Bundesweite Antifa Demo 25.08.12 Rostock

autonome gruppen 22.08.2012 12:07 Themen: Antifa Antirassismus Blogwire Freiräume Indymedia Print
Bundesweite antifaschistische Demo im Gedenken an Pogrome von Lichtenhagen
Samstag 25.08.2012 | 11 Uhr, Kundgebung | Rostock-Stadtzentrum
Samstag 25.08.2012 | 14 Uhr, Demo | S-Bhf. Rostock Lütten Klein
Das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen (22. – 26. August 1992)
August 1992: 400 Menschen, vor allem aus Rumänien, kampieren vor der überfüllten Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZaSt) im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen, geflohen und auf der Suche nach einem besseren Leben. Auf Grund mangelnder Unterkünfte oder sanitärer Anlagen mussten die Asylsuchenden unter freiem Himmel schlafen und dort auch ihre Notdurft verrichten.

„Wenn wir weitere Unterkünfte zur Verfügung stellen, kommen noch mehr Asylsuchende. Das zeigt die Erfahrung.“ entgegnete der damalige Rostocker Innensenator Peter Magdanz auf die Bitte für die Flüchtlinge endlich menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen. Flüchtlingen und Migrant_innen die Hilfe zu verweigern, ja sogar alles in Bewegung zu setzen, damit diese sich auch ja nicht „vor der eigenen Haustür“ niederlassen, war zu dieser Zeit Communsense – Deutschlandweit, in allen Schichten, in fast allen politischen Spektren.

Da es eben keine deutschen „Volksgenossen“ waren, die dort Not litten, sondern Roma, wurde ihnen nicht Hilfe, sondern der „deutsche Volkszorn“ zu Teil. Bereits Anfang August zeichnete sich ab, dass organisierte Neonazis, in Tateinheit mit anderen Vollstreckern des „Volkswillens“, Angriffe auf die ZaSt und deren Insassen planen. Und so kam es letzten Endes. Nach mehrtägigen Angriffen war es dem Mob gelungen die Flüchtlinge aus dem Viertel zu jagen. Anschließend griffen Neonazis, rechte Jugendliche und „anständige Deutsche“ mit Steinen und Brandsätzen die nahegelegene Wohnunterkunft vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter_innen an – unter dem frenetischen Jubel von rund 2500 Bürger_innen. Statt Hilfe zu erhalten, wurden die 115 Vietnames_innen abgeschoben, ebenso die Flüchtlinge aus Rumänien.
Der Rassismus der Straße kam der CDU/CSU gelegen, hatte sie doch seit den 80er Jahren immer wieder Anstrengungen unternommen das bundesdeutsche Asylgesetz so zu verändern, dass die Möglichkeit in Deutschland Asyl zu erhalten de facto verunmöglicht wird. Die Deutschen seien von der „Asylflut“ überfordert, eine Änderung des Asylgesetzes sei darum dringend notwendig. Andernfalls würde sich Ähnliches wiederholen, so CDU und SPD. Die Pläne zur Gesetzesänderung lagen bereits in der Schublade, eine Kampagne gegen Asylbewerber_innen war im vollen Gange und Lichtenhagen wurde zynischer Weise als letztes Argument für die Abschaffung des alten Asylrechtes herangezogen. Jene Änderung wurde im Juni 1993 letzten Endes vollzogen.

Rassistische Zustände
Rassismus ist ein sehr reales, alltägliches Herrschaftsverhältnis, mit Hilfe dessen eine weiße Mehrheitsgesellschaft eine Minderheit entlang rassifizierter oder ethnisierter Grenzen diskriminiert – kulturell, politisch und wirtschaftlich, sie dadurch an der Teilhabe an gesellschaftlichen Bereichen ausschließt. Billiges Brot beim türkischen Bäcker, billige polnische Putzfrauen – die weißen Deutschen profitieren vom Rassismus. Zum anderen ist der Rassismus in Deutschland der Kitt der Leistungsgesellschaft: Um sich selber dadurch im alltäglichen Rennen, Rackern, Rasen des kapitalistischen Konkurrenzwettbewerbs als völkischer Blut-und-Boden-Bund überlegen fühlen zu können, braucht der_die Rassist_in einen Nagel für sein Kreuz. Wenn er oder sie als Mehrheitsdeutsche_r schon keine Anerkennung als Arbeitskraftunternehmer_in findet, bringt der Rassismus vielleicht Abfuhr für den alltäglichen Frust. Und das am besten im Rahmen nationalistischer Hegemonialansprüche. Deswegen gehören Nationalismus und Rassismus wie Pech und Schwefel zusammen.
Die rassistischen, meist massenhaften, Angriffe auf nichtdeutsche Menschen und die Asylgesetzesänderung 1993 können nicht losgelöst voneinander gesehen werden. Beide bedingen sich gegenseitig und sind Teil des rassistischen, deutschen Mehrheitskonsens. Und dieser hat Kontinuität. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit dokumentiert die Antirassistische Initiative Berlin seit 1993 die Folgen bundesdeutscher

Flüchtlingspolitik:
15 Flüchtlinge starben durch rassistische Angriffe auf der Straße, 67 bei Bränden und Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. 175 Flüchtlinge starben auf dem Weg in die BRD, davon 131 an den deutschen Ost-Grenzen, 154 Flüchtlinge töteten sich angesichts drohender Abschiebung oder auf der Flucht vor dieser, 858 versuchten sich umzubringen oder verletzten sich aus Angst oder Protest gegen ihre Abschiebung, 488 Flüchtlinge wurden nach der Abschiebung in ihren Herkunftsländern misshandelt und gefoltert oder starben an Krankheiten, 31 kamen um.

Allein im vergangenen Jahr wurden 7.917 Menschen, die versuchten einzureisen, abgeschoben. Das „Ausländer raus!“-Versprechen wurde von den deutschen Volksparteien spätestens seit 1993 weitaus eloquenter und geräuschloser umgesetzt als es Neonazis und Rechtspopulist_innen bisher zu leisten vermochten. So kam beispielsweise die Initiative für ein Minarettverbot, nach Schweizer Volkspartei-Vorbild, hierzulande als erstes von der CSU.

Das Gestern im Heute begreifen
Rostock war kein Einzelfall, sondern steht stellvertretend für das rassistisch-nationalistische Gesellschaftsklima der 90er Jahre. Allein 1992 kam es fast zu 2000 Angriffen auf Asylbewerber_innen, viele davon auch auf deren Wohnunterkünfte. Mölln, Solingen, Lübeck und Hamburg sind vielen Menschen in diesem Zusammenhang noch ein Begriff, jedoch sind die meisten dieser Ereignisse aus dem kollektiven Geschichtsbewußtsein verschwunden.

Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Mannheim-Schönau nehmen in diesem Kontext eine Sonderrolle ein, da es nicht allein Neonazis waren, die sich anschickten nichtdeutsche Menschen zu lynchen, sondern weil es vor allem brave Bürger waren, die diese Exzesse aus Nationalismus und Gewalt erst zu völkischen „Massenevents“ werden ließen. Die Angriffe in Mannheim-Schönau sind auch ein Beleg dafür, dass es eben nicht organisierter Neonazis bedarf um gegen Migrant_innen vorzugehen, sondern dass dies „die normalen Deutschen“ auch allein bewerkstelligt bekommen. Diesen drei Ereignissen ist jedoch gemein, dass lokale Medien und politische Akteure es tunlichst vermeiden von einem Pogrom zu sprechen. Auch heute noch werden diese Ereignisse als „Ausschreitungen“ oder „Krawalle“ euphemisiert. Gern wird deren Klassifizierung als rassistisch von offizieller Seite gemieden, maximal wird von „Fremdenfeindlichkeit“ gesprochen.

„Ich teile diese Bezeichnung für die Ereignisse von 1991, sie als Pogrom zu bezeichnen, nicht“, entgegnete Hoyerswerdas Bürgermeister Skora der Hoyerswerda-Gedenkinitiative „Pogrom91“ im vergangenen Jahr. Die Demo und ihr Anliegen, sei lediglich das Werk „Auswertiger“ und „Extremisten“. Ehemalige Betroffene des Pogroms und Antifaschist_innen wurden 2011 erneut bedroht und die Gedenkarbeit von offizieller Seite verusucht zu unterbinden. „Mit dem Aufwühlen der alten Geschichten“ endlich aufzuhören, dass forderte auch Wolfgang Engelmann, der ehemalige Bürgermeister von Mölln, 15 Jahre nach dem bei einem Brandanschlag drei Mitglieder der Familie Arslan umkamen.

Das „schlechte Image“ loswerden war nicht nur zum 20. Jahrestag der Pogrome von Hoyerswerda oberste Handlungsmaxime der lokalen Politik, sie ist es auch in Rostock. Hier schickt sich eine Melange aus Stadt und lokalen Initiativen an, um das „schlechte Image“ Lichtenhagens abzustreifen oder zumindest mit etwas mehr demokratischem Lack zu überpinseln. Der Umgang mit der eigenen Geschichte wurde und wird hier als reine Standortfrage verhandelt.

Und so geht auch heute der Lerneffekt gen Null. Noch immer werden die Geschehnisse nicht als das bezeichnet was sie waren – nämlich ein Pogrom – noch immer werden Antifas verfolgt, weil sie das tun, was eigentlich die Demokraten machen müssten: Nämlich Rassismus konsequent zu ächten. Und noch immer verwehrt Deutschland Hilfesuchenden die Einreise.

Erinnern heißt Kämpfen!
Der zwanzigste Jahrestag des Pogroms von Lichtenhagen wird medial fokussiert werden. Welches Gewicht die Folgen der Asylgesetzänderung, die Situation von Flüchtlingen und Migrant_innen oder die oft reaktionäre Aufarbeitungspolitik der Ereignisse in der Berichterstattung bekommt, können wir nicht ermessen.

Mit der Kampagne „Rassismus tötet!“ wollen wir diese Themen auf die politische Agenda setzen. Uns geht es aber auch darum die Frage aufzuwerfen: „Wo steht die Gesellschaft und die radikale Linke 20 Jahre nach Rostock? Was hat sich geändert?“. Nützlichkeitsrassismus und Sozialchauvinismus („Sarrazin-Debatte“) feiern gerade im Zuge der Krise fröhliche Umstände. Die Debatte um die Transformation von Rassismus und dessen Nutzen im kapitalistischen Normalvollzug werden darum wichtiger Bestandteil der Kampagne sein.

„Erinnern heißt Kämpfen!“ ist für uns darum keine bloße Phrase, sondern Handlungsmaxime. Es geht darum bestehende antirassistische Kämpfe u.a. gegen Lagerunterbringung, Flughafenasylverfahren oder Residenzpflicht zu unterstützen und mit dem Kampf um die Erinnerung an die Pogrome und die Gesetzesänderung 1993 zu verbinden. Gleiches gilt für den Widerstand gegen die öffentlichen Inszenierungen von Leistungsideologie und rassistischer Ausgrenzung. Den alten und neuen Tätern gilt unser Kampf, den Opfern der rassistischen Verhältnisse gilt unsere Empathie!

Mit einem Land, in dem Menschen in Polizeizellen verbrennen, weil sie nicht weiß sind, in dem Menschen von Rassist_innen totgeschlagen werden und deren Angehörige nur Hohn ernten, in einem Land, dass Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen verrecken lässt und ihnen das Leben hierzulande zur Hölle macht, werden wir keinen Frieden schließen!

Kein Mensch ist illegal!

Gegen den rassistischen Konsens!

Kein Frieden mit Staat, Kapital und Nation!


 http://www.antifa.de/cms/content/view/1910/1/

 http://www.lichtenhagen.net/

Mobilisierungsvideo:
 http://www.youtube.com/watch?v=Bq0Ok3zvFZY&feature=player_embedded
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Ergänzungen

und danach... zur Netzwerk Party

Netzwerk Freiheit für alle polit. Gefangenen 22.08.2012 - 13:30
Im vergangenen Jahr wurde an einem PKW von AktivistInnen aus unserer Struktur ein GPS-Ortungsgerät gefunden. Dieses war im Träger hinter dem hinteren Stoßfänger mit Hilfe von Magneten befestigt.
An diesem Samstag soll es nun den Besitzer wechseln...

Technische Details können auf Anfrage vorher mitgeteilt werden.

Am 25. August 2012 im Clash, Gneisenaustr.2a, Berlin-Kreuzberg | Eintritt: 5 € | 20.00 Uhr Einlass | 21.00 Uhr Bands | und später DJ's

Kommt hin! Steigert mit!

Quellenangabe des Textes

ich 22.08.2012 - 14:48
nunja wenn schon ein mobilisierungstext der kampagne rassismus tötet verwendet wird, ohne diese als quelle anzugeben...hier die ergänzung

www.rassismus-toetet.de

Gemeinsame Anreise aus Hamburg

Antifaschisten 22.08.2012 - 18:46
7:50 Uhr Reisezentrum Hamburg Hauptbahnhof - kommt alle!  http://antifahamburg.blogsport.de/

Berlin aus der TAZ

egal 22.08.2012 - 20:01
Anschläge auf Nazigegner
Haus von Linke-Poliktiker attackiert

Vermutlich Rechtsextreme haben erneut Wohnungen und Büros von engagierten Politikern angegriffen.



Auf das Wohnhaus des Linken-Politikers Hans Erxleben in Adlershof haben unbekannte Täter in der Nacht zu Mittwoch einen Anschlag verübt. Ein Fenster ging zu Bruch, ein Sprengsatz zerstörte den Briefkasten. In derselben Nacht wurde auch die Geschäftsstelle der Jusos in Schöneweide Opfer eines Anschlags. Hier wurde eine Fensterscheibe zerschlagen. Die Polizei hält einen rechten Hintergrund für sehr wahrscheinlich und prüft einen Zusammenhang zwischen beiden Anschlägen. Personen kamen nicht zu Schaden.

Damit setzt sich die Serie von Attacken auf Nazigegner in Treptow-Köpenick fort. Erxleben engagiert sich ebenso wie die Jusos des Südostbezirks seit Jahren gegen rechts. Das Juso-Büro war zum zweiten Mal in einer Woche betroffen. Im Juli traf es das Haus des SPD-Politikers Nico Schmolke in Johannisthal. Das Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi und das Zentrum für Demokratie – beide in Schöneweide – sind öfters von Anschlägen betroffen und somit Stammkunden beim Glaser.
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Berlin teil 2 aus dem Tagesspiegel

egal 22.08.2012 - 20:04
Frau attackiert Sechsjährigen mit Reizgas
11:16 Uhr

Bei einem rassistisch motivierten Übergriff ist am Dienstagvormittag in Neukölln ein sechsjähriger Junge von einer Frau mit Reizgas besprüht worden.


Eine Frau beleidigte am Dienstagvormittag eine Mutter und deren Kinder in Neukölln und besprühte einen Jungen mit Reizgas. Die aus dem Libanon stammende Frau wartete gegen 10 Uhr 30 mit ihren beiden Söhnen auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Sonnenallee, als sich die Unbekannte rassistisch echauffierte. Plötzlich ging sie auf die Familie zu und sprühte dem Sechsjährigen Reizgas ins Gesicht. Anschließend stieg die Frau in eine S-Bahn und fuhr davon. Der Kleine musste in einem Krankenhaus ambulant wegen Reizungen an Augen und an den Atemwegen behandelt werden. Seine Mutter und der Bruder kamen mit dem Schrecken davon. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes hat die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung übernommen.

Videos

Akt IV 23.08.2012 - 13:14
Rostock-Lichtenhagen 1992 - Ein staatlich gesteuertes Pogrom (Beschreibung beachten !!) http://youtu.be/J-tPdM7C4XU Ein Täter erzählt vom Pogrom in Rostock Lichtenhagen 1992 http://youtu.be/BkUQ4n_1ALU

Gemeinsame Bahn-Anreise aus Kiel

Autonome Antifa-Koordination Kiel 23.08.2012 - 14:06
Treffen: 7.30 Uhr Hauptbahnhof
Abfahrt: 7.44 Uhr

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 11 Kommentare an

Action day — autonomer

Toll gemacht — ...

@um alles — ...

Unglaubwürdig — Ivo

Alle nach Rostock und Hamburg — Antifa Bielefeld

Auf nach HRO — Antifa Wuppertal