Fukushima und nichts Neues

vega 14.03.2011 15:55 Themen: Atom Blogwire Soziale Kämpfe
Analyse und Kommentar zu Fukushima und den Folgen in Deutschland aus herrschaftskritischer Perspektive.
„Jede Technik hat Schwachstellen. Versagen ist menschlich. Mit Versagen nicht zu rechnen, ist verantwortungslos und unmenschlich. Die Atomkraft setzt auf technische Wunderwerke, die nicht versagen. Aber sie haben versagt“ DIE ZEIT, knapp 25 Jahre vor Fukushima

Was denn jetzt gerade wirklich in dem AKW Fukushima I in Japan passiert, das sei hier nur kurz gestreift. Einerseits sind die Grundzüge wohl eh allgemein bekannt, andererseits gibt es kaum zuverlässige Informationen. Fest steht, dass in einem sehr dicht besiedelten Gebiet einer der schwersten Unfälle in der Geschichte der Nutzung der Atomkraft stattfindet, destruktives Potenzial enorm, Ausgang ungewiss.

Das war eigentlich auch schon alles, was an Neuigkeiten zu sagen ist. Denn was zu dieser Katastrophe geführt hat, ist allgemein bekannt. Welche Stoffe bei der Kernspaltung entstehen, wie gefährlich sie für Mensch und Umwelt sind, welche unfassbaren Zerstörungen ein GAU anrichten kann und das er sich der menschlichen Kontrolle entzieht, dass in jedem Atomkraftwerk der Welt das Restrisiko eines schweren Unfalls bis hin zur Kernschmelze besteht, dass dieses Risiko mit dem Alter der Anlagen steigt, dass Japan auf einer Erdbebenspalte liegt und in naher Zukunft ein schweres Beben erwartet wurde, dass der Reaktor alt und sein Betreiber unzuverlässig war - das alles was jetzt permanent durch die Nachrichten geistert, ist schon fast ein bißchen langweilig. Schließlich ist es lange, teilweise seit Jahrzehnten, bekannt.

Jetzt werden Parallelen gezogen, die genauso alt sind. Das ein genauso schweres Unglück auch in Deutschland oder anderswo in Europa eintreten kann. Die zahlreichen Unfälle die es auch hier schon in AKWs gab. Die Unzuverlässigkeit auch der hiesigen Betreiber.
Jetzt ist die Regierungskoalition unter Zugzwang. Vieles was da zu hören ist, kann wohl als heiße Luft abgetan werden, als Versuch im Wahlkampf zu retten was noch zu retten ist. Aber auch die Forderung nach der Stilllegung alter Meiler ist aus den Reihen von schwarz-gelb zu hören. Das wäre erfreulich. Die Verlängerung von Laufzeiten bspw. durch Übertragung der Laufzeiten der abgeschalteten AKWs auf noch laufende, kann später rückgängig gemacht werden. Stillegungen von Meilern nicht.
Das es dazu kommt, ist jenseits aller Wahlkampfrhetorik nicht unwahrscheinlich. Denn Fukushima stellt auch die Frage, nach der Vereinbarkeit von bestimmten Form der Nutzung der Atomkraft mit einer kapitalistischen Ökonomie. Lässt mensch alle verdrehten Ideologien beiseite, die den bürgerlichen Staat zu einem Bewahrer menschlicher Gesundheit, Lebens und Glück verklären wollen und ihm deshalb in die Verantwortung nehmen, lässt sich eines nicht leugnen: Eine seiner Kernaufgaben besteht darin, darüber zu wachen, dass die einzelnen Kapitalisten im allgemein erwünschten Hauen und Stechen keine Maßnahmen ergreifen, die den Fortbestand der kapitalistischen Ökonomie als Ganzes in Frage stellen. Ein Atomunfall, nachdem diverse Konzerne ihre Fabriken schließen müssen und die Volkswirtschaft einbricht, gehört wohl klar dazu. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch erklärbar, wenn selbst FDPler die unzuverlässigsten AKWs stilllegen wollen (das sie dabei die Existenz von sicheren Meilern imaginieren, sei mal dahingestellt).

Obwohl es ein Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland wäre (wohlhgemerkt einer, der in den nächsten Tagen und Wochen erkämpft werden muss!), sollte sich eine wirklich emanzipatorische Bewegung damit nicht zufrieden geben. Das Kapital das nicht mehr in AKWs gesteckt wird, könnte dann schließlich auch in Gentechnik, Rüstung etc. pp. fließen.
Vielmehr zeigt sich die Richtigkeit einer weiteren alten Forderung: Ein Gesellschaftssystem, das eine Katastrophe wie in Japan zulässt, obwohl alle Fakten die zu ihr geführt haben lange bekannt waren, ist unfassbar destruktiv und menschenfeindlich. Es zeigt sich ein weiteres Mal, dass der Kapitalismus in dem die Verwertung das alleinige Grundprinzip der Ökonomie darstellt (darstellen muss), unfassbaren Schrecken und Leid in Kauf nimmt. Es stellt sich mit neuer alter Aktualität die Frage nach radikaler Umwälzung, und der Beseitigung jener gesellschaftlichen Grundprinzipien, die nicht nur Fukushima und Tschernobyl möglich gemacht haben. Jetzt wo ein weiteres Aufleben der Anti-Atom-Bewegung wahrscheinlich ist, sollte nicht nur über die Technik sondern auch über die Gesellschaft geredet werden, die die Katastrophe zugelassen hat.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

viele worte ...

fred dschin 14.03.2011 - 16:51
das sind ja viele, leider etwas diffuse worte. hier wird dasselbe kurz und schmerzlos gesagt:  http://www.friederbronner.de/wp/2011/fukushima-12-03-2011-atomkraft-ist-energie-fur-dummkopfe-feiglinge-und-superrreiche/

Grundsatzfragen des Lebens

stellen... 14.03.2011 - 17:27
und Antworten finden, suchen!!!

Atomkraft ist und bleibt ein unverantwortbarer Wahnsinn den es überall zu beenden gilt. Alles scheinheilige Gelaber der derzeitigen Regierung in der BRD gilt einzig einem Kalkühl: Angriff ist die beste Verteidigung im Landtagswahlkampf. Wer sich jetzt, wie die CDU und FDP etwas geläutert zeigt und ein bisschen die gerade verabschiedete Laufzeitverlängerung verschiebt und ein paar Atomkraftwerke vielleicht doch etwas früher abschalten will und von Sicherheitschecks redet, der und die haben nix verstanden. Ihnen geht es einzig darum Aktionismus und verantwortliche Politik vorzutäuschen und darauf zu hoffen, dass sie damit Punkten. Aber Atomkraft ist von Anfang bis Ende ein Experiment am Leben mit steten ralen Restrisiko und der Müll bleibt als solcher für Millionen von Jahre bestehen, auch als genau dieses reale Restrisiko. Wir können nur sofort damit aufhören. Überall!

Das Grundbroblem des stetigen Energiehungers einer auf Verbrauch und Gewinnmaximierung ausgelegten Wirtschaftweise, wie auch das einer Gesellschaft, die meint das derzeitige materielle Niveau der westlichen Welt zumindest halten oder erreichen zu können ob nun in Form von Privat- oder staatlichen oder nichtstaatlichen Gemeineigentum bleibt von dieser Forderung aber unberührt. Denn es geht im weiteren Verlauf, ob mit oder ohne Atomstrom immer noch darum, nicht zu akzeptieren, das wirtschaftliches Wachstum Grenzen hat, das unsere energiehungrige Lebensweise die Erde so verändert, dass es so oder so irgendwann einfach nirgends mehr lebenswerte Umwelt gibt. Auch unter vielen Linksradikalen besteht bis heute die Auffassung, dass alles sei vor allem ein Verteilungs und ein Eigentumsproblem - sprich ein vor allem Soziales zwischen Menschen. Es ist weit mehr, ja es ist ein umfassend soziales Problem, dass aber insbesondere die ökolgischen Voraussetzungen unseres Lebens ins Blickfeld rücken muss. Ändern wir unseren Umgang mit Energie und Ressourcen und beginnen allgemein auf Dinge zu verzichten, dann ändert sich auch unser soziales Zusammenleben unsere Prioritäten. Marx sprach mal von Entfremdung des Menschen von sich selbst -bezoengen auf unsere arbeitsteilige maschinenbasierenden modernen Welt kann ich nicht umhin, zu sagen: wir müssen ganz ganz anders leben und andere Prioritäten setzen. Es geht darum die Entfremdung bewußt zu durchbrechen, das heißt aber auch, das wir hier in unserer feinen westlichen Welt endlich aufhören, ein Weltbild des Überflusses zu fröhnen. Es geht wahrlich um Teilen, um Helfen und es geht um Gemeinschaften, die Individualität und Kollektivität versöhnen, die Natur wieder als Teil unseres Lebens im alltag hineinlässt und damit leben, dass Fliegen und Autofahren nicht auf Dauer normal sein werden. Ein schwerer Schritt und nicht unmodern, sondern das modernste und radikalste, was wir als Linke mit auf den Weg bringen sollten.

Kein grünen Kapitalismus!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Atomkraft abschalten — und den Rest!