Solidarität mit Wolfgang Lettow

lesender arbeiter 20.04.2010 02:11 Themen: Medien Repression Soziale Kämpfe
Am Montagabend wurde in Berlin auf einer Veranstaltung über ein Verfahren gegen Wolfgang Lettow, den presserechtlich Verantwortlichen der Publikation Gefangeneninfo, berichtet. Die Zeitschrift wurde 1989 als Hungerstreikinfo gegründet, hieß danach Angehörigeninfo, weil sie von den Angehörigen der politischen Gefangenen aus RAF und Widerstand herausgegeben wurde und seit 2 Jahren Gefangeneninfo. Es berichtet über Kämpfe in den Knästen und über Solidarität.
Insgesamt über 30 gerichtliche Verfahren hatte in das Info in seiner nun 21jährigen Geschichte, berichtete Wolfgang Lettow in Berlin.
Der Stein des Anstoßes bei dem jüngsten Verfahren ist ein Prozessbericht der Ortsgruppe Düsseldorf-Mönchengladbach der Roten Hilfe zum Verfahren gegen Faruk Ereren.
Ihm werden Aktivitäten in der in der Türkei und Deutschland verbotenen Volksbefreiungsfront (DHKPC) vorgeworfen. Ein Teil der Anklageschrift stützt sich aus Ermittlungen der türkischen Justiz, der Menschenrechtler vorwerfen, auch vor Folter nicht zurückzuschrecken.

Diese Erfahrung mussten auch Prozessbeoachter in Düsseldorf in den letzten Monaten öfter machen. Ende Mai 2009 wurden 10 Personen mehr als 1 Stunde im Gerichtsgebäude festgesetzt, weil sie sich durch Parolen mit den Angeklagten solidarisierten. Nun sollen 2 von ihnen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden.
Mit regelmäßigen Prozessberichten soll zumindest etwas Öffentlichkeit hergestellt werden. Denn die Pressebank blieb bisher in dem Düsseldorfer Verfahren meistens leer. Scheinbar war selbst die kleine linke Öffentlichkeit, die durch die Prozessberichte erreicht wurde, für die die Düsseldorfer Justiz zu viel. In dem inkriminierten Text wird geschildert, wie gegen Nuri Eryüksel Beugehaft verhängt wird. Er saß jahrelang in der Türkei in Haft, verlor durch die Folter sein Augenlicht und lernte auch in der Schweiz und Deutschland Gefängnisse von innen kennen. Weil er in dem Düsseldorfer Verfahren die Aussage verweigerte, wurde gegen ihn Beugehaft verhängt. Die Autoren des Prozessberichts kommentieren das Geschehen aus ihrer subjektiven Sicht und sahen in der Maßnahme eine Willkür des Gerichts.
Sie schreiben in ihrem Bericht dem zuständigen Richter nach der Verkündung der Beugehaft eine Bemerkung zu, die von vielen Ohrenzeugen als zynisch empfunden wurde. Dort soll der Richter mit Verweis auf Nuris Erblindung erklärt haben, dass er vielleicht in der Beugehaft zur Besinnung komme. Der Richter bestreitet diese Äußerung. Mehrere ProzessbeobachterInnen, darunter ein Anwalt und ein Vertreter des Komitees für Grundrechte können sich an eine von ihnen als zynisch empfundene Äußerung des Richters erinnern.Wegen dieser Passsage im Prozessbericht wird nun Wolfgang Lettow wegen Verleumdung angeklagt.

Druck auch auf soziale Gefangene steigt

Wie wichtig es ist, Öffentlichkeit über die Knast- und Justizsituation herzustellen, machte Christian Herrgesell vom Komitee für Grundrechte und Demokratie deutlich. Es sind längst nicht nur politische Gefangene, die von Repression betroffen sind, betonte er. Er nannte als Beispiel die Zunahme Drohung mit der Sicherheitsverwahrung, gegen renitente Gefangene. Seit 1998, als die Möglichkeit der Sicherheitsverwahrung im Gesetz festgeschrieben wurde, gab es ca. 7000 Anträge. Obwohl nur ein kleiner Teil genehmigt wurde, ist doch die Drohung für renitente Gefangene immer vorhanden.

Zumal die Gefangenen durch die Mitwirkungspflicht sanktioniert werden. Weigern sie sich, an ihrer Resozialisation mitzuarbeiten, werden sie als sogenannte Risikogruppen knastintern bestraft.

Prozess in Berlin am kommenden Mittwoch

Diese Schilderung macht einmal mehr deutlich, dass eine Publikation wie das Gefangeneninfo gebraucht wird. Wolfgang Lettow ist optimistisch, dass das Info auch den jüngsten Kriminalisierungsversuch gestärkt überleben wird. Der Prozess gegen Wolfgang Lettow wird vor dem Amtsgericht Tiergarten, Turmstr. 91, Raum 769 am 21. 4. 2010 stattfinden. Um 12 Uhr wird es vor dem Eingang des Amtsgericht eine Pressekonferenz geben, wo noch einmal gegen das Verfahren Stellung genommen werden soll.
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Ergänzungen

öffentliche Pressekonferenz

egal 20.04.2010 - 11:26
Einladung zur Verlesung einer Presseerklärung

Am 21. April 2010 um 12.00 Uhr
vor dem Amtsgericht Tiergarten
Turmstr. 91, 10559 Berlin

Zum Prozess gegen das Gefangenen Info

Aufgrund einer Verleumdungsklage findet am 21. April 2010 vor dem Amtsgericht Tiergarten ein Prozess gegen die Antirepressions- und Solidaritätszeitung Gefangenen Info statt. Die Anklage basiert auf einem Prozessbericht, der in dem Gefangenen Info Nr. 348 abgedruckt wurde und in dem es um einen der drei laufenden §129b-Verfahren geht. Im Rahmen der kritischen Berichterstattung zu den §129b-Prozessen in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf druckte das Gefangenen Info im letzten Sommer einen Prozessbericht einer Ortsgruppe der Roten Hilfe ab, bei dem u.a. der vorsitzende Richter in Düsseldorf zitiert wurde. Die Veröffentlichung des besagten Prozessberichts brachte Strafbefehle gegen die Onlinezeitung "Scharf-Links" über 12.000 Euro und dem Gefangenen Info über 2.800 Euro ein. In dem besagten Bericht ging es um die Anhörung des Zeugen Nuri Eryüksel, welcher während seiner Haftzeit und die Folter in der Türkei erblindet war. Er verbrachte außerdem sechs Jahre in deutschen Gefängnissen, weil er wegen „DHKP-C“-Mitgliedschaft verurteilt worden war. An jenem Prozesstag verweigerte Eryüksel einen Teil der Aussagen, woraufhin er einen Monat in Beugehaft genommen wurde.
Da sich das Gefangenen Info durch diese Maßnahme in ihrer Arbeit als kritischer Berichterstatter zensiert fühlt und davon ausgeht, dass diese Anklage dazu dienen soll, die kritische Berichterstattung zu den laufenden "Anti-Terror-Prozessen" einzuschüchtern und dadurch mundtot zu machen, verliest der presserechtliche Verantwortliche des Gefangenen Infos, Wolfgang Lettow, vor Prozessbeginn eine Presseerklärung.

Wolfgang Lettow
Presserechtlicher Verantwortlicher beim Gefangenen Info

Junge Welt von heute

Karl-Heinz 22.04.2010 - 07:22
Schlag gegen kritische Berichterstattung
Redaktion des Gefangenen Info zu Geldstrafe verurteilt. Existenz der Zeitung gefährdet
Von Lenny Reimann, junge Welt 22.4.
Mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à zehn Euro endete am Mittwoch ein Verfahren gegen das Gefangenen Info vor dem Berliner Amtsgericht. Die Antirepressions- und Solidaritätszeitung hatte in einer der zurückliegenden Ausgaben einen Prozeßbericht über ein Paragraph-129-b-Verfahren gegen türkischstämmige Linke in Düsseldorf abgedruckt, in dem unter anderem der dort vorsitzende Richter zitiert wurde. Die kritische Berichterstattung brachte Wolfgang Lettow, dem leitenden Redakteur des Gefangenen Infos, einen Strafbefehl über 2800 Euro wegen angeblicher Verleumdung ein, weil das Düsseldorfer Gericht sich falsch zitiert sah.

Gegen den Strafbefehl hatte Lettow Widerspruch eingelegt. In den 21 Jahren seit Bestehen der Zeitschrift hatte es über 30 Versuche seitens des Staates gegeben, diese mundtot zu machen. »In Anbetracht der Tatsache, daß linke Medienprojekte wie das Gefangenen Info keine kommerziellen Ziele verfolgen und somit nicht über ein dickes Finanzpolster verfügen, gleicht jeder Strafbefehl und jede Geldstrafe einem massiven Angriff, der die Existenz dieses Projektes gefährdet«, so Lettow in einer Prozeßerklärung. Bisher ist noch unklar, ob die Redaktion gegen das Urteil Berufung einlegt.


Spenden: Gefangenen Info, Konto-Nr.: 10382200, BLZ: 20010020, Postbank Hamburg, Stichwort: Prozeß

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