Ffm: über 1000 auf antikapitalistischer Demo

unabhängige berichterstatterin 03.05.2010 14:18 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Die Demonstration "Endlich wird die Arbeit knapp! Gegen Lohnarbeit, Leistungsterror und Konkurrenz - Kapitalismus abwracken!" war ein voller Erfolg. Mehr als 1000 Leute folgtem der Mobilisierung des sozialrevolutionären und antinationalen Krisenbündnis Frankfurt, die von weiteren Zusammenhängen unterstützt wurde – etwa dem Protestplenum der Uni Frankfurt, dem Künstlerzusammenschluss Free Class FFM und ums Ganze. Die Bullen hielten sich zurück, die Stimmung war hervorragend, es ging tatsächlich mal vor allem um Inhalte.
Die Demo

Im Vorfeld war sich das Bündnis noch unsicher, ob die Polizei einer offenen und informativen Demo nicht doch wieder im Weg stehen würde. Sollte es – wie so oft bei kritischen Demos in Ffm oder anderen Aktionen der Antifa [f] in den letzten Jahren – Wanderkessel, Dauerverfilmung und die sonstige übliche Kriminalisierung geben, wolle man dagegen „mit allen rechtlichen und kreativen Mitteln vorgehen“, so der Pressesprecher.

Doch Plan A ging auf: Mehrere hundert Leute kamen trotz schlechten Wetters zur Auftaktkundgebung an die Galluswarte, in der Innenstadt waren es dann über tausend. Die Polizei war zwar mit einem martialischen Aufgebot einiger Hundertschaften samt Schildern und Wasserwerfern da und umkreiste die Demo damit die ganze Zeit weitläufig, es gab aber kein Seitenspalier. Es wurde eine Demo mit außergewöhnlich guter Stimmung: Man hatte das Gefühl, für Inhalte zu demonstrieren – und sich nicht in erster Linie, wie so oft, mit ohnehin aussichtslos militantem Gestus mit den Bullen durch die Straßen zu schubsen. Parolen wie „Nie wieder Lohnarbeit!“, „A- Anti- Anitcapitalista“, „Für Deutschland keinen Finger krumm!“ und vor allem viele Flugblätter und Plakate vermittelten die Kritik an Kapitalismus im Allegemeinen und Lohnarbeit im Besonderen.



Der Inhalt

Zum Anliegen der Demonstration erklärte Christian Linden, der Pressesprecher: "Aufgrund des Produktivitätsfortschritts ist eigentlich immer weniger Aufwand notwendig um die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Da die Lohnarbeit aber im Kapitalismus die einzige Quelle von Profit ist, presst der Staat die Menschen mit Hartz IV zu immer mieseren Bedingungen in Lohnarbeit. Dagegen wollen wir deutlich machen: Kapitalismus und Lohnarbeit sind längst überflüssig und gehören durch eine kollektive Organisation der gesellschaftlichen Produktion und Arbeitsteilung überwunden."

Zu dem wollen die linken Gruppen mit der Demonstration auch ihren Widerstand gegen die "aktuelle Arbeitshetze von der FDP bis zur SPD" zeigen. Linden: "Es ist menschenverachtend, die Menschen mit Leiharbeit und ähnlichen Maßnahmen unbedingt zur Lohnarbeit zwingen zu wollen und sie durch Mittelkürzungen in ihrer Existenz zu bedrohen. Ohne Kapitalismus müssten alle Menschen heute viel weniger arbeiten und könnten trotzdem besser leben". Gegen das "aktuelle Arbeitsregime" helfe kein "Co-Management", wie es die DGB-Gewerkschaften regelmäßig am 1. Mai zelebrierten, sondern nur "Selbstorganisation und kollektive Gegenwehr gegen die Zumutungen von Staat und Kapital".

Die Demonstration stellte den vorläufigen Höhepunkt der Kampagne des sozialrevolutionären und antinationalen Krisenbündnis Frankfurt dar, die unter dem Motto "3,2,1 ... uns! Kapitalismus abschaffen!" Selbstorganisation und kollektive Aneignung in der kapitalistischen Krise fördern will. Im Rahmen der Kampagne gab es bereits zahlreiche Demonstrationen und Veranstaltungen, z.B. gegen die rassistische Ermittlungsgruppe "AG Wohlfahrt" in Offenbach, für kostenlosen Nahverkehr, gegen die autoritäre Hochschule und gegen Leiharbeit.



Die Presse

Bemerkenswert war eine abgefangene interne Mail des hessischen Rundfunks. Darin heißt es, es reiche sich "im Service auf die Verkehrsbehinderungen" zu beschränken, "wenn nichts passiert". "Sollte die Lage allerdings 'eskalieren' ", wolle man "sofort eine Berichterstattung aufnehmen". In der ersten Pressemitteilung nach der Demo sagte Linden dazu: "Ich bin gespannt, ob dem HR eine linksradikale Demonstration auch dann einen Bericht wert ist, wenn sich nicht über ein Gewaltspektakel empört werden kann." Es lag wohl daran, dass dann doch ein fünfminütiger Bericht im HR-Fernsehen erschienen ist – der sich zwar vor allem über Frankfurter Frieden freut, aber nicht umhinkommt auch die Inhalte zu berücksichtigen.

Der TV-Bericht findet sich hier:
 http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?key=standard_document_39061967&jmpage=1&type=v&rubrik=36082&jm=1&mediakey=fs/allgemein/20100430_mai_demo

Ansonsten hat die lokale Presse jeweils die Meldung von der DPA übernommen:
 http://fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/frankfurt/2600335_Demonstration-gegen-Kapitalismus-Friedlicher-Protest-in-der-Innenstadt.html

Im Vorfeld gab es ein Interview mit dem WDR, das hier zu hören ist:
 http://www.wdr3.de/resonanzen/details/artikel/wdr-3-resonanzen-8c5286aa54.html

Außerdem gab es im Vorhinein ein Interview auf Radio X:  http://de.indymedia.org/2010/04/278666.shtml

Ein ausführlicher Indymedia-Artikel mit Links zur gesammten "3,2,1 ... uns! Kapitalismus abschaffen!"-Kampange:  http://de.indymedia.org/2010/04/278581.shtml

Das schicke ums Ganze Video gibt’s hier:  http://www.youtube.com/watch?v=pm8nX9FnEZg&feature=player_embedded



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Und hier nochmal die verschiedenen Aufrufe:

sozialrevolutionäres und antinationales Krisenbündnis:  http://krise.blogsport.de/

...ums Ganze!:  http://www.autonome-antifa.com/cms/?p=90#more-90

Protestplenum der Uni Frankfurt:  http://bildungsstreik-ffm.de/cms/?p=381

Künstlerzusammenschluss Free Class FFM:  http://freeclassfrankfurt.wordpress.com/

Aufruf des Krisenbündnisses zur gesamten 3,2,1...uns!-Kampagne:  http://krise.blogsport.de/kampagne-321-uns-kapitalismus-abschaffen/



und Redebeiträge: www.antifa-frankfurt.org
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Ergänzungen

TeilnehmerInnenzahl etc

Graf Zahl 03.05.2010 - 17:30
Die TeilnehmerInnenzahl lag anfangs sicherlich bei ca. 500. Während einer Zwischenkundgebung bin ich mal an der Seite entlang und musste feststellen, dass sich die Zahl sicherlich verdoppelt hatte.
Ansonsten fande ich, dass es eine wirklich tolle Demo war. Relativ offen, relativ bunt und radikal in ihren Forderungen. Wer an diesem Tag seinen Militanz-Fetisch ausleben wollte, der war sicherlich auf der falschen Veranstaltung. Ich wünsche mir mehr solcher Demos(Gestaltung/Inhalt)!

Redebeitrag der antifa [ko]

oi 03.05.2010 - 17:31
Dass es durchaus schöneres gibt, als morgens in aller Frühe aufzustehen um sich den ganzen Tag für einen geringen Lohn abzuschuften, der dann am Ende des Monats gerade mal ausreicht, um die eigenen Grundbedürfnisse zu decken, dessen sind sich wohl die meisten erwerbstätigen Menschen bewusst. Doch die ArbeitnehmerInnen sind sich auch bewusst, dass Lohnarbeit im Kapitalismus für Besitzlose die einzige Möglichkeit ist, ein (materiell) halbwegs erträgliches Leben zu führen. Doch neben der Tatsache, dass Lohnarbeit als elementares Prinzip kapitalistischer Vergesellschaftung eine moderne Form der Ausbeutung darstellt, bildet diese Art der Warenproduktion ebenso den Nährboden für Ausgrenzungsmechanismen und reaktionäre Ressentiments aller Art. Vereinfacht gesagt: Stammtischparolen wie „Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ oder die verschwörungstheoretischen Hirngespinste von BankerInnen und SpekulantInnen, die angeblich die Ökonomie lenken, sind natürlich kein Zufall, sondern vielmehr Konsequenz des systemimmanenten Zwangs zum Verkauf seiner Arbeitskraft und kapitalistischer Reproduktion im Allgemeinen.

Die im ständigen Kampf um Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum zu KonkurrentInnen verkommenen Individuen sind zum Verkauf ihrer Arbeitskraft gegen Lohn gezwungen, sofern sie außer sich selbst kein relevantes Privateigentum an Produktionsmitteln besitzen. Zwang meint hierbei nicht, dass die ArbeitnehmerInnen „Besitz“ des Arbeitgebers sind, wie es beispielsweise in vorkapitalistischen Gesellschaften wie dem Feudalismus der Fall war. Rechtlich sind alle „frei“ von solchen Zwängen – alle haben das Recht, selbst zu entscheiden, mit wem sie wie lange ein Vertragsverhältnis eingehen. Das Problem ist nur, dass all jene, die kein Vertragsverhältnis zur Lohnarbeit ergattern, auch kein Geld – und somit kein Tauschmittel – zur Verfügung haben, um die eigenen, elementaren Grundbedürfnisse zum Überleben zu finanzieren. Von Spaß und Luxus an dieser Stelle mal völlig abgesehen. Da allerdings – alle Schwankungen des Marktes mal außen vor gelassen – eigentlich nie genug Arbeitsplätze für alle da sind, entsteht eine große Konkurrenz zwischen den einzelnen AnwerberInnen um einen Job. Keiner geregelten Arbeit nachzugehen ist nicht nur blöd, weil es sich von Hartz IV eben NICHT sonderlich dekadent leben lässt – es wird gesellschaftlich auch noch aufs Schärfste geächtet.

Versagt also der Kampf um den eigenen Vorteil – sprich: die AnwerberInnen bekommen partout keinen Job – liegt die nächste Stufe nahe: Der Kampf um den Vorteil der eigenen Gemeinschaft, eines konstruierten Kollektivs, in Abgrenzung zu anderen konstruierten Zwangsgemeinschaften und deren Angehörige. Nationalistische und rassistische Argumentationsmuster sind dann nicht mehr weit entfernt: „Wenn ich keinen Job bekomme, weil es zu viele Anwerber gibt, dann müssen eben andere gehen – zum Beispiel die ganzen Ausländer.“ So einfach lautet die Schlussfolgerung der NationalistInnen und RassistInnen. Den MigrantInnen wird unterstellt, dass sie nur in Deutschland seien, um den Reichtum anderer auszunutzen und „den Deutschen“ den Arbeitsplatz wegzunehmen. Ökonomisch bedingte Begleiterscheinungen der heutigen Gesellschaft – wie eben eine hohe Arbeitslosenquote – sind dann nicht mehr logischer Bestandteil von immer wiederkehrenden Konjunkturschwankungen im Kapitalismus, sondern Schuld einzelner Akteure. Dieser Personifizierung gesellschaftlicher und ökonomischer Verhältnisse liegt eine Verklärung der grundsätzlichen kapitalistischen Verwertungslogik zu Grunde: Wenn Unternehmen in bestimmten Zeiten der Konjunktur weniger LohnarbeiterInnen brauchen als sonst, dann ist das eben so. Das ist dann allerdings kein „Problem“ oder „Missstand“ der so genannten Marktwirschaft, sondern kategorialer Bestandteil ihres Selbstverständnisses bzw. ihrer Funktionsweise. Eine rassistische Grundstimmung gegenüber MigrantInnen ist daher auch kein Problem, das lediglich vom so genannten rechten Rand, also den Neonazis aus den Reihen der NPD, propagiert wird. Rassistische und standortnationalistische Ausgrenzungsmechanismen sind ein Resultat kapitalistischer Konkurrenz und deshalb bereits in der selbst ernannten „bürgerlichen Mitte“ fest verankert.

Noch wesentlich fatalere Folgen bringt diese Form der Schuldzuweisung bei der Personifizierung oder Ethnisierung ganzer kapitalistischer Produktions- und Zirkulationsprozesse mit sich. Während MigrantInnen häufig – in Anführungszeichen – „nur“ dafür herhalten müssen, für die hohe Arbeitslosenquote verantwortlich zu sein, wird bei einer verkürzten Kritik des Kapitalismus als Ganzes ein Sündenbock kreiert, der für Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Ausbeutung und Leid im Allgemeinen verantwortlich gemacht wird. VerschwörungstheoretikerInnen aller Coleur reden von so genannten „finsteren Mächten“, die die Zügel der Wirtschaft in ihren Händen hielten. Schuld ist laut deren Argumentation dann nicht mehr die kapitalistische Produktionsweise selbst, also ein gesellschaftliches Verhältnis, das in seiner eigenen Logik immer wieder Ohnmacht und Ungerechtigkeit produziert. Die Schuld wird vielmehr einzelnen Akteuren zugeschrieben, meist BankerInnen, ManagerInnen, so genannten SpekulantInnen oder auch einfach „den Bonzen“, denen unterstellt wird, durch Habgier und Egoismus für die negativen Auswirkungen, die der Kapitalismus mit sich bringt, verantwortlich zu sein. Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, merkt schnell: Diese Argumentationsmuster kommen uns bekannt vor. Während bereits die Nazis der NSDAP zwischen »schaffendem Kapital«, also der so genannten »guten, deutschen Arbeit«, und dem »raffenden Kapital«, sprich der so genannten »jüdischen Nichtarbeit« unterschieden, bleibt heutzutage selbst vermeintlich »linke« Kapitalismuskritik nicht vor antisemitischen Klischees verschont. Wer ein abstraktes gesellschaftliches Verhältnis wie den Kapitalismus verkürzt kritisiert, personifiziert und die Schuld an Ausbeutung und Ungerechtigkeit bestimmten gesellschaftlichen Gruppen zuschreibt, dessen Krisenlösungsstrategien dürften sich wohl kaum großartig von denen der Nazis unterscheiden, welche mit dem Ziel der Vernichtung des so genannten „raffenden Kapitals“ eine systematische Verfolgung und Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden zu Folge hatte. Der Unterscheidung in „gute“ und „schlechte“ Lohnarbeit, der unabdingbar eine offen oder strukturell antisemitische Weltanschauung immanent ist, gilt es daher eine klare Absage zu erteilen.

Ausgrenzungsmechanismen sind den Menschen in den heutigen Gesellschaften so verinnerlicht und vergegenständlicht, dass es naiv wäre, zu glauben, dass sich alle reaktionären Ideologien mit der Umstellung auf eine solidarische Produktionsweise, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, in Luft auflösen. Gerade, weil es selbstverständlich Ausgrenzung auch in vorkapitalistischen Gesellschaften gab, auch wenn sich diese deutlich von im Kapitalismus entstandenen Mechanismen unterscheiden und daher differenziert zu betrachten ist. Eine soziale Revolution, sprich die kollektive Aneignung der Produktionsmittel und des gesellschaftlichen Reichtums, bringt also noch lange keine Emanzipation in diesem Sinne mit sich. Allerdings ist die Annahme, es sei möglich, Ausgrenzung und die Entstehung von Unterdrückungsmechanismen innerhalb des Kapitalismus zu bekämpfen, genau so weit gefehlt. Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Ausbeutung bilden immer das Fundament, auf dem antiemanzipatorische Ideologien aller Art gedeihen.

Die Überwindung von Staat, Nation, Kapital und aller inbegriffenen Zumutungen wie der Lohnarbeit ist deshalb die Voraussetzung für eine befreite Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Unterdrückung. Deshalb:

Kapitalismus abwracken -
Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus konsequent bekämpfen!

Für den Kommunismus!

Reihen

Reihen = Selbstschutz 03.05.2010 - 23:06
Die Reihen dort hatten doch ihren Sinn. Sie waren die ganze Zeit über nicht in Ketten, aber durchaus in der Lage situationsabhängig zu reagieren.
Wer Demoerfahrungen hat, weiß, wie schnell die Bullen sich formieren um in eine Demo einzudringen, wegen den kleinsten Dingen. Und diese gab es auch in FFM. Es gab jüngere, die sich vermummten, es kam zu einer Zündung eines Rauchgeschosses etc. Da ists schon wichtig schnell reagieren zu können - zum Eigenschutz.
Leider hatten, gerade jüngere GenossInnen, nicht diese Erfahrung und Weitsicht und drängten sich zwischen die Ketten. Auch nach mehrmaligen Erklärungen zogen sie nicht von dannen, so, dass ich schon etwas lauter werden musste - leider.
Auch der Hinweis, dass eine Vermummung von den Bullen erfasst wurde und ein Trupp diesen anvisierte, sorgte bei diesen für Unverständnis, denn meine Empfehlung, dass in der derzeitigen Formation der Demonstration die Leute nicht in der Lage seien diese Leute zu schützen und dieser sich daher in die Mitte der Demo verziehen sollte oder die Vermummung ablegen solle.

Rede der Gruppe dissident (Marburg)

dissidentIn 04.05.2010 - 08:37

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 14 Kommentare

Nur gegen Lohnarbeit? Das reicht uns nicht!

_ 03.05.2010 - 14:37
Hier der Redebeitrag der Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. aus Marburg:

Wir sind heute hier auf der Straße, um laut und deutlich zu zeigen, dass der Kapitalismus ein Scheiß‘System ist und mitsamt seiner Lohnarbeit abgeschafft gehört. Oder um im Krisentenor zu sprechen: Wir fordern die Abwrackprämie für den Kapitalismus!
Doch wie sich mit der derzeitigen Krise zeigt, hat der Kapitalismus viele Gesichter - aus diesem Grunde heisst es für uns „Wilkommen im Krisengebiet“ - und stellt uns vor die Herausforderung, uns mit allen Facetten der kapitalistischen Verwertung zu befassen. Und da die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung unabdingbarer Bestandteil dieses Verwertungsprozesses ist, fordern und schreien wir ebenso laut nach der Abwrackprämie für das Patriarchat!

Wir wehren uns gegen eine Kritik am Kapitalismus, die sich auf die Abschaffung der Lohnarbeit beschränkt, die Logik der Trennung in bezahlte Arbeit und unbezahlte Arbeit aber unangetastet lässt.
Erst diese Unterscheidung ermöglicht die Steigerung der Zumutungen und Ausbeutungen im Bereich der bezahlten Lohnarbeit, weil ja die Arbeitskraft unentgeltlich als Liebesdienst oder Selbstverständlichkeit „zu Hause“ wiederhergestellt wird. Ebenso ermöglicht sie die Profitsteigerung durch die massenhafte Auslagerung von Fertigung in entrechtete und nicht öffentliche Sphären der Hausfrauisierten Produktionsarbeit.

So werden Frauen nicht nur bei uns, sondern weltweit in den sogenannten Billiglohnländern in ausbeuterischen Verhältnissen gezwungen unter den widrigsten Bedingungen und für Hungerlöhne zu arbeiten, meist sind dies junge unverheiratete Frauen.
Zum anderen sind es diese Frauen, die wenn sie älter werden, verheiratet sind oder Kinder haben, aus der Fabrik rausgeschmissen werden und in noch entrechteteren Verhältnissen in Heimarbeit weiterhin Produkte für den Weltmarkt herstellen.
Sie arbeiten als „hausfrauisierte LohnarbeiterInenn“ mit noch weniger Entlohnung und ArbeiterInnenrechten für das globalisierte Kapital, vor allem in den weit verbreiteten peripheren Produktionszonen, z. B. in China oder wie die Frauen in den Sonderwirtschaftszonen von Maquilladoras.
Somit unterliegen unzähligen Tätigkeiten die nicht unter Lohnarbeit gezählt werden genauso und noch viel stärker den Mechanismen kapitalistischer Ausbeutung. Diese Heimarbeit ist, wegen einem fehlendem Arbeitsplatz, schlechter materieller Ausstattung, fehlenden Rechten, Isolation und fehlender Trennung von Arbeit und Leben noch schlimmer ausgebeutet als Lohnarbeit.

Und was die Reproduktionsarbeit betrifft: auch wenn wir uns als europäische Mittelschichtsfrauen durch unseren Wohlstand so mancher unliebsamer Arbeit entledigen könnten, in dem wir sie uns entweder bezahlen lassen oder sie bezahlt an Dritte delegieren, um dann statt dessen prekäre lohnzuarbeiten.
Die Frauen, an die unsere Arbeiten delegiert werden, sind ihrerseits nur durch die Inanspruchnahme sozialer oder Familiennetzwerke oder durch die Arbeit von Frauen aus noch viel ärmeren Ländern dazu in der Lage, die von ihnen hinterlassenen Lücken fehlender Reproduktionstätigkeiten auszufüllen.
Mit unserer Loslösung von Haus und Herd ist damit keinesfalls das Problem kapitalistischer Arbeitsorganisation abgeschafft, sondern nur verlagert. Das quasi Outsourcing unserer Reproduktionsarbeit ist dabei nur eine neue Form kolonialer Unterdrückungsverhältnisse, auf die der Kapitalismus schon immer angewiesen war und auch in Zukunft angewiesen sein wird.
So wird das Los unbezahlter Reproduktionsarbeit zwischen Frauen hin und her manövriert. Diese Prekarisierung weiblicher Arbeit avanciert dabei zum zentralen Kosten- und Wettbewerbsvorteil im globalisierten Kapitalismus.

Die reine Kritik an Lohnarbeit, auf die auch viele Linke immer wieder verfallen verliert damit das Wesentliche aus dem Blick: nicht allein die Lohnarbeit ist die Wurzel allen Übels, sondern die durch patriarchale und koloniale Unterdrückung erzwungenen Sphären unbezahlter Arbeit, die die Ausbeutung von Lohnarbeit erst ermöglichen.

Wenn wir also den Kapitalismus abschaffen wollen, müssen wir uns nicht nur vom Selbstverständnis der guten Arbeitsgesellschaft verabschieden, die auch von Linken nach wie vor als zentrales Kampf- und Interventionsfeld formuliert wird, sondern dürfen nicht in dieselbe Falle der Logik kapitalistischer Arbeitsorganisierung tappen, die uns die befreite Gesellschaft andronzentristisch als eine Überwindung des Reichs der Notwendigkeiten vorstellt.

Wenn wir die aktuell geleistete, unbezahlte, gesellschaftliche Arbeit konsequent mitdenken wollen, kann die Utopie einer befreiten Gesellschaft nicht jenseits von Arbeit, sondern vielmehr nur durch die Befreiung der Arbeit aus ihrer kapitalistischen Vergesellschaftung hervorgehen.

Dabei geht es um nicht weniger, als um die Wiederaneignung unserer Lebensproduktion und damit um die Wiedererlangung der Autonomie über unsere Lebens-Selbstversorgung. Also um ein selbstbestimmtes Leben.

Ein Ansatz hierfür wäre, der Logik der Arbeit die Logik des Lebens entgegen setzen, für eine Gesellschaft die nach Bedürfnissen und nicht nach Kapitalverwertung ausgerichtet ist.

Nicht die Abschaffung von Arbeit ist demnach unser erklärtes Ziel sein, sondern deren Befreiung und damit für Rückgewinnung der Autonomie über unser Leben.

So sehr im Sicherheitstenor der Herrschenden MigrantInnen ein Übel und eine Bedrohung darstellen, desto mehr sind sie doch paradoxerweise unabdingbar für die Aufrechterhaltung der jetzigen kapitalistischen Gesellschaftsformation.
Frauen aus Osteuropäischen Ländern, wie Moldavien lassen ihre Kinder und Familien zurück um in EU-Ländern wie Italien in Privathaushalten zu arbeiten.

All diese Verstrickungen bleiben aber in diesem Moment der Krise nicht widerstandslos. Die italienische Studierendenbewegung vom Herbst 2008 schuf mit „Wie bezahlen nicht für eure Krise!“ als erste Bewegung einen internationalen oder doch zumindest europäischen Slogan mit Bezug auf die aktuelle Krise.

In Frankreich und Griechenland entzündeten sich flammende Proteste. Am 1. März diesen Jahres wurde das erste Mal in Italien und Frankreich ein Streik von MigrantInnen organisiert, der in Italien tausende von Menschen auf die Straße bringt. Dies ist in erster Versuch, einer Organisierung von Arbeitskämpfen, die sich häufig schwieriger gestalten, als andere, ein erster Aufschlag ist getan.

Morgen ist der 1.Mai und in hunderten europäischen Städten werden Menschen auf die Straße gehen, für ein anderes, ein besseres Leben.
Wir sind Prekäre, Arbeitslose, Studierende, HartzempfängerInnen, alleinerziehende Mütter, MigrantInnen. Wir alle werden beschnitten in unserem Wunsch nach Befreiung und Autonomie.
Auch wir werden heute hier laut sein, so dass uns die GenossInnen in Italien, die in diesem Jahr den Mayday und ihren Widerstand unter das Licht des Geschlechteraspektes stellen, die GenossInnen in Frankreich, in Griechenland und all den anderen Ländern uns hören können.
Der 1. Mai ist ein Tag unseres antagonistischen Widerstandes und das werden wir den Herrschenden heute und morgen deutlich entgegen bringen.

Im globalen kapitalistischen Patriarchat kann es keine Gleichheit für alle geben! Gegen Lohnarbeit, deren patriarchale Strukturierungen und den Kapitalismus!

Für eine herrschaftsfreie Gesellschaft! Für die Emanzipation aller Menschen!
Für den Kommunismus!

Wow

dasd 03.05.2010 - 14:48
Hervorzuheben ist wohl die außerordentlich gute Presse die man durch so eine Demo erreicht. Könnte den Effekt haben, auf lange Sicht als Randgruppenspinner abgestempelt zu werden, die man nicht beachten muss. Aber so von der Reportage her sehr positiv, mal Inhalte zu sehen und auch von der Presse so wiedergegeben zu werden.

so ein bericht

... 03.05.2010 - 15:00
wäre doch mal für die startseite geeignet. Neben dem Kurzbericht über proNW in Minden und die 1. Mai-Demonstration in Rosenheim ist er doch alles andere als bedeutungslos oder zu wenig umfangreich.

==> Subotnik im Bankenviertel

deprimiert 03.05.2010 - 16:20
Danke f. das Thema: Immer aktuell und in Ffm schon lange nicht mehr in der Öffentlichkeit kritisch thematisiert! Im Vorfeld gute Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, die den Bullen eine mögliche Kriminalisierung bzw. ihr Gejammer ala "wir sind Opfer - alle wollen uns töten" erschwerte.
Vielleicht kann beim nächsten mal die Route inhaltlich noch besser mit dem Thema abgstimmt werden. Das Gallus, von dem die Demo Richtung City startete, ist der einzige große innenstadtnahe Stadteil, mit noch nicht vollkommen verdrängter Bevölkerung. Die Mainzerlandstrasse ist um die Uhrzeit nur noch Ausfallstarsse für Feierabendependler, die Innenstadt um 19:00 Uhr nur noch Geisterstadt. Und ob, ohne viele Klisches zu bemühen, die Klientel in der City der Zielgruppe entspricht, kann auch noch mal diskutiert werden; vielleicht bei einem Bierchen mit der prekarisierten Bevölkering aus dem Gallus, oder hattet ihr davor Angst?

Nix für Ungut, weitermachen!

naja

dabeigewesene 03.05.2010 - 16:31
also über 1000 halte ich doch für ziemlich übetrieben, anfangs 400 später 600 ist da schon eher realistisch ..

Was für eine Niederlage

Schwach 03.05.2010 - 17:25
Was geht denn da ab? Ich erninnere mich noch ganz genau an 4.000 Menschen bei Minus 13 Grad im Januar bei einer Linken-Studidemo, die auch von euch mitorganisiert worden ist.

1.000 Leute ist zwar realistisch, aber insgesammt extrem Schwach. Wir hatten hier doch mehr Berliner Verhältnisse erwartet. Da muss was passieren, was die ganzen Jugendlichen im Halbkoma aktiviert und an politische Aktionen heranführt. Und zwar bald.

@dabeigewesen

1+1=2 03.05.2010 - 17:25
Naja, vlt. solltest du mal zählen lernen. Aber an sich ist es auch vollkommen Wurscht ob 100, 200 oder 3000 da waren. Schließlich war die Demo in Frankfurt neben der Leipzig Demo die einzigen die eine Kritik der kapitalistischen Arbeit formuliert haben und sich so mal angenehm von dem Spektakel der steinewerfenden Sozialdemokraten am Kottobuser Tor abgesetzt haben. Also lieber mit 5 Leuten gegen Staat.Nation. Kapital und Lohnarbeit als mit hunderttausend DGBler in schwarzer Kluft gegen Heuschrecken und andere BeBILDderungen aus der Tierwelt.

Schicke UmsGanze Fahnen

Fan 03.05.2010 - 17:38
Bekommt man die irgendwo zu kaufen?

Demo

hans 03.05.2010 - 17:46
Schöne Demo! Nur die Polizei muss noch etwas Nachhilfe nehmen. Mit der Ankündigung sich zurück halten zu wollen und am liebsten nur den Verkehr zu regeln macht sich Polizeipräsident Dr. Achim Thiel im Nachhinein lächerlich. An vielen Stellen wurde die Demonstration unverhältnismäßig abgeschirmt.

es war

verdammt gut! 03.05.2010 - 18:57
Ganz großes Lob von mir an alle Gruppen und Personen die organisiert und teilgenommen haben. Die Demo hatte ein klasse Stimmung, wahnsinnig inhaltsstark, keine sinnlosen Konfrontationen mit Bullen und mit Sicherheit 1000 Teilnehmer_innen, trotz schlechtem Wetter. Die Ums Ganze Fahnen sind ziemlich cool, kann mensch die wo bekommen?

Kritik: die Route war sehr lang, das konnte mensch zum Schluss gut sehen, bei der Abschlusskundgebung waren vlt noch 500 Leute da, die meisten waren müde oder wollten was Essen gehen etc.

Insgesamt eine inhaltsstarke und schöne Demo, danke an euch alle und weiter so!

Für den Kommunismus!

Ablauf

Joe 03.05.2010 - 19:38
Eine linksradikale Demonstration muss immer damit rechnen, mit oder ohne vorhergangene Provokationen von der Staatsmacht angegriffen zu werden. Umso unverständlicher ist, dass einige MitdemonstrantInnen gedankenlos und selbstinszenierend sich mit Transpis begannen neben das Fronttranspi zu stellen, sobald die Straße breit genug war. Was soll das?
Auch in die vorderen Reihen, die organisiert waren und bei Bedarf in Sekunden zu Ketten hätten umgeformt werden können, begannen sich Leute "vorzudrängeln" um, wie es schien, auch mal vorne mit dabei zu sein.
Solche Dinge gefährden eine ganze Demonstration!

communism

millis tanz 03.05.2010 - 21:48
" Umso unverständlicher ist, dass einige MitdemonstrantInnen gedankenlos und selbstinszenierend sich mit Transpis begannen neben das Fronttranspi zu stellen, sobald die Straße breit genug war. Was soll das?
Auch in die vorderen Reihen, die organisiert waren und bei Bedarf in Sekunden zu Ketten hätten umgeformt werden können, begannen sich Leute "vorzudrängeln" um, wie es schien, auch mal vorne mit dabei zu sein.
Solche Dinge gefährden eine ganze Demonstration! "

...Was soll denn dieser Quatsch???

Bist du der Meinung, nur du und deine Gang seien richtig fett krass organisiert?
Sprichst du den anderen Teilnehmer_Innen ab, dass sie auf solche Angriffe (die zu keiner Zeit in Aussicht standen) nicht gut genug reagieren könnten und zu dumm sind Ketten zu bilden? Oder fandest du es einfach doof, dass in die Demo etwas "Eigendynamik" reinkam und sich mal wahrlich hierarchiefrei benommen wurde?

militanz ja, gepose nein

L. Oriot 03.05.2010 - 22:15
@Joe: Ist doch totaler Unsinn, was du hier forderst. Zu keiner Zeit war eine Gefährdung durch Polizeieinheiten gegeben. Warum? Weil schlichtweg keine da war! Keine Greiftrupps, keine Kameras. Nur ein einziger BFE-Trupp als Begleitung locker nebenher mit gebührendem Abstand. Kein einziger Blauer / Grüner hatte Helm auf, Knüppel in der Hand, oder Schild erhoben. Blockformation macht nur Sinn, wenn Gefahrenlage ausreichend ist, genauso Kettenbildung. Ansonsten bleibt die Energie in peinlichem Rumgepose hängen, statt durch freie aufgelockerte Reihen Ausdruck zu finden.

Super Demo. Friedlich, spaßig und trotzdem keine bloße "Spaßdemo", sondern kraftvoll, tollen Inhalten und mit einigem an militantem Potential, sobald es die Lage erfordert hätte. Hat sie aber nicht. Bin ich froh drum.

Ja, echt cooole Fahnen!

asd 04.05.2010 - 08:32
Ich will auch eine. Und ein Shirt und nein paar Leck- und Lümmeltüten mit dem ums Ganze... Geschmack(Turnschuh).

Jippie Jeah!