Hanna im Knast: Berichte, Brief, Knastkritik

jb 21.03.2012 16:03 Themen: Blogwire Militarismus Repression

Seit knapp einer Woche ist Hanna im Frankfurter Frauengefängnis. Der Staat ahndet damit - wie immer bei Strafen - eine Verletzung seiner Gesetze. Bestraft wird nicht, was andere schädigt bzw. weil es andere schädigt, sondern weil etwas die Regeln des Staates übertritt. Das hat, so die zuständigen Gerichte, Hanna gemacht, in dem sie einen Angriffskrieg deutscher Truppen behindern wollte, in dem sie sich vor einem Militärtransportzug auf den Gleisen ankettete. Das geht nicht: Wer gegen Krieg ist, muss trotzdem für den Staat und seine Regeln sein: Außer Lichterketten und Latschdemos ist Protest verboten. Nun sitzt Hanna ihre Strafe ab, weil sie dem Staat, der mordet, abschiebt, unterdrückt und einsperrt, nicht auch noch mehr Geld geben will als unvermeidbar. Jetzt erreichten die ersten Berichte Menschen außerhalb der Mauern ...

Hanna hat in verschiedenen Briefen Knasteindrücke beschrieben. Es geht dabei weniger um ihre Inhaftierung (die gegenüber vielen anderen wegen der begrenzten Zeit erträglicher erscheint) als vielmehr um die Logiken und Wirklichkeiten im Knast. Sie beschrieb zum Beispiel eine Situation am Ausgang: "Nicht weinen, die Mama kommt ja bald wieder", sagt ein Vater mit Kleinkind auf dem Arm, der das Gelände der JVA verlässt. Ein eindrückliches Bild.Und da sag noch einer, diese Institution sei was Gutes. Wie kaputt die Wärter_Innen sein müssen, dieses tagtägliche Elend, was sie Mensche antuen, als richtig zu betrachten. Wie ekelerregend.

Die Aktionen am Inhaftierungstag von Hanna haben hinter den Mauern Gesprächsstoff gebracht. "Warum werden Menschen eingesperrt?", lesen die Leute vor der Mauer. Hoffentlich fragen sie es mich auch, berichtete Hanna in einem Brief an Freunde.

 

Der erste Text von Hanna aus dem Knast: Von Starken, Schwachen, Regeln und Märchen

Das erste mal echte Knastgitter von innen, Mauern und Stacheldraht als Ausblick. Einer der ersten vom Wetter her angenehmen Tage steht nun aber für etwas sehr unangenehmes. Ich lerne eine Institution kennen, die geschaffen wurde, Menschen zu brechen, Existenzen zu zerstören.

Aber von Anfang an: Irgendwo in den weiten des Weltalls gibt es einen Planeten mit Bergen, Tälern, Flüssen, Meeren, Steppen, Savannen und Wäldern. Die diversen Bewohnenden dieses Planeten kommen dabei mehr schlecht als recht miteinander aus. Eine der diesen Planeten bevölkernden Spezies, der Mensch, entwickelt im Laufe der Jahrtausende merkwürdige Verhaltensmuster. Die Menschen begannen, Teile des Planeten zu umzäunen und zu behaupten, sie hätten, weil sie es eingezäunt hätten, nun das Recht dort zu sein und andere hätten es nicht mehr. Darüber hinaus beanspruchten sie an diesen Orten nicht nur das Recht, darüber zu bestimmen, wer dort sein durfte, sondern auch das Recht, diesen Flecken der Erde kaputt zu machen – was auch immer sie sich absurdes davon versprechen. Und dann noch das Recht, die umliegenden Flecken Erde von ihrem Flecken aus zu verpesten mit Ruß und Qualm und Giften. Und wenn der eigene Fleck zu klein oder schon zu kaputt erschien fanden und erfanden sie Gründe sich auf weitere Flecken auszudehnen. Um dieses grausame System noch zu verschlimmern – nein, sie würden sagen zu “optimieren” – kommen aber noch weitere Gemeinheiten hinzu. Innerhalb eines Fleckens Land, der umzäunt und zu “Eigentum” oder “Staat” gemacht wurde, gab es nun nämlich noch zusätzliche Regeln, wie die Individuen miteinander umzugehen haben. Das erste Prinzip hieß gegeneinander. Ja nicht solidarisch miteinander, nein, immer in Konkurrenz. Und damit alle mit machen und sich die Schwachen nicht zusammentun, werden Märchen erfunden. Es gilt immer: Der Stärkere siegt. Und damit der Stärkere auch für immer der Sieger bleibt erfindet er die Märchen und macht die Regeln. Wenn es zu doll auffällt, dass er die Regeln macht, braucht er bloß einen neuen Mythos, eine Geschichte. Der Stärkere muss zu seinem Machterhalt v.a. eins schaffen: Er muss das richtige Verhältnis herausfinden von Regeln und Märchen. Die Schwachen würden sonst rebellieren – sowohl bei zu vielen Märchen als auch bei zu vielen Regeln. Nicht die Gesamtmenge ist entscheidend, sondern das Verhältnis.
Die Starken im eingezäunten Fleck Erde haben z.B. definiert, welche Drogen gut sind und welche böse. Und dann haben sie die bösen Drogen verboten. Mit einer Regel. Einem Gesetz. Das ist jetzt also Gesetz – das eine ist gut, das andere böse. Und dann haben sie das dazu passende Märchen entwickelt. Plötzlich ging es nicht mehr um das Kontrollbedürfnis des Staates und eine Einmischung ins Private, eine Bevormundung oder dergleichen. Nein, plötzlich ging es um “das Gute”. Schützen wollte der Staat die Leute, mit Eigennutz habe das nichts zu tun, die bösen Drogen seinen etwas sehr verwerflich und gefährliches. Kümmernd und sorgend habe da nun der Staat interveniert. Ohne den Diskurs der kümmernden, sorgenden Hand des ach-so-sozialen, des Achso!-sozialen!-Staates wäre die Regel nicht durchsetzbar, weil die Menschen merken würden, wie bekloppt sie ist. Aber die Starken haben auch mehr Einfluss auf Medien und so lässt sich die Meinung eben dahin gehend beeinflussen. Irgendwann verselbstständigt sich die Mär vom guten Staat derart, dass eine explizite Einflussnahme nicht mehr nötig ist. wenn trotzdem noch einzelne Schwache auf die Idee kommen, die Regeln zu missachten (oder der Staat ein Interesse daran hat, Handlungen so auszulegen, als seien Regeln missachtet worden), folgt die Strafe. Das ist die Rache der Starken, die damit beweisen, dass sie die Starken sind. Strafe ist zum einen die durch den Staat explizit verhängte Sanktion (Sachen wegnehmen oder Freiheit wegnehmen) und zum anderen all das soziale, was daran hängt. Das liegt am dazugehörigen Märchen. Das besagt nämlich, dass nicht der Staat und seine Regeln, die nur ihm selber nützen – nie den Menschen -, ätzend sei, sondern die Individuen, die dagegen verstoßen haben. Und dass der Staat diese Straftäter_innen dann einsperrt, passiert – so das Märchen -, eben nicht, um das Machtmonopol des Staates unhinterfragbar zu demonstrieren und die Potenz der Starken zur Schau zu stellen, sondern um die armen fehlgeleiteten Schäfchen zur Einsicht in ihrem moralisch falschen Handeln zu bewegen. Wie nett vom
Staat, sich auch darum zu sorgen.

Ich meine: Es muss Schluss sein mit diesen Märchen! Es muss Schluss sein mit Knästen!

PS: An jene, die meinen, Obdachlose, die in den Knast wollen, seinen ein Lob für die Knäste: wie armselig muss eine Gesellschaft sein, wie sozialrassistisch und unmenschlich, damit Leute den Verlust ihrerFreiheit in Kauf nehmen um nicht zu verhungern?

PPS: Nur weil sie bisher keine Erwähnung fanden, der Vollständigkeithalber sei angemerkt: Auch Psychiatrien, Polizei, Schulzwang und Gerichte gehören auf den Müllhaufen der Geschichte.

 

Aufruf von Hanna und FreundInnen: Mehr Widerstand gegen Knäste und Strafe organisieren!

Immer härtere Strafen. Applaus bis Jubel im Publikum, wenn ein Gericht "Lebenslänglich" verhängt. Lynchmobs, wo Menschen nach langer Haftzeit wieder entlassen werden und eine Wohnung mieten. Geht es zurück ins Mittelalter???
Immer neue Horrorstories über Mord und Totschlag überall. Gefühlte Kriminalität und phantasierte Bedrohung steigern sich täglich, während die Kriminalitätsstatistiken immer weniger Verbrechen zeigen. Alte Menschen leben am sichersten. Im dunklen Wald ist es am sichersten. Gedacht wird das Gegenteil. Leben wir in einer Matrix, die vor allem autoritären Innenpolitiken dient?
Strafe dient der Wiederherstellung des Vertrauens in die Rechtsordnung - sagt das Bundesverfassungsgericht. Recht hat, wer das Recht durchzusetzen in der Lage ist - meinte der wichigste Rechtsphilosoph Deutschlands. Wer einen Menschen ermordet, erhält lebenslänglich. Wer 100 erschießt, einen Orden. Ist Strafe die Rache des Staates, der nicht darauf klarkommt, dass jemand seine Regeln verletzte?

Es wird Zeit, dass endlich wieder eine laute Stimme erschallt, die ausruft: Schluss mit der Hetze! Das wahre Verbrechen sind die gesellschaftlichen Verhältnisse. Knast und Strafe sind die Knute des Staates - und machen alles schlimmer. Daher: Knast und Strafe abschaffen - sofort!

Wir wollen eine neue Kampagne starten - aus Aktionen, Informationen, Vernetzung und Veranstaltungen!
Starttreffen: Open-Space "Für eine Welt ohne Knast und Strafe" vom 7. bis 10. Juni (Do-So) in der Projektwerkstatt Saasen + ++ Flyer

 

Links

  • Flyer zu Hannas Haft seit dem 15.3.2012
  • Pressetext zur damaligen Aktion von Hanna und anderen
  • Internetseiten gegen Strafe (www.welt-ohne-strafe.de.vu) und gegen Knast (www.weggesperrt.de.vu)
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Ergänzungen

Warum wir Hanna Poddig unterstützen

Tierbefreiung Hamburg 21.03.2012 - 16:57

Die Gruppe Tierbefreiung-Hamburg hat eine sogenannte Knastpatenschaft für die inhaftierte Antimilitaristin Hanna Poddig übernommen, um ihre Solidarität mit Hanna und der ihr vorgeworfenen Aktion auszudrücken. Wer sich der deutschen Kriegsmaschinerie in den Weg stellt, um Widerstand gegen Kriegseinsätze, Rüstungsexporte und die kapitalistisch-imperiale “Umgestaltung” der Welt zu leisten, verdient unseren Respekt und unsere Solidarität. Besonders das Mittel des zivilen Ungehorsams ist dabei eine unumgängliche und notwendige Maßnahme, da durch dieses der kämpferische Wille, das Morden für das Kapital nicht einfach hinzunehmen, zum Ausdruck kommt. Frei nach Brecht fragen wir: “Was ist die Blockade eines Militärtransportes gegen das Führen eines Krieges?”

2008 hatte Hanna verkündet: “Für mich ist die Existenz von Einrichtungen, die Menschen zum Töten abrichten, einfach unerträglich!” Im Wissen, dass für Hanna auch die Existenz von Schlachthöfen, Atomkraftwerken und Tierversuchslaboren unerträglich ist, sehen wir uns in unseren politischen Zielen, Wünschen und Forderungen unmittelbar an Hannas Seite und fordern ihre sofortige Freilassung.

In kämpferischer Verbundenheit für die Befreiung von Menschen und Tieren,
Tierbefreiung-Hamburg,
März 2012
www.tierbefreiung-hamburg.org

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