[Tr. Kurdistan] Widerstand gegen Repression

Kurdistaninfo 31.12.2009 03:32 Themen: Antirassismus Militarismus Weltweit
Die Proteste und Straßenschlachten gegen die Repressionswelle weiten sich aus
Die Reaktionen auf die Repression gegen die linke kurdische BDP weiten sich aus. Am 24. Dezember waren bei einer in 11 verschiedenen Regionen gleichzeitig durchgeführten Operation 23 Personen, darunter auch BürgermeisterInnen und MenschenrechtsaktivistInnen in Haft genommen worden. Insgesamt wurden mittlerweile allein in der letzten Woche 49 kurdische PolitikerInnen verhaftet. Viele der Verhafteten sind ehem. Mitglieder der vor kurzem verbotenen kurdischen Demokratischen Gesellschaftspartei DTP. Ihnen wird vorgeworfen Teil einer KCK Struktur in der Türkei zu sein, was unter das Antiterrorgesetz fällt. Es fanden in den letzten drei Tagen u.a. in Batman, Urfa, Erzurum, Mardin, Hakkari, Mersin, Van, İstanbul, Diyarbakır, Izmir und Yüksekova Protesteaktionen statt, an denen sich Tausende beteiligten und die häufig nach Polizeiangriffen in heftige Straßenkämpfe mündeten.

DİYARBAKIR

Auch in Diyarbakır haben heute am 30.12. die Proteste gegen die Repressionswelle angehalten. Der von Repression betroffene Menschenrechtsverein IHD, dessen Ortsvorsitzender Muharrem Erbey verhaftet wurde, wurde von allen StadtteilbürgeisterInnen besucht.

Weiterhin wurde heute in Diyarbakır/Bağlar eine große Demonstration durchgeführt, an der viele tausend Menschen teilnahmen. Es wurden Fahnen der PKK und Bilder von Abdullah Öcalan getragen und Parolen wie „Die KCK ist das Volk und das Volk ist hier“ gerufen.

Nach der Kundgebung formierte sich eine Demonstration. Hunderte vermummte Jugendliche griffen die Polizei, welche den Weg blockierte mit Steinen und Feuerwerkskörpern an. Die Jugendlichen hatten von der Polizei gefordert, dass sie ihre Blockaden räume, als diese das nicht tat entstanden die Kämpfe. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Die DemonstrantInnen antworteten mit Feuerwerk, Steinen und Moölotowckocktails. Ein Panzer ging durch einen Molotowcocktail in Flammen auf und ein weiterer Panzer brannte aus. Durch das Gas der Polizei wurden viele AnwohnerInnen und DemonstrantInnen verletzt. Die Polizei griff ebenfalls an den Auseinandersetzungen unbeteiligte an, welche die Angriffen dann ebenfalls durch Steinwürfe erwiderten. Die aufgebrachte Menge rief dann ebenfalls KCK Parolen. Die AnwohnerInnen warfen aus den Fenstern Zitronen, damit die Jugendlichen das Gas unschädlich machen könnten. Die Polizei beschimpfte die Bevölkerung die auf den Balkonen stand. Es kam ebenfalls zu Auseinandersetzungen mit AnwohnerInnen, als Polizisten ein junges Mädchen festnehmen wollten. Frauen, die vor ihren Häusern gesessen waren griffen ein und versuchten das Mädchen zu befreien. Die Polizisten waren gezwungen von dem Mädchen abzulassen.

Als die Polizei begann willkürlich in Wohnungen Tränengasgranaten zu feuern, wurde eine im 8. Monat schwangere Frau durch das Gas verletzt. Aufgrund der Vergiftung ist sie im Risiko ihr Kind zu verlieren. Sie hatte geschlafen, als sich das Gas in der Wohnung ausbreitete, und drohte zu ersticken. Sie wurde von NachbarInnen gerettet und befindet sich im Moment im Krankenhaus zur Beobachtung.

In Diyarbakır demonstrierten ebenfalls 500 AnwältInnen der Anwaltskammer Diyarbakır gegen die andauernden Rechtsverletzungen am Schwurgerichtshof und die Verhaftungen in Folge der Operationen gegen die BDP. Sie riefen Parolen wie „Schluss mit der ethnischen Diskriminierung vor Gericht.“ Die AnwältInnen, die sonst in diesem Gebäude ein und aus gehen, wurden an diesem Tag nicht in das Staatsanwaltschaftsgebäude gelassen. Nach kurzen Auseinandersetzungen konnten sich die AnwältInnen aber durchsetzen.

Auch in verschiedenen Kreisstädten Diyarbakırs kam es zu Demonstrationen und Aktionen.
In Silvan versammelten sich etwa 1000 Menschen vor dem BDP Kreisbüro. Und riefen Parolen gegen Repression und für die PKK und KCK. Auch in Ergani versammelten sich Hunderte und demonstrierten zur Staatsanwaltschaft. Sie führten einen zehnminütigen Sitzstreik durch. Auch in Çınar fanden Demonstrationen und Straßenblockaden statt.


BATMAN

Die Mitglieder der Gewerkschaft Genel-Iş, die für die Stadtverwaltung in Batman arbeiten und die Mitglieder der Gewerkschaft TÜM BEL-SEN führen seit vier einen Sitzstreik durch, mit dem sie gegen die Verhafttung des BDP Bürgermeisters Nejdet Atalay, der bei den Regionalwahlen im März 60% der Stimmen erhalten hatte, protestierten. Sie wollen die Schärfe und Breite des Protsts bis zur Freilassung des Bürgermeisters kontinuierlich steigern. Auf Plakaten schrieben sie: „Wo ist der Repräsentant von 72.000 Menschen?“, „Wir sind alle Nejdet Atalay“.
Es wurden weitere Kundgebungen von den Vereinigungen der BauingeneurInnen, der ArchitektInnen, der GeologInnen, der ElektrikerInnen, der LandarbeiterInnen, der Angestellten der Chemie und weiteren GewerkschafterInnen durchgeführt, die ebenfalls die Freilassung des Generalsekretärs der Gewerkschaft TMMOB Süleyman Noyan und des BDP Bürgeristers Nejdet Atalay forderten. Sie riefen Parolen wie „Die Repression wird uns nicht einschüchtern.“
Am 29.12. hatten ebnefalls in Batman tausende Frauen die Freilassung des Bürgermisters gefordert. Die Demonstrantinnen trugen Bilder des Bürgermeisters, von Abdullah Öcalan und Fahnen des Demokratischen Konföderalismus. Sie riefen Parolen in Solidarität mit dem Bürgermeister, Öcalan und der PKK.
Eine Anwesende erklärte: „Glauben sie etwa, dass die uns durch Verhaftungen verschwinden lassen können? Auch wenn nur eine Person bliebe, wir setzen unseren Kampf fort. Seit 30 Jahren wenden sie die verschiedensten Methoden an um die KurdInnen auszulöschen. Sie haben uns masskariert, in Gefängnisse geworfen, unsere Dörfer verbrannt. Was auch immer passierte, sie konnten die KurdInnen nicht auslöschen. Im Gegenteil, die Repression hat die organisatorische Kraft der KurdInnen noch gestärkt. Wir haben als Bürgermeister Nejdet Atalay gewählt. An dem Willen der Bevölkerung gibt es keinen Zweifel. Jetzt haben sie den gewählten Bürgermeister verhaftet. Dies ist das Spiel der AKP, der der Ausgang der Regionalwahlen nicht gefällt. Alle Bemühungen der AKP sind ins Leere gelaufen. Sie hat von Öffnung gesprochen, TRT 6 eröffnet (den staatl. Kurd Sender Anm. d. Üs.) aber mit solchen Methoden kann man die KurdInnen nicht betrügen. Wir sind nicht mehr wie früher leicht zu betrügen. Die KurdInnen sind aufgewacht, die kurdische Frau ist aufgewacht und ist jetzt bewusst (...) wenn sie glauben, dass es ihnen etwas bringt, wenn sie unsere gewählten VertreterInnen verhaften, dann täuschen sie sich.“

Schon am, 27.12. hatten hier mehrere tausend Menschen vor der Staatsanwaltschaft demonstriert. Sie drangen, trotz des Versuchs sie durch Panzer und Riotpolizei davon abzuhalten, bis vor das Gebäude vor.

URFA
In Urfa Viranşehir wurde im Rahmen der Protesteein Zelt aufgestellt, in dem ein eintägiger Protsthungerstreik stattfand. Dutzende Personen, darunter auch viele Stadtratsmitglieder nahmen an dem Streik teil. Es wurden die Fotos der Verhafteten BDP Bürgermeisterin von Viranşehir Leyla Güven, und den ebenfalls Verhafteten ehem Bürgermeister Emrullah Cin, dem ehem. DTP Kreisvorsitzenden Adnan Etli aufgehängt.

MARDİN

In Mardin Kızıltepe nahmen am 30.12. ca. 1500 Menschen an einer Protestdemonstration gegen die Repression teil. Viele riefen Parolen für die PKK und gegen die Repression.
Am Tag zuvor war in Nusaybin ebenfalls in der Provinz MArdin eine Protestdemonstration von der Polizei ohne Vorwarnung mit Wasserwerfern und Tränengas angegriffen worden. Die Menschenmenge antwortete mit Molotowcocktails und Steinen. Die Polizei schoss auch Tränengasgranaten in das BDP Zentrum.

YÜKSEKOVA/HAKKARI

Auch in Yüksekova fanden mehrere von Gewerkschaften u.a. von KESK und DISK organisierte Kundgebungen statt. Am 29.12. provozierten Militärs mit Tiefflügen von 4 F-16 Kasmpfjets über die Eröffnungszeremonie des BDP Büros in Yüksekova die zu tausenden anwesende Bevölkerung. Anschließend wurde die Menschenmenge von der Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas angegriffen. Aus protest wurde die Straße zwischen Hakkari und Wan verbarrikadiert. Die Kämpfe dauerten einige Stunden an. Im Rahmen der Proteste der letzten Tage wurden bei mindestens zwei Festgenommenen Folterspuren ärztlich attestiert.
Zuvor war es ebenfalls am 27.12. zu schweren Auseinandersetzungen bei denen zehn Personen verletzt wurden gekommen. Die Polizei musste ein Pnazerfahrzeug fluchtarig verlassen, nachdem es von einer zurückgeworfenen Tränengasgrante durch eine offene Tür getroffen worden war. Ein Polizist wurde verletzt, als er versuchte in Zivilkleidung ProtestiererInnen zu infiltrieren. An den Straßenschlachten beteiligten sich mehrere tausend Menschen. Die Polizei setzte auch scharfe Munition ein.

In Hakkari brannten die ebenfalls die Barrikaden und es kam zu schweren Straßenschlachten, nachdem die Polizei am 28.12. eine an eine Eröffnungsfeier der BDP anschließende Spontandemonstration angegriffen hatte. Es fanden bis in die Nacht hinein an verschiedenen Orten in der Kleinstadt Straßenkämpfe statt. Die Polizei setzte auch scharfe Munition ein. Hier nebelte die Polizei ganze Stadtviertel in Tränengas ein, so dass die BewohnerInnen aus ihren Häusern fliehen mussten.
Auch in Şemdinli in der Provinz Hakkari kam es am 27.12. nach Polizeiangriffen auf DemonstrantInnen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte.

MERSİN

Der IHD in Mersin organisierte ebenfalls eine Kundgebung. An der Kundgebung nahmen zivilgesellschaftliche Organisationen und Abgeordnete verschiedener Parteien teil. Es wurde die Freilassung des Vorsitzenden des Menschenrechtsvereins IHD in Diyarbakır Muharrem Erbey gefordert. Der IHD Sprecher von Mersin erklärte, dass es jetzt in der Türkei eine Straftat sei für Menschenrechte einzutreten. So solle der Kampf um Menschenrechte behindert werden.

ADANA
In Adana Ceyhan fand ebenfalls eine Kundgebung gegen die Repressio n am 27.12. statt. Die TeilnehmerInnen riefen, „Wir sind alle KurdInnen, wir sind alle KCK“

CIZRE
Am 27.12. griff die Polizei gegen die Verhaftungen Protestierende in Cizre an. Die DemonstrantInnen errichteten Barrikaden und reagierten auf die Polizeiangriffe mit Steinen und Molotovcocktails.
ŞIRNAK

In Silopi im Kreis Şırnak kamen am 27.12. tausende Frauen zusammen um gegen die Repression zu protestieren. Sie führten eine Demonstration undter Parolen gegen die Repression und für die PKK und KCK zum BDP Zentrum durch.
Weiterhin fand ebenfalls am 27.12. ein Protestdemonstration in Silopi statt, an der mehrere tausend Menschen teilnahmen. Diese wurde von der Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas angegriffen. Daraufhin entstanden in verschiedenen Stadtvierteln Auseinandersetzungen mit der Polizei.

WAN

In Wan Özalp wurde heute ein Sitzstreik unter Beteiligung des BDP Bürgermeisters und von Stadtratsmitgliedern vor der Stadtverwaltung durchgeführt.

Schon am 27.12. hatten in Wan Stadt 2000 Leute die Freilassung der Verhafteten vor der Staatsanwaltschaft gefordert.

İSTANBUL

In Istanbul protestierten heute zivilgesellschaftliche Organisationen und der Anwaltsverein ÇHD gegen die Repressionswelle gegen die BDP.

Am 27.12. wurde in Istanbul Gaziosmanpaşa eine Protestdemonstration von der Polizei mit Panzern und Tränengas angegriffen. Die Straßenschlacht dauerte mehr als sechs Stunden. Im Rahmen der Auseinandersetzungen brannte ein Polizeipanzer durch Molotowcocktailwürde aus.


IZMIR

In Izmir versammeltensich am 30.12. Hunderte und demonstrierten zur örtlichen AKP Zentrale. Vor dem AKP Büro wurde aus Protest eine Plastikhandschelle und ein schwarzes Spruchband mit der Aufschrift „Êdî bese – Es reicht!“ angebracht. Es nahmen verschiedenste Gruppen an der Aktion teil, darunter die Demokratik Çözüm Platformu, die Friedensmütter, der IHD, die EMEP und die ÖDP, der türkische Friedensrat und sozialistische Gruppen und Parteien. Die ganze Aktion fand unter massiver Präsenz von Aufstandsbekämpfungseinheiten statt. Eine ähnliche Aktion fand ebenfalls in Kocaeli statt.

Quellen:

ANF
DIHA
Yüksekova Haber
Yüksekova Güncel
YÖP
Hakkarihabertv

weitere Informationen unter:

www.nadir.org/isku
 http://kurdistan.blogsport.de/
 http://de.indymedia.org/2009/12/270115.shtml
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Ergänzungen

Contest: geilster Wasserwerfer 09

Internationalist 01.01.2010 - 16:28
Den internationalen Radikalen-Contest "Der schönste Wasserwerfer 09" hat die kurdische Befreiungsbewegung klar gewonnen. Dicken Respekt an die Genossen in Diyarbarkir, wir können viel von euch lernen