Bo: Bericht zur „Umfairteilen“-Demo

ein paar Autonome aus Bochum 29.09.2012 21:02 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
An der heutigen (29.09.2012) „Ruhrpott-Umfairteilen“-Demonstration nahmen ca. 3.000 Menschen teil. Ein kurzfristig geplanter „antikapitalistische Block“ hatte lediglich um die 30 Teilnehmer_innen. Auf der Veranstaltung dominierte das Bild der bürgerlichen organisationgebundenen Linken von Gewerkschaften bis zur Linkspartei
Die Idee, einen „antikapitalistischen Block“ auf der Demonstration in zwei bis drei Tagen organisieren zu können und so effektiv linksradikale Inhalte in eine solche Demonstration tragen zu können, muss als gescheitert betrachten werden. Dem Aufruf (unter anderem hier:  https://linksunten.indymedia.org/de/node/68005) folgten wenige Menschen, und gerade die Bochumer „Szene“ blieb der Demonstration beinahe komplett fern. Erfreulich ist trotzdem, dass die wenigen Leute, die anwesend waren aus sehr unterschiedlichen Zusammenhängen kamen, aber trotzdem gut miteinander arbeiten konnten.

Neben uns hat auch die „Initiative zur Gründung der Anarchistischen Föderation Rhein Ruhr“ ( http://afrheinruhr.blogsport.de/) mit einem Transparent versucht, die Demonstrant_innen auf weitergehende Forderungen aufmerksam zu machen. Hierfür positionierten sie sich mehrfach gut sichtbar am Rand der Demonstration.

Der „antikapitalistische Block“ lief im hinteren Teil der Demo vor türkischen Kommunist_innen und der Linkspartei. Unser „Block“ der auf einem Transparent die soziale Revolution forderte und die von uns gerufenen Parolen sorgten für Erstaunen bei einigen Demonstrant_innen. Der Aufruf wurde an ca. 1.000 Leute verteilt und stieß teilweise auch auf Zustimmung. Viele der Partei- und Gewerkschaftsfunktionär_innen hatten allerdings noch nicht einmal Interesse daran, den Flyer anzunehmen.

Allgemein war die Zusammensetzung der Demonstration interessant. Die Fahnen von Linkspartei, Gewerkschaften und der SPD dominierten das Bild. Piraten und Grüne beteiligten sich außerdem, genau wie diverse Migrant_innenorganisationen und christliche Gruppen. Daß sich die SPD und die Grünen an einer solchen Demonstration nach wie vor beteiligen können, ohne von den Demoteilnehmer_innen ausgegrenzt zu werden, finden wir schlicht und einfach seltsam. Den Organisator_innen der „Umfairteilen“-Kampagne und ähnlicher Veranstaltungen muss vorgeworfen werden, praktische Wahlkampfhilfe für die SPD geleistet zu haben. Daß sich die soziale Situation in Deutschland unter sozialdemokratischer Herrschaft nicht verbessert, sollte spätestens seit der Agenda 2012 und Hartz IV klar sein. Insbesondere politisch aktive Menschen aus den Gewerkschaften und Sozialverbänden sollten dies wissen und entsprechend reagieren.

Die Solidarität mit sozialen Bewegungen in anderen Ländern, beispielsweise in Griechenland, und Spanien war auf der Veranstaltung kaum ein Thema. Einige Teilnehmer_innen hatten Fahnen der „besonders“ von der Krise betroffenen Ländern dabei. Außerdem machten Leute aus dem Occupy-Spektrum auf den internationalen Charakter der aktuellen Krise aufmerksam. Insgesamt war die Demonstration aber eine sehr deutsche Angelegenheit: die Situation in Deutschland stand eindeutig im Mittelpunkt.

Ärgerlich war außerdem die starke Präsenz verkürzter bzw. falscher Kapitalismuskritik.(Wer dazu mehr lesen möchte füge die Begriffe in seine Suchmaschine ein und liest ein bisschen zum Thema.). Parolen gegen „Reiche“, „Bonzen“ und Banken waren weit verbreitet. In einem Flugblatt wurden Reiche sogar als „Schmarotzer“ bezeichnet. Eine Gruppe hatte einen „Reichenblock“ organisiert, in dem ein Aktivist als stereotyp dargestellter „Bonze“ mit Zigarre in einem Bollerwagen herumgefahren wurde. Wir haben prinzipiell zwar nichts dagegen, höhere Einkommen stärker zu besteuern. Im Rahmen eines kapitalistischen Systems mag das sogar sinnvoll sein. Unseres Erachtens geht die Forderung nach der Besteuerung von Millionär_innen jedoch am Kern des Problems vorbei. Wir wollen nicht nur ein bisschen Umverteilung, sondern eine vernünftig eingerichtete Gesellschaft, in der der Tausch von Waren abgeschafft ist und jede_r nach seinen/ihren Bedürfnissen leben kann. Die isolierte Forderung nach höheren Steuern für Reiche ist im Gesamtkontext betrachtet lediglich eine populistische Parole, die die kapitalistische Vergesellschaftung als solche unangetastet läßt.

Auch auf der überdimensionierten Bühne der Auftaktkundgebung gab es langweilige Redebeiträge, die immer wieder „Reiche“ und Unternehmer_innen angriffen und/oder langweilige Forderungen stellten. Warum sich tausendmal bei allen Organisator_innen bedankt wurde, ist auch unverständlich - handelt es sich dabei doch um Funktionär_innen der diversen Organisationen, deren Beruf es nun einmal unter anderem ist, solche Veranstaltungen zu organisieren. Davon möchten wir Mag Wompel ausdrücklich ausnehmen, die eine beeindruckende Rede bei der Abschlusskundgebung gehalten haben soll und die mit Labournet.de an einem durchaus lesenwerten Projekt beteiligt ist.

Der „antikapitalistische Block“ war zugegebenermaßen ein spontaner Einfall und konnte keine deutlichen Akzente setzen. Wir waren empört über das brutale Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrierenden vor dem Parlament in Madrid und wollten uns solidarisch zeigen. Möglicherweise war die „Pott-Umfairteilen“-Demo nicht der richtige Rahmen dafür – und zwei Tage Mobilisierungszeit etwas zu wenig. Allerdings ist auch die oftmals wochenlang im voraus akribisch geplante Beteiligung linksradikaler Großbündnisse an ähnlichen Veranstaltungen oft nicht sonderlich wahrnehmbar gewesen. Die radikale Linke sollte über völlig andere Interventionsmöglichkeit für Großveranstaltungen nachdenken, die sich möglicherweise in anderen aber nachvollziehbaren Aktionsformen am Rande solcher Veranstaltung finden ließen.


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Ergänzungen

Die radikale Linke

mhj 30.09.2012 - 00:31
Die radikale Linke in Deutschland (ja welche eigentlich?) ist voll im Arsch. Das einzige wo noch was geht ist bei Naziaufmärschen aber es ist ja auch so schön einfach gegen die bösen Nazis zu demonstrieren, da sind von CDU über Linkspartei bis zum Autonomen Zentrum alle dabei. Kapitalismuskritik? Fehlanzeige!

Freiheit und Solidarität -Fahnen

Dagewesener 30.09.2012 - 04:33
Die gan es in Bochum auch von Türken /Kurden.

Welche Gruppe steht da genau hinter?

Kapitalismus fairsenken

fragender 01.10.2012 - 13:23
WArum gab es denn keine Absprachen mit den AktivistInnen von kapitalismus fairsenken und dem autonomen Block?


Homepage von Kapitalismus fairsenken:

 http://kapitalismusfairsenken.blogsport.de/

Siehe hier einen Artikel dazu:

 http://www.heise.de/tp/blogs/8/152883