Greifswald im Winter: Über 800 Leute bei Demo
Das war eine Ansage. Mehr als 800 Antifaschist_Innen zogen durch Greifswald und riefen: “Zieht euch warm an!” Dies bezog sich jedoch nicht auf frühwinterliche Temperaturen, sondern war gegen die Nazis aus der Hansestadt und Umgebung gerichtet.Mit diesem Demomotto machte die, erst vor wenigen Monaten gegründete, Antifagruppe “defiant” bereits klar, dass man sich keinesfalls in der Defensive wähnt.
Und das auch zu Recht. Neben einem blockierten Naziaufmarsch am Ersten Mai und massiven Protesten bei NPD-Wahlveranstaltungen, können auch Outings und Spontandemonstrationen auf der Habenseite verbucht werden. Die kurzfristig organisierten Demonstrationen waren jedoch eine Reaktion auf die zunehmende Nazigewalt in der Hansestadt.
Die Neonazis wollten im späten Frühjahr auch durch Schönwalde I und II, aber sie waren erstens noch nicht einmal halb so viele und dann wurden sie auch noch blockiert.Dagegen zogen die Antifaschist_Innen heute mehr als sieben Kilometer durch die Stadt. Vielleicht etwas mehr als zwei Drittel der Demonstration war nicht nur selbst warm angezogen, sondern auch überwiegend in adrettem schwarz gekleidet. Der hintere Teil stellte dagegen einen bunten Block dar.
Ursprünglich war die Veranstaltung für dreihundert Teilnehmende angemeldet worden, allerdings musste der Anmelder die Zahl auf 500 erhöhen. Dies ist für M-V eine beachtliche Zahl. Trotz Nervosität kurz vor dem Beginn der Demo zeigte man sich im Umfeld der Demoorganisatoren dennoch zuversichtlich die Zahl zu knacken.
Polizei hält sich zurück
Für Unbehagen sorgte zunächst das angekündigte Polizeiaufgebot. Allerdings verhielt sich die Polizei zunächst sehr defensiv. So startete die Demonstration nahezu unbegleitet durch die Einsatzkräfte. Zusammengeknotete Seitentransparente, die noch vor einigen Monaten in Schwerin zunächst für Konfrontationen mit den Beamten sorgten, stellten diesmal keinen Stein des Anstoßes dar.Allerdings zog die Polizei schnell Kräfte nach, als es den Einsatzkräften nicht rechtzeitig gelang zwei Neonazis, die sich am Rand der Demo aufhielten, zu entfernen.
Nach weiteren Vorfällen an der Route sah sich die Demospitze – und im weiteren Verlauf immer größere Teile des Zuges – von einem Seitenspalier der Polizei umgeben. Mangels unzureichender Kettenbildung der Demonstrierenden und dem energischen Zugriffen gelang es den Einsatzkräften mindestens vier Personen aus der Demonstration zu ziehen. Ihnen wird unter anderem Vermummung vorgeworfen.
Böller und Bässe gegen den Putz der Tristesse
Begleitet von pulsierenden Beats – der bunte Block “A.ll C.olours A.re B.eautyfull” war sogar mit einem eigenen Soundsystem am Start – Redebeiträgen und energischen Sprechchören zog die stetig wachsende Zahl von Demonstrierenden weiter Richtung Innenstadt.Allerdings zollten die Demonstrant_innen der langen Wegstrecke dann doch ihren Tribut. Am Wohnsitz von Marcus G., der von zwei Wasserwerfern umsäumt war, schien dann doch ein wenig die Luft draußen zu sein.
Doch es ging den Demonstrant_innen sicher nicht nur um eine Machtdemonstration. Dies zeigten auch die Redebeiträge. So wurde die Abschiebepraxis in M-V kritisiert, ebenso die Unterbringung der Asylbewerber_innen moniert. Ferner der Zusammenhang zwischen rechter Gewalt und dem alltäglichen Rassismus hergestellt.
Gegen 17 Uhr erreichten die farbenfrohen Demonstrierenden den Gedenkstein für den, von Neonazis ermordeten, Eckard Rütz. Er und Klaus-Dieter Gerecke fielen im Jahr 2000 neonazistischen Gewalttaten zum Opfer, da sie – so die spätere Aussage eines Täters – „dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche gelegen” hätten.
Entlarvend, wie sich die “Nationalen Sozialisten Greifswald” gegen den Vorwurf Gesinnungsgenossen der Mörder zu sein, verwahren. Sie “betrauern” den Tod nach dem Motto: “Die waren auch Deutsche…”
Organisierte Aktionen seitens der Neonazis konnten während der Veranstaltung nicht festgestellt werden. Allerdings berichtete ein Busfahrer, der einen Teil der auswärtigen Gäste chauffierte, dass ein Gespräch mit einem höher rangigen Beamten ergeben hätte, dass sich sehr wohl 70-80 Nazis in der Stadt aufgehalten haben sollen. Diese hätten jedoch bei der Nachricht über die Anzahl der Antifas die Flucht ergriffen. Dies ist nicht ausgeschlossen, schließlich wurde sowohl via dem Twitter-Account der “Nationalen Sozialisten Rostock” als auch dem der “Nationalen Sozialisten Greifswald” die Anreise von Kameraden verkündet. Doch anstatt von Jubelmeldungen über gelungene Störaktionen, wusste der Twitter der NSG nur über einen Angriff auf “Nationalisten” im Rostocker Hauptbahnhof zu berichten. Dies deckt sich mit einer Meldung der Bundespolizei (verlinkt direkt zur Bundespolizei), wonach im Kontext einer körperlichen Auseinandersetzung, bei welcher ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden könne, wegen Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittelt werde.
Die Veranstaltung stellt nicht nur einfach eine der größten antifaschistischen Demonstrationen der letzten Jahre in M-V dar, sie ist nicht zuletzt das Ergebnis einer starken engagierten Zivilgesellschaft, die von sich aus die Demonstration unterstützte. Ein besonderer Dank gilt all jenen, die teils lange Strecken auf sich genommen haben, um ihre Genoss_innen aus MV zu unterstützen. Antifaschist_innen aus dem Nordosten, die durchaus als reisefreudig bekannt sind, werden sich sicher demnächst revanchieren. Zum Beispiel für die sächsische Unterstützung, so Mitte Februar.
Die Bilder zum Artikel gibt es hier. Weitere Bilder gibt es bei Flickr. Die Pressemitteilung der Gruppe "defiant" gibt es hier.
Videos zur Demo gibt es bei Youtube (1|2|3)
Die Neonazis wollten im späten Frühjahr auch durch Schönwalde I und II, aber sie waren erstens noch nicht einmal halb so viele und dann wurden sie auch noch blockiert.Dagegen zogen die Antifaschist_Innen heute mehr als sieben Kilometer durch die Stadt. Vielleicht etwas mehr als zwei Drittel der Demonstration war nicht nur selbst warm angezogen, sondern auch überwiegend in adrettem schwarz gekleidet. Der hintere Teil stellte dagegen einen bunten Block dar.
Ursprünglich war die Veranstaltung für dreihundert Teilnehmende angemeldet worden, allerdings musste der Anmelder die Zahl auf 500 erhöhen. Dies ist für M-V eine beachtliche Zahl. Trotz Nervosität kurz vor dem Beginn der Demo zeigte man sich im Umfeld der Demoorganisatoren dennoch zuversichtlich die Zahl zu knacken.
Polizei hält sich zurück
Für Unbehagen sorgte zunächst das angekündigte Polizeiaufgebot. Allerdings verhielt sich die Polizei zunächst sehr defensiv. So startete die Demonstration nahezu unbegleitet durch die Einsatzkräfte. Zusammengeknotete Seitentransparente, die noch vor einigen Monaten in Schwerin zunächst für Konfrontationen mit den Beamten sorgten, stellten diesmal keinen Stein des Anstoßes dar.Allerdings zog die Polizei schnell Kräfte nach, als es den Einsatzkräften nicht rechtzeitig gelang zwei Neonazis, die sich am Rand der Demo aufhielten, zu entfernen.
Nach weiteren Vorfällen an der Route sah sich die Demospitze – und im weiteren Verlauf immer größere Teile des Zuges – von einem Seitenspalier der Polizei umgeben. Mangels unzureichender Kettenbildung der Demonstrierenden und dem energischen Zugriffen gelang es den Einsatzkräften mindestens vier Personen aus der Demonstration zu ziehen. Ihnen wird unter anderem Vermummung vorgeworfen.
Böller und Bässe gegen den Putz der Tristesse
Begleitet von pulsierenden Beats – der bunte Block “A.ll C.olours A.re B.eautyfull” war sogar mit einem eigenen Soundsystem am Start – Redebeiträgen und energischen Sprechchören zog die stetig wachsende Zahl von Demonstrierenden weiter Richtung Innenstadt.Allerdings zollten die Demonstrant_innen der langen Wegstrecke dann doch ihren Tribut. Am Wohnsitz von Marcus G., der von zwei Wasserwerfern umsäumt war, schien dann doch ein wenig die Luft draußen zu sein.
Doch es ging den Demonstrant_innen sicher nicht nur um eine Machtdemonstration. Dies zeigten auch die Redebeiträge. So wurde die Abschiebepraxis in M-V kritisiert, ebenso die Unterbringung der Asylbewerber_innen moniert. Ferner der Zusammenhang zwischen rechter Gewalt und dem alltäglichen Rassismus hergestellt.
Gegen 17 Uhr erreichten die farbenfrohen Demonstrierenden den Gedenkstein für den, von Neonazis ermordeten, Eckard Rütz. Er und Klaus-Dieter Gerecke fielen im Jahr 2000 neonazistischen Gewalttaten zum Opfer, da sie – so die spätere Aussage eines Täters – „dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche gelegen” hätten.
Entlarvend, wie sich die “Nationalen Sozialisten Greifswald” gegen den Vorwurf Gesinnungsgenossen der Mörder zu sein, verwahren. Sie “betrauern” den Tod nach dem Motto: “Die waren auch Deutsche…”
Organisierte Aktionen seitens der Neonazis konnten während der Veranstaltung nicht festgestellt werden. Allerdings berichtete ein Busfahrer, der einen Teil der auswärtigen Gäste chauffierte, dass ein Gespräch mit einem höher rangigen Beamten ergeben hätte, dass sich sehr wohl 70-80 Nazis in der Stadt aufgehalten haben sollen. Diese hätten jedoch bei der Nachricht über die Anzahl der Antifas die Flucht ergriffen. Dies ist nicht ausgeschlossen, schließlich wurde sowohl via dem Twitter-Account der “Nationalen Sozialisten Rostock” als auch dem der “Nationalen Sozialisten Greifswald” die Anreise von Kameraden verkündet. Doch anstatt von Jubelmeldungen über gelungene Störaktionen, wusste der Twitter der NSG nur über einen Angriff auf “Nationalisten” im Rostocker Hauptbahnhof zu berichten. Dies deckt sich mit einer Meldung der Bundespolizei (verlinkt direkt zur Bundespolizei), wonach im Kontext einer körperlichen Auseinandersetzung, bei welcher ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden könne, wegen Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittelt werde.
Die Veranstaltung stellt nicht nur einfach eine der größten antifaschistischen Demonstrationen der letzten Jahre in M-V dar, sie ist nicht zuletzt das Ergebnis einer starken engagierten Zivilgesellschaft, die von sich aus die Demonstration unterstützte. Ein besonderer Dank gilt all jenen, die teils lange Strecken auf sich genommen haben, um ihre Genoss_innen aus MV zu unterstützen. Antifaschist_innen aus dem Nordosten, die durchaus als reisefreudig bekannt sind, werden sich sicher demnächst revanchieren. Zum Beispiel für die sächsische Unterstützung, so Mitte Februar.
Die Bilder zum Artikel gibt es hier. Weitere Bilder gibt es bei Flickr. Die Pressemitteilung der Gruppe "defiant" gibt es hier.
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
Bericht NDR Nordmagazin
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/nordmagazin/media/nordmagazin8351.html
War schön.
Weiter mit linker Politik in HGW gehts im Dezember noch mit zwei Veranstaltungen der Roten Hilfe Greifswald:
schaut hier:
http://rotehilfegreifswald.blogsport.de/
Bilder
Bilder II
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
video — .....
gute richtung — teo
Geile Demo — Super
??? — wass da los
mehr MEER — seegurke
Beste MV-Demo seit Ewigkeiten — antifa.
fett — Corl
muss — antonia
mv und berlin — kasi
in the front — liks
rostock ist nicht die welt — bolb
Pläne von 38 Waffendepots geben Rätsel auf — HinzundKunz
das wars mit frieden!!! — fts