Lenzen als UniPräsident durchgezockt (Uni HH)

Hamburg brennt 21.11.2009 03:03 Themen: Blogwire Freiräume Medien Soziale Kämpfe
Hochschulrat und AS ziehen Hau-Ruck-Verfahren durch – Uni Hamburg wird mit Dieter Lenzen nicht glücklich werden
Heute hat der Akademische Senat (AS) der Uni Hamburg Dieter Lenzen als Präsident bestätigt. Alleine der kurzfristig anberaumte Sitzungsort im stark gesicherten DESY in Bahrenfeld spricht Bände – das gesamte Verfahren war nicht auf Demokratie und Transparenz ausgelegt und schließt die Hochschulöffentlichkeit komplett aus. Ein Universitäts-Präsident sollte aber die gesamte Uni vertreten und sich auch dieser vorstellen. Nichts dergleichen ist geschehen, obwohl am Donnerstag mehr als 1.000 Studierende zumindest eine öffentliche Vorstellung verlangten. Viele Studierende und Mitarbeiter_innen der Universität sowie die Besetzer_innen des Audimaxes halten die Bestätigung Lenzens deswegen für falsch – genauso falsch wie das Verfahren oder den Kandidaten Lenzen.

Lenzen selbst gab sich bei seiner Rede vor dem AS gönnerisch: Sinngemäß ließ er verlauten, wenn er mit großer Zustimmung gewählt werde, werde er es machen. Das grenzt an Erpressung. Ganz entschieden wollen wir nochmals die perfide Taktik der Findungskommission unter Leitung Albrecht Wagners kritisieren: Die Streichung von Kandidat_innen von der Shortlist, bevor sich diese vorstellen konnten, verengte jeglichen Handlungsspielraum und setzte alle am Entscheidungsprozess beteiligten unter Druck. Die Logik dahinter ist: Wer diesen, einzigen Kandidaten ablehne, schade der Uni (Friss-oder Stirb-Taktik). Mit dieser banalen Totschlagargumentation wäre jede_r Kandidat_in in diesem „Wahlverfahren“ durchzudrücken gewesen. Von einer Wahl kann man hier jedoch nicht sprechen, denn Wahlen haben immer auch etwas mit Auswahl und Transparenz zu tun. Bekräftigen möchten wir an dieser Stelle auch, dass wir das Gremium Hoschschulrat wegen seiner fehlenden demokratischen Legitimation grundsätzlich ablehnen.

Nach der Bestätigung kamen einige AS-Mitglieder in das besetzte Audimax, verlasen die offizielle Presseerklärung der Uni – die in keiner Silbe den Unmut vieler Uni-Mitglieder über Verfahren oder den Kandidaten erwähnt – und stellten sich den Fragen der Studierenden. Dabei wurde deutlich: Einige AS-Mitglieder haben erhebliche Bedenken mit dem Verfahren gehabt, was sich jedoch nicht in öffentlicher Kritik ausdrückte. Wir halten eine solche Haltung einer „Wahl“ gegenüber für fatal – denn im Nachhinein lässt sich vieles kritisieren, jedoch nicht sofort revidieren. Das AS-Mitglied Prof. Schnapp trug vor, dass die hastige, heutige Ansetzung der AS-Sitzung auch auf die unübersichtlichen Zustände am Donnerstag vor dem Mineralogischen Museum zurück zu führen sei. Dies ist eine fadenscheinige Argumentation, denn hätte es am Donnerstag keinen Protest gegen das Verfahren/den Kandidaten gegeben, wäre Lenzen schon an jenem Tag gewählt und bestätigt worden. Die Aussage lenkt davon ab, dass man sich bewusst nicht an das eigene Verfahren gehalten hat, welches eine Zeitspanne zwischen Wahl des Hochschulrates und Bestätigung des AS vorsieht.

Einige AS-Mitglieder berichteten, dass Dieter Lenzen sie unter anderem deswegen überzeugt habe, weil er behauptete sich für ein demokratisches Hochschulgesetz sowie integrative Strukturen (Was bedeutet das?) an der Uni einzusetzen. In diesem sowie bei anderen kontroversen Punkten bezweifeln wir, dass sich etliche AS-Mitglieder überhaupt gewissenhaft über die Person Lenzen informiert haben. Ein Anruf bei den AS-Mitgliedern der FU Berlin hätte ausgereicht, um zu erfahren, dass diese kontinuierlich nur mit der Androhung der Einschaltung des dortigen Verwaltungsgerichts ihre demokratischen Rechte ausüben können. Das dortige FU-Präsidium unter Dieter Lenzen agiert in Berlin alles andere als „integrativ“. Vielmehr macht Lenzen von der Notstandsgesetz-ähnlichen Erprobungsklausel im Berliner Hochschulgesetz regen Gebrauch – die akademische Selbstverwaltung leidet massiv darunter.

Wir werden unseren Unmut über diese Entscheidung in Energie umwandeln und dafür sorgen, dass Dieter Lenzen hier nicht lange bleiben wird. Besser wäre, wenn er die Wahl gar nicht erst annimmt. Ebenfalls wünschen wir unseren Kommiliton_innen an der FU Berlin, dass er sich auch dort verabschiedet. Keine Uni braucht Dieter Lenzen!

In Hamburg werden nun verschiedene Strategien diskutiert. Sicher ist: Lenzen ist nicht unser Präsident, weshalb wir in Zukunft nur vom „Kandidaten Lenzen“ reden werden.
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Ergänzungen

Mitschnitte + Materialien

Hamburgbrennt 21.11.2009 - 04:44
Auf Youtube gibt es einige Mitschnitte aus der "Anhörung" von gestern Nachmittag/Abend bei Youtube zur Dokumentation:
01 - Einsetzung von Dieter Lenzen - Prof. Schnapp verliest die Presseerklärung des AS -  http://www.youtube.com/watch?v=6-S7OwfSM8U
02 - Einsetzung von Dieter Lenzen - Prof. Schnapp -  http://www.youtube.com/watch?v=DJsNYYnSouQ
03 - Einsetzung von Dieter Lenzen - B. Gildemeister (Juso HSG) zu seinem Abstimmungsverhalten -  http://www.youtube.com/watch?v=11CM8frwW90
04 - Einsetzung von Dieter Lenzen - Ausschnitt aus der Debatte -  http://www.youtube.com/watch?v=eAMTe8Xf2iY

[...]

hm

tagmata 21.11.2009 - 09:25
"Wer diesen, einzigen Kandidaten..."

ist das nicht ein bißchen, ähm, *heikel*, in anbetracht §80 hg hh?
 http://hh.juris.de/hh/HSchulG_HA_P80.htm

insbesondere in anbetracht von abs. 1 satz 1, der da lautet

"Die Präsidentin oder der Präsident wird vom Hochschulrat gewählt..."

wäre interessant, herauszufinden, was die nach §99(3) hg hh offenbar den begriff "gewählt" definierende wahlordnung dazu sagt- (ihr habt doch ne wahlordnung, oder?)

ich mein, so *einen* typen aufstellen und sagen "wenn nicht voll viele dagegen sind, sind alle dafür!" konnten auch die nazis und die kommies - aber das macht die noch lange nicht fdgo-konform.

klar, kann sein daß das alles mittlerweile formaljuristisch koscher ist. (früher wäre das nicht gegangen. soviel zum thema "die bürgerlichen parteien sind eh alle dieselbe bürgerliche scheiße" und "wählen bringt nix". ja, im prinzip stimmt das - *aber...*) aber zu meiner zeit an der uni haben die movers & shakers auch gern mal krumme dinger ausprobiert, einfach nur weil fachschaften und asta ja evtl nicht die eier haben könnten, dagegen vorzugehen. sobald dann gut formuliert eine gerichtliche auseinandersetzung "ins gespräch gebracht" wurde, wurden die dann irgendwie so komisch konziliant... ich weiß auch nicht...

also checkt mal, ob die aktion nicht ganz krass anfechtbar ist. und wenn, skandalisiert es. aber so richtig - macht eine präzedenzklage gegen's system hochschulräte draus (auch wenn unser justizsystem nicht nach präzedenzprinzip arbeitet - unser moralisches tut's ;-) )

der neue Hamburge Uni-Präsi

... 21.11.2009 - 10:45
"Gegenwind bekam Anfang der Woche der Präsident der Freien Universität Berlin, Dieter Lenzen, nach seiner Interview-Äußerung, der Intelligenzquotient türkischer Migranten sei geringer als der der deutschen Bevölkerung. Lenzen führte dies als Ursache für das mäßige Abschneiden der Berliner Schüler beim neuen Pisa-Test an und berief sich dabei auf eine Studie der Universität Hannover."
Welt, 23.07.2005
( http://www.welt.de/wissenschaft/article2107370/Der_Intelligenzquotien
t_der_Tuerken.html)

Kandidat Lenzen schafft auch Hamburg nicht

Langzeitstudi 22.11.2009 - 03:22
Der Hochschulrat hat im Sommer stark an Kraft eingebuesst, als die von ihm gewaehlte, durchgedrueckte (das verfahren war damals auch nicht anders) und gestuetzte Raketen-moni gegen seinen Willen von der Politik entlassen wurde. Dies war hauptsaechlich den Studierendenprotesten zu verdanken, die kontinuierlich an ihrer Absetzung gearbeitet hatten. Ihr langer Atem zahlte sich aus - und soll jetzt mit Lenzen dem Super-Macker gebrochen werden. Wo sie es nicht schaffte kommt halt einer, der an Protest gewohnt ist um den Willen der Studierenden zu brechen.
Lenzen hat jedoch noch nie mit hamburgischem frischem Wind zu tun gehabt - und der ist bekanntlich ein wenig rauer als der in Berlin. Moni-napping war mal in - wie lange wird sich Lenzen unter solchen Umstaenden halten koennen?

Was leider im Artikel fehlt: wieviele haben ihn denn dieses Mal gewaehlt? War das vergleichsweise knapp wie beim letzten Mal?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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sauerei — kolibri

alta!!! — uhh