Das BKA an der FU

geheim 27.10.2009 15:19 Themen: Bildung Repression
Wie Indymedia bereits am 23.10. berichtete*, findet an der Freien Universität Berlin derzeit eine Ringvorlesung zum Thema "Der internationale Terrorismus als Herausforderung des Rechts" statt.
Nach der Auftaktveranstaltung mit Wolfgang Schäuble vergangene Woche konnte am gestrigen Montag der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke seinen Ängsten vor dem politischen Islam, dem so genannten Islamismus, Ausdruck verschaffen.
Wie eine Studentin am betroffenen Jura-Fachbereich berichtete, war schon am Nachmittag spürbar, dass die Veranstalter der Ringvorlesung offenbar in Folge der Störungen letzten Montag nervös waren. Augenscheinlich wurde von der Polizei die Gefahrenprognose geteilt, was die Stationierung von mehreren vollbesetzten Gruppenwagen einer Bereitschaftshundertschaft sowie mehrerer zugehöriger Beamte in Zivil zur Folge hatte. Unmittelbar vor Beginn der Vorlesung übernahmen dann rund ein Dutzend muskulöser Anzugträger den Sicherheitsauftrag für das gesamte Innere des Gebäudes.
Dass der betriebene Aufwand nicht gerechtfertigt war, zeigte sich als Jörg Ziercke um 18:15 Uhr in einem schlecht gefüllten Hörsaal III mit seinem Vortrag unter dem Titel „Haben sich die Terrorismusbekämpfungspakete bewährt?“ begann. Wie schon bei Schäubles schwerwiegend das Thema verfehlender Rede müssen sich auch dieses Mal die kritischen StudentInnen und anderen ZuhörerInnen etwas verschaukelt vorgekommen sein, als nach einer dreiviertel Stunde immer noch kein bisschen sachgerechter Inhalt zu vernehmen war. Jörg Zierckes Wissen präsentierte sich als das eines durchschnittlichen Streifenpolizisten, der vielleicht höchstens noch eine Fortbildung zum Thema Islamismus genießen durfte. Der Vortrag war zwar Stellenweise unterhaltsam, beschränkte sich jedoch auf das simple Darstellen von Statistiken und Schaubildern gefasster und registrierter Krimineller (im Fachjargon offenbar „Terroristen“), deren Umfeld und des Umfeldes des Umfeldes ebenjener. Überzeugt von der Gefahr für die Sicherheit der Menschen wurden die 300 Ermittlungsverfahren gegen „Terroristen“, die 106 „Gefährder“ und 322 „relevanten Personen“ sowie die immerhin 30 in ausländische Kampfhandlung verwickelten (nicht der Bundeswehr angehörigen) Deutschen als Grund für die ca. 17000 Personen umfassende „Antiterrordatei“ des BKAs dargestellt. Um sich jedoch als kritischen aber pflichtbewussten Staatsbürger darzustellen schob Ziercke die Verantwortung für die von ihm forcierten „Antiterrormaßnahmen“ auf seinen Vorredner Schäuble, dem er es schuldig sei, Lösungsvorschläge für Probleme zu produzieren. Für die Einhaltung von Verfassungsstandards übergab er dagegen die Verantwortung an einen seiner Folgeredner, den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar. Ganz im Sinne seiner Erziehung als gewöhnlicher Polizist, der er nun mal ist, passt Eigenverantwortung nicht in sein deutsch-staatstreues Weltbild.

Doch Jörg Ziercke und vor Allem der ihm immanenten Position Harmlosigkeit zu unterstellen wäre falsch und gefährlich. In den nur scheinbar nebenbei gefallenen Aussagen wurde die ganze Tragweite des Kampfes gegen den „politischen Islam“ deutlich. So war zwar das Geständnis zu vernehmen, dass alle bisher versuchten Anschläge in der BRD (i.e. „die Kofferbomber“) nicht durch Überwachung und Gesetzte - also die viel gepriesenen Anti-Terror-Pakete – verhindert wurden, sondern durch pures Glück; wenige Sätze später jedoch stand im Kontext einiger neuer Herausforderungen der Strafverfolgung plötzlich die Frage im Raum, ob es weiterhin tragbar sei, dass jeder seinen Computer verschlüsseln darf.

Der Rest der Präsentation beschränkte sich auf die gewohnten Anliegen à la Vernetzung der Sicherheitsbehörden, Vorverlagerungsstrategie, Grundrechte ausbalancieren. Ganz im Sinne der „exzellenten“ Universität FU bleibt auch der zweite Vortrag der Ringvorlesung der Oberflächlichkeit treu. Mehr Schein als Sein ist nicht nur Jörg Ziercke, sondern auch die ganze glanzvolle Atmosphäre mit prominenten Rednern, großer Ankündigung, geladenen Gästen und grobschlächtigen Securities. Es scheint, als ob der Trubel der letzten Vorlesung weniger dem Interesse am Thema sondern vielmehr der Prominenz des Redners geschuldet war. Der Saal blieb dieses Mal jedenfalls bis zum Ende schlecht belegt.
Doch auch die studentische Politik an der FU hat ihren traurigen Tiefstand erreicht. Niemanden scheint es zu stören, dass hier die Propaganda der herrschenden Klasse auf Hochbetrieb läuft. Wo waren die PolitikstudentInnen, die DatenschützerInnen, die kritischen JuristInnen, die klassenbewussten NaturwissenschaftlerInnen, die Linksradikalen?
Beim Einlass gibt es keine Taschenkontrollen.

Terminankündigung:
Am 16.11. spricht Heinz Fromm, Präsident des Bundesamt für Verfassungsschutz im Rahmen der Ringvorlesung. Thema dieses Mal: „Die Herausforderungen des islamistischen Terrorismus an den Verfassungsschutz“
Plakat:  http://media.de.indymedia.org/media/2009/10//264055.pdf


* http://de.indymedia.org/2009/10/264054.shtml
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Ergänzungen

Protest verschoben

Theo 28.10.2009 - 14:24
Aufgrund der Verschiebung der Spiegel-Veranstaltung "Karriere in der Krise" mit Guttenberg auf unbestimmte Zeit muss der Protest dagegen leider auch auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Nachtrag

Theo 28.10.2009 - 14:28

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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freiburg — auch