Mannheim: Erlebnisbericht zu Demo

AutorIn 27.09.2009 10:39 Themen: Antirassismus Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Gestern fand in Mannheim die erste unangemeldete Demo statt. Aufgerufen hatte das Bündnis "Soziale Revolution". Mein Bericht ist subjektiv und spiegelt meine persönlichen Wahrnehmungen des gestrigen Tages wieder. An einigen Stellen beziehe ich mich kritisch auf den Bericht des Bündnisses. (Blog ). Ich möchte auf die positiven Dinge eingehen, aber verbesserungswürdige Punkte dabei nicht aus den Augen verlieren.
Um 14:00 Uhr strömten aus verschiedenen Richtungen Menschen auf den Paradeplatz und sammelten sich in einem relativ geschlossenen, statischen Blog vor dem C&A, dem offiziell angekündigten Startpunkt.
Innerhalb weniger Sekunden zog vor der Demospitze eine vermummte Sondereinheit der Polizei zusammen mit 4 berittenen Cops auf .
14:03: Noch sind 3 Seiten der Demo offen und es wäre leicht möglich gewesen zu einer Seite auszubrechen.
14:04: Hinter der Demo ziehen ebenfalls berittene Cop auf. Beide Seiten der Demo nach wie vor offen.
14:05: Die Seite zum C&A wird von teils behelmten Einheiten abgeriegelt. Die Seite zum Paradeplatz ist weiterhin offen, ein Ausbruch und spontaner Start der Demo sind noch möglich. Weitere Polizeieinheiten setzen sich im Umfeld in Bewegung.
14:06: Der Kessel ist zu. Ein lustiges Schauspiel beginnt. Die Demospitze beginnt innerhalb des Kessels nach hinten zu schwenken und die Demo läuft innerhalb des Kessels im Kreis. Die begleitenden Polizeieinheiten laufen mit... ein groteskes Schauspiel.
Nach diesem kurzen Intermezzo zieht sich der Kessel enger und die Zeit des Wartens beginnt.
Es gab also ein Zeitfenster von ca 6 Minuten um die Demo selbstbestimmt zu starten. Leider wurde diese Chance unsererseits vergeben.
Dazu der Bündnisbericht: "...Viele der Anwesenden wurden gar nicht erst in den Demonstrationszug gelassen oder durch das massive Polizeiaufgebot abgeschreckt."Mensch könnte auch sagen, dass viele einfach den geschlossenen Kessel kommen sahen und deshalb bewusst außerhalb blieben, um mobil zu bleiben. Das Konzept der Statischen "Ein-Block-Demo" sollte in diesem Zusammenhang kritisch hinterfragt werden.
Die Polizeiführung fordert eine Demoleitung, ansonsten sei ein loslaufen unmöglich. Eine kleine handvoll BürgerInnen macht sich außerhalb der Demo lautstark mit der Forderung bemerkbar die Meschen freizulassen. Nach Diskussionen werden auch immer wieder einzelne Menschen ohne Kontrolle aus dem Kessel gelassen.
Die teils vermummten Gefangenen innerhalb des Kessels, lösen außerhalb bei den BürgerInnen unterschiedliche Reaktionen hervor. Manche verstehen die Notwendigkeit des Vermummens als Selbstsschutz, manche denken die Polizei sei nur so präsent, weil sie die Außenstehenden vor "den vermummten Chaoten" schützen wollen, einige MigrantInnen halten die Demo gar für einen Naziaufmarsch, weil sie sich nicht vorstellen könen, warum eine linke Demo so massiv gekesselt werden sollte. Nach kurzer Erklärung solidarisieren sie sich mit der Demo.
Nun folgte erst einmal Stillstand. Da sich keineR bereiterklärte die Demo anzumelden, war an ein loslaufen nicht zu denken. Außerhalb des Kessels machte die Idee die Runde zur Bindung von Polizeieinheiten eine Spontandemo zu starten. Etwa 30-40 Menschen fanden sich dafür um 14:30 vor dem Kessel ein.
Die lautstark losziehende kleine Demo löste bei den Polizeikräften kurzfristig Verwirrung aus, führte aber leider nicht zur erhofften Lockerung des Kessels, welcher einen Ausbruch der Demo ermöglicht hätte. Nach knapp 100m löste sich die Demo auch schon wieder SELBSTBESTIMMT auf, BEVOR es Polizeikräften möglich war Stellung zu beziehen.
Der erste Spontiversuch war gescheitert.
Es herrschte wieder Stillstand.
Gegen 15:00 Uhr sollte dann die nächste Sponti starten, deren Start dann aber von der Meldung verzögert wurde, die Demo dürfe nun doch auf eine extrem verkürzten Route, im Wanderkessel direkt zum Hauptbahnhof ziehen.
Dazu der Bündnisbericht: "...In Verhandlungen mit der Polizei konnte schließlich, nicht zuletzt aufgrund des großen Drucks der entschlossenen DemonstrationsteilnehmerInnen, eine Route durch die Kapuzinerplanken zum Hauptbahnhof durchgesetzt werden.
Hier könnte mensch auch sagen, dass es der Polizei langsam zu heiß wurde, aufgrund des Risikos von sich frei bewegenden Kleingruppen in der Stadt, und sie deshalb möglichst schnell mit der Demo starten wollten.
Nach kurzer Beratung startete die Sponti trotzdem und zog mit etwa 40-50 Menschen kreuz und quer durch die Mannheimer Quadrate. Es wurden Flyer verteilt und Parolen gerufen. Die Polizei ließ sich nur sporadisch und in weiter Entfernung blicken und hatte diesem "Out-of-Control" Konzept nichts entgegenzusetzen.
Nach dem queren des Demokessels löste sich die Sponti vorerst wieder auf und die TeilnehmerInnen umkreisten den Demokessel, verteilten Flyer und machten gemeinsam mit der Demo lautstark auf sich aufmerksam.
Dazu der Bündnisbericht: "Am Rande versuchten kleinere Gruppen von DemonstrantInnen auch immer wieder Spontandemonstrationen durchzuführen."
Es blieb nicht beim Versuch. Es zeigte sich ziemlich deutlich wie wunderbar Mannheim durch seine Quadrateeinteilung, und die Möglichkeit dazwischen immer wieder in Kaufhäuser abzutauchen, für das "Out-of-Control" Konzept geeignet ist, da es nur sehr wenige Stellen in der Innanstadt gibt an denen eine Kesselung von Kleingruppen überhaupt möglich wäre.
Auf den Kapuzienerplanken sammelten sich immer mehr Menschen außerhalb des Kessels und es formierte sich erneut eine Sponti die mit inzwischen 70-80 Menschen lautstark auf die Planken Richtung Wasserturm zog. Unbehelligt von Polizei und frei von Repression.
Ein Durchbruch der Sponti zu einem Bundeswehrstand am Wasserturm wurde in letzter Sekunde durch aufziehende Spezialkräfte der Polizei verhindert. Die Sponti löste sich wieder auf, um in Kleingruppen zum Hauptbahnhof durchzusickern.
Abschließend lässt sich aus meiner Sicht sagen, dass die Demo in den ersten Minuten massiv Potenzial verschenkt hat. Sehr positiv ist natürlich zu bewerten, dass die unangemeldete Demo durchgesetzt werden konnte, was zeigt dass es möglich ist. Für die Zukunft sollten wir alle intensiv über das "Out-of-Control" Konzept nachdenken und überlegen wie sich dieses in Mannheim praktisch umsetzen lässt. Die gestrigen Spontis rund um den Wanderkessel zeigten, dass es möglich ist und das die Polizei dem nahezu nichts entgegenzusetzen hat.
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Ergänzungen

Erfahrungsbericht aus Mannheim 26.9.

Donggg 27.09.2009 - 13:37
Joa, angefangen hat das ganze um 14 Uhr pünktlich auf dem Paradeplatz. Über den ganzen Platz waren Leute zerstreut und wir warteten dass was passiert, in den Seitengassen waren BFE und Reiterstaffeln präsent. Plötzlich hört mensch einige Parolen und sieht einen Block mit ca 30-40 Leuten aus einer Seitengasse kommen. Wir und der Rest haben schnell geschaltet und reihten uns ein, die erste Reihe hat gewartet bis wir uns formiert hatten. Vielleicht ein Fehler da die Bullen nun auch Zeit hatten zu reagieren und sie die geplante Richtung dichtmachten. Die erste Reihe probierte in die entgegengesetzte Richtung zu laufen was sich mit Pferdestaffeln und ca 300 Leuten im Rücken schwer gestaltete(kein Vorwurf!). Aus einem Kessel der mit ca 300 Polizisten (teils BFE, teils Reiterstaffeln" geschützt war, ließ sich nicht leicht agieren, dachten wir uns (und bestimmt die Demoleitung auch) und probierten irgendwie rauszukommen jedoch stießen Polizisten uns rigoros in die Demo zurück. Nun war der Kessel erstmal zu.

Dadurch dass kein Lauti vorhanden war, (vermutlich wegen zuviel Risiko?) und so nur mit Megaphonen und Weitersagen Infos verteilt werden konnte waren wir im hinteren Eck der Demo verunsichert. Als wir uns jedoch weiter nach vorne bewegt haben haben wir auch mehr mitgekriegt, nämlich dass im Moment über die vorgeschlagene Route der Bullen verhandelt wird. Das ganze Warten tat dem anfänglichen Elan der Demo nicht gut, viele waren nicht sicher was passiert. Irgendwann haben wir die Info gekriegt dass die Leute eine andere Route durchgekriegt hätten (in einem Bullenkessel ausgeliefert, Respekt!) und jetzt die Bullen nur wegen Transpis und Vermummen rumstänkerten.

Irgendwann beschloss die erste Reihe loszulaufen und siehe da - die Bullen sind dann auch gelaufen. So setzte sich der Wanderkessel mit 3 Reihen BFE Spalier (sic!) in Bewegung. Am Anfang wurde eine Öcalan Fahne hochgehalten und die Parole "RAF, PKK - autonome Antifa" gerufen, dieses wurde aber nach anscheinendem Druck des vorderen Teils der Demo unterlassen und die Fahne wurde weggesteckt. Hinten war noch eine Linke-Fahne zu sehen (absurd) die aber dann auch schnell verschwand. So zog die Demo kraftvoll über die Kapuzinerplanken (? hab ich den Berichten entnommen, bin nicht ortskundig). Immer wieder rempelten Bullen bis zu 2 Meter in die Demo und provozierten wie es nur ging. Die Demo wurde seit dem Kessel durchgehend von 4-6 Kameras abgefilmt!!

Nach ca. 45 Minuten kamen wir am Hbf ohne großen Stress an, wir haben uns schon gefreut dass es nochmal gut gegangen ist. Der Wanderkessel hat sich jedoch seitens der Bullen nicht bewegt, wir waren wieder gekesselt. Es wurden im 5 Minuten Takt immer Kleingruppen rausgelassen, bis dann irgendwann die Bullen Richtung Bahnhof öffneten. Wir chillten erstmal bisschen auf dem Vorplatz wo noch immer BFE stationiert war und wollen uns noch was zu essen holen. Wir mussten hierfür an einer sehr lockeren Bullenreihe vorbei ( für was auch immer sie war) und siehe da, es wurde uns mitgeteilt dass die ganze Demo Platzverweiß für die Innenstadt hat und wenn wir das umgehen wollen müssen wir uns ablichten lassen. Nach Personalienkontrolle und Ablehnen des Ablichtens sind wir dann in den Zug zurück gestiegen.


Hinweis

für die Zukunft 27.09.2009 - 15:45
Gerade in solchen Situationen wie am Samstag in Mannheim ist es unheimlich wichtig sich vernünftig anzuziehen. Lasst eure Rucksäcke mit Aufnähern und Buttons zuhause. Nehmt eueren schwarzen Kapu in einer Tasche mit und tragt ihn nicht gleich von Beginn. Versteckt eure bunten Haare...whatever.
In einer belebten Innenstadt wie Mannheim kann viel erreicht werden in dem Mensch von den Bullen nicht gleich als Demonstrant_in erkannt wird.

Keine unangemeldete Demonstration!

Hausjurist :-) 27.09.2009 - 15:47
Wenn man gegenüber dem Ordnungsamt das Stattfinden seiner Demonstration anzeigt, dann handelt es sich damit um eine angemeldete Demonstration. Darüber hinausgehend wurde ja sogar die vorgesehene Route und eine Kontaktnummer angegeben. Dass diese dann verboten, nach Verhandlungen mit der Polizei aber doch durchgesetzt wurde, ist ein zweites Paar Schuhe. Letzteres verdient Anerkennung, wurde so doch dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit (bzw. dem Menschenrecht, sofern man sich nicht auf den Staat als Garant stützen möchte) Geltung verschaffen. Dies ist bei radikalen Demonstrationen jedoch regelmäßig erforderlich. Die Behauptung, zum ersten Mal wäre eine offen beworbene Demonstration in Mannheim unangemeldet durchgesetzt worden, trifft jedoch aufgrund des Gesagten schlicht nicht zu.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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oh je — Buttermilch

300 leute sidn wenig — für mannheim

@buttermilch — ...

@... — muenger

Unangemeldete Demos — Hack-Met

Unangemeldete Demos — Hack-Met

@ "für mannheim" — Blume

out of control — ebenfalls out of control