Bln: Sternmarsch - Global Action Day

Heinrich Pedersen 12.05.2012 19:21 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Heute (12.05.) fand zum Globalen Aktionstag ein Sternmarsch in Berlin statt. Die Demonstration(en) standen unter dem Motto: "Auf die Plätze, für echte Demokratie, für gerechte Umverteilung, für Kooperation statt Konkurrenz, Global Change Now!" Hierzu starteten Demonstrationszüge von fünf verschiedenen Punkten (Hauptbahnhof, Gesundbrunnen, Kotbusser Tor, Frankfurter Tor, Thälmann Park), um sich dann am Alexanderplatz/ Neptunbrunnen zu treffen. Insgesamt bestach die Veranstaltung durch ihre Konzeptlosigkeit und ihre zum größten Teil unkämpferischen TeilnehmerInnen.
Ich selbst beteiligte mich am Demonstrationszug, der vom Hauptbahnhof losging. Leider war schon der Beginn der gesamten Aktion recht enttäuschend. Neben vielen TeilnehmerInnen, die meinten sich vor und währen der Demo schon ihre ersten (oder zweiten, oder dritten...) Biere reinknallen zu müssen, gab es thematisch so gut wie keine Beiträge. Das einzige, was ein Typ vom Lautiwagen zu sagen vermochte, war dass mensch sich heute versammelt hätte, "um sich zu empören, dass sich in Deutschland so wenige empören... über das ganze System". Während der Demo, die vom Kapelle-Ufer richtung Friedrichstraße zog, wurde dann fröhlich weiter Bier gesoffen und zu jegliche Parolen übertonender Elektromusik abgedanced. Allerdings machten die meisten TeilnehmerInnen des Zuges auch keine Anstalten, den Außenstehenden verbal mitzuteilen, weswegen eigentlich demonstriert wurde. Vielmehr konnte der Eindruck gewonnen werden, dass es sich eher um einen unpolitischen Rave durch Mitte handelte als um ein ernsthaftes, politisches Anliegen. Jedoch muss ich mich, was den Rave angeht korrigieren, da sich die Partycrowd auf dem Lautiwagen in Höhe des Berliner Doms dazu entschied, mit Rammstein weiter zu beschallen. Bis wir dann endlich den Alexanderplatz erreichten, gelang es den Menschen vom Lautiwagen weitere vielfältige Musik zum Besten zu geben, die weder politischen Inhalt hatte, noch zuließ, dass andere Demonstranten auf die Möglichkeit hatten, welchen zu äußern.
Schade ist nicht einfach nur, dass ein Haufen scheinbar unpolitischer Hedonisten und maulfauler Spaziergänger kläglich versuchte ein Demonstration zu versanstalten. Schlimmer ist noch, dass eine gute Gelegenheit verpasst wurde, antikapitalistische Botschaften zu verbreiten und ein Zeichen des Widerstands zu setzten. Die Route (über Friedrichstraße und Unter den Linden), sowie der Zeitpunkt boten auf jeden Fall die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen und die Botschaften (wenn mensch denn welche hat) öffentlichkeitswirksam zu propagieren. Die vielen Menschen am Straßenrand guckten jedenfalls durchaus interessiert auf den Zug, jedoch hatte ich den Eindruck, dass diese nicht so richtig wussten, um was es bei der Demo eigentlich ging.

Als der Zug dann den Alexanderplatz erreichte (wir waren der ersten) wurde vom Lauti so etwas wie eine Kundgebung abgehalten. Der Inhalt klang aber eher nach hippieskem Gedöns als nach linker Agitation. Ein Redner meinte jedenfalls, dass wir "unsere Revolution tanzen wollen" und dass "der Wandel durch Liebe und nicht durch Waffengewalt erreicht werden soll". Tja, welch ein Hohn für alle, die sich der Unterdrückung durch reaktionäre Gewaltherrschaft ausgesetzt sehen und die am besten noch die andere Wange hinhalten sollen. Aber wahrscheinlich muss mensch erst einen unglaublichen Trip schieben, solch hochtrabende spirituelle Gedanken zu verstehen. Denn dann ist mensch wohl auch erst auf der Sphähre, die begreifen lässt, dass "Zocker und Spekulanten auf die Enter-Taste drücken, und dann ganze Staaten bankrott gehen". Also immer ordentlich Teile schmeißen, dann werden nämlich auch so verkürzte Ansichten obsolet, die besagen, dass nicht die Gier einzelner Manager Wirtschafts-, Finanz-, Staatsschuldenkrisen auslöst, sondern das den Kapitalismus ausmachende Akkumulations- und Ausbeutungsprinzip.

Leider kann ich nicht beurteilen, wie die anderen Demozüge von ihrer Stimmung und Konstellation waren. Jedoch schienen einige - zumindest bei ihrer Ankunft, auch eher auf Elektrobeats als auf Parolen zu setzen. Danach sollte eigentlich noch eine Kundgebung am Neptunbrunnen stattfinden. Ich bin jedoch halb sechs gegangen, da sich dort ein weiteres abschreckendes Beispiel von Nicht-Protest-Kultur ereignete. Redebeiträge gab es bis zu diesem Zeitpunkt keine. Allerdings eine Gruppe esoterischer Mutties, die sich in Hare Krishna Manier versuchten, in Trance zu versetzen und dabei den ganzen Platz mit ihren Trommeln beschallten. Zudem drei Mädels , die ihren "Protest" durch Entblößen ihrer bemalten Brüste zum Ausdruck bringen wollten. Achso, und eine weitere Trommler/ Tänzer Gruppe, die sich den Erfolg auf die Fahnen schreiben kann, bei ihrer Selbstinszenierung eine staunende Menge um sich versammelt zu haben.

Jedoch vermisste ich auf der Demo wie auch Kundgebung auch viele sonst bekannte linke Organisationen, die der ganzen Veranstaltung einen kämpferischeren, und auch linkeren Touch hätten geben können. Und zu guter Letzt muss ich auch Selbstkritisch anmerken, mich selbst nicht eingebracht zu haben, um an der unbefriedigenden Situation etwas zu ändern. Zum Trost, bleibt uns der Kapitalismus aber noch etwas erhalten, sodass es noch einige Gelegenheiten geben wird, den antikapitalistischen Widerstand zu verbessern. Vorausgesetzt natürlich, der Kapitalismus wird nicht durch eine tanzende Revolution voller Liebe beendet.
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Ergänzungen

bilder kreuzberger teil

--- 12.05.2012 - 19:36
bilder vom kreuzberger teil der demo (und wirklich nicht mehr) gibt's unter:
 http://www.flickr.com/photos/neukoellnbild/sets/72157629695310122/

weiter vom antikap-block!

murmel 12.05.2012 - 19:47
bilder vom antikapitalistischen strang " ¡Anti-Capitalista real Ya! ¡Echte Alternativen jetzt! ::: ¡Für ein Ende des Kapitalismus!"

 http://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157629695662674

Fotos (1)

H. Eckel 12.05.2012 - 22:26
vom Weddinger Teil der Demo. Selbige war bunt, aber nicht unpolitisch. Die Fotos zeigen nur Teilaspekte, insgesamt stand aber System- und Banken-/Ökonomiekritik im Vordergrund.

Fotos (2)

H. Eckel 12.05.2012 - 22:33
z.T. von der aus Wedding kommenden Demo, z.T. vom Alexanderplatz.

Fotos (3)

H. Eckel 12.05.2012 - 22:56
vom Alexanderplatz.

Bericht vom Antikap-Strang

Antifa 13.05.2012 - 00:03
bericht von antikapitalistischen strang auf:
 http://arab.blogsport.de

02.06 (HH) Zugtreffpunkte für Berlin

Bla 14.05.2012 - 11:34
02.06.2012 wollen Nazis in der Hamburger Innenstadt zum sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ aufmarschieren. Um eine gemeinsame Hin- und Rückfahrt von Berlin nach Hamburg zu gewährleisten gibt es folgende Zugtreffpunkte:

Zugtreffpunkt 1, Hinfahrt, Freitag 01.06.2012, Berlin Hauptbahnhof, Treffpunkt 17:00 Uhr Gleis 13, Abfahrt: 17:26 Uhr

Zugtreffpunkt 2, Hinfahrt, Samstag 02.06.2012, Berlin Hauptbahnhof, Treffpunkt 5:00 Uhr Gleis 13, Abfahrt: 15:18 Uhr

Zugtreffpunkt 3, Rückfahrt, Samstag 02.06.2012, Hamburg Hauptbahnhof, Treffpunkt 18:00 Uhr Gleis 6a, Abfahrt: 18:22 Ankunft Berlin 23.14 Uhr

Zugtreffpunkt 4, Rückfahrt, Sonntag 03.06.2012, Hamburg Hauptbahnhof, Treffpunkt 12:00 Uhr, Gleis 6a, Abfahrt: 12:24 Ankunft Berlin 16:32 Uhr

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Revolution — Emma