[Ffm] 11.06.2011: Wem gehört die Stadt?

Stadtmensch 10.06.2011 18:23 Themen: Antirassismus Freiräume Gender Kultur Soziale Kämpfe
Morgen, am 11. Juni 2011 findet in Frankfurt der erste Aktionstag des »Wem gehört die Stadt?-«-Netzwerks statt. Mit verschiedensten Aktionen über den gesamten Tag und im gesamten Stadtgebiet will die Initiative aus knapp 20 Gruppen unterschiedlicher Spektren ein Zeichen gegen die immer schneller voranschreitende Gentrifizierung und Verdrängung in Frankfurt setzten.
Ende Februar kamen verschiedenste Frankfurt Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen erstmals zusammen, um eine stadtweite szenenübergreifende Vernetzung gegen die neoliberale Umgestaltung des städtischen Raums anzustoßen. Das hieraus entstandene Netzwerk »Wem gehört die Stadt?« setzt sich aus Mieter_innen- und Bürger_inneninitiativen aus den einzelnen Stadtteilen, migrantischen Gruppen, selbstverwalteten Zentren und linksradikalen Zusammenhängen zusammen. Gemeinsam wollen sie die immer weiter voranschreitenden Verdrängungs- und Gentrifizierungsprozesse in Frankfurt thematisieren und bekämpfen.

Der Slogan des Netzwerks stellt in erster Linie Eigentumsverhältnisse in Frage, und ist die Provokation, mit der wir in den städtischen Raum intervenieren wollen. »Wir wollen mit der Frage die Möglichkeiten, die eine Stadt bietet, ausfindig machen und vor allem die Grenzen, die die gesamte Stadt durchziehen, benennen und angreifen. Sie drückt außerdem aus, dass wir auf der Suche nach unserem Verhältnis zu dieser Stadt sind. Gehört sie auch denen, die besitzlos sind? Wollen wir, dass sie uns gehört? Und was ist mit denen, die nicht darin leben, weil sie nicht können oder dürfen? Eine Frage ruft nach Antworten, die mit Sicherheit sehr unterschiedlich ausfallen werden.« erläutert das Netzwerk in seinem Selbstverständnis. Weiter heißt es: »Wir wollen, dass nicht die soziale Herkunft oder Hautfarbe darüber entscheidet, wer eine Wohnung in der Stadt bekommt. Wir wollen uns unkontrolliert und nach eigenem Belieben überall bewegen können. Wir wollen eine Stadt, in der das Wohnen ein bedingungsloses Recht aller ist, völlig egal, welche materiellen Resourcen ihnen zur Verfügung stehen und egal, in welche Kategorie von ›Nützlichkeit‹ irgendwer gesteckt wird«

Das Netzwerk will Mieter_inneninitiativen für bezahlbaren Wohnraum, die Forderung nach sozialem Wohnungsbau in Mitten der Städte und Kämpfe gegen Aufwertung und die damit einhergehende Verdrängung und Umstrukturierung unterstützen und bestärken. Gleichzeitig wird die Forderung erhoben: »Wohnraum darf keine Ware sein, Stadt darf keine Ware sein!«

Erstmals öffentlich in Erscheinung trat das Netzwerk, als Aktivist_innen am 16. Mai. Anlass war das von Oberbürgermeisterin Petra Roth einberufene sogenannte zweite Bürgerforum zum »Kultur-Campus Bockenheim«. Schon im Vorfeld wurde mehr als deutlich, dass eine ernsthafte Partizipation weder gewünscht noch vorgesehen war. Vielmehr verfolgten Roth und das von ihr geladene Podium wohl das Ziel, ihrer Idee von einem »Tempel der Hochkultur« einen Anschein demokratischer Legitimation zu verleihen. Diese Selbstinszenierung scheiterte jedoch an ungebremsten Jubelchören. Die überwiegenden Mehrheit der Anwesenden beteiligten sich an der Aktion zu der Aktive aus dem Netzwerk aufgerufen hatten. Beim »Partizipations-Bingo« applaudierten und jubelten die Gäste, sobald Begriffe wie »Standort«, »Kultur«, »Campus« oder »Frankfurt« auf dem Podium ausgesprochen wurden. Entnervt beendet Petra Roth schließlich die Veranstaltung, bei der sie sich im Nachhinein sicher etwas weniger Zuspruch erhofft hätte. In den regionalen Medien war das geplatzte Forum das bestimmende Thema der nächsten Tage. (eine ausführlicher Bericht findet sich hier).

Der Aktionstag am 11. Juni stellt in der Auseinandersetzung mit Stadtpolitik, Verdrängung und Gentrifizierung die erste größere gemeinsame Aktion des Netzwerks dar. Das Netzwerk will mit dem Aktionstag die Grenzen der Frage »Wem gehört die Stadt?« ausloten und im besten Fall neu bestimmen. »Im Rahmen des Aktionstags wollen wir auf unterschiedliche Weise und mit vielfältigen Aktionen den Start für eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Verdrängung und Gentrifizierung machen«, so eine Vertreterin einer am Netzwerk beteiligten Gruppe. Dabei steht der Aktionstag nicht für den abschließenden Höhepunkt einer Kampagne, sondern für den Start einer kontinuierlichen gemeinsamen Auseinandersetzung.

»Die städtebauliche Politik der Stadt Frankfurt orientiert sich seit Jahren fast ausschließlich an den Bedürfnissen von Unternehmen und einer zahlungskräftigen Oberschicht. Für einen immer größeren Teil der in Frankfurt lebenden Menschen geht damit jedoch Verdrängung und soziale Marginalisierung einher. Gegen diese asoziale Politik wollen wir mit unserem Aktionstag ein klares Zeichen setzen« erklärt Gustav Friedel von  der ›Krisengruppe‹.

Luka Becker von der Initiative ›Faites Votre jeu!‹ verweist in diesem Zusammenhang auf das Innenstadtkonzept der Stadt Frankfurt: »Im Ende 2009 von der Stadt Frankfurt vorgelegten Innenstadtkonzept wird großspurig von ›Aufwertung‹ und ›Verbesserung der Aufenthaltsqualität‹ der Innenstadt gesprochen. Schaut man genauer hin, so erkennt man, was damit eigentlich gemeint ist: Sich aufhalten und wohnen soll in der Innenstadt nur, wer Geld ausgeben und Waren konsumieren kann und so zur Stärkung des Standorts Frankfurt im internationalen Wettbewerb beiträgt«

Ebenso wie ›Faites Votre jeu!‹ kritisiert auch Anette Mönich von der ›Initiative Zukunft Bockenheim‹ die von städtischer Seite angebotenen Formen der Bürgerbeteiligung: »Bürgerbeteiligung heißt für uns, dass Bürger und Politik sich auf Augenhöhe auseinandersetzen: Transparenz in den Planungsvorhaben schaffen, frühzeitige Formulierung der Bedarfe durch die Bürger  fördern und durch sachliche Prüfung und öffentliche Auseinandersetzung zu Ergebnissen kommen. Die bisherigen Angebote von ›Einbeziehung‹ durch die Stadt bei der Planung des Campus Bockenheim bestanden darin, Bürger schlecht zu informieren und in Veranstaltungen präsidial abzukanzeln oder pädagogische Spielwiesen aufzubauen. Wir jedoch sind am Planungsprozess schon jahrelang intensiv durch unsere Aktivitäten beteiligt, und wollen dies jetzt in die formellen Entscheidungsprozesse einbringen. Die Bürger sind die wichtigsten Experten, wenn es um Planung in der Stadt geht.«

Hier eine Übersicht über die verschiedenen Aktionen zum »Wem gehört die Stadt?«-Aktionstag. Wie immer gilt: Haltet die Augen und Ohren offen!

12.00 Uhr
Zweites Frühstück am Kurfürstenplatz

12.00 Uhr
Urban Breakfast Bahnhof Rödelheim

13.30 Uhr
im Anschluss Stadtteilspaziergang durch Bockenheim

15.00 Uhr
Aktionistisches Sightseeing [Start: Historisches Museum]

15.00 Uhr
Guerilla-Gardening Bergerstraße [Höhe Merianplatz]

15.00 bis 20.00 Uhr
»I love Wasserhäuschen« in und um die Koblenzer Straße [Gallus]

17.00 bis 19.00 Uhr
Diskussion, Kennenlernen und Vernetzung im Frauenraum alle FrauenLesbenTrans* sind herzlich eingeladen [Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim]

17.00 Uhr
Öffentliche Kantine an der Bockenheimer Warte

18.00 Uhr
Ruhestörung statt Lärmbelästigung

Infos und Hilfe am Aktionstag

Ermittlungs-Ausschuss (EA)
0160-95 65 74 26 [Aktionstag, ab 12 Uhr]
Weitere Infos zur Funktion eines EAs und wichtige Tipps zum Umgang mit Repressionsorganen findet ihr auf der Website des EA-Frankfurt: www.ea-frankfurt.org

Infotelefon
0176-74 54 99 91 [Aktionstag, ab 12 Uhr]

Live-Ticker
http://www.wemgehoertdiestadt.net/ticker/ [Aktionstag, ab 12 Uhr]

Infopoint
Bockenheimer Warte [Aktionstag, 12 bis 18 Uhr]

Zeitung zum Aktionstag

Zeitung zum Aktionstag

Zum »Wem gehört die Stadt?«-Aktionstag gibt es eine Zeitung. Die gedruckten Exemlare liegen schon seit einigen Tagen in vielen Läden, Cafés, Kneipen und Zentren aus. Das pdf der Zeitung könnt ihr euch herunterladen: WGDS-Zeitung als pdf (ca. 10 Mb.)

Nach dem Aktionstag

Das erste Netzwerk-Treffen nach dem Aktionstag findet am Sonntag, den 26. Juni um 14.30 Uhr im Klapperfeld statt und steht natürlich ganz im Zeichen der Auswertung des Aktionstags und der Zusammenarbeit in den letzten Monaten.

Da der Aktionstag nur ein erster Höhepunkt in einer langfristig angelegten gemeinsamen Auseinandersetzung mit Gentrifizierung und Verdrängung sein sollte, wird außerdem Thema sein, wie es weiter geht. Denn nach der Aktion ist ja bekanntlich vor der Aktion!

Natürlich freut sich das »Wem gehört die Stadt?«-Netzwerk immer über weitere Gruppen, Initiativen und natürlich auch Einzelpersonen aus dem Frankfurter Raum, die sich im Netzwerk einbringen wollen. Also kommt vorbei!

Weitere Termine in Frankfurt nach dem Aktionstag

Samstag, 18. Juni 2011, 9 Uhr, U-Bahn-Station Enkheim
Nazi-Demo in Bergen-Enkheim verhindern!

Bergen-Enkheimer Nazis aus dem Umfeld der sogenannten ›Freien Nationalisten Hessen‹ haben für den 18. Juni um 12:00 Uhr eine Demonstration unter dem kruden Motto »FreiRäume schaffen« angekündigt, die sie in rassistischer Tradition nur für Deutsche wollen.
Aktueller Stand: Die Route soll von der U-Bahn -Station Enk heim zur Bar barossa straße führen. Das Netz werk Frank furter Ant ifaschis tInnen ruft dazu auf, die Nazi-Demo in Bergen-Enk heim zu ver hindern. Treff punkt für Anti faschis tInnen ist am 18. Juni um 9:00 Uhr an der U-Bahn-Station Enkheim. SPD und Grüne planen ange mel dete Mahn wachen an der U-Bahn -Station Enkheim und in der Mitte der Route.
Auf dem Laufenden halten euch: www.antifa-frankfurt.org (Website zu Antifapolitik in Frankfurt), frankfurt.umsganze.de (autonomen antifa [f]), antinazi.wordpress.com (Anti-Nazi-Koordination Frankfurt)
www.adf-frankfurt.org (adf | Antifaschismus. Demokratie. Freiheit.)

Samstag, 18. Juni 2011, 14 Uhr, Frankfurt Hauptbahnhof
Demo der Initiative Christy Schwundeck

Christy Schwundeck wurde am 19. Mai im Jobcenter Gallus von einer Polizistin erschossen. Die Umstände, wie es dazu kommen konnte, sind nicht im Ansatz aufgeklärt. Die Demo richtet gegen Polizeigewalt und gegen rassistische und diskriminierende Behandlung in Jobcentern und Arbeitsagenturen.
Weitere Infos: www.initiative-christy-schwundeck.blogspot.com

Montag, 20. Juni 2011, 18 Uhr
Tatort Flughafen – Das Abschieberegime stoppen

Demonstration im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens im Bereich B
Weitere Infos auf: rhein-main.antira.info und noborderffm.blogsport.de

Mittwoch, 22. Juni, 18 Uhr, Hauptwache
Wir kommen um zu stören – IMK auflösen!

Bundesweite Demo gegen die Innenministerkonferenz in Frankfurt
Weitere Infos auf: imkaufloesen.blogsport.de

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