[B] A100: Mahnwachenpause und Perspektiven

Jemensch von Vielen 17.01.2013 15:14 Themen: Soziale Kämpfe Ökologie
Dauermahnwache nach 2 Wochen ausgesetzt – Baumbesetzung bleibt - Kuchenstand immer Sonntags 15 Uhr – Wie soll das alles enden?
Vor 14 Tagen, in der Nacht zum 03.01. haben autonom-stadtpolitisch Aktive und Leute von Robin Wood eine Pappel auf der geplanten A100-Trasse besetzt und angefangen, eine Mahnwache am Boden aufzubauen. Die folgenden 2 Wochen bis heute lassen sich getrost als kleiner Teilerfolg abbuchen: Nach einem breiten Medienecho am ersten Tag fingen allmählich Leute an, einzutrudeln, um sich über das Projekt zu informieren, sich zu vernetzen, die Aktion auf ihre Weise zu unterstützen und teilweise auch wiederzukommen. Inzwischen lässt sich auch auf den einschlägigen Treffen gegen die A100 ein deutlicher Zulauf feststellen.

Nach knapp 2 Wochen haben sich die Initiatoren des Ganzen entschlossen, keine Dauermahnwache mit ständiger Präsenz mehr zu betreiben. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen hat die Mahnwache ihre Funktion erfüllt: Aufmerksamkeit schaffen, Leute informieren und zusammenbringen. Vielleicht ist es sogar gelungen, einen neuen Kampfzyklus gegen den Autobahnausbau anzustoßen. Andererseits muss gesagt werden, dass die Kerngruppe für eine dauerhafte Besetzung etwas klein war. Sie konnte sich zwar vor Sachspenden und verbaler Solidarität kaum retten, Leute vor Ort die halbwegs verbindlich mitmachen wollten, kamen aber leider zu vereinzelt dazu. (Und trotzdem ein großes Dankeschön an Alle, die sich eingebracht haben!)

Die Bäume werden weiterhin besetzt gehalten, die gesamte Infrastruktur über dem Boden bleibt bestehen. Ausgebildete KletterInnen, die mal eine Nacht oben pennen wollen, sind immer sehr willkommen.
Es soll auch weiterhin einen Ort des Protests und Widerstandes, der Information und Vernetzung auf der geplanten Großbaustelle geben. Daher wird ab sofort jeden Sonntag um 15 Uhr zu Feuer, Suppe, Kuchen und Kaffee geladen. Die Besetzung findet sich Nahe der Kreuzung Grenzallee / Neuköllnische Allee, nicht weit vom S-Bahnhof Köllnische Heide.


Grundsätzlich stellt sich da die Frage, wie der Widerstand gegen die A100 jetzt weitergehen kann und soll. Praktisch hat sich gezeigt, dass die Aktionsform Besetzung auf einiges Interesse und vielfach auf Sympathie gestoßen ist, auch wenn das Winterwetter einige abgeschreckt haben dürfte. Letzteres dürfte sich aber im Laufe der nächsten Monate ändern, und vielleicht sind dann ja ein paar Aktive mehr mit von der Partie…
Aber auch theoretisch lohnt es sich für linksradikale, emanzipatorische Kräfte das Wollknäul A100 einmal aufzurollen. Es geht hier nur teilweise um Umweltthemen, wie Verlust von Stadtgrün und Belastungen durch Lärm und Abgase. Unter diesen wiederrum dürfte der Klimawandel eine prominente Rolle spielen. Schließlich steht der Ausbau des Autobahnnetzes und die als Folge prognostizierte Zunahme des individuellen Autoverkehrs für eine Verkehrspolitik, die den Verwertungsbedingungen der Bau- und Autoindustrie Vorrang vor dem Stopp des menschgemachten Klimawandels gibt. Kapitalverwertung hat Vorrang vor dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen – nicht gerade kapitalismusuntypisch, hier aber sehr sinnfällig und betongrau-konkret auf den Punkt gebracht.
Dieses Primat der Verwertung ist auch der Schlüssel, um einen Zusammenhang zu den anderen sozialen Kämpfen der Stadt herzustellen. Die strukturellen Zusammenhänge lassen sich hier gut durch die Entscheidungsträger auf den Punkt bringen: Der selbe Peter Ramsauer, der als Verkehrsminister Millionen für 3 Kilometer Autobahn locker macht, hält gleichzeitig als Minister für Stadtentwicklung und im Angesicht explodierender Mieten eine stärkere Förderung des sozialen Wohnungsbaus für unnötig. Der selbe Stadtentwicklungssenator Michael Müller, der sich mit Vehemenz für den Bau der A100 und somit dem Abriss der Wohnhäuser Beermannstraße 20 und 22 einsetzt, will das Tempelhofer Feld mit Luxuswohnungen zubauen. Das sind keine individuellen Verfehlungen, sondern Beispiele für Stadtentwicklung im Sinne des Kapitals!
Die Dimension des A100-Ausbaus sollte bei einer solchen Analyse nicht unterschätzt werden. Einerseits ist da der Investitionsrahmen: Schon allein zum jetzigen Zeitpunkt sind 470 Millionen für 3 Kilometer eingeplant – das sind die teuersten Autobahnmeter, die in diesem fragwürdigen Land je geplant wurden. Außerdem ist da noch die angedachte Fortführung: Pläne für eine Verlängerung durch den Friedrichshain hin zur Frankfurter Allee sind schon gemacht, und obwohl da rechtlich noch nichts in trockenen Tüchern ist, wird an der Ostkreuz-Baustelle schon mal ein Autobahntunnel vorbereitet. Letztlich ist nicht auszuschließen, dass die Herrschenden und ihre Planer versuchen werden, den Autobahnring einmal im Wedding zu schließen – wenn sie denn über genügend Geld, Beton und Macht verfügen.

Und hier kommen wir ins Spiel! Die Herrschenden demonstrieren am Flughafen Schönefeld ihre Unfähigkeit, die eigene Infrastruktur zu realisieren. Die Wirtschaftskrise klopft auch in Deutschland wieder an. Und die sozialen Bewegungen haben in Berlin 2012 eine bemerkenswerte Dynamik entfaltet. Was machen wir draus? Antworten lassen sich vielleicht Sonntags um 15 Uhr bei einem Stück Kuchen auf der geplanten Trasse finden.


Pressemitteilung von Robin Wood mit Bildern vom Dienstag:  http://www.robinwood.de/Newsdetails.13+M531283ea9c1.0.html
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