir sind auch zuversichtlich, dass das klappt.

Die Prozesse sind noch nicht vorbei und es ist immer besser (auch wenn es nicht um Haft geht), wenn Menschen nicht allein vor Gericht stehen. Kommt also auch gerne weiter zu unseren Prozessterminen um uns zu unterstützen, ihr findet sie immer aktualisiert hier - genauso wie Prozessberichte zu fast jedem der einzelnen Prozesstage.

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Abgeschreckt?

Auch in ihrem Plädoyer am Landgericht meinte die Staatsanwaltschaft, dass eine Haftstrafe aus "spezial- und generalpräventiven" Gründen unbedingt erforderlich sei. Um das zu übersetzen: Spezialprävention meint dass wir als Täter*innen direkt von weiteren Aktionen abgeschreckt werden sollen. Und mit Generalprävention ist gemeint, dass andere abgeschreckt werden sollen. Sehr unverhohlen wurde hier also geäußert, dass es genau darum geht, ein Exempel zu statuieren. Und nicht anders sind auch die Urteile des Amtsgerichts Grevenbroich zu verstehen, es sollte ein Exempel statuiert werden, sodass niemand mehr auf den Gedanken kommt, Kohleausstieg oder Klimaschutz in die eigenen Hände zu nehmen.

Das Traurige ist: Es hat ein Stück weit funktioniert. Nach dem Urteil waren wenige von unseren Freund*innen noch motiviert, weitere Blockaden in Angriff zu nehmen. Die Vorstellung, im Knast zu landen war für viele ein Hindernis und das Urteil hatte genau diese Ängste geschürt. Auch bei uns. Wie langfristig unser Umgang damit gewesen wäre oder vielleicht mal sein wird, je nachdem was die Zukunft bringt: Wir wissen es nicht.

Wir wollen an dieser Stelle ein paar der Ängste auch euch wieder nehmen: Bloß weil ein Amtsgericht irgendeine absurde Entscheidung trifft, heißt es nicht, dass es dabei bleibt. Der Staat bestraft Abweicher*innen, Störer*innen, Menschen, die selbst entscheiden, das ist korrekt, verurteilt werden wir. Aber vieles geht eben doch aushaltbar, Geldstrafen können wir gemeinsam tragen. Und viele sind unerkannt entkommen (yeah!).

Der Staat versucht immer wieder, Exempel zu statuieren. Es ist mies, das Gefühl zu haben, dafür herhalten zu müssen. Die Angst haben zu müssen, im Knast landen zu sollen für eine doch offen angelegte Aktion (auch wenn es dann doch hoffentlich anders kommt) und das Problem mit den daraus resultierenden Stimmungsschwankungen umzugehen. Und doch haben wir auch eine Menge gewonnen: Freund*innen (denn das Gericht hat uns enger zusammen geschweißt als es viele andere Situationen gekonnt hätten) und die Erfahrung von Solidarität. Das Lächeln auf unserem Gesicht, als wir in einem Bekenner*innenschreiben einer Sabotageaktion erwähnt wurden. Die Wärme von so vielen Menschen von nah und fern, die jeden Prozess begleitet haben. Die neuen Bekanntschaften aus Grevenbroich. All die netten Nachfragen und Unterstützungsangebote von mehr oder weniger Vertrauten. Spaß und überforderte Polizei mit einer kleinen Sitzblockade oder einer Anti-Kohle-Ralley. Die überraschende Unterstützung von ungewohnter Seite. All das auch, weil wir uns entschieden haben, mit dem Prozess und den Bedrohungen von staatlicher Seite gemeinsam und offen umzugehen, zu mobilisieren, darüber zu kommunizieren und dabei keinem Versprechen einer milden Strafe gegen unser Schweigen nachgegeben haben.

Am meisten können wir unserer Einschätzung nach gewinnen, wenn wir uns eben auch nicht von einzelnen, hohen Strafen einschüchtern lassen, Repression und ihre Wirkungen gemeinsam bekämpfen, über unsere Ängste diskutieren, kollektiv handeln, uns nicht spalten lassen.

Also lasst uns wieder aktiv werden und weiter die Strukturen aus Fossillobby, Automobilismus, Kapitalismus, Neokolonialismus usw. bekämpfen!

Block Neurath 4

 

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